Werbung für Lotterien von mehr als 10 Mio. EUR nach dem LotterieStV erlaubt
Leitsatz
Den staatlichen Glücksspiel-Anbietern ist es nach dem LotterieStV erlaubt, Werbung für die Lotterie 6 aus 49 mit Superzahl zu machen, da hierdurch keine der Spielsucht zuwiderlaufenden Interessen begründet werden. Dies gilt auch dann, wenn der Jackpot 10 Mio. EUR oder mehr beträgt.
Tenor
In dem .Rechtsstreit (…) gegen (…) wegen Forderung erläßt das Landgericht München I, 4. Kammer für Handelssachen, durch Vorsitzenden Richter am Landgericht (…) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.3.2007 folgendes Endurteil:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Sachverhalt
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Unterlassung von Handlungen im geschäftlichen Verkehr, die sie auf die Verletzung von Vorschriften zum Schutz des lauteren Wettbewerbs stützt.
1.
a) Die Klägerin, früher und noch bei Klageerhebung unter der Bezeichnung (…), wirbt im Auftrag der (…) in (…), Niederlande, Spielinteressierte an einer u.a. am Lotto des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB) und leitet bzw. vermittelt sie weiter an die (…).
So vertreibt die Klägerin auch das Produkt "(…) - der Spieler", in dem sie Verbrauchern Teilnahmemöglichkeiten an Spielgemeinschaften, die per Vollsystemlottoschein am Lotto der Gesellschafter des DLTB teilnehmen, vermittelt. Als Geschäftsbesorgerin erhält die Klägerin Provisionen u.a. aus dieser Vertriebstätigkeit.
b) Der beklagte (…) bewirbt, veranstaltet und betreibt über die staatliche Lotterieverwaltung offline und online unter (…) verschiedene Lotterien.
2.
Ausgehend von Beobachtungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin Ende August 2006, als dieser eine Lotto-Annahmestelle des Beklagten am (…) in (…) aufsuchte, um Eindrücke über die werbliche und vertriebliche Tätigkeit des Beklagten für sein Angebot im Rahmen des staatlichen Lottomonopols zu sammeln, trägt die Klägerin mit der Klage vom 06.10.2006 Einzelheiten dazu vor, zu denen sie der Meinung ist, dass der Beklagte damit als - nach Ansicht der Klägerin Mitbewerber der Klägerin - unter Verletzung der Vorschriften zur Einhaltung des lauteren Wettbewerbs solche Produkte bewirbt, anbietet und vertreibt.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine Werbung, wie im August 2006 erfolgt, für einen Jackpot von 10 Millionen EURO und mehr von gerade durch staatliche Monopole geschützten Veranstaltern von Glücksspielen wegen der damit einhergehenden Wirkungen die gegen die verfassungsmäßige Verpflichtung der Eindämmung der Spielsucht stünden, durch das dabei bei den Verbrauchern entstehende Lotto-Fieber unlauter und damit auf der Basis von Wiederholungsgefahren durch eine Unterlassungsverpflichtung zu unterbinden sei.
Entsprechendes gelte für die weiteren mit den Klageanträgen beanstandeten und zu beseitigenden Werbehandlungen des Beklagten.
Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags zu den fünf Sachanträgen der Klage wird im übrigen zunächst auf die Darstellung in der Klageschrift verwiesen.
Die Klägerin beantragt:
I. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen am Präsidenten der Lotterieverwaltung, zu unterlassen, im Bereich des Lotteriewesens,
1. Verbraucher zur Teilnahme an ihren Lotterien zu ermuntern bzw. anzureizen und/oder diese Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen durch Werbung bzw. Ankündigung für eine Jackpotausspielung beim Lotto 6 aus 49
- mit einem den Betrag von EUR 9.999.999,99 übersteigenden Wert
hilfsweise:
- wie beispielhaft nachstehend wiedergegeben: [Screenshot]
2. Verbraucher zur Teilnahme an ihren Lotterien zu ermuntern bzw. anzureizen mit Aussagen wie
- "TÄGLICH SPIELEN TÄGLICH GEWINNEN" und/oder
- "Nur wer mitspielt, kann gewinnen" und/oder
- [Grafik]
3. wie nachstehend wiedergegeben, [Grafik] anzukündigen und/oder zu werben und/oder diese Handlungen durch Dritte ausführen zu lassen, wenn Sonderverlosungen, bei denen Gewinne ohne Mehreinsatz erzielbar sind, nicht auch tatsächlich angeboten werden, wie unter (…) und unter (…) am 29.09.2006 geschehen.
4. Spielscheine für die KENO-Lotterie Verbrauchern zuganglich zu machen und/oder diese Handlung durch Dritte durchführen zu lassen, die ohne Hinweis auf die mit der Teilnahme verbundene gesetzlich angenommene Gefahrenlage hinweist
5. ein "Kundenmagazin" mit Informationen zu Gewinnzahlen und/oder Gewinnquoten bzw. Gewinnrängen und/oder Spielsystemen und/oder Spielregeln zu ihren Lotterien unter dem Werktitel "Spiel mit" in Annahmestellen, insbesondere kostenlos, zur Mitnahme und/oder Einsicht bereitzuhalten und/oder bereithalten zu lassen und/oder die in sonstiger Weise in den Verkehr mit Verbrauchern zu bringen und/oder diese Handlungen durch Dritte durchführen zu lassen.
II. Wegen der verauslagten Gerichtskosten wird unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die auf die seitens der Klägerin verauslagten Zinsen gemäß dem gesetzlichen Zinssatz (§§ 288, 247 BGB) für den Zeitraum von der Einzahlung der Gerichtskosten bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen.
Der Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte ist zunächst der Ansicht, dass der Klägerin die Aktivlegitimation, mindestens aber die Anspruchsberechtigung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG fehlt.
Die Klägerin sei nämlich keine im Sinne dieser Vorschrift gegen angeblich unlautere Wettbewerbshandlungen des Beklagten geschützte Mitbewerberin, weil für sie das wesentliche Kriterium dafür fehle, dass sie durch die beanstandeten Handlungen selbst betroffen sein könnte, d.h., für sie aus solchen Handlungen ein Schaden entstehen könnte.
Dies sei nicht der Fall, weil die vom Beklagten geschaffenen und von der Klägerin mit der Klage beanstandeten Spielanreize die Interessen der Klägerin unmittelbar selbst fördern.
Der Beklagte ist weiter der Ansicht, dass auch unter Berücksichtigung und, wie nach Ansicht des Beklagten nicht, bei Anwendbarkeit des sogenannten Sportwettenurteils hier auf Lotterien eine etwaige Überschreitung der Werbebeschränkung auf rein sachliche Information nicht etwa zu Unterlassungsansprüchen angeblicher Mitbewerber führe, sondern allenfalls zu einer Gefährdung des staatlichen Glücksspielmonopols.
Unter Bezugnahme auf das genannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 stellt der Beklagte dann in der Klageerwiderung vom 14.12.2006 nach seinem Vortrag bereits getroffene Maßnahmen (II. 1. a) mit f)) zur Umsetzung dieses Urteils dar.
Der Beklagte ist weiter der Ansicht, dass die angeblich gesetzlich gebotenen Beschränkungen auf rein sachliche Informationen über das Lotterieangebot sich weder aus den Bestimmungen des Lotteriestaatsvertrags (LStV), noch und erst Recht aus den Vorgaben des Sportwetten-Urteil ergeben würden.
Der Beklagte verweist dazu auf die §§ 1 Nr. 1 und 4 Abs.3 LStV und ist der Ansicht, dass das genannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht auf Lotterien übertragen werden könne.
Beide Parteien haben ihr Einverständnis gemäß § 349 Abs.3 ZPO erklärt.
Bezüglich des Sach- und Streitstands im übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze und die mitübergebenen Urkunden und Anlagen und das Protokoll vom 29.03.2007 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in vollem Umfang unbegründet.
Ein wettbewerblicher oder eventuell nach allgemeinem Zivilrecht bestehender Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die beanstandeten Werbemaßnahmen des Beklagten ist nicht gegeben.
1.
a) Zweifelhaft ist, kann aber letztlich dahingestellt bleiben, ob die beiden Parteien im Rahmen der Vermittlung bzw. Absatzes von Produkten des Deutschen Lotto- und Totoblocks überhaupt Mitbewerber mit der Folge der Schutzwirkungen der Regelungen des UWG zu Gunsten hier der Klägerin gegen Wettbewerbshandlungen des Beklagten sind.
Nach dem UWG anspruchsberechtigter Mitbewerber ist jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht, wobei im Interesse eines wirksamen Individualschutzes an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses keine hohen Anforderungen zu stellen sind.
Beim, wie hier, in Betracht kommenden Absatzwettbewerb ist ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen Unternehmern jedenfalls dann anzunehmen, wenn sie die gleichen oder gleichartigen Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass die beanstandete Wettbewerbshandlung das andere Unternehmen beeinträchtigen, d.h. in seinem Absatz behindern oder stören kann.
Mindestvoraussetzung für das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses ist, dass zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme für sein Unternehmen zu erreichen sucht und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine Wechselbeziehung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann. Dabei ist auch der Wettbewerb innerhalb der Marktstufen, also z.B. auch im Verhältnis Hersteller zu Händler, vom UWG geschützt.
b) Diese Kriterien lassen zumindest zweifelhaft erscheinen, ob zwischen den Parteien dieses Verfahrens ein Wettbewerbsschutz besteht für die Bewerbung des Absatzes von Produkten des Lotto- und Totoblocks, die doch einerseits der Beklagten direkt über seine Annahmestellen oder auch im Internet vertreibt bzw. vertrieben hat oder aber auch indirekt durch die vermittelnde Tätigkeit der Klägerin, in der von ihr beschriebenen Weise als Geschäftsbesorgerin für die Holländische (…).
Die Werbung des Beklagten, wie sie Gegenstand der Anträge zu I. 1. mit 5. ist, ist nämlich allgemein auf die Förderung des Absatzes der Lotto- und Toto-Produkte gerichtet und nicht gesondert auf den Absatz der Produkte bevorzugt über die eigenen Annahmestellen des Beklagten an Stelle der von der Klägerin vermittelten Teilnahmemöglichkeit.
Damit wird aber der Absatz der Dienstleistungen des Beklagten durch die beanstandeten Werbemaßnahmen des Beklagten ebenso gefördert wie der der Klägerin und diese wohl nicht durch die beanstandeten Maßnahmen im Sinne des Wettbewerbsrechts zu ihrem, der Klägerin, Nachteil beeinträchtigt.
2.
Die Entscheidung darüber, ob die Klägerin als Mitbewerberin des Beklagten im Sinne der §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 und 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG anspruchsberechtigt für die Klageanträge ist, kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil keine der mit. der Klage beanstandeten Werbehandlungen des Beklagten konkret gegen die Regeln des lauteren Wettbewerbs, nämlich die Vorschriften der §§ 3 ff UWG, verstößt und dies unabhängig von den Fragen, ob damit die das staatliche Monopol von Glücksspielen gerechtfertigenden Kriterien genügend eingehalten werden und ob die Kriterien aus dem sogenannten Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 insgesamt oder im Detail auf die hier gegenständlichen Lotterien übertragen werden können.
a) Die Werbung, wie sie Gegenstand der Beanstandung gemäß Ziffer I.1. der Klage ist, nämlich die hervorgehobenen Hinweise und auch Aufforderungen zum Mitspielen in Verbindung mit einem aktuellen Jackpot von 10 Millionen Euro und mehr stellen weder nach dem Haupt- noch dem Hilfsantrag einen wettbewerbswidrigen Verstoß gemäß § 3 UWG direkt oder in Verbindung mit § 4 Nr. 11. UWG durch angeblich wettbewerbsrechtlich relevante Verletzungen des Grundgesetzes oder der Regelungen des Lotteriestaatsvertrags (LotStV) dar.
Die Klägerin behauptet, dass die Lotterie 6 aus 49 mit Superzahl vom System her auf Kundenfang ausgerichtet ist und auf Jackpots beschränkt werden müsste, die den Betrag von jedenfalls 10 Millionen Euro nicht übersteigen und begründet dies damit, dass dadurch die unerwünschten Effekte eines Lotto-Fiebers nicht entstehen können. Eine diesen Maßstäben zuwider durchgeführte Lotterie in einem Staatsmonopol sei wegen der damit einhergehenden Wirkungen auf die Verbraucher unlauter.
Dabei erscheint aber die von der Klägerin gewählte Begrenzung des Jackpots auf 10 Millionen rein willkürlich und weder nach unten noch nach oben zur Erreichung der von der Klägerin gewünschten Wirkungen verifizier- bzw. objektivierbar.
Zu Unrecht begründet die Klägerin ihre grundsätzliche und auch außerhalb dieses Verfahrens immer wieder geäußerte Ansicht, dass der Beklagte verfassungswidrig als staatlicher Monopolist Lotteriespiele werblich anbietet damit, dass diese Werbung den Regelungen des UWG widerspreche meint aber eigentlich dass eine solche Werbung der ihrer Ansicht der verfassungskonformen Begründung eines solchen staatlichen Monopols widerspreche und gesellschaftspolitisch unerwünscht sei.
Aus dieser rechtspolitischen Ansicht ergibt sich aber entgegen der Darstellung der Klägerin nicht, dass die Werbung für die im Rahmen des Monopols des Beklagten veranstalteten Lotteriespiele jedenfalls in den klagegegenständlichen Formen den wettbewerblichen Lauterkeitsregelungen der §§ 3 ff UWG und zwar weder der Generalklausel des § 3 UWG selbst noch den beispielhaft aber nicht abschließend geregelten Tatbeständen der §§ 4 ff UWG widersprechen.
Die mit dem Sportwetten-Urteil unter Ziffer 151 für die Neuregelung eines weiterhin geltenden staatlichen Monopols zur Veranstaltung von Sportwetten aufgegebene Verpflichtung, das Angebot von Wettmöglichkeiten zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Wetten zu beschränken, mag ganz oder auch wohl eher eingeschränkt bei Berücksichtigung der wesensmäßigen Unterschiede von Wetten und Glücksspielen auch auf Glücksspiele anwendbar sein. Ein Nichteinhaltung dieses Grundsatzes bei der derzeitigen Rechtslage, nämlich ohne konkret dagegen stehende gesetzliche Regelung begründet keine wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit und in der Folge keinen dagegen gerichteten Unterlassungsanspruch eines Mitbewerbers.
b) Entsprechendes gilt für die unter den Ziffern I. 2 mit 5 der Klageanträge beanstandeten Werbemaßnahmen des Beklagten.
In diesen ist auch keine unlautere Irreführung festzustellen, weil keine unwahren Tatsachen behauptet werden.
3.
In der Folge war auch der auf die Verzinsung des gerichtlichen Kostenvorschusses gerichtete Klageantrag als unbegründet abzuweisen.
a) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
b) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.