Ein Abmahnschreiben, das nur per E-Mail als PDF-Anhang verschickt wird, geht erst dann zu, wenn der Empfänger die Datei auch tatsächlich öffnet (OLG Hamm, Beschl. v. 09.03.2022 - Az.: 4 W 119/20).
Der klägerische Anwalt mahnte im Auftrag seiner Mandantin das verklagte Unternehmen ab. Die Abmahnung erfolgte nur per E-Mai.
In der Betreffzeile der elektronischen Nachricht hieß es: "Unser Zeichen: A ./. B 67/20-EU“.
Im Body-Text hieß es:
"Sehr geehrter Herr B,
bitte beachten Sie anliegende Dokumente, die wir Ihnen situationsbedingt zur Entlastung der angespannten Infrastruktur im Versandwesen nur auf elektronischem Wege zur Verfügung stellen.
MfG"
Angehängt waren zwei PDF-Datei. Der eine Dateiname lautete "2020000067EU12984.pdf" und war das anwaltliche Abmahnschreiben, die andere Datei hieß "Unterlassungs.pdf" und beinhaltete die vorformulierte Unterlassungserklärung.
Der Beklagte reagierte auf diese E-Mail nicht, insbesondere öffnete er nicht die PDF-Anhänge.
Daraufhin erwirkte der Kläger eine einstweilige Verfügung.
Der Beklagte wehrte sich jedoch erfolgreich gegen die Übernahme der Kosten, denn er habe keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben:
"Die Kosten des Rechtsstreits sind in entsprechender Anwendung des § 93 ZPO dem Verfügungskläger aufzuerlegen.
Der Verfügungsbeklagte hat dem Verfügungskläger durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Anbringung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegeben. Dem Verfügungsbeklagten kann in diesem Zusammenhang insbesondere nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe auf die Abmahnung des Verfügungsklägers nicht reagiert. Denn das anwaltliche Abmahnschreiben vom 19.03.2020 ist dem Verfügungsbeklagten nicht zugegangen:
Wird – wie im vorliegenden Falle – ein Abmahnschreiben lediglich als Dateianhang zu einer E-Mail versandt, ist es nur und erst dann zugegangen, wenn der E-Mail-Empfänger den Dateianhang auch tatsächlich geöffnet hat (...).
Denn im Hinblick darauf, dass wegen des Virenrisikos allgemein davor gewarnt wird, Anhänge von E-Mails unbekannter Absender zu öffnen, kann von dem Empfänger in einem solchen Fall nicht verlangt werden, den Dateianhang zu öffnen (...).
Es kann mithin im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die in Rede stehenden E-Mails überhaupt im E-Mail-Postfach des Verfügungsbeklagten (dort möglicherweise im „Spam-Ordner“) eingegangen sind. Der Verfügungsbeklagte hat durch Vorlage seiner eidesstattlichen Versicherung vom 08.05.2020 jedenfalls glaubhaft gemacht, dass er von den beiden E-Mails des – ihm zuvor nicht bekannten – Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers keine Kenntnis erlangt und dementsprechend auch den Dateianhang mit dem Abmahnschreiben nicht geöffnet hat."