Das Verwenden von Hakenkreuzen auf einem Instagram-Profil ist nur dann nicht strafbar, wenn sich auf Anhieb aus der Abbildung in eindeutiger und offenkundiger Weise die Ablehnung des Verwenders zur NS-Ideologie ergibt (BayOblG München, Urt. v. 07.10.2022 - Az.: 202 StRR 90/22).
Der Angeklagte stellte auf Instagram unterschiedliche Beiträge zum Nahostkonflikt ein, u.a. auch Presseartikel und -beiträge von dritten Personen. U.a. handelte es sich dabei um eine Karikatur mit dem Titel "The irony of Incoming what you once hated".
Die Karikatur zeigte einen Soldaten, der einen Helm mit der Flagge Israels trug und eine vor ihm am Boden liegende, ein Kopftuch tragende Frau mit einem Gewehr bedrohte. Der Soldat blickte dabei zugleich in einen Spiegel, in dem ein Soldat mit Hakenkreuzarmbinde dargestellt war, der lächelnd einen am Boden liegenden Mann mit einem Gewehr bedrohte. Im unteren Übergang von der Zeichnung zum Rand der Karikatur hin wurde mit einem roten Symbolpfeil mit der Aufschrift „vote“ auf folgende Frage hingeleitet: „Trifft die Karikatur die Geschichte auf den Punkt?“ Die als (Strich) Zeichnung im Übrigen in schwarz-weiß gefertigte Karikatur wies für die israelische Flagge eine blaue Kolorierung und für die Hakenkreuzbinde eine das Hakenkreuz auf weißem kreisförmigem Grund rot einfassende Farbe auf.
Das Landgericht sprach den Angeklagten frei, weil eine aufgrund des Schutzzwecks des § 86a Abs. 1 StGB erforderliche Restriktion des Tatbestands erfüllt sei.
Im Rahmen der Revision hat das BayObLG diesen Freispruch nun aufgehoben und klargestellt, dass eine Strafbarkeit vorliege.
Zutreffend sei es, dass nicht jede Verwendung eines Hakenkreuzes strafbar sei:
"Im Ansatz noch zutreffend hat die Berufungskammer erkannt, dass unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Strafvorschrift eine einschränkende Auslegung des § 86a StGB vorzunehmen ist, wenn das Verhalten trotz Erfüllung der Tatbestandsmerkmale dem Zweck der Vorschrift nicht zuwiderläuft.
Zwar setzt die Anwendbarkeit des Straftatbestandes in Bezug auf die Verwendung eines Kennzeichens nicht den Nachweis der Unterstützung verfassungsfeindlicher Ziele, der Ziele der verbotenen Organisation oder einer mit der Verwendung verbundenen Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates voraus. (...) Die weite Fassung des Tatbestandes der als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestalteten Strafrechtsnorm (...) jegliches Verwenden eines solchen Kennzeichens betrifft, würde bei wortgetreuer Auslegung jedoch auch Handlungen erfassen, die diesem Schutzzweck nicht zuwiderlaufen oder sogar in seinem Sinne wirken sollen, was eine Restriktion des Tatbestandes erfordert, die derartige Verwendungen von der Strafbarkeit ausnehmen (vgl. BGH, Urt. v. 15.03.2007 - 3 StR 486/06 [a.a.O.] m.w.N.)."
Erforderlich sei jedoch eine eindeutige und offenkundige Ablehnung der NS-Ideologie:
"Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen kann im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen der Gebrauch eines Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation in einer Darstellung, deren Inhalt in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, dem Schutzzweck ersichtlich nicht zuwiderlaufen und wird daher vom Tatbestand des § 86a StGB nicht erfasst.
Da sich in einem derartigen Fall die gegnerische Zielrichtung bereits aus dem Aussagegehalt der Darstellung selbst ergeben muss, erstreckt sich der Tatbestandsausschluss grundsätzlich auf jeglichen Gebrauch der Kennzeichen.
Auf die Umstände des Gebrauchs kommt es dabei zur Begründung eines Tatbestandsausschlusses nicht an.
Jedoch ist ein Tatbestandsausschluss stets nur dann gerechtfertigt, wenn die Gegnerschaft sich eindeutig und offenkundig ergibt und ein Beobachter sie somit auf Anhieb zu erkennen vermag. Für diese Wertung sind die gesamten Umstände der Tat zu berücksichtigen. Ist dagegen der Aussagegehalt einer Darstellung mehrdeutig oder die Gegnerschaft nur undeutlich erkennbar, ist der Schutzzweck des § 86 a StGB verletzt."
Es spreche viel dafür, dass eine solche Offensichtlichkeit bei dem Instagram-Posting nicht gegeben sei:
"Diese Einschätzung ist schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil sich aus der Karikatur bereits aufgrund ihrer komplexen, auf längere Reflexion des Betrachters angelegten Bildgestaltung (...) gerade nicht schon auf Anhieb als eindeutig und offenkundig erschließt. Dies gilt selbst dann, wenn man statt eines ‚neutralen‘ einen auf die abgehandelte Materie fokussierten, mit den Gesamtumständen bzw. dem politisch-geschichtlichen Kontext also schon vertrauten Betrachter voraussetzte.
Die Abbildung selbst, in die zunächst allenfalls eine Gleichstellung eines israelischen Soldaten mit einem solchen der NS-Diktatur hineininterpretiert werden kann, lässt für den Betrachter noch keineswegs den Schluss einer Gegnerschaft des Verwenders diese Karikatur zum Nationalsozialismus zu. Denn eine Ablehnung der NS-Ideologie wird durch die Gleichstellung als solche noch nicht evident. "
Und weiter:
"Gänzlich außer Acht gelassen hat die Berufungskammer zudem, dass die Karikatur bereits aufgrund ihrer äußeren Gestaltung, aber auch ihres Aussageinhalts, geeignet ist, beim Betrachter den Eindruck einer antisemitischen Intention der dahinterstehenden Personen zu vermitteln.
Die Zeichnung des Soldaten, auf dessen Helm sich eine israelische Flagge befindet, lässt schon für sich genommen durchaus Parallelen zu antisemitisch geprägten Abbildungen in Hetzschriften aus der Zeit des Nationalsozialismus, wie sie etwa in dem Wochenblatt „Der Stürmer“ weit verbreitet waren, erkennen.
Überdies erweckt auch die abwegige, bei Betrachtung der Karikatur ersichtlich werdende Gleichsetzung des Verhaltens staatlicher Organe in Israel mit Vorgängen in deutschen Konzentrationslagern während der NS-Zeit, die wegen der groben Verzerrung der geschichtlichen Fakten aus der Sicht eines Betrachters als Verharmlosung der Shoah aufgefasst werden kann, den Anschein einer antisemitischen Grundhaltung des Verwenders der Karikatur.
Bei Berücksichtigung dieser Umstände liegt eine offenkundige Distanzierung von dem Nationalsozialismus in Deutschland gänzlich fern."