BGH: Fernsehsender haftet für verbotene Glücksspiel-Werbung nur bei offensichtlichen Verstößen

Ein Fernsehsender muss die Glücksspiel-Werbung seiner Kunden grundsätzlich nicht aufwändig rechtlich prüfen, bevor er sie ausstrahlt. Eine Haftung tritt ausnahmsweise nur dann, wenn es sich um grobe und unschwer erkennbare Rechtsverstöße handelt. Eine aufwändige Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Einbeziehung höchstrichterlich ungeklärter Rechtsfragen ist hingegen regelmäßig nicht zumutbar (BGH, Urt. v. 22.07.2021 - Az.: I ZR 194/20).

Es handelte sich um Fernsehspots aus, in denen für Casino- und Automatenspiele auf den Internetseiten "www.onlinecasino.de",  "www.drückglück.de"  und "www.wunderino.de"  geworben wurde. In die Spots wurden die Domainnamen mit einem Bildelement farbig eingeblendet und im gesprochenen Begleittext genannt. Im Bild fand sich in kleiner Schrift der Hinweis, eine Teilnahme sei nur im Geltungsbereich des Glücksspielgesetzes von Schleswig-Holstein möglich.

Durch diese Art werde mittelbar für die in Deutschland verbotenen com-Domains mit geworben. Daher liege ein Rechtsverstoß vor:

"Hinsichtlich der zu unterlassenden Werbung hat der Kläger durch die Bezugnahme auf die konkreten Verletzungsformen verdeutlicht, dass er darunter die Ausstrahlung von Fernsehspots fasst, in denen auf Glücksspielangebote auf genauer bezeichneten Internetseiten hingewiesen wird.

Anders als die Revision meint, dient die Einblendung der Fernsehspots nicht nur der Beschreibung der Werbung für die darin gezeigten Online-Casinospiele und virtuellen Automatenspiele.

Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung klargestellt, dass er die konkreten Verletzungsformen auf den gesamten Unterlassungsantrag und damit auf das Angebot jeglichen nicht erlaubten Glücksspiels bezogen wissen möchte. Hierzu hat er in der Klagebegründung erläutert, dass er in den ausgestrahlten Fernsehspots nicht nur Werbung für die ausdrücklich genannten Internetseiten sieht, sondern zugleich Werbung für Glücksspielangebote auf anderen Internetseiten mit weitgehend übereinstimmenden Domainnamen und ähnlicher Gestaltung.

Dadurch hat er verdeutlicht, auf welchen Sachverhalt er das begehrte Verbot stützt. Die tatsächliche Aufmachung der in Rede stehenden Internetseiten mit den Top-Level-Domains "de" und "com" steht zwischen den Parteien auch nicht im Streit. Soweit zwischen ihnen Uneinigkeit besteht, ob die Fernsehspots als Werbung für die unbenannten Internetseiten anzusehen sind, betrifft ihr Streit die rechtliche Bewertung der tatsächlichen Gegebenheiten."

Der ausstrahlende Fernsehsender hafte jedoch nicht für den vorliegenden Rechtsverstoß:

"Ein Presseunternehmen hat für die Veröffentlichung gesetzwidriger Werbeanzeigen Dritter einzustehen, wenn es gegen seine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht zur Prüfung verstoßen hat, ob die Veröffentlichung der Anzeigen gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Um die Arbeit von Presseunternehmen nicht über Gebühr zu erschweren und die Verantwortlichen nicht zu überfordern, besteht mit Blick auf die Gewährleistung der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG allerdings nur eine eingeschränkte Prüfungspflicht. Sie beschränkt sich auf grobe und unschwer erkennbare Rechtsverstöße (...)"

Und weiter:

"Anhand der vom Berufungsgericht angeführten vorgerichtlichen Hinweise des Klägers war der Beklagten keine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage dahingehend zumutbar, ob die ausgestrahlten Fernsehspots eine Werbung für die nicht genannten Internetseiten "www.onlinecasino-eu.com", "www.drueckglueck.com", "www.wunderino.com" und "www.mrgreen.com" beinhalten.

Den Vorwurf, durch die Fernsehspots seien die Glücksspielangebote auf den Internetseiten "www.onlinecasino-eu.com", "www.drueckglueck.com", "www.wunderino.com" mit bekannt gemacht worden, hat der Kläger erstmals in seiner Abmahnung vom 18. Februar 2019 erhoben.

Soweit er dabei die Namensgleichheit und die unmittelbare Angebotsverknüpfung angeführt hat, hat er auf die automatische Weiterleitung von Nutzern von der "de"-Internetseite auf die "com"-Internetseite abgestellt. Auf die ähnliche Gestaltung der korrespondierenden Internetseiten mit den Top-Level-Domains "de" und "com" sowie ihrer beider Anzeige bei einer zum Auffinden des Angebots genutzten Suchmaschine hat er nicht hingewiesen. Die Beanstandung, durch die Fernsehwerbung für die Internetseite "www.mrgreen.de" werde das Angebot auf der Internetseite "www.mrgreen.com" mitbeworben, hat er erst in der Abmahnung vom 4. Juli 2019 erhoben.

Aufgrund der Hinweise des Klägers musste sich der Beklagten nicht aufdrängen, dass die Fernsehwerbung für die Internetseiten "www.onlinecasino.de", "www.drückglück.de", "www.wunderino.de" oder "www.mrgreen.de" eine unzulässige Werbung für die Internetseiten "www.onlinecasino-eu.com", "www.drueckglueck.com", "www.wunderino.com" oder "www.mrgreen.com" beinhaltet.

Zur Feststellung eines solchen Rechtsverstoßes bedurfte es eingehender rechtlicher Überlegungen anhand einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen, vom Kläger teils nicht vollständig mitgeteilten Umstände, ohne dass die Rechtsfrage einer mittelbaren Werbung höchstrichterlich geklärt war.

Eine solche aufwändige Überprüfung konnte der Beklagten mit Blick auf die Eigenverantwortung der werbenden Glücksspielunternehmen und die eingeschränkten Prüfungspflichten ihrer Tochterunternehmen als Rundfunkveranstalter nicht abverlangt werden. Insoweit kann die wettbewerbsrechtliche Verantwortlichkeit der Beklagten nicht weiter reichen als diejenige der Rundfunkveranstalter, deren wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten sie im Rahmen der Rechtsberatung übernommen hat."