Keine Strafbarkeit bei Sportwetten-Vermittlung mit ausländischer Lizenz
Leitsatz
1. § 284 StGB ist mit dem Europäischem Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren und ist damit keine wirksame Grundlage für eine Strafbarkeit.
2. Die bloße Vermittlung von Sportwetten im Inland für eine ausländische Firma fällt nicht unter die Tathandlungen des § 284 Abs.1 StGB ("veranstalten, halten oder bereitstellen").
3. Es ist fraglich, ob es sich bei Sportwetten angesichts des erheblichen Wissens-Elements überhaupt um Glücksspiel handelt.
4. Da die Zulässigkeit von Sportwetten bis heute rechtlich umstritten ist, liegt ein unvermeidbarer Verbotsirrtum vor.
Tenor
BESCHLUSS
In der Strafsache gegen (...)
wegen Verdachts der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen
wird die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten trägt die Staatskasse.
Sachverhalt
(vgl. Entscheidungsgründe)
Entscheidungsgründe
Mit Anklage vom 03.01.2005 legt die Staatsanwaltschaft dem Angeschuldigten ein Vergehen nach den §§ 284 Abs. l 1. und 3. Alt., Abs. III Nr. l StGB zur Last.
Der Angeschuldigte eröffnete als Betreiber des am 11.05.2004 für die in Österreich ansässige Firma C(...) GmbH eine Annahmestelle für Sportwetten. An den vom Angeschuldigten aufgestellten Tippomatgeräten konnten Kunden Wetten auf die Ergebnisse von Fußballspielen oder anderen sportlichen Ereignissen zu festen Gewinnquoten abschließen.
Hierzu mussten die Benutzer des Wettannahmeterminals die Wetttipps in den Computer eingeben und den Einsatz bar in das Gerät einwerfen. Per Internet wurden die Daten sodann an die Firma C(...) Sportwetten nach Österreich übermittelt.
Sodann erhielt der Kunde einen Wettschein ausgedruckt, der die abgeschlossenen Wetten, den Einsatz sowie den maximalen erzielbaren Gewinn auswies. Hatte der Spieler gewonnen, konnte sich der Wettkunde an dem Terminal einen Gewinnschein ausdrucken und den Gewinn im von dem Angeschuldigten in bar ausbezahlen lassen. Einmal im Monat rechnete der Angeschuldigte mit der Firma C(...) Sportwetten ab und überwies den Gewinnsaldo an diese.
Der Angeschuldigte hatte keine Genehmigung zum Veranstalten von Glückspielen in Baden-Württemberg. Die Firma C(...) ist aber im Besitz einer Konzession für den Abschluss des Wettvertrages der in Österreich zuständigen Behörden.
Nach den bisherigen Ermittlungen ist der Angeschuldigte einer Straftat aus Rechtsgründen nicht hinreichen verdächtig. Einer strafrechtlichen Verurteilung steht das vorrangige Europarecht entgegen, da ein Vorgehen gegen die Vermittlungstätigkeit des Angeschuldigten einen Eingriff in die Grundfreiheiten der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit darstellen würde. Es bestehen auch keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses, die einen solchen Eingriff rechtfertigen, solange in Baden-Württemberg zur fraglichen Zeit ein Monopol für die Durchführung von Sportwetten bestand und die Teilnahme privater Veranstalter am Sportwettenmarkt ausgeschlossen war.
Insoweit wird auf die ausführliche Begründung des Beschlusses des Landgerichts Baden-Baden vom 02.12.2004 (Az: 2 Qs 157/04) verwiesen.
Darüber hinaus scheidet eine Strafbarkeit des Angeschuldigten auch aus anderen Gründen aus:
Nach Ansicht des Gerichts ist der Tatbestand des § 284 StGB nicht erfüllt, da der Angeschuldigte nicht Veranstalter des Glückspiels ist.
Dies ist, wer verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung des Glückspiels schafft und der Bevölkerung dadurch den Abschluss von Spielen unmittelbar ermöglicht (BGH NStZ 03, 372). Vorliegend ist für die Durchführung des Spiels, insbesondere der Festsetzung der Quote organisatorisch und finanziell allein die Firma C(...) verantwortlich. Die Tätigkeiten des Angeschuldigten beschränken sich auf die Weiterleitung der Daten vom Internet an die Firma C(...) und die Auszahlung der Gewinne. Der Angeschuldigte ist daher allein als Vermittler der Sportwetten aufgetreten.
Ebensowenig hat der Angeschuldigte Einrichtungen zum Glücksspiel bereitgestellt. Einrichtungen zum Glücksspiel sind alle Gegenstände, die ihrer Natur nach geeignet und bestimmt sind, zu Glücksspielen benutzt zu werden. Der Tippomat in den Räumen des Angeschuldigten ist kein solcher Gegenstand, da er nur zur Übermittlung dient.
Des weiteren ist bereits fraglich, ob es sich bei den in Rede stehenden Sportwetten überhaupt um ein "Glückspiel" im Sinne des § 284 StGB handelt, wenn man davon ausgeht, dass auf das Ergebnis der Wette bei ausreichender Informationsbeschaffung Einfluss genommen werden-kann und es daher nicht allein vom Zufall abhängt.
Schließlich ist im Zweifel zugunsten des Angeschuldigten anzunehmen, dass er sich in einem Verbotsirrtum befand. Die Frage der Zulässigkeit dieser Sportwetten ist bis heute höchst umstritten. Auf zahlreiche Entscheidungen sowohl von Strafgerichten als auch Verwaltungsgerichten wird insoweit verwiesen, sie liegen der Akte bei.