ArbG Herne: Wann Arbeitgeber in puncto Datenschutz den Arbeitnehmer durch Detektiv observieren darf

Ein Arbeitgeber darf alle Daten speichern und verwenden, die er zur Erfüllung der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast in einem potenziellen Kündigungsschutzprozess benötigt. Dies beinhaltet auch die Observation des Arbeitnehmers durch einen Detektiv (ArbG Herne, Urt. v. 10.12.2021 - Az.: 5 Ca 1495/21).

Im vorliegenden Fall ging es um eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Parteien.

Der Kläger war im öffentlichen Dienst angestellt und ordentlich unkündbar. Als der begründete Verdacht auftrat, dass der Kläger während seiner Arbeitszeit nicht seiner Tätigkeit im Außendienst (Straßenreinigung) nachging, beauftragte der Arbeitgeber einen Detektiv. Dieser beschattete den Kläger an mehreren Tagen und stellte entsprechendes Fehlverhalten fest.

Die Beklagte kündigte dem Kläger außerordentlich. Im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung stellte sich nun die Frage, ob die geheime Observation datenschutzrechtlich zulässig gewesen war.

Das ArbG Herne bejahte diese Frage:

"Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses u.a. dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Durchführung gehört die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt, zur Beendigung im Sinne der Kündigungsvorbereitung die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann (...). Sofern nach § 18 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW zulässig erhobene Daten den Verdacht einer Pflichtverletzung begründen, dürfen sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW auch verarbeitet und genutzt werden (...). Der Arbeitgeber darf deshalb alle Daten speichern und verwenden, die er zur Erfüllung der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast in einem potenziellen Kündigungsschutzprozess benötigt (BAG, a.a.O.)."

Dabei seien jedoch auch die Rechte des Betroffenen zu berücksichtigen:

"In der Datenerhebung durch die Observation lag zugleich jedoch ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Betroffen ist sein von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes informationelles Selbstbestimmungsrecht. Deshalb müssen weitere Aspekte hinzutreten, die ergeben, dass das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung schutzbedürftig ist  (...). Der mit einer Datenerhebung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers muss einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten (...).

Dieser verlangt, dass der Eingriff geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht (....).

Eine verdeckte Ermittlung „ins Blaue hinein“, ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhält, ist unzulässig (...)."

Und weiter:

"Gemessen an diesen Grundsätzen war die verdeckte Überwachung des Klägers und seiner Kollegen durch einen Detektiv im Auftrag der Beklagten zulässig.

Aufgrund des Hinweises der Abteilungsleiterin (...) bestanden konkrete Verdachtsmomente, Beschäftigte der Beklagten könnten eine schwerwiegende Pflichtverletzung in Form eines Arbeitszeitbetruges bzw. einer beharrlichen Arbeitsverweigerung begehen. Eine dienstliche Veranlassung für eine Fahrt das Stadtgebiet B ist nicht erkennbar. (...)

Zur Klärung der Verdachtsmomente standen der Beklagten auch keine anderen Mittel zur Verfügung, als die verdeckte Überwachung des Fahrzeuges. Eine Auswertung des Fahrtenschreibers war insoweit nicht zielführend, als dass durch diesen der Aufenthaltsort des Fahrzeuges nicht aufgezeichnet wird. Wie oben dargelegt, haben es die Mitarbeiter zudem darauf angelegt, durch eine wiederholte Bewegung des Fahrzeuges den Eindruck zu erwecken, sie seien dienstlichen Tätigkeiten nachgegangen.

Demgegenüber erfolgte der Eingriff in das informelle Selbstbestimmungsrecht der Beschäftigten nicht in deren besonders geschützten Privatsphäre. Das Fahrzeug wurde nicht außerhalb der Dienstzeiten, sondern während der Arbeitszeit im öffentlichen Raum beobachtet. Insofern musste der Kläger und seine Kollegen stets mit einer Beobachtung durch Dritte rechnen.

Unter umfassender Abwägung all dieser Umstände steht der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Klägers durch die Überwachung nicht außer Verhältnis zum Zweck der Beweissicherung."