Keine Prüfpflichten für Kreditkarten-Anbieter bei illegalem Glücksspiel

Landgericht Düsseldorf

Urteil v. 10.10.2019 - Az.: 8 O 398/18

Leitsatz

Keine Prüfpflichten für Kreditkarten-Anbieter bei illegalem Glücksspiel

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i. H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um Erstattungs- und Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Zahlungsabwicklung für die Teilnahme an Online-Glücksspielen.

Der Kläger war in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum Inhaber einer von der Beklagten ausgestellten Kreditkarte. In der Zeit vom 13.06.2015 bis 17.09.2016 nahm der Kläger über Casino-Internetseiten an Glücksspielen teil. Dabei benutzte zur Aufladung seines Guthabens bei dem jeweiligen Anbieter die von der Beklagten ausgegebene Kreditkarte, wofür diese sein Konto entsprechend belastete.

Der Kläger behauptet, es habe sich dabei um illegales Glücksspiel gemäß § 4 GlüStV gehandelt. Er behauptet weiter, die Beklagte habe dies auch bei Einsatz der Kreditkarte gewusst, zumindest sei es für sie erkennbar gewesen. Demgegenüber sei ihm selbst nicht bewusst gewesen, an illegalem Glücksspiel teilzunehmen. Der Kläger ist der Ansicht, soweit seine Einsätze nicht von Ausschüttungen kompensiert worden seien, habe er gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ausgleichszahlung, sei es als Schadensersatzanspruch oder als Anspruch auf Kondiktion der Kontobelastungen. Zum einen habe diese ihre Sorgfaltspflichten aus dem Kreditkartenvertrag missachtet. Zum anderen habe sie sich mit der Belastung seines Kontos rechtsmissbräuchlich verhalten, da die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV verboten sei.

Der Kläger beantragt, nachdem er die ursprüngliche Klage i.H.v. 140,00 EUR zurückgenommen hat, nunmehr noch,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.970,33 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.12.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, selbst wenn der Kläger an illegalem Gücksspiel teilgenommen habe, sei dies für sie jedenfalls nicht erkennbar gewesen. Ferner beruft sie sich auf ein überwiegendes Mitverschulden des Klägers gemäß § 246 BGB, der damit seinerseits die Bedingungen des Kreditkartenvertrages missachtet habe.

Im Übrigen wird auf das wechselseitige schriftsätzliche Vorbringen der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung seiner Verluste aus Einsätzen bei Online-Glücksspielen.

I.

Der Kläger kann seine Ansprüche nicht aus § 280 BGB wegen Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Kreditkartenvertrag herleiten.

1. Wenn das Vertragsunternehmen ordnungsgemäße Belastungsbelege einreicht, darf das Kreditkartenunternehmen die Zahlung an das Vertragsunternehmen grundsätzlich für erforderlich halten, ohne zu prüfen, ob dem Vertragsunternehmen eine wirksame Forderung gegen den Karteninhaber zusteht (BGH, Urteil vom 24. September 2002 - XI ZR 420/01 -, juris Rn. 18).

Soweit der Bundesgerichtshof in einem Fall Kontrollpflichten des Kreditkartenunternehmens angenommen hat, betraf dies zum einen das Verhältnis zwischen Aquirer und Vertragsunternehmen, zum anderen lag der Entscheidung ein besonderer Fall zugrunde, in dem ein Besteller unter Ausnutzung des besonders für Missbrauch anfälligen Mailorderverfahrens mit mehreren Kreditkarten zahlte (BGH, Urteil vom 13.01.2004 - XI ZR 479/02). Diese Konstellation lässt sich nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen. Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof nachfolgend nochmals bekräftigt, dass nur in Ausnahmefällen Warn- und Hinweispflichten der Kreditinstitute zum Schutz ihrer Kunden vor drohenden Schäden bestehen können (BGH, Urteil vom 06. Mai 2008 - XI ZR 56/07 -, juris Rn. 14). Danach hat ein Kreditinstitut, das aufgrund massiver Anhaltspunkte den Verdacht hegt, dass ein Kunde bei der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch eine Straftat einen anderen schädigen will, diesem gegenüber eine Warnpflicht (BGH, Urteil vom 06. Mai 2008 - XI ZR 56/07 - juris, Rn. 15).

2. Derartige massive oder offensichtliche Anhaltspunkte lagen hier nicht vor.

Das Landgericht München hat dazu in einem vergleichbaren Fall ausgeführt, das Kreditkartenunternehmen sei nicht verpflichtet gewesen, die genutzten Glücksspielangebote mit der "WHITE-LIST" der deutschen Bundesländer abzugleichen, um eine evtl. Illegalität zu erkennen. Ein solcher Prüfaufwand gehe über die normale Bearbeitung der Zahlungsvorgänge hinaus und oblag dem Kreditkartenunternehmen gerade nicht. Dieses habe vielmehr von einem rechtstreuen Verhalten des Beklagten ausgehen können und habe nicht mit einem evtl. Verstoß gegen § 285 StGB rechnen müssen. Überdies erscheine eine Überprüfung auch kaum möglich, da zunächst nicht erkennbar ist, von wo aus der Kreditkarteninhaber die Glücksspielangebote angenommen hat und welche Spiele er tatsächlich gespielt hat. Im Ausland ist nämlich eine Vielzahl von Glücksspielangeboten legal. Ebenso wenig sei erkennbar, ob jedes einzelne vom Beklagten wahrgenommene Spiel tatsächlich unerlaubtes Glücksspiel darstellt (LG München I, Urteil vom 28. Februar 2018 - 27 O 11716/17 -, Rn. 30 - 32, juris; bestätigt durch OLG München Verfügung vom 06. Februar 2019 - 19 U 793/18.

Die Kammer schließt sich dieser Argumentation an. Insbesondere wird die White List (Anlage B 7) ständig aktualisiert und ist zudem unstreitig nicht immer vollständig. Ferner ergaben sich für die Beklagte auch nicht aus dem für die Transaktion verwandten Merchant Category Code (MCC) zwingende Anhaltspunkte dafür, dass es sich um illegales Glücksspiel handelte (so aber AG Leverkusen, Urteil vom 19.02.2019, 26 C 46/18, Anlage L 9). Der MCC-Code mit der Nr. 7995 erfasst nämlich auch legale Glücksspielangebote wie Sportwetten und staatliche Lotterien (vgl. Liste der MCC Anlage B 5). Diese Problematik ergibt sich im Übrigen auch aus dem vom Kläger auszugsweise vorgelegten Ergebnisprotokoll zur Konferenz der Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder vom 21.02.2019 (Protokoll S. 6, Anlage L 8), wo hervorgehoben wird, dass gerade die Vermischung von legalen und illegalen Angeboten unter derselben Dachmarke die Trennbarkeit in der Praxis erschwert. Anders mag der Fall zu beurteilen sein, wenn ein Zahlungsdienstleister ein Online-Bezahlsystem speziell für Glücksspiel- und Wettanbieter zur Verfügung stellt und auf seiner Internetseite zudem noch auf solche Anbieter verlinkt (so AG Wiesbaden, Urteil vom 16.06.2017, 92 C 4323/16, Anlage L 10).

II.

Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keine Kondiktionsansprüche aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB.

1. Der Kläger beruft sich ohne Erfolg darauf, die Beklagte habe sein Konto nicht mit den für illegales Online-Glücksspiel aufgewandten Kartenumsätzen belasten dürfen, da ihr insoweit wegen rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme des Klägers kein Aufwendungsersatzanspruch zugestanden habe.

Der zwischen den Parteien geschlossene Kreditkartenvertrag ist als Zahlungsdiensterahmenvertrag im Sinne des § 675 f I BGB zu qualifizieren (BGH Urteil vom 23.10.2014, IX ZR 290/13). Dadurch wird der Kreditunternehmer verpflichtet, die Verbindlichkeiten des Karteninhabers bei Vertragsunternehmen zu tilgen. Kommt er dieser Verpflichtung nach, so steht ihm ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Karteninhaber nach §§ 675 c Abs. 1, 670 BGB zu (BGH, Urteil vom 24. September 2002 - IX ZR 420/01 -, juris Rn. 10).

Damit ist zunächst einmal unerheblich, dass die Transaktionen dem illegalen Glücksspiel dienten. Dies hat für die Wirksamkeit des Kreditkartenvertrags und des damit einhergehenden Anspruchs der Klägerin keine Auswirkungen. Etwaige Einwendungen aus dem Valutaverhältnis kann der Karteninhaber grundsätzlich nur dem Vertragsunternehmen entgegenhalten.

Die Zahlung des Kreditkartenunternehmens an das Vertragsunternehmen ist allerdings ausnahmsweise dann keine Aufwendung, die das Kreditkartenunternehmen für erforderlich halten darf, wenn das Vertragsunternehmen das Kreditkartenunternehmen rechtsmissbräuchlich in Anspruch nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2002 - XI ZR 375/00). Dann ist das Kreditkartenunternehmen zur Zahlungsverweigerung nicht nur berechtigt, sondern aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem Karteninhaber auch verpflichtet. Da das Vertragsunternehmen mit der Unterzeichnung des Belastungsbelegs durch den Karteninhaber einen abstrakten Zahlungsanspruch aus § 780 BGB gegen das Kreditkartenunternehmen erwirbt mit der Folge, daß diesem Anspruch - ähnlich wie beim Akkreditiv - Einwendungen aus dem Valutaverhältnis, vorbehaltlich abweichender vertraglicher Vereinbarungen, nicht entgegengehalten werden können, liegt eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Kreditkartenunternehmens nur vor, wenn das Vertragsunternehmen seine formale Rechtsposition ersichtlich treuwidrig ausnutzt. Das ist nur dann der Fall, wenn offensichtlich oder liquide beweisbar ist, dass dem Vertragsunternehmen eine Forderung aus dem Valutaverhältnis gegen den Karteninhaber nicht zusteht (BGH, Urteil vom 24. September 2002 - XI ZR 420/01 -, BGHZ 152, 75-83, juris Rn. 19).

Ein solcher evidenter Mangel im Valutaverhältnis war für die Beklagte hier gerade nicht erkennbar. Die vorstehenden Ausführungen zu etwaigen Kontrollpflichten für Kreditkartenunternehmen gelten insoweit entsprechend.

2. Ein Aufwendungsersatzanspruch der Beklagten scheitert auch nicht an der Nichtigkeit der Zahlungsautorisierung durch den Kläger. Die Autorisierungen sind nicht nichtig gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 GlüStV.

Das Oberlandesgericht München (Verfügung vom 06. Februar 2019 - 19 U 793/18 -, Rn. 6, juris) hat dazu folgendes ausgeführt: "Zwar stellt die Erweiterung in § 4 Abs. 1 S. 2 des Glücksspielstaatsvertrages klar, dass auch die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten ist. Allerdings ist nach den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag die Regelung des § 4 Abs. 1 S. 2 im Zusammenhang mit den Überwachungsbefugnissen der Glücksspielaufsicht in § 9 zu sehen und erweitert die Möglichkeiten der Inanspruchnahme Dritter als verantwortliche Störer, soweit sie zuvor auf die unerlaubte Mitwirkung an verbotenem Glücksspiel hingewiesen wurden (Erläuterungen zum GlüStV, Stand: 7. Dezember 2011, S. 17). Die Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 dient - so die Motive - der Klarstellung und Konkretisierung von § 4 Abs. 1 Satz 2. Danach können die am Zahlungsverkehr Beteiligten, insbesondere die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute einschließlich E-Geld-Institute (Nr. 4) im Wege einer dynamischen Rechtsverweisung als verantwortliche Störer herangezogen werden, sofern ihnen zuvor die Mitwirkung an unerlaubten Glücksspielangeboten von der Glücksspielaufsichtsbehörde mitgeteilt wurde. Dies setzt voraus, dass der Veranstalter oder Vermittler des unerlaubten Glücksspielangebotes zuvor vergeblich - insbesondere wegen eines Auslandsbezuges - in Anspruch genommen wurde (Erläuterungen zum GlüStV, Stand: 7. Dezember 2011, S. 32)."

Dem schließt sich die Kammer vorbehaltlos an. Aus den Erläuterungen zu § 4 Abs. 1 GlüStV (Anlage B 12, dort S. 17) folgt, dass die Regelungen in § 4 und § 9 im Zusammenhang zu sehen sind (ebenso LG Berlin, Urteil vom 16.04.2019, 37 O 367/18, Anlage B 16; Bolay/Pfütze in Streinz/Liesching/Hambach, Kommentar zum Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien, § 4 Rn. 50, Anlage B 6). Wie in dem vom Oberlandesgericht München entschiedenen Fall ist auch hier nicht ersichtlich, dass das Kreditkartenunternehmen vor Begleichung der entstandenen Forderungen einen derartigen Hinweis durch die Glücksspielaufsicht erhalten hätte oder, dass die Beklagte positiv wusste, dass diese Forderungen auf Einsätzen beim Glücksspiel beruhen.

Ergänzend nimmt die Kammer dabei auch auf die dem Urteil des Oberlandesgericht München zugrunde liegende Entscheidung des Landgerichts München I Bezug, in der es ausführt: "Überdies ist der Schutzzweck gem. § 1 des GlüStV, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken und sicher zu stellen, dass u.a. die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt wird. Dieses Ziel werde geradezu torpediert, wenn davon auszugehen wäre, dass eine Nichtigkeit der Autorisierung von Zahlungsvorgängen vorläge. Dann würde das in der Regel gutgläubige Kreditinstitut auf den Aufwendungen sitzenbleiben und dem Spieler sozusagen einen Freibrief erteilt, weil der verspielte Einsatz sogleich von der Bank erstattet würde und der Spieler keine finanziellen Einbußen oder Risiken eingehen würde. Der Spieler könnte unter diesen Umständen Glücksspiel ohne jegliches finanzielle Risiko ausführen. Es könnte vielmehr ein bösgläubiger Teilnehmer am Glücksspiel, der sich letztendlich nach § 285 StGB strafbar macht, gutgläubige Zahlungsinstitute für rechtswidrige Aktivitäten einspannen" (LG München I, Urteil vom 28. Februar 2018 - 27 O 11716/17 -, Rn. 27, juris).

III.

Schließlich steht dem Beklagten auch kein Schadensersatzanspuch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV zu.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird dazu vollumfänglich auf vorstehende Ausführungen Bezug genommen.

IV.

Mangels eines Anspruchs in der Hauptsache steht dem Kläger auch kein Zinsanspruch zu.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 269 ZPO: Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 7.110,33 EUR festgesetzt.