Wettbewerbsrechtliche Mithaftung bei Postwurfsendungen für Glücksspiele
Leitsatz
1. Ein Postunternehmen, das für Wurfsendungen, in denen für ein nicht in Deutschland lizensiertes Glücksspiel geworben wird, verteilt und von diesen Umständen Kenntnis hat, haftet als Gehilfe in Form der Beihilfe. Da vor Durchführung der Auslieferung stets ein Belegstück im Vorwege vorgelegt wird, besteht für das Postunternehmen eine vorherige Überprüfungspflicht.
2. Diese vorherige Überprüfungspflicht verstößt auch nicht gegen das Postgeheimnis.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 17.3.2005 (315 O 950/04) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es im Tenor hinter der Wendung „im Internet“ statt
„mit Unternehmen, die über keine deutsche Erlaubnis für die Durchführung von Glückspielen im Internet verfügen, geworben wird“ heißt:
„mit dem Unternehmen ´Casino-Club´, das über keine deutsche Erlaubnis für die Durchführung von Glücksspielen im Internet verfügt, geworben wird.“
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 109.000,- Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Sachverhalt
(vgl. Entscheidungsgründe)
Entscheidungsgründe
A.
Die Klägerin nimmt die Beklagte, die (...) AG, auf Unterlassung der Verteilung von offenen, nicht adressierten Postwurfsendungen eines Online-Casinos in Anspruch, in denen für unerlaubtes Glückspiel geworben wird.
Die Klägerin ist Komplementärin der Betreibergesellschaften sämtlicher konzessionierter Spielbanken im Bundesland Schleswig-Holstein. Sie ist von diesen Spielbanken außerdem unter dem 30.8.2004 ermächtigt worden, deren sämtlichen Ansprüche, insbesondere Unterlassungsansprüche, gegen die Beklagte außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen (Anlage K 10).
Die Beklagte ist aus dem ehemaligen deutschen Monopolunternehmen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, der (...), hervorgegangen. Sie ist das größte deutsche Unternehmen für Postdienstleistungen. Sie befördert u.a. sog. „Postwurfsendungen“, bei denen es sich nach der Werbung der Beklagten um „unadressierte Werbung“ handelt (Anlage K 13). Die Beförderung von Postwurfsendungen erfolgt nach den folgenden Bedingungen:
Zunächst schließt ein Kunde mit einem Direkt Marketing Center oder dem Geschäftskundenservice der Beklagten einen Rahmenvertrag, in dem die generelle Beförderung von Postwurfsendungen vereinbart wird (Anlage K 11).
Auf der Basis dieses Rahmenvertrages können sodann gegen Entgelt einzelne Aufträge erteilt werden, mit denen Postwurfsendungen in den Großannahmestellen und Center-Filialen in Gebinden zu 100 Exemplaren eingeliefert werden (Anlagen K 11, K 12).
Bei der Einlieferung ist ein Muster der Postwurfsendung als Belegstück abzugeben. In der Informationsbroschüre „Postwurfsendung“ ist festgehalten, dass sich der Kunde mit der Einlieferung von verschlossenen Umhüllungen mit einer stichprobeweisen Öffnung zur Inhaltsprüfung einverstanden erklärt. Dort wird weiter darauf hingewiesen, dass der Inhalt und die äußere Gestaltung von Postwurfsendungen nicht gegen gesetzliche oder behördliche Verbote verstoßen dürfen (Anlage K 14).
Nach den AGB „Brief national“ der Beklagten, die ausweislich der Anlage K 12 auch für Postwurfsendungen gelten, werden für Sendungen, deren Inhalt oder Beförderung gegen ein gesetzliches oder behördliches Verbot verstoßen (sog. ausgeschlossene Güter), keine Beförderungsverträge abgeschlossen (Ziff. 2 (2) 1. der AGB, Anlage K 15). Für den Fall einer Kenntniserlangung der Beklagten nach Übergabe der Sendung wird in Ziff. 2 (4) der AGB die Anfechtung erklärt, weiter ist dort die Berechtigung der Beklagten zur Öffnung und Überprüfung der Sendungen geregelt. Auf die Anlage K 15 wird Bezug genommen.
In den Großannahmestellen und Center-Filialen arbeitet Personal, das für die Annahme von Postwurfsendungen speziell geschult ist (Anlage K 12).
Schließlich werden die Postwurfsendungen durch Mitarbeiter der Beklagten an die Haushalte verteilt, es sei denn, der Empfänger wünscht keine Zustellung und hat am Hausbriefkasten z.B. plakatiert: „Keine Wurfsendungen. Keine Werbung“ (Anlage K 12).
Die Beklagte befördert jährlich mehr als 3,5 Milliarden Postwurfsendungen. Diese werden durch 30.000 verschiedene Absender in Auftrag gegeben (Anlage KE 2).
Am 23.10.2003 fand der Geschäftsführer der Klägerin in seinem Briefkasten die aus der Anlage K 1 ersichtliche Postwurfsendung vor. Die Sendung war nicht adressiert und offen, befand sich also nicht in einem Umschlag. Die Vorder- und Rückseite der auffaltbaren Sendung war wie folgt gestaltet:
(...)
Klappt man die Sendung an der Rückseite auf, so ist im Innenteil unter der Überschrift „Alle Vorteile des (...) Online-Casinos auf einen Blick“ u.a. zu lesen: „Legal und staatlich lizenziert“.
Auf die Anlage K 1 sowie das Original der Werbesendung, die der in diesem Verfahren beigezogenen Verfügungsakte 3 U 49/04 beiliegt, wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
Das beworbene Casino „(...).com“ ist in (...) ansässig (Anlage K 3) und veranstaltet über das Internet Glückspiele wie Roulette und Black Jack über eine u.a deutschsprachige Internetseite, auf der auch ein deutschsprachiger Kundendienst ausgelobt wird (Anlage K 2). Das Casino besitzt keine behördliche Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen in Deutschland.
Nachdem der Geschäftsführer der Klägerin am 23.10.2003 die Beklagte in (...) angerufen und auf die Strafbarkeit der Werbung für in Deutschland nicht konzessionierte Glückspiele hingewiesen hatte (Anlage K 1 der Beiakte, Abmahnung gem. Anlage K 5), schrieb die Beklagte, (...), noch unter dem 23.10.2003 an den Geschäftsführer der Klägerin wie folgt:
„Betrifft Postwurfsendungen
… vielen Dank für Ihre Nachricht.
Die von Ihnen erwähnten Postwurfsendungen wurden über eine unserer Filialen eingeliefert und über unsere Zustellkräfte verteilt.
Da wir im Kundenservice keine Juristen sind, haben wir ein Exemplar dieser Postwurfsendung unserer Rechtsabteilung zugeleitet. Wir bitten um Verständnis, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussagen zu der Rechtmäßigkeit der Sendungen machen können. ..“ (Anlage K 4).
Unter dem 29.10.2003 mahnte die Klägerin die Beklagte ab und wies dabei u.a. darauf hin, dass die beanstandete Werbesendung gegen § 284 IV StGB verstoße (Anlage K 5).
Mit Schreiben vom 5.11.2003 ihrer Abteilung „(...)“ lehnte die Beklagte die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab (Anlage K 6).
Die Klägerin erwirkte daraufhin eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 18.11.2003 (Anlage K 7), die durch Urteil vom 19.2.2004 im Wesentlichen bestätigt wurde (Anlage K 8). Auf die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten einigten sich die Parteien am 19.8.2004 vor dem erkennenden Senat auf einen Vergleich dahingehend, dass die Kostenentscheidung des Verfügungsverfahrens der rechtskräftigen Entscheidung der Hauptsache folgen solle (Anlage K 9).
Im Januar erhielt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen von der Beklagten beförderten und zugestellten, an ihn persönlich adressierten und mit einem Aufdruck „Streng vertraulich!“ versehenen verschlossenen Brief, in dem wiederum Werbung des „(...)" enthalten war (Anlage K 20).
Die Klägerin hat geltend gemacht:
Die Prozessführungsbefugnis folge jedenfalls aus der Ermächtigung, die bereits in der Abtretungserklärung zu sehen sei, sich aber jedenfalls aus der Erklärung K 17 ergebe.
Mit der streitgegenständlichen Wurfsendung werde in strafbarer Weise (§ 284 IV StGB) eine in Deutschland nicht konzessionierte öffentliche Glückspielveranstaltung beworben. Darin liege zugleich ein Verstoß gegen § 1 UWG.
An diesem Wettbewerbsverstoß habe die Beklagte als Störerin mitgewirkt. Es sei allgemein bekannt, dass Konzessionen für Spielbanken in Deutschland nach den Spielbankgesetzen der Länder vergeben würden. Da die Zulassung derartiger Glücksspielveranstaltungen mithin in die Kompetenz der Bundesländer falle, sei ein länderübergreifender Online-Spielbankbetrieb der vorliegenden Art nach geltendem deutschen Recht überhaupt nicht genehmigungsfähig und daher zwingend rechtswidrig. Der Wettbewerbsverstoß sei für die Beklagte also ohne weiteres erkennbar gewesen. Im Übrigen werde über ungenehmigte ausländische Internet-Glücksspielangeboten durch die Medien umfangreich berichtet.
Im Rahmen der Vertragsabwicklung bei Postwurfsendungen sei, was die Beklagte nicht bestritten hat, die streitgegenständliche umschlagslose Werbesendung mehrfach bestimmungsgemäß in den Wahrnehmungsbereich von Mitarbeitern der Beklagten gelangt. Zu beachten sei weiter, dass aufgrund der Antragsfassung allein Postwurf-Werbesendungen des „(...)“ künftig zu untersuchen seien, keinesfalls aber „jede zukünftige Werbesendung“, wie die Beklagte zur Begründung der Unzumutbarkeit ihrer Prüfungspflicht meine. Bei dem „(...)“ sei aufgrund des ausgeübten Gewerbes zudem stets ein Anfangsverdacht für einen neuerlichen Verstoß bei erneuter Werbung in Deutschland angelegt. Schließlich bestehe für die Beklagte die Möglichkeit, den „(...)“ im Rahmenvertrag etwa auf die Werbung mit verschlossenen Postwurfsendungen zu beschränken.
Die Verantwortlichkeit der Beklagten folge zudem aus dem Umstand, dass sie trotz des ausdrücklichen Hinweises der Klägerin, welcher ausweislich der Anlagen K 4 und K 6 der Rechtsabteilung der Beklagten zugeleitet worden sei, nicht tätig geworden sei. Die Beklagte sei jedenfalls seit der positiven Kenntnis des Wettbewerbsverstoßes durch den Hinweis der Klägerin auch aus dem Gesichtspunkt des nachträglich unzureichenden Verhaltens verantwortlich. Bereits aus dem Schreiben gemäß Anlage K 4 ergebe sich, dass es im Unternehmen der Beklagten die konkrete Möglichkeit gebe, die Rechtskonformität von Werbesendungen im Einzelfall zu überprüfen.
Die Beklagte sei an einer Überprüfung der Postwurfsendung nicht durch das Postgeheimnis gehindert, welches für unadressierte offene Sendungen nicht gelte. Im Übrigen würden die Kunden die Beklagte im vorliegend relevanten Rahmen auch vertraglich vom Postgeheimnis entbinden.
Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten bei Vermeidung von Ordnungsmitteln zu verbieten, Faltblätter und/oder Broschüren des Online-Casinos „(...)“ (www.(...).com“) als offene und nicht adressierte Postwurfsendungen zu verteilen bzw. über Zustellkräfte verteilen zu lassen, solange mit der Werbesendung für Glücksspiele (§ 284 StGB) im Internet mit Unternehmen, die über keine deutsche Erlaubnis für die Durchführung von Glückspielen im Internet verfügen, geworben wird.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht:
Es fehle an einer Prozessführungsbefugnis der Klägerin.
Die Klage sei außerdem unbegründet, weil es an den Voraussetzungen einer Störerhaftung der Beklagten fehle.
Die Grundsätze der Störerhaftung seien nicht anwendbar.
Jedenfalls fehle es an einer generellen Prüfungspflicht der Beklagten, da diese dadurch in unzumutbarer Weise und über Gebühr belastet würde. Würde eine Verpflichtung zur Überprüfung des Inhalts jeder einzelnen Postwurfsendung angenommen, würde dies einen gewaltigen technischen und finanziellen Aufwand mit sich bringen. Die Beklagte wäre verpflichtet, gesondert Personal einzustellen, das nur damit beauftragt wäre, eine solche Überprüfung vorzunehmen.
Es müsse sich hierbei um besonders geschultes Personal, idealer Weise um Juristen handeln. Es seien detaillierte juristische Nachforschungen notwendig. Selbst dann sei eine abschließende Prüfung nicht möglich, da ihr, der Beklagten, nicht alle für die Rechtmäßigkeit im Einzelfall maßgeblichen Umstände bekannt sein könnten, wie z.B., ob notwendige behördliche Genehmigungen für ein bestimmtes beworbenes Angebot vorlägen.
Unter diesen Bedingungen könne Postkommunikation als preiswerte Massenkommunikation flächendeckend nicht angeboten werden. Eine Prüfungspflicht würde der Beklagten die Grundlage für eine wirtschaftliche Durchführung ihrer Tätigkeit entziehen und das gesamte Geschäftsmodell in Frage stellen.
Selbst wenn eine generelle Prüfungspflicht zu bejahen sei, fehle es an einer konkreten Prüfungspflicht. Die behauptete Strafwürdigkeit bzw. Wettbewerbswidrigkeit des streitgegenständlichen Flyers sei weder klar bzw. offensichtlich erkennbar gewesen. Prüfungspflichten bestünden aber nur bei völlig eindeutigen und für jedermann erkennbaren Gesetzesverstößen. Jedenfalls Vertriebsmitarbeiter könnten die Voraussetzungen der fehlenden Erlaubnis für Glücksspiel sowie der Anwendbarkeit deutschen Rechts nicht kennen. Die konkrete Ausgestaltung des Flyers erweckte zudem den Anschein der Zulässigkeit.
Selbst wenn auch eine konkrete Prüfungspflicht angenommen werde, so scheide eine Störerhaftung aus, weil die Verhinderung des Wettbewerbsverstoßes der Beklagten rechtlich unmöglich sei. Denn die Beklagte könne ihren Prüfungspflichten nur durch Einsichtnahme in die Sendung erfüllen. Diese Einsichtnahme sei ihr jedoch durch das Postgeheimnis i.S. des § 39 PostG untersagt. Diese Vorschrift sei anwendbar, deren Ausnahmetatbestände seien sämtlich nicht erfüllt. Auch habe der Auftraggeber nicht auf das Postgeheimnis konkludent verzichtet, da hier ein Verdacht des Gesetzesverstoßes erst durch Verletzung des Postgeheimnisses entstehen könne.
Mit Urteil vom 17.3.2005 hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß in vollem Umfang verurteilt.
Gegen das Urteil wendet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und macht ergänzend geltend:
Das Landgericht habe zwar den maßgeblichen Sachverhalt zutreffend festgestellt. Die Beklagte wende sich auch nicht gegen die Bewertung des Landgerichts, dass der „(...)“ mit seiner Werbung gegen § 284 IV StGB verletzt habe.
Die Kammer habe jedoch verkannt, dass im Bereich des Verhaltensunrechts die Störerhaftung nicht anwendbar sei. Eine Haftung der Beklagten sei deshalb nur als Teilnehmerin denkbar, was voraussetze, dass sie jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe. Dies habe die Klägerin aber nicht vorgetragen.
Die Kammer habe ferner verkannt, dass die Beklagte Postsendungen nicht inhaltlich prüfen müsse, auch nicht im Hinblick auf die Verletzung von Strafnormen. Die Begründung einer Prüfungspflicht der Beklagten führe zu einer Verkennung der Regulierungsziele sowohl europäischer als auch nationaler Postnormen, wonach Postkommunikation die Aufgabe als preiswerte Massenkommunikation erfüllen solle.
Die Beschäftigung juristischer Mitarbeiter, die viele Zigtausend verschiedene Postwurfsendungen pro Jahr strafrechtlich überprüfen müssten, stehe nicht im Einklang mit diesen Regulierungszielen. Die Kammer habe darüber hinaus verkannt, dass – selbst wenn man eine solche allgemeine Prüfungspflicht annehmen wolle – diese vorliegend nicht verletzt worden sei, da die Verletzung eines Straftatbestandes nicht klar und augenfällig sei.
Letztlich habe das Landgericht verkannt, dass es einen massiven Eingriff in das Postgeheimnis darstelle, wenn die Beklagte gezwungen würde, in alle durch sie beförderten Sendungen Einsicht zu nehmen, diese inhaltlich zu überprüfen und die Sendung zu verweigern, wenn sie auch nur das Risiko einer Straftat erkenne. Dies liefe auf eine unzulässige Zensur durch die Beklagte hinaus.
Das Landgericht habe verkannt, dass hinsichtlich der Empfänger eine Individualisierungsmöglichkeit vorliege. Der Absender wähle nämlich die Zustellbezirke, in denen Postwurfsendungen verteilt werden sollten, aus. Er nehme diese Auswahl häufig auf Grund soziodemographischer Daten wie Einkommen und Haushaltsgröße vor. Die ausgewählten Adressaten seien damit nicht willkürlich.
Das landgerichtliche Urteil sei in seinem Ergebnis auch nicht dadurch zu rechtfertigen, dass die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr hafte. Eine Haftung unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr sei deshalb ein anderer Streitgegenstand, der in der Berufungsinstanz nicht mehr geltend gemacht werden könne. Durch die Abmahnung sei der vermeintliche Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte nicht begründet worden.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 17. März 2005, Az.: 315 O 950/04, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass es im Antrag hinter der Wendung „im Internet“ statt „mit Unternehmen“ heißen solle: „mit dem Unternehmen ´(...)´“.
Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend macht sie insbesondere geltend:
Bei ihrer Argumentation zur angeblichen Unzumutbarkeit einer Prüfungspflicht übersehe die Beklagte, dass es vorliegend lediglich um Prüfungspflichten hinsichtlich einer groben und offensichtlichen Verletzung des Straftatbestandes des § 284 IV StGB gehe. Es gebe nur wenige Bereiche, in denen die Werbung als von vorneherein problematisch eingestuft werden müsse, etwa Pornografie, Gewaltverherrlichung, Rassismus aber eben auch Glücksspiel. Jeder wisse um das dahinter stehende Gefahrenpotential, kein Normalbürger gehe damit völlig unbefangen um. Bezüglich anderer Rechtsverletzungen möge die Frage des Bestehens zumutbarer Prüfungspflichten für die Beklagte anders zu beurteilen sein.
Soweit die Beklagte mit der Berufungsbegründung erstmals vortrage, dass der Absender bei der Versendung von Postwurfsendungen Zustellbezirke auswählen könne, werde der Vortrag als verspätet gerügt. Im Übrigen ergebe sich aus der bloßen Auswahlmöglichkeit von Zustellbezirken noch keine Individualisierung der Empfänger, es handele sich bei der Auswahlmöglichkeit lediglich um ein Instrument zur Bestimmung des Auftragsumfangs und zur Ausgestaltung der Marketingdienstleistung unter dem Gesichtspunkt der Werbewirksamkeit, ähnlich wie in Presse und Rundfunk. Keinesfalls ergebe sich daraus eine Individualisierung des Adressatenkreises.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung, die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die zum Gegenstand der Verhandlung gemachte Verfügungsakte 3 U 49/04 nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Die Prozessführungsbefugnis der Klägerin ergibt sich jedenfalls aus der Ermächtigungserklärung gemäß Anlage K 17.
II.
Der Unterlassungsantrag ist begründet.
1.
Gegenstand des Unterlassungsantrags ist das Verbot, Faltblätter und/oder Broschüren des Online-Casinos „(...)“ (www.(...).com“) als offene und nicht adressierte Postwurfsendungen zu verteilen bzw. über Zustellkräfte verteilen zu lassen, solange mit der Werbesendung für Glücksspiele (§ 284 StGB) im Internet mit dem Unternehmen „(...)“, das über keine deutsche Erlaubnis für die Durchführung von Glücksspielen im Internet verfügt, geworben wird.
Dieser Antrag abstrahiert zwar von der Werbesendung gemäß Anlage K 1, also von der konkreten Beanstandungsform, beschreibt aber hinreichend das Charakteristische der Verletzungsform.
2.
Der Unterlassungsantrag rechtfertigt sich aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG (§ 1 UWG a.F.), § 284 IV StGB.
a) Ein Verstoß gegen diese Vorschriften liegt vor.
Gem. § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter i.S. von § 3 UWG, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
Die Beklagte hat durch ihre Mitarbeiter die Postwurfsendung gem. Anlage K 1 verbreitet. Bei dieser Sendung handelt es sich, was auch die Beklagte nicht in Abrede stellt, um eine Werbung für ein nicht erlaubtes Glücksspiel i.S. des § 284 IV StGB.
§ 284 IV StGB ist ferner eine gesetzlichen Vorschrift, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (BGH GRUR 2004, 693, 695 – Schöner Wetten m.w.N. Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006, § 4 Rn. 11.178). Auch diese Frage ist zwischen den Partien nicht im Streit.
b) Für diesen Wettbewerbsverstoß haftet die Beklagte als Teilnehmer, nicht lediglich als Störer.
aa) Eine Verantwortlichkeit der Beklagten als Täter liegt hier allerdings nicht vor.
Zwar ist grundsätzlich auch derjenige, der lediglich fremden Wettbewerb fördert (vgl. § 2 I Nr. 1 UWG: „zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens“) als Täter anzusehen (Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2004, § 8 Rn. 2.6). Auch hat die Beklagte hier selbst eine entsprechende Wettbewerbshandlung begangen, indem sie – wie noch näher ausgeführt werden wird – im eigenen wirtschaftlichen Interesse und im Interesse ihres Auftraggebers die werbliche Postwurfsendung verteilt hat. Da jedoch vorliegend auch dieser Auftraggeber selbst vorsätzlich eine Wettbewerbshandlung begangen hat, kommt eine Täterschaft der Beklagten nur in Form der Mittäterschaft in Betracht, die hier mangels gemeinschaftlichem Tatentschluss ausscheiden dürfte. Weiter fehlt es mangels selbständig kausalem Tatbeitrag (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl. 2005, § 830 Rn. 1) auch an einer Nebentäterschaft der Beklagten. Da es im Übrigen wegen des Gesichtspunktes der fehlenden Tatherrschaft grundsätzlich keinen „Täter hinter dem Täter“ gibt, dürfte vorliegend die täterschaftliche Verantwortlichkeit des Auftraggebers „(...)“ eine täterschaftliche Haftung der Beklagten sperren.
bb) Die Beklagte ist jedoch jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe verantwortlich.
Grundsätzlich ist Gehilfe, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlung Hilfe geleistet hat (Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006, § 8 Rn. 2.6 m.w.N.). Für den hier relevanten verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch bedarf dieser Grundsatz allerdings der Modifikation entsprechend der Funktion dieses Anspruchs. Ausreichend, aber auch notwendig für eine Haftung als Teilnehmer ist demnach eine vorsätzliche Mitwirkung an der Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Zuwiderhandlung durch einen anderen (Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006, § 8 Rn. 2.6).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
(1) Eine eigene Wettbewerbshandlung i.S. des § 2 I Nr. 1 UWG ist für eine Beihilfehaftung nicht erforderlich (Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006, § 8 Rn. 2.6), hier aber gleichwohl sowohl unter dem Gesichtspunkt der Förderung fremden Wettbewerbs als auch dem Aspekt der Förderung eigenen Wettbewerbs gegeben.
Die Beklagte schloss mit der in (...) auf den (...) ansässigen Unternehmen „(...).com“ zunächst einen Rahmenvertrag und sodann einen speziell auf die Postwurfsendung gemäß Anlage K 1 bezogenen Vertrag, wonach sie diese Sendung, in der für die Dienstleistung des (...) geworben wurde, in einem festgelegten Gebiet verteilen sollte. Da die Verteilung gegen Entgelt erfolgte, handelte die Beklagte zugleich im eigenen wettbewerblichen Interesse.
(2) Eine vorsätzlich begangene Haupttat liegt vor. Denn „(...)“ hatte Kenntnis von allen relevanten Tatumständen des § 284 IV StGB.
Im Übrigen ist zweifelhaft, ob im Hinblick auf § 4 Nr. 11 UWG überhaupt Vorsatz und Schuld des Haupttäters erforderlich sind. Denn der auf die §§ 3, 4 Nr. 11 gestützte Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch setzt keinen bewusst begangenen Gesetzesverstoß voraus. Es müssen lediglich eine Zuwiderhandlung gegen eine Marktverhaltensregelung und die übrigen Voraussetzungen des § 3 UWG vorliegen. Erforderlich ist letztlich nur, dass der in Anspruch genommene die objektive Zuwiderhandlung selbst begangen hat oder dass sie ihm zuzurechnen ist (Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006, § 4 Rn. 11.52). Es ist keine Kenntnis bzw. kein Kennenmüssen des Gesetzesverstoßes erforderlich; der Unterlassungsanspruch setzt lediglich objektiv rechtswidriges, nicht aber schuldhaftes Verhalten voraus (Köhler a.a.O. Rn. 11.54). Der Unlauterkeitsvorwurf ist kein Schuldvorwurf, sondern knüpft an das objektiv rechtswidrige Marktverhalten an (BGH GRUR 2005, 778, 779 – Atemtest; Köhler a.a.O. R. 11.54).
(3) Ein objektives „Hilfeleisten“ liegt in dem Verbreiten der rechtswidrigen Werbesendung in Deutschland durch die Beklagte.
(4) Auch Beihilfevorsatz liegt vor. Wie bereits ausgeführt, ist es im Hinblick auf die Haftung als Teilnehmer beim Unterlassungsanspruch ausreichend, aber auch notwendig, dass der Gehilfe vorsätzlich an der Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Zuwiderhandlung durch einen anderen mitwirkt (Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006, § 8 Rn. 2.6). Eine Gehilfenstellung setzt zumindest einen bedingten Vorsatz voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (BGH GRUR 2004, 860, 863 f. – Internet-Versteigerung m.w.N.; Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006, § 8 Rn. 2.16). Dem Vorsatz steht es gleich, wenn der Handelnde sich bewusst einer Kenntnisnahme verschließt (Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006, § 8 Rn. 2.16).
Hier wusste die Beklagte, deren Mitarbeiter sowohl bei der Einlieferung der Sendung (Belegexemplar etc.) als auch bei der Beförderung und schließlich der Verteilung jedenfalls die Schauseite der offenen Sendung wahrgenommen haben müssen, dass die Sendung eine Werbung eines Online-Casinos für Internet-Glücksspiel betraf. Damit kannte die Beklagte (§ 166 I BGB) die maßgebenden Tatumstände. Damit liegt der Fall anders als bei der Entscheidung „Internetversteigerung“ des BGH (GRUR 2004, 860), wo der BGH mangels Vorsatz eine Teilnehmerhaftung ausgeschlossen und sodann folgerichtig Störerhaftung geprüft hatte. Denn dort wurden die Angebote ins Internet gestellt, ohne dass die dortige Beklagte dies zur Kenntnis nahm (a.a.O. S. 864). Hier handeln aber durchweg Mitarbeiter der Beklagten, die bestimmungsgemäß Kenntnis von der Sendung nehmen.
Dass sich die Beklagte das Vorliegen einer deutschen Genehmigung des Glückspiels positiv vorgestellt hat, hat sie nicht substantiiert vorgetragen. Letztlich kann dies aber auf sich beruhen. Denn die erforderliche „Bösgläubigkeit“ des Teilnehmers lässt sich durch eine entsprechende substantiierte Aufklärung seitens des Verletzten herbeiführen. Dies bedeutet in der Praxis, dass die (erste) Abmahnung den gutgläubig Handelnden bösgläubig und damit ex nunc verantwortlich machen kann, allerdings ansonsten noch keine weiteren Folgen auslöst, insbesondere keine Haftung für Abmahnkosten nach § 12 I 2 UWG (Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006, § 8 Rn. 2.16).
Vorliegend hat der Geschäftsführer der Klägerin die Beklagte bereits am 23.10.2003 angerufen und auf die Strafbarkeit der Werbung für in Deutschland nicht konzessionierte Glückspiele hingewiesen. Daraufhin ist die Rechtsabteilung der Beklagten zur Prüfung eingeschaltet worden (Anlage K 4). Weiter hat die Klägerin die Beklagte am 29.10.2003 abgemahnt (Anlage K 5). Jedenfalls dadurch ist die Beklagte bösgläubig geworden, was jedenfalls ex nunc, also ab dem 23.10.2003, ihre Verantwortlichkeit als Teilnehmerin für den hier allein maßgebenden, in die Zukunft wirkenden Unterlassungsanspruch ausgelöst hat.
c) Vorliegend ergibt sich auch keine Einschränkung der Teilnehmerhaftung der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der tatsächlichen Unzumutbarkeit.
Die Beklagte macht zu Unrecht geltend, dass ihr eine Überprüfung von Postwurfsendungen nicht zuzumuten sei.
Die Teilnahmehaftung kennt im Grundsatz – anders als die Störerhaftung – keine Einschränkung unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Eine Ausnahme gilt allenfalls dann, wenn es um eine Haftung als Teilnehmer durch Unterlassen geht, denn Voraussetzung dafür ist eine Möglichkeit und Zumutbarkeit der Erfolgsabwendung (vgl. zu solchen Konstellationen, die aufgrund des unvorsätzlichen Verhaltens des jeweiligen Beklagten dort im Rahmen der Störerhaftung problematisiert wurden, BGH GRUR 2004, 860 – Internetversteigerung; BGH GRUR 2004, 619 - kurt-biedenkopf.de). Vorliegend geht es jedoch um Teilnahme durch aktives Tun.
Eine Einschränkung der Teilnehmerhaftung kommt hier auch nicht durch eine entsprechende Anwendung der Grundsätze der eingeschränkten Verantwortlichkeit der Presse für wettbewerbswidrige Anzeigen in Betracht (vgl. dazu jüngst BGH GRUR 2006, 429, 430 – Schlank-Kapseln m.w.N.). Danach beschränkt sich eine Prüfungspflicht nur auf grobe und eindeutige, unschwer erkennbare Wettbewerbsverstöße (vgl. BGH GRUR 2006, 431 – Schlank-Kapseln; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl. 2002, Einf Rn. 254). Diese Grundsätze sind auf die Haftung der Beklagten als Postdienstleistungsunternehmen nicht anwendbar. Das sog. Presseprivileg beruht maßgeblich auf dem Grundrecht der Pressefreiheit gem. Art. 5 I GG und findet seinen Grund darin, dass die Prüfung der Veröffentlichung von Inseraten unter dem Gebot einer raschen Entscheidung steht und unter Berücksichtigung der Eigenart ihrer Tätigkeit an Verleger oder Redakteur keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden dürften (BGH GRUR 2006, 429, 431 – Schlank-Kapseln m.w.N.).
Die Tätigkeit eines Postdienstleisters ist davon grundsätzlich zu unterscheiden. Im Übrigen hat die Beklagte keine durchgreifenden tatsächlichen Umstände vorgetragen, die die Annahme einer tatsächlichen Unzumutbarkeit nahe legen könnten.
Anders als bei der DENIC (vgl. dazu BGH GRUR 2004, 619 – kurt.biedenkopf.de) oder bei Internet-Handelsplattformen (vgl. dazu BGH GRUR 2004, 860 – Internet-Versteigerung) handelt es sich bei der Annahme und Auslieferung von Postwurfsendungen nicht um automatisierte EDV-Vorgänge, bei denen letztlich ohne menschlichen Kontakt lediglich Daten übertragen werden.
Mit dem „(...) verband die Beklagte vielmehr ein Rahmenvertrag, mithin eine Vertragsbeziehung, über die hinreichende Informationen über den Vertragspartner vorliegen. Diese können den Mitarbeitern bei den Annahmestellen zur Verfügung gestellt werden. Weiter wird jede einzelne Postwurfsendung, über die ein weiterer Vertrag geschlossen wird, bei Einlieferungsstellen körperlich angeliefert, es muss ein Belegexemplar übergeben werden, welches ebenfalls überprüft werden kann.
Weiter hält die Beklagte ohnehin geschulte Mitarbeiter in den Annahmestellen vor (Anlage K 12), muss also für die persönliche Entgegennahme von Postwurfsendungen nicht zusätzlich neues Personal einstellen. Da es unstreitig Konstellationen gibt, in denen eine Postwurfsendung nicht befördert werden darf bzw. die Beklagte die Beförderung nach Überprüfung der Sendung ablehnen darf (nämlich bei Verdachtsfällen i.S. des § 39 IV PostG, Ziff. 2 Abs. 2, 4 AGB), gehört es sachlogisch auch zu den generellen Aufgaben dieses Personals, Sendungen zu überprüfen und eine Beförderung ggf. abzulehnen.
Es liegt z.B. auf der Hand, dass etwa eine Postwurfsendung mit erkennbar pornographischem Inhalt nicht befördert werden darf und die Beklagte Personal vorhalten muss und dies unstreitig auch tut, um dies sicherzustellen.
Es ist weder hinreichend substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass es der Beklagten nicht möglich ist, ihre in den Annahmestellen tätigen Mitarbeitern darüber zu informieren, dass Sendungen des Rahmenvertragskunden „(...)“ zu überprüfen und dass bei Feststellung einer Werbung für Glücksspiele, ggf. nach einer kurzen Nachfrage in der Rechtsabteilung, diese Sendungen abzulehnen sind. Dies gilt umso mehr, als die Problematik des Fehlens einer staatlichen Erlaubnis jedenfalls nach der Abmahnung der Klägerin und der Entscheidung des BGH „Schöner Wetten“ (GRUR 2004, 693) geklärt ist.
Die Gegenargumente der Beklagten überzeugen nicht, wenn man – wie es geboten ist – den hier allein maßgebenden Streitgegenstand zugrundelegt. Es geht nicht um die Prüfung aller jährlich anfallenden 3,5 Milliarden Postwurfsendungen, sondern nur um solche des Casino-Club.
Es ist auch nicht erforderlich, alle Postwurfsendungen des Casino-Club zu überprüfen, sondern ausreichend ist allein die Begutachtung des jeweiligen Belegexemplars. Die Beklagte hat nicht nachvollziehbar vortragen, dass es aufgrund der Anzahl eingehender Sendungen bei der für den Casino-Club zuständigen Einlieferungsstelle oder aufgrund sonstiger Umstände für die dortigen Mitarbeiter nicht möglich ist, bei Sendungen des Casino-Club eine Begutachtung des Belegexemplars vorzunehmen und ggf. eine Nachfrage bei Juristen der Rechtsabteilung vorzunehmen.
Nur um Sendungen dieses einen Kunden geht es, ein konkreter Verdacht i.S Ziff. 2 Abs. 4 AGB (Anlage K 19), der eine Überprüfung nahe legt, ergibt sich aus der Abmahnung
d) Eine Einschränkung der Teilnehmerhaftung ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem Gesichtspunkt der rechtlichen Unmöglichkeit der Prüfung.
Die insoweit tatsächlich mögliche Überprüfung ist rechtlich möglich, insbesondere nicht durch das Postgeheimnis untersagt.
Nach dem allein maßgebenden Streitgegenstand geht es weder um „offene Postwurfsendungen“ noch um „nicht adressierte Postwurfsendungen“, sondern allein um „offene und nicht adressierte Postwurfsendungen“. Für solche Sendungen gilt nach Auffassung des Senats das Postgeheimnis nicht.
Dem Postgeheimnis unterfällt nach dem Wortlaut des § 39 I PostG der Inhalt von „Postsendungen“. Postsendungen sind gem. § 4 Nr. 5 iVm Nr. 1 a) PostG u.a. Briefsendungen.
Allein diese kommen hier in Betracht, da Postwurfsendungen nicht dem Wortsinn der Alternativen „Pakete, Bücher, Kataloge, Zeitungen oder Zeitschriften“ i.S. von Nr. 1 b) bzw. c) unterfallen. Briefsendungen sind jedoch gem. § 4 Nr. 2 Satz 1 PostG „adressierte schriftliche Mitteilungen“. Gem. § 4 Nr. 1 Satz 3 PostG sind „Mitteilungen, die den Empfänger nicht mit Namen bezeichnen, sondern lediglich mit einer Sammelbezeichnung von Wohnung oder Geschäftssitz versehen sind, nicht adressiert i.S. des Satzes 1“. Mithin sind Postwurfsendungen, deren Empfänger nicht mit Namen bezeichnet sind, keine Postsendungen i.S. des § 39 I PostG.
So liegt es hier. Die streitgegenständliche Postwurfsendung ist ohne Empfängerbezeichnung versandt worden (vgl. Anlage K 1 dieses Verfahrens bzw. Anlage K 2 der beigezogenen Verfügungsakte). Das Postgeheimnis ist mithin bereits deswegen nicht anwendbar. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die als Anlage K 16 eingereichte Kommentierung von Herdegen (PostG, § 4 Rn. 21 ff.).
Zu Unrecht meint die Beklagte, Postwurfsendungen seien unter § 4 Nr. 1 c) PostG zu subsumieren, so dass es auf die Frage der Adressierung nicht ankomme.
Postwurfsendungen sind weder Bücher noch Kataloge, Zeitungen oder Zeitschriften, so dass der klare Wortlaut von Nr. 1 c) nicht erfüllt ist. Eine analoge Anwendung auf Postwurfsendungen kommt mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht. Denn Postwurfsendungen lassen sich zwanglos unter die Definition der Briefsendung i.S. von § 4 Nr. 2 PostG („schriftliche Mitteilungen“) fassen.
In Nr. 2 dieser Vorschrift sind ausdrücklich nur Kataloge und wiederkehrend erscheinende Druckschriften vom Begriff der Briefsendung ausgenommen, der mithin einen Auffangtatbestand bildet. Eine Ausdehnung des Nr. 1 c) auf alle „Massendrucksachen“ ist deshalb weder vom Wortlaut der Norm noch von deren Systematik nahe gelegt. Auch der Sinn und Zweck spricht dagegen, weil es in Nr. 1 c), wie sich aus der von der Beklagten selbst im EV-Verfahren eingereichten Kommentierung von Herdegen in Anlage BB 1 der Beiakte ergibt, um Presseerzeugnisse geht. Herdegen selbst ordnet die Postwurfsendungen ausdrücklich unter Briefsendungen ein und schreibt unter der Überschrift „Postwurfsendungen und Direktwerbung“ ausdrücklich, dass „unadressierte Sendungen … aus dem Regelungsbereich des PostG“ herausfallen (Anlage K 16, Rn. 21).
3.
Auch die sonstigen Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs sind gegeben. Insbesondere besteht Begehungsgefahr.
Die Begehungsgefahr besteht hier unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr aufgrund der Verbreitung der Sendung vom 23.10.2003.
Auch insoweit kann dahinstehen, ob die Beklagte erst durch den Anruf der Klägerin bzw. der Abmahnung bösgläubig gemacht wurde. Allenfalls könnte in Fällen, wo der Handelnde in nicht vorwerfbarer Weise darauf vertraut hat, sein Verhalten sei objektiv rechtmäßig, die an sich vermutete Wiederholungsgefahr angezweifelt werden, weil nicht ohne weiteres angenommen werden könne, dass der Handelnde nach Belehrung über die wahre Rechtslage sein Verhalten fortsetzen werde. Indessen ist auch hier dem Handelnden zuzumuten, die Wiederholungsgefahr durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auszuschließen (vgl. zum Ganzen Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006, § 4 Rn. 11.54).
Im Übrigen liegt ein solcher Zweifelsfall aufgrund der hier maßgebenden Umstände ohnehin eher fern. Bereits auf den ersten Blick war aus der Schauseite der Sendung selbst ersichtlich, dass es um Werbung für Internet-Glücksspiel ging. Ferner gab bereits der Abschluss des Rahmenvertrages mit einem Online-Casino-Unternehmen mit Sitz auf den (...) über werbliche Postwurfsendungen der Beklagten hinreichend Anlass zu erhöhter Aufmerksamkeit im Hinblick auf die später erteilten Einzelaufträge.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Änderung des Tenors hat klarstellenden Charakter und löst keine Kostentragungspflicht der Klägerin aus.
Eine Zulassung der Revision ist veranlasst (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Teilnehmerhaftung grundsätzliche Bedeutung.