Wertreklame: Schokoladenriegel
Leitsatz
1. Eine gezielt an Kinder und Jugendliche gerichtete Wertreklame, in der die Gewährung von Zugaben bei der sukzessiven Abnahme bestimmter Warenmengen versprochen wird, ist nicht generell wettbewerbswidrig.
2. Eine Werbeaktion, bei der für den Kauf von 25 Schokoladenriegeln während eines längeren Zeitraums ein bei amazon.de einzulösender Gutschein über 5 EUR als Prämie versprochen wird, ist, auch wenn sich die Aktion (auch) gezielt an Kinder und Jugendliche richtet, nicht geeignet, deren geschäftliche Unerfahrenheit auszunutzen.
Hinweis: Die Entscheidung ist durch den BGH (Urt. v. 17.07.2008 - Az.: I ZR 160/05) in der Revision bestätigt worden.
Tenor
In dem Rechtsstreit (...) hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter (...)
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.08.2005 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.10.2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Sachverhalt
(Vgl. Entscheidungsgründe)
Entscheidungsgründe
I.
Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf der Verpackung des Produkts "X" für eine Sammelaktion "hier 25 N-Screens" wie nachfolgend abgebildet zu werben: (...).
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dem Kläger stehe ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG n. F. zu, weil die Kunden in wettbewerbswidriger Weise angelockt würden. Es sei davon auszugehen, dass sich die ausgelobte Sammelaktion in erster Linie an Kinder und Jugendliche richte. Auch nach der Liberalisierung des Zugabe- und Rabattwesens sei es im Wettbewerb besonders verwerflich, mit Zugaben, die auf die Mentalität von Kindern und Jugendlichen zugeschnitten seien, den Kaufanreiz in einem Maße zu verstärken, das die Rationalität der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund treten lasse.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte ist der Auffassung, das Landgericht habe nicht davon ausgehen dürfen, dass sich die beanstandete Werbeaktion in erster Linie an Kinder und Jugendliche richte. Sie weist in diesem Zusammenhang erneut auf das von ihr bereits in der 1. Instanz vorgelegte Gutachten der Gesellschaft für Konsumforschung hin, wonach die von die Werbeaktion einbezogenen Schokoriegel "Y" und "X" in erster Linie von der Gruppe der 40 bis 49-Jährigen, gefolgt von der Gruppe der 30 bis 39-Jährigen, konsumiert würden. Auch würden von einem Gutschein für einen Einkauf bei dem Internet-Anbieter amazon.de im Wert von EUR 5,-- keineswegs in erster Linie Kinder und Jugendliche, sondern ebenso Erwachsene angesprochen.
Mit Rücksicht auf den Wegfall der Zugabeverordnung verstoße die beanstandete Wettbewerbshandlung weder gegen § 4 Nr. 1 noch gegen § 4 Nr. 2 UWG.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Die in die Zukunft gerichtete Unterlassungsklage hätte nur dann Erfolg gehabt, wenn die beanstandete Werbeaktion unlauter im Sinne von §§ 3, 4 UWG n. F. wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Gemäß § 4 Nr. 2 UWG ist eine Wettbewerbshandlung unlauter, die geeignet ist, die geschäftliche Unerfahrenheit insbesondere von Kindern und Jugendlichen auszunutzen.
Dies setzt zunächst voraus, dass sich die Werbung - zumindest auch gezielt an Kinder und Jugendliche wendet (Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage, § 4 Rz. 2.16; Urteil des Senats vom 12.05.2005, Az. 6 U 24/05, S. 4 = MD 2005, 760 ff.), was nach dem Empfängerhorizont zu beurteilen und im vorliegenden Fall bereits sehr zweifelhaft ist.
An der Gutscheinaktion der Beklagten nehmen neben dem Schokoriegel "X" vier weitere Produkte der Beklagten teil, nämlich "X ...", "Z", "Z ..." und "Y". Die Beklagte hat ein Gutachten der Gesellschaft für Konsumforschung vorgelegt, aus welchem sich ergibt, dass die von der Werbeaktion einbezogenen Schokoriegel "Y" und "X" in erster Linie von der Gruppe der 40- bis 49-Jährigen, gefolgt von der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen, gekauft werden. Auch der Riegel "Z" ist kein typisches Kinderprodukt. Der ausgelobte Gutschein gilt für einen Einkauf bei amazon.de, einem Internet-Anbieter, dessen Produktpalette an Büchern, CDs, DVDs und anderem sich zwar auch an Kinder, aber in erster Linie an Erwachsene richtet.
Ein gewisses Indiz dafür, dass sich die Werbeaktion (auch) gezielt an Kinder und Jugendliche richtet, könnte in dem Umstand zu sehen sein, dass die Verbraucher in dem Text auf der Verpackung, welcher die Einzelheiten der Sammelaktion erläutert, mit "Du" angeredet werden (dafür: Harte/Henning-Stuckel, UWG, § 4 Nr. 2, Rn. 8) und die zu sammelnden "Screens" auf eine Kinder ansprechende Weise gezeichnet sind. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die Anrede "Du" in der Werbung durchaus auch gebraucht wird, wenn Erwachsene gemeint sind ("Wohnst Du noch oder lebst Du schon?") und auch an Erwachsene gerichtete Werbung bisweilen durchaus infantile Züge trägt.
Es kann jedoch zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Werbeaktion am Maßstab des § 4 Nr. 2 UWG zu messen ist, weil sie auch danach nicht unlauter ist. Die Werbeaktion ist nicht geeignet, die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern oder Jugendlichen auszunutzen.
Von geschäftlicher Unerfahrenheit ist bei Kindern und Jugendlichen stets auszugehen, da sie typischerweise noch nicht in ausreichendem Maße in der Lage sind, Warenangebote kritisch zu beurteilen. Kinder und Jugendliche neigen dazu, gefühlsmäßig und spontan zu entscheiden (vgl. Baumbach/Hefermehl-Köhler, a.a.O., § 4 UWG, Rdnr. 2.17 m.w.N.), wobei allerdings der alterstypischen Entwicklung entsprechend graduell zu differenzieren ist (vgl. Fezer-Scherer, UWG, § 4-2, Rdnr. 111 f., 146).
Mit der Feststellung geschäftlicher Unerfahrenheit ist nicht zugleich gesagt, dass jede Werbung, die sich gezielt an Kinder und Jugendliche als Verbrauchergruppe wendet und deren Kaufentscheidung - dem Wesen der Werbung entsprechend - beeinflussen soll, damit zugleich auch geeignet ist, die geschäftliche Unerfahrenheit auszunutzen (vgl. Baumbach/ Hefermehl-Köhler, a.a.O.). Eine solche Eignung ist im vorliegenden Fall zu verneinen.
Das Gesetz lässt zur Erfüllung des in § 4 Nr. 2 UWG normierten Unlauterkeitstatbestands die Eignung der vorgenommenen Wettbewerbshandlung zur Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit genügen. Dies erspart dem Anspruchsteller im Streitfall den Beweis, dass tatsächlich die geschäftliche Unerfahrenheit von Mitgliedern des geschützten Personenkreises ausgenutzt wurde (vgl. - zu § 4 Nr. 1 UWG - Baumbach/Hefermehl-Köhler, § 4 UWG, Rdnr. 1.8; Plaß in HK-WettbR, § 4 UWG, Rdnr. 52). Aus der Formulierung des Gesetzes kann jedoch nicht gefolgert werden, dass schon eine eher fernliegende, nur unter besonderen Umständen in Betracht kommende Möglichkeit der Ausnutzung geschäftlicher Unerfahrenheit ausreichen würde. Entscheidend ist vielmehr, ob die Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit eines durchschnittlich aufmerksamen und verständigen Mitglieds der angesprochenen Altersgruppe durch die beanstandete Werbung objektiv wahrscheinlich ist.
Werbeaktionen der vorliegenden Art berühren die Rationalität der Nachfrageentscheidung insofern, als sie eine einfache Gegenüberstellung von Preis und Gegenwert erschweren. Um den Wert einer Zugabe, die in der Gewährung einer bestimmten Anzahl von Sammelpunkten besteht, einschätzen zu können, muss neben dem Wert der ausgelobten Prämie auch beurteilt werden, welcher Kaufeinsatz insgesamt notwendig ist, um eine solche Prämie zu erhalten. Anschließend stellt sich die Frage, ob dieser Kaufeinsatz den eigenen Bedürfnissen und finanziellen Möglichkeiten angemessen ist.
Damit ergibt sich für Kinder, die eher spontan und gefühlsmäßig entscheiden als Erwachsene, ein grundlegendes Transparenzproblem. Allerdings hat dies von vornherein keine Auswirkungen auf die Dispositionen solcher Kinder, die ohnehin nur an dem Produkt als solchem interessiert sind und in der Sammelaktion keinen wesentlichen Kaufanreiz sehen. Soweit hingegen gerade die Sammelaktion als ein für die Kaufentscheidung bedeutsamer Gesichtspunkt empfunden wird, bleibt festzuhalten, dass eine rationale Nachfrageentscheidung erschwert ist.
Die Vor- und Nachteile der Kaufentscheidung ließen sich leichter abwägen, wenn es nicht um den sukzessiven Erwerb einer bestimmten Warenmenge ginge, wenn also zum Beispiel die an der Prämie interessierten Kinder sogleich vor die Wahl gestellt würden, ein zu dem Erhalt der Prämie berechtigendes Warengebinde als Ganzes zu erwerben oder nicht.
Aus den dargelegten Gründen könnte man erwägen, Formen einer gezielt an Kinder gerichteten Wertreklame, in der die Gewährung von Zugaben bei der (sukzessiven) Abnahme bestimmter Warenmengen versprochen wird, generell für wettbewerbswidrig zu halten (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, GRUR 1975, 267, 268 f. - Milky Way; OLG München, WRP 1984, 46 f. - Sammelschnipsel-Aktion; Baumbach/Hefermehl-Köhler, § 4 UWG, Rdnr. 2.17 und 2.19; Plaß in HK-WettbR, § 4 UWG, Rdnr. 123; Brändel in Festschrift für v. Gamm, S. 9 und 19 f.; Benz, WRP 2003, 1160, 1165 f.; ablehnend: Harte/Henning-Stuckel, UWG, § 4 Nr.2, Rdnr. 11; Fezer-Scherer, UWG, § 4-2, Rdnr. 130 ff.).
Ein derart grundlegendes Verbot bestimmter Formen der Wertreklame gegenüber Kindern ginge nach der Auffassung des Senats aber zu weit. Zu berücksichtigen ist zunächst, dass der Gesetzgeber bei Aufhebung der Zugabeverordnung und auch bei Fassung des neuen UWG davon abgesehen hat, das früher allgemein geltende Verbot bestimmter Werbeformen durch eine ausdrückliche Regelung für die Werbung gegenüber Kindern teilweise beizubehalten bzw. wieder einzuführen. Schon dies spricht gegen die Bildung einer an die früher geltende Zugabeverordnung angelehnten und von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles abgekoppelten Fallgruppe im Rahmen des § 4 Nr. 2 UWG.
Des weiteren sind Kinder gemäß § 4 Nr. 2 UWG vor einer Ausnutzung ihrer geschäftlichen Unerfahrenheit und insbesondere vor Übervorteilung zu schützen, nicht aber vor werblicher Beeinflussung schlechthin. Da sich die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern aber ganz allgemein auf ihre Beeinflussbarkeit durch Werbung auswirkt, kann ein Ausnutzen geschäftlicher Unerfahrenheit nur aufgrund einer das Maß und die Funktion der Einflussnahme berücksichtigenden Wertungsentscheidung angenommen werden.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass nach der Aufhebung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung Sammelaktionen der vorliegenden Art im allgemeinen, nicht speziell auf Kinder ausgerichteten, Geschäftsverkehr zu den etablierten und gängigen Werbeformen zählen. In der Alltagswelt der Erwachsenen, auf die Kinder vorbereitet werden sollen und aus der sie Anregungen und Lehren beziehen, ist diese Form der Wertreklame üblich geworden.
Auf diesem Hintergrund erscheint es fragwürdig, ein Segment der allgemein gebräuchlichen und dem Verkehr gewohnten Werbeformen in der Werbung gegenüber Kindern generell als unzulässig zu bewerten. Nach der Einschätzung des Senats ist ein derart grundsätzliches Verdikt im Hinblick auf die hier in Rede stehende Werbeform der Auslobung von Prämien im Rahmen einer Sammelaktion nicht angemessen.
Auch wenn die Beurteilung der Preiswürdigkeit eines Warenangebots und seines Nutzens für den eigenen Bedarf aufgrund einer solchen Sammelaktion erschwert ist, heißt das andererseits nicht ohne weiteres, dass ein Kind, das mit seinem Taschengeld in begrenztem Rahmen selbst wirtschaftet, in einer solchen Situation im Regelfall überfordert sei. Ein in gewissem Maße vorausschauendes Verhalten auf der Grundlage einfacher Berechnungen kann von einem geschäftlich nicht gänzlich unerfahrenen Kind insbesondere dann erwartet werden, wenn die Entscheidungssituation, mit der das Kind konfrontiert wird, im allgemeinen Marktgeschehen alltäglich ist, und dem Kind daher aufgrund des Kontakts mit seinen Eltern und sonstigen Bezugspersonen sowie auch aufgrund eigener Anschauung nicht völlig fremd sein wird.
Sind somit auf die Gewährung von Prämien ausgerichtete Sammelaktionen in der Werbung gegenüber Kindern nicht generell unzulässig, so sind die jeweils angegriffene Werbung und die durch sie beabsichtigte und bewirkte Beeinflussung der durch die Werbung angesprochenen Kinder einer konkreten Betrachtung zu unterziehen, wobei zum Schutz der kindlichen Verbraucher durchaus ein strenger Maßstab anzulegen ist. Im vorliegenden Fall führt diese konkrete Bewertung zu dem Ergebnis, dass keine Eignung zur Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit vorliegt.
Ein Ausnutzen geschäftlicher Unerfahrenheit liegt zum einen immer dann nahe, wenn Kinder durch werbliche Anreize bewogen werden sollen, überteuerte oder ungeeignete Waren zu kaufen, die ein geschäftlich erfahrener Durchschnittsverbraucher vernünftigerweise nicht erwerben würde (vgl. Baumbach/Hefermehl-Köhler § 4 Rdz. 1.82 und 2.17). Im vorliegenden Fall kann hiervon nicht die Rede sein. Schokoladenriegel stellen eine übliche Zwischenmahlzeit für Erwachsene wie Kinder dar. Sie wurden während der Werbeaktion zu ihren üblichen Preis verkauft.
Die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern kann aber auch dann ausgenutzt werden, wenn das Angebot nicht hinreichend transparent ist, den Sammeltrieb der Käufer ausnutzt oder zu einem Kauf über Bedarf führt (Harte/Henning-Stuckel § 4 Nr. 2 Rn. 11; Urteil des Senats vom 12.05.2005, Az. 6 U 24/05, Seite 8 = MD 2005, 760 ff.).
Auch diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Es ist auch für Kinder ohne weiteres zu erkennen, dass sie 25 Schokoladenriegel erwerben müssen, um 25 "N-Screens" zu erhalten, für die sie wiederum den Gutschein im Wert von EUR 5,-- erhalten. Ein unlauteres Ausnutzen kindlicher Sammelleidenschaft ist ebenfalls zu verneinen. Das Ausschneiden und Sammeln der einheitlich gestalteten "N Screens" dient als Kaufnachweis. Ein über diese (notwendige) Funktion hinausgehendes Sammelinteresse wird nicht geweckt.
Ebenso wenig besteht die Gefahr, dass die minderjährigen Werbeadressaten zu einem Kauf über Bedarf verführt werden. Die Werbeaktion erstreckte sich über einen Zeitraum von acht Monaten und endete am 31. Dezember 2003. Ein Verzehr von 25 Schokoladenriegeln in diesem Zeitraum entspricht ohne weiteres dem normalen Konsumverhalten eines Kindes. Vor allem ist der ausgelobte Gutschein auch nicht derart attraktiv für Kinder, dass sie deshalb zu einem Kauf über Bedarf verleitet werden könnten. Auf diejenigen Kinder, die den Internetanbieter amazon.de nicht kennen und auch nicht in der Lage sind, sich die entsprechenden Informationen zu verschaffen, übt der Einkaufsgutschein schon deshalb keine Anreizwirkung aus, weil sie ihn nicht einlösen können. Aber auch für diejenigen Kinder, die gerne im Internet surfen und denen deshalb auch amazon.de ein Begriff ist, vermag ein Einkaufsgutschein in keinem Fall die Attraktivität aufzuweisen, die eine Sachprämie insbesondere dann haben kann, wenn sie nur über die Teilnahme an der Sammelaktion erworben werden kann.
Wirtschaftlich betrachtet handelt es sich um nichts anderes als um eine Preisherabsetzung, deren Attraktivität hinter einem echten Sonderangebot noch zurück bleibt, weil der Preisnachlass - für Kinder und Jugendliche erkennbar - nur realisiert werden kann, wenn ein Einkauf bei amazon.de getätigt wird. Vor diesem Hintergrund stellt der Erwerb eines Gutscheins im Wert von EUR 5,-- für den Erwerb von Schokoladenriegeln zum Gesamtpreis von rund EUR 10,-- keinen übertriebenen Kaufanreiz dar.
Schließlich kann dem Kläger nicht in seiner Argumentation gefolgt werden, die Unlauterkeit der Werbeaktion folge daraus, dass es bei amazon.de nur wenige Artikel für Kinder zum Preis von EUR 5,-- gebe, diese also in der Regel etwas hinzuzahlen müssten, um den Gutschein einlösen zu können. Unter diesem Gesichtspunkt könnte die Werbeaktion nur dann geeignet sein, die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern oder Jugendlichen auszunutzen, wenn man davon ausgehen müsste, dass ihnen dieser Umstand nicht bewusst ist. Diese Annahme liegt jedoch fern, weil ein Kind, das sich entschließt, die "N-Screens" zu sammeln, das Angebot von amazon.de kennt. Es wird sich auch durch den Slogan "sammeln und abkassieren" nicht zu der Annahme verleiten lassen, bei amazon.de ihm eine große Palette von Produkten zum Preis von EUR 5,-- vorzufinden oder einen Barbetrag zu erhalten.
Die Werbeaktion verstößt auch nicht gegen § 4 Nr. 1 UWG. Danach sind Wettbewerbshandlungen unlauter, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen. Hierfür muss die Intensität der Beeinflussung so groß sein, dass die Rationalität der Entscheidung insbesondere im Hinblick auf Preiswürdigkeit und Qualität des Angebots völlig in den Hintergrund tritt (Baumbach/Hefermehl-Köhler § 4 Rdz. 1.14). Da die Werbung aus den dargelegten Gründen selbst Kinder nicht derart beeinflusst, dass deren geschäftliche Unerfahrenheit ausgenutzt werden könnte, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt.
Schließlich ergibt sich die Unlauterkeit der Werbeaktion nicht aus § 3 UWG direkt. Zwar enthält § 4 UWG, wie sich aus dem Wort "insbesondere" ergibt, einen nicht abschließenden Beispielskatalog von Tatbeständen, die die Unlauterkeit einer Wettbewerbshandlung begründen. Seine lückenfüllende Funktion (vgl. dazu Sack WRP 2005, 531, 532) kann § 3 UWG im vorliegenden Fall jedoch schon deshalb nicht entfalten, weil sämtliche Umstände, die geeignet sein könnten, die Unlauterkeit der beanstandete Werbemaßnahme zu begründen, bereits bei Subsumtion der Tatbestände des § 4 Nr. 1 und Nr. 2 UWG berücksichtigungsfähig sind und hier ein Verbot nicht zu begründen vermögen. Es würde den in § 4 UWG zum Ausdruck kommenden Wertungen widersprechen, eine solche Werbemaßnahme als unlauter gemäß § 3 UWG zu qualifizieren.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1, 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision war zuzulassen weil die entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des § 4 Nr. 2 UWG grundsätzliche Bedeutung haben (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).