Trennungsgebot von Geldspielgeräten und Wettautomaten in Gaststätten nicht anwendbar

Oberlandesgericht Frankfurt_aM

Urteil v. 02.05.2019 - Az.: 6 U 85/18

Leitsatz

Trennungsgebot von Geldspielgeräten und Wettautomaten in Gaststätten nicht anwendbar

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 11.04.2018 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hanau abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leiste

Entscheidungsgründe

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat am 02.10.2017 im schriftlichen Vorverfahren ein Versäumnisurteil erlassen, mit welchem der Beklagte verurteilt wurde, es unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd in der eigenen Gaststätte gleichzeitig sowohl Geldspielgeräte als auch Wettautomaten aufzustellen und/oder aufgestellt zu haben. Außerdem wurde der Beklagte verurteilt, an den Kläger Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.242,84 € sowie Detektivkosten in Höhe von 165,00 € und Auskunftskosten in Höhe von 26,00 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.06.2017 zu zahlen.

Das Versäumnisurteil hielt das Landgericht Hanau mit Urteil vom 11. April 2018 aufrecht. Zur Begründung führt es aus, der Kläger sei gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch stehe dem Kläger gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2, 3, 3a UWG in Verbindung mit §§ 21 Abs. 2 Glückspielstaatsvertrag, 1 Abs. 1 Nr. 3 Spielverordnung zu. Das im Glücksspielstaatsvertrag und in der Spielverordnung statuierte Trennungsgebot gelte über seinen reinen Wortlaut hinaus auch für Gaststätten. Denn das Ziel des Glücksspielstaatsvertrages sei es, das Entstehen der Glücksspiel- und Wettsucht zu verhindern und das Spielangebot in diesem Interesse zu begrenzen. Bestünde die räumliche Verknüpfung zwischen Geldautomatenspiel und Sportwettenvermittlung innerhalb einer Gaststätte, berge dies ein ebenso hohes Risikopotenzial wie im Falle einer solchen Verknüpfung in einer Spielhalle.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages könnten keine Geltung beanspruchen, weil das in dem Glücksspielstaatsvertrag statuierte Sportwetten-Monopol und das dort vorgesehene Konzessionsvergabeverfahren unionsrechtwidrig seien.

Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragt der Kläger, den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd in einem Wettbüro Geldspielgeräte aufzustellen und/oder aufgestellt zu haben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung auch insoweit zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus § 1 Spielverordnung.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Der Hauptantrag des Klägers ist nicht begründet, weil ein Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten mit dem Inhalt, in der eigenen Gaststätte nicht gleichzeitig Geldspielgeräte und Wettautomaten aufzustellen und/oder aufgestellt zu haben nicht besteht.

Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG prozessführungsbefugt. Er ist seit Jahren als klagebefugt anerkannt, weshalb der Fortbestand seiner Prozessführungsbefugnis vermutet wird. Die Vermutung ist nicht widerlegt. Der Kläger ist in personeller und finanzieller Hinsicht hinreichend ausgestattet. Er beschäftigt derzeit fünf Vollzeitkräfte und verfügt über Büroräume im Verbändehaus in Berlin. Der Kläger ist in der Lage, seine satzungsmäßigen Aufgaben, die wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder zu fördern, unter anderem durch das Verfolgen unlauteren Verhaltens von Konkurrenten, zu erfüllen. Dies wird durch die Abmahntätigkeit des Klägers belegt.

Auch gehören dem Kläger eine erhebliche Zahl von Unternehmen an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Dies ergibt sich bereits aus den mittelbaren Mitgliedschaften über elf Landesverbände und zwei Fachverbände, die dem Kläger angehören.

Der Unterlassungsanspruch besteht jedoch in der Sache nicht; er folgt insbesondere nicht aus §§ 3, 3a UWG in Verbindung mit § 21 Abs. 2 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV), weshalb es nicht darauf ankommt, ob die von dem Beklagten vertretene Auffassung zutreffend ist, der Glücksspielstaatsvertrag sei insgesamt unionsrechtswidrig.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts gilt das sog. Trennungsgebot nach § 21 Abs. 2 GlüStV nicht für Gaststätten (vgl. bereits Senat, Urteil vom 7.6.2018 – 6 U 91/17; vgl. auch das nach Verkündung des vorliegenden Urteils ergangene Senatsurteil vom 13.06.2019, 6 U 141/18; ebenso OLG München, Urteil vom 31.1.2019 – 6 U 990/18).

Die Vorschrift des § 21 II GlüStV gilt nach ihrem Wortlaut nur für Spielhallen und Spielbanken. Spielhallen sind Unternehmen oder Unternehmensteile, die ausschließlich oder überwiegend den in § 3 VII GlüStV genannten Zwecken dienen. Darunter fallen keine Betriebe, in denen sich zwar Spielgeräte befinden, die jedoch überwiegend anderen Zwecken, etwa – wie Gaststätten – der Bewirtung von Gästen dienen.

Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Begrenzung des Trennungsgebots auf Spielhallen etwa sachlich nicht zu rechtfertigen ist und die Fassung von § 21 II GlüStV daher auf einem offensichtlichen Versehen des Gesetzgebers beruht. Denn die Gefahr, Gerätespieler zusätzlich der Sportwette zuzuführen, ist in einer Spielhalle, die in der Regel zum Spielen aufgesucht wird, größer als in einer Gaststätte, die – auch wenn sich dort Spielgeräte befinden - in der Regel zum Verzehr von Speisen und Getränken aufgesucht wird. Eine analoge Anwendung des § 21 II GlüStV auf Gaststätten scheidet mangels planwidriger Regelungslücke aus. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass dem Gesetzgeber die Unterschiede zwischen Spielhallen und Gaststätten bewusst waren. Die weitere Überlegung, ob nicht gleichwohl das Trennungsgebot auf Gaststätten erstreckt werden sollte, ist rechtspolitischer Art und daher vom Gesetzgeber zu entscheiden.

Etwas anderes lässt sich auch nicht aus § 1 S. 1 Nr. 1 GlüStV ableiten. Verwaltungsgerichte sehen darin zwar teilweise eine Grundlage für eine behördliche Untersagung des gleichzeitigen Vermittelns von Sportwetten und des Aufstellens von Geldspielautomaten in Gaststätten. Das Verschaffen der Möglichkeit zum Wetten und gleichzeitige Geldspielen laufe dem Ziel des Staatsvertrages zuwider, der Glücksspiel- und Wettsucht vorzubeugen und sie zu bekämpfen (Bay. VerwGH, Beschl. v. 24.7.2017, 10 CS 17.1147 – juris; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschl. v. 12.1.2017 – 3 B 135/16). Eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG kann aus dieser allgemeinen Zielsetzung nach § 1 S. 1 Nr. 1 GlüStV allerdings nicht abgeleitet werden. Sie bietet allenfalls eine Grundlage für eine behördliche Ermessensentscheidung (vgl. Senat a.a.O.).

Auch mit dem Hilfsantrag kann die Klage keinen Erfolg haben. Ein entsprechender Unterlassungsanspruch folgt insbesondere nicht aus §§ 3, 3a UWG in Verbindung mit § 1 Spielverordnung. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Spielverordnung dürfen Geldspielgeräte nur in Wettannahmestellen der konzessionierten Buchmacher aufgestellt werden. Die von dem Beklagten betriebene Gaststätte wird nicht dadurch zu einer Wettannahmestelle, dass sich dort ein Wettterminal befindet. Die Frage, wann aus einer Gaststätte ein Wettbüro wird, ist, ebenso wie in der baurechtlichen Rechtsprechung (z.B. OVG NRW, 10 B 589/15) danach zu beurteilen, welche Nutzungsform die prägende ist. Andernfalls, wenn also auch ein einzelner Wettterminal aus einer Gaststätte ein Wettbüro machte, wäre das in § 21 Abs. 2 Glücksspielstaatsvertrag statuierte Trennungsgebot überflüssig.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der für das Berufungsverfahren festgesetzte Streitwert beruht darauf, dass der Hilfsantrag ein weiteres inhaltliches Unterlassungsbegehren enthält.

Die Voraussetzung für eine Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor. Eine Divergenz mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung besteht aus Sicht des Senats nicht, weil diese nicht über die hier zu entscheidenden Fragen zu befinden hatten.