Vermittlung von Sportwetten
Leitsatz
1. Das rheinland-pfälzische Sportwettenrecht verstößt (derzeit) gegen EU-Recht.
2. Das Verbot, private Sportwetten an im EU-Ausland konzessionierte Anbieter zu vermitteln, ist daher rechtswidrig.
Tenor
In dem Verwaltungsrechtsstreit (…) gegen (…) hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der Beratung vom 2. Januar 2007, (…) beschlossen:
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 25. Oktober 2006 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 23. Oktober 2006 wird hinsichtlich Ziffer 1 der Verfügung wiederhergestellt und hinsichtlich Ziffer 2 angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,- € festgesetzt.
Sachverhalt
(vgl. Entscheidungsgründe)
Entscheidungsgründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin. Er betreibt im Gebiet der Antragsgegnerin an mehreren Standorten, u. a. auch in der (…) Sportwettenannahmestelle, und zwar nach seinen Angaben für die Firma (…).
Nach vorhergegangenem Anhörungsverfahren untersagte ihm die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 23. Oktober 2006, bezogen auf die genannte Adresse, auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Satz 1 des rheinland-pfälzischen Polizei- und Ordnungsgesetzes - POG - die gewerbliche Tätigkeit als Annahmestelle für in Rheinland-Pfalz nicht konzessionierte Sportwettenveranstalter und damit verbundene Maßnahmen, weil damit der Straftatbestand des § 284 StGB erfüllt werde.
Er stelle Einrichtungen für ein verbotenes Glücksspiel bereit. Die angebotenen Sportwetten seien in Rheinland-Pfalz auch nicht genehmigungsfähig. Die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet mit der Begründung, es dürfe die Funktionsfähigkeit der Strafrechtsordnung nicht durch auch nur vorübergehende Hinnahme des Gesetzesverstoßes beeinträchtigt werden und aus der aufschiebenden Wirkung auch noch Gewinn gezogen werden.
Für den Fall, dass die Verfügung nicht befolgt werde, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- € angedroht.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 25. Oktober 2006 Widerspruch. Am selben Tag hat er den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt.
II.
Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 i. V. m. Abs. 2 Nr, 4 VwGO zulässig und begründet.
Bei der vom Gericht vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Durchsetzung der Verfügung vorläufig verschont zu werden, und dem öffentlichen Interesse daran, dass der Verwaltungsakt sofort vollzogen werden kann, überwiegt das Interesse des Antragstellers.
Die angefochtene Ordnungsverfügung erweist sich bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO dem Gericht nur möglichen summarischen Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig, so dass sie im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich keinen Bestand haben wird.
Hierzu ist folgendes auszuführen:
Bei der angefochtenen Verfügung handelt es sich um eine Anordnung auf dem Gebiet des allgemeinen Polizeirechts auf der Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel des § 9 Absatz 1 Satz 1 des rheinland-pfälzischen Polizei- und Ordnungsgesetzes - POG - in Verbindung mit § 284 StGB.
Auch wenn zusätzlich § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland -LottoStV - erwähnt wird, misst die Antragsgegnerin dieser Vorschrift ersichtlich keine selbständige Bedeutung bei. Sie stützt die Verfügung nicht auf diesen speziellen Untersagungstatbestand, der nach Ansicht des 6. Senats des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz die einschlägige Ermächtigungsgrundlage für Untersagungsverfügungen gegenüber gewerblichen Sportwettenvermittlern darstellt (z.B. Beschlüsse vom 28. September 2006, 6 B 10895/06.OVG, vom 24. Oktober 2006 - 6 B 11090/06.0VG - und vom 13. November 2006 - 6 B 11325/06.OVG).
Zur Begründung stellt die Antragsgegnerin nämlich ausschließlich darauf ab, es bestehe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 POG, da das Betreiben der Annahmestelle nach § 284 StGB - der Strafnorm über unerlaubtes Glücksspiel - strafbar sei, denn der Antragsteller stelle Einrichtungen für das Abschließen von Sportwetten bereit, ohne dafür eine Konzession nach § 2 des Landesgesetzes über das öffentliche Glücksspiel - LGISpG -(GVBI. 2004 S. 332) zu besitzen.
Soweit es in der Verfügung heißt "im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens ist dem Schutz der Öffentlichkeit vor den Gefahren des Glücksspiels der Vorrang vor dem privaten Gewinnstreben einzuräumen", bezieht sich dies dem Kontext nach klar (nur) auf das Ermessen des Ministerium der Finanzen bezüglich einer etwaigen Zulassung eines Wettunternehmers gem. § 2 LGISpG.
Die Antragsgegnerin hat die Verfügung also unter Ausübung des ihr als allgemeiner Ordnungsbehörde gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 POG eingeräumten Ermessens und mit den in diesem Rahmen anzustellenden Erwägungen erlassen.
Die Prüfung des Gerichts hat sich deshalb auch ausschließlich an diesem Sachverhalt zu orientieren, denn bei Verwaltungsakten, die im Ermessen der Behörde stehen, kann das Gericht die Ermächtigungsgrundlage nicht auswechseln und so auch nicht die Entscheidung der Verwaltung mit anderen Gründen im Ergebnis aufrechterhalten (Kopp, Kommentar zur VwGO, 14. Aufl. 2005, § 114 Rn. 4 m. w. Nachw.).
Das Gericht hat jedoch erhebliche Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer Untersagung auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Satz 1 POG zur Verhinderung von Straftaten nach § 284 StGB, die sich jedenfalls zum Teil mit den vom Antragstellervertreter vorgebrachten Bedenken decken.
Wie schon der für das Polizeirecht zuständige frühere 12. Senat des OVG Rheinland-Pfalz im Beschluss vom 2. Juni 2005 (-12 B 10190/05 QVG-) dargelegt hat, ist es nämlich äußerst zweifelhaft, ob auf die privaten Vermittler von Sportwetten wie den Antragsteller § 284 Abs. 1 StGB Anwendung finden kann.
Zwar sind Sportwetten nach der herrschenden Meinung als Glücksspiel i. S. v. § 284 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB anzusehen, weil die Entscheidung über Gewinn und Verlust allein oder jedenfalls hauptsächlich vom Zufall abhängt und nicht wesentlich von den Kenntnissen und Fähigkeiten der Beteiligten beeinflusst wird (BGH, 4. Strafsenat, Urt. vom 28.11.2002, NStZ 2003, 372 = DVBL 2003, 669).
Hingegen ist sowohl in der straf- als auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung schon streitig, ob das Vermitteln solcher Sportwetten überhaupt eine der drei Tathandlungen des § 284 Abs. 1 StGB (Veranstalten, Halten, Einrichtungen bereitstellen) erfüllt.
Die Kammer braucht diese Rechtsfrage aber im vorliegenden Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu klären. Denn selbst wenn vom Vorliegen eines dieser Tatbestandsmerkmale auszugehen sein sollte (was der BGH im genannten Urteil vorn 28.11.2002 zumindest hinsichtlich des Bereitstellens von Einrichtungen annimmt), besteht jedenfalls keinerlei Rechtssicherheit bezüglich der Frage, ob die private Vermittlung von Sportwetten als "unerlaubt" angesehen werden kann.
Für eine Untersagung der vorliegenden Art ist Voraussetzung, dass zumindest der objektive Tatbestand des § 284 StGB erfüllt wird. Das ist jedoch nur der Fall, wenn der Antragsteller für sein Gewerbe wirklich eine Konzession nach § 2 Abs. 2 LGISpG braucht, die er unstreitig nicht hat.
Wenn hingegen Verfassungsrecht oder vorrangiges Gemeinschafts-Recht dem nach der gegenwärtigen Rechtslage bestehenden staatlichen Wettmonopol bzw. in Rheinland-Pfalz dem staatlich konzessionierten faktischen Monopol der (…) und dem damit verbundenen allgemeinen Verbot privater Sportwetten entgegensteht, fehlt es an dem Tatbestandsmerkmal "unerlaubt".
Diese Situation besteht nach Auffassung der Kammer zur Zeit, d.h. solange die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 (NJW 2006, 1261) geforderte gesetzliche Neuregelung des Lotterie- und Glücksspielwesens nicht erfolgt ist. Während dieses Zeitraums kann von einer Strafbarkeit der privaten Wettvermittler nicht ausgegangen werden.
Zwar kann dies wohl nicht mit einem Verstoß der gegenwärtigen Rechtslage in Rheinland-Pfalz gegen Art. 12 Grundgesetz - GG - begründet werden, denn aus verfassungsrechtlicher Sicht können die derzeit geltenden Vorschriften des Lottostaatsvertrags und der einschlägigen Landesgesetze bis zum 31.12.2007 noch angewandt werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich trotz des von ihm festgestellten mit Art. 12 GG nicht vereinbaren Rechtszustands nicht die Nichtigkeit der Staatslotteriegesetze angenommen, sondern für die Übergangszeit bis zur notwendigen Neuregelung bestimmte Mindestanforderungen zur unverzüglichen Herstellung eines "Mindestmaßes an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des Monopols andererseits" genannt, bei deren Einhaltung die geltenden Lotteriegesetze noch angewandt werden dürfen (a.a.O., Rn. 157-160).
Diese Mindestvoraussetzungen dürften in Rheinland-Pfalz derzeit erfüllt sein, wie das OVG Rheinland-Pfalz u. a. in den Beschlüssen vom 28.09. und vom 13. November 2006 (6 B 10895/06 bzw. 6 B 11325/06.OVG) ausführlich dargelegt hat. Dieser Beurteilung hat sich im Wesentlichen auch die erkennende Kammer angeschlossen (u .a. Beschluss vom 4.12.2006, 5 L 1646/06).
Ob die vom Antragsteller-Bevollmächtigten im vorliegenden Verfahren insoweit vorgebrachten Einwendungen (z.B. zum Werbeverhalten von (…)) und Zweifel (z.B. an der Umsetzung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Spielsucht durch die Lottogesellschaften) zu einer Überprüfung dieser Bewertung Anlass geben könnten, kann hier dahinstehen, da dem Antrag aus anderen Gründen stattzugeben ist.
Hingegen sind schon die geltenden Lotteriegesetze, insbesondere aber deren strafrechtliche Sanktionierung sehr wahrscheinlich mit Art. 49 und Art. 43 des EG-Vertrags - EG - nicht vereinbar. Der Europäische Gerichtshof hat hierzu insbesondere im Urteil vom 6. November 2003 in der Rechtssache Gambelli (GewArch 2004, 30) - aufgrund des Vorlagebeschlusses eines italienischen Gerichts -festgestellt, dass Vorschriften, die die Teilnahme in Italien ansässiger Personen an in anderen Mitgliedstaaten organisierten bzw. veranstalteten Wetten über das Internet mit Strafe bedrohen, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EG) darstellten.
Das gelte auch "für das an Vermittler (...) gerichtete ebenfalls strafbewehrte Verbot, die Erbringung von Wettdienstleistungen bei Sportereignissen, die von einem Leistungserbringer organisiert werden, der (...) seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem hat, in dem diese Vermittler ihre Tätigkeit ausüben, zu erleichtern, da ein solches Verbot eine Beschränkung des Rechts des Buchmachers auf freien Dienstleistungsverkehr darstellt, und zwar auch dann, wenn die Vermittler in demselben Mitgliedstaat ansässsig sind wie die Empfänger dieser Dienstleistungen." (a.a.O., Tz. 58).
Solche Beschränkungen durch strafrechtliche Sanktionen können aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht nur gerechtfertigt sein, wenn bestimmte, sich ebenfalls aus der Rechtsprechung des EuGH ergebende Voraussetzungen erfüllt sind: Die Beschränkungen müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Auf jeden Fall müssen sie in nicht diskriminierender Weise angewandt werden (EuGH, a.a.O., Tz. 64, 65 m. w. Nachw. zur Rechtsprechung des Gerichtshofs).
Diese Grundsätze gelten auch für die (Nicht-)Anwendbarkeit des § 284 StGB auf private Vermittler von Sportwetten, die - wie vorliegend - von einem Veranstalter in einem anderen EU-Mitgliedstaat angeboten werden.
Mittlerweile haben neben vielen Landgerichten mehrere Oberlandesgerichte in Strafsachen mit unterschiedlichen Begründungen entschieden, dass eine Strafbarkeit nicht gegeben sei (z.B. OLG Stuttgart, Urt. vom 26. Juni 2006 - 1 Ss 296/05 - mit zahlreichen Nachweisen zur strafrechtlichen Literatur und Rechtsprechung, in denen § 284 StGB auf die Vermittlung von Sportwetten eines
in einem anderen EU-Staat ansässigen und dort konzessionierten Wettveranstalters für unanwendbar gehalten wird; OLG München, Urteil vom 26.09.2006 - 5 StRR 115/05 -, NJW 2006, 3588).
Im Unterschied dazu gehen der Bayerische VGH im Beschluss vom 23. August 2006 (24 CS 06.1881) und das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 21. Juni 2006 (NVwZ 2006, 1175) von einer Anwendbarkeit der Strafnorm des § 284 StGB aus, wobei sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung, die die Vermittlung von Sportwetten in Bayern aufgrund einer DDR-Lizenz betrifft, jedoch nicht mit der gemeinschaftsrechtlichen Problematik befasst hat. Auch im Urteil des BGH vom 28.11.2002 (a.a.O.), auf das das Bundesverwaltungsgericht Bezug nimmt, ist diese Problematik noch nicht behandelt.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich einer strafrechtlichen Beurteilung - abweichend von dem am 27. April 2005 ergangenen Kammerbeschluss (GewArch 2005, 246 = NVwZ 2005, 1303) - im Urteil vom 28. März 2006 und in den nachfolgenden Kammerbeschlüssen vom 4. Juli 2006 (1 BvR 138/05, WM 2006, 1644), und vom 19. Oktober 2006 (- 2 BvR 2023/06 - betr. den o. g. Beschluss des BayVGH vom 23. August 2006, a.a.O.) ausdrücklich enthalten.
Auch der 6. Senat des Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz lässt diese Frage in seinen Beschwerdebeschlüssen aus dem Jahr 2006 bewusst offen und setzt sich auch nicht mit der vom 12. Senat im Beschluss vom 2. Juni 2005 (a.a.O.) geäußerten Auffassung auseinander.
Nach Ansicht der Kammer ist bis zu der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Neuregelung des Lotterierechts in Deutschland die Anwendbarkeit des § 284 StGB auf die Vermittlung von Sportwetten eines in einem anderen EU-Staat ansässigen und dort konzessionierten Wettveranstalters durch vorrangiges Gemeinschaftsrecht suspendiert, weil dies zu einer unzulässigen Beschränkung der gemeinschaftsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 49 Satz 1 EG führen würde.
Speziell bezogen auf Rheinland-Pfalz - aber wohl auch bundesweit - kann nämlich nicht angenommen werden, dass die für die Übergangsphase zu treffenden Maßnahmen der Länder zur Herstellung des vom Bundesverfassungsgerichts geforderten Mindestmaßes an Konsistenz im Sportwettenrecht materiell schon den Anforderungen des EuGH an zulässige nationale Beschränkungen der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses genügen.
Denn als hinreichende Rechtfertigung für eine Beschränkung von Grundfreiheiten des EG-Vertrages fordert der Europäische Gerichtshof eine "systematische und kohärente Begrenzung der Wetttätigkeit".
Danach sind nationale Rechtsvorschriften, die bestimmten Einrichtungen das Recht zur Annahme von Wetten über Sportereignisse vorbehalten, mit dem Gemeinschaftsrecht nur vereinbar, wenn dies "wirklich dem Ziel dient, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, und die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen nur eine erfreuliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik ist" (EuGH, Urteil vom 21.10.1999 in der Rechtssache Zenatti, GewArch 2000,19, Tz. 36).
Dies nehmen zwar die Verwaltungsgerichtshöfe in Baden-Württemberg (Beschluss vom 28.07.2004, VBIBW 2006, 424) und Bayern (Beschl. vom 23.08.2006, a.a.O.) für die derzeitige Übergangsrechtslage in ihren Ländern ebenso an wie das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im Beschluss vom 13. November 2006.
Nach Auffassung der Kammer können aber die Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs erst durch die auch verfassungsrechtlich erforderliche Neuregelung des Sportwettenrechts - sofern diese entsprechend gestaltet wird - erfüllt werden.
Die Kammer schließt sich insoweit dem OLG München an. Dieses Gericht hat in seinem Revisionsurteil vom 26.09.2006 (a.a.O.) ausgeführt, die derzeitige Ausgestaltung des (in Bayern bestehenden) staatlichen Wettmonopols entspreche den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben nicht. Wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts dürften aber nationale Normen - also auch Straftatbestände -, die in Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehen, nicht angewandt werden.
Dies gelte auch während der vom Bundesverfassungsgericht zugestandenen Übergangsphase; denn wenn nach Maßgabe der Gründe des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 die Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel zu den vom Europäischen Gerichtshof zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben liefen, dann verstießen die in Rede stehenden Vorschriften des Bayerischen Staatslotteriegesetzes in ihrer derzeitigen Ausgestaltung eindeutig gegen Art. 43 und 49 EG (a.a.O., S. 14 UA).
Entsprechendes gilt für die derzeitige Rechtslage in Rheinland-Pfalz.
Die hier aufgrund des Auflagenbescheides des Finanzministeriums an die Lotto Rheinland-Pfalz GmbH vom 6. Juni 2006 eingeleiteten Maßnahmen zur Herstellung des vom Bundesverfassungsgericht geforderten "Mindestmaßes an Konsistenz" auf dem Gebiet des Sportwettenwesens genügen zwar wahrscheinlich als erster Schritt hin zu einem verfassungsgemäßen Zustand den Mindestanforderungen des Bundesverfassungsgerichts.
Erst die geforderte Neuregelung des Lotteriewesens wird jedoch - bei entsprechender Gestaltung - auch den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen entsprechen können (vgl. dazu auch den Beschluss der Kammer vom 4.12.2006, a.a.O.).
Auch wenn die endgültige Klärung der angesprochenen schwierigen Rechtsfragen letztlich dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss, ist davon auszugehen, dass aus den dargelegten Gründen der Widerspruch des Antragstellers gegen die Polizeiverfügung der Antragsgegnerin Erfolg haben wird.
Schon deshalb gebührt seinem Interesse an der vorläufigen Fortführung seiner Tätigkeit gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin an einer sofortigen Vollziehung der Vorrang, denn ein überwiegendes öffentliches Interesse am Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsakts ist regelmäßig nicht anzuerkennen.
Dazu kommt, dass der Antragsteller bei Schließung seiner Geschäftsräume wahrscheinlich in kürzester Zeit vom Markt gedrängt wird und erhebliche wirtschaftliche Einbußen erleidet, die er unter diesen Umständen nicht hinnehmen muss.
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass nach den Ausführungen im Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 2005 (NVwZ 2005,1303) das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts zwar in der Regel gegeben ist, wenn durch den Verwaltungsakt strafbares Verhalten unterbunden werden soll.
Ist aber die Anwendbarkeit der Strafnorm zum Beispiel aus europarechtlichen Gründen zweifelhaft, bedarf es wegen der grundrechtsgewährleistenden Funktion effektiven Rechtsschutzes der Benennung von über die Strafbarkeit hinausgehenden konkreten Gefahren für das Allgemeinwohl.
Solche konkreten Gefahren hat jedoch die Antragsgegnerin nicht genannt, sondern sich lediglich darauf berufen, die Funktionsfähigkeit der Strafrechtsordnung dürfe nicht beeinträchtigt werden und aus der aufschiebenden Wirkung dürfe nicht auch noch Gewinn gezogen werden.
Eine andere Gewichtung der Interessen ist auch nicht im Hinblick darauf geboten, dass die entsprechende Prüfung bei einer Untersagung der Vermittlungstätigkeit des Antragstellers, die auf die spezielle Ermächtigungsgrundlage des § 12 Abs. 1 Satz 2 LottoStV i. V. m. §§ 1, 10 LGlSpG gestützt ist, voraussichtlich zu seinen Ungunsten ausfallen würde (vgl. hierzu die bereits eingangs genannten Beschlüsse des 6. Senats des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz und des erkennenden Gerichts). Eine auf diese Vorschrift gestützte Untersagung hat nämlich eine andere Zielrichtung - z.B. den Schutz des verfassungsrechtlich noch akzeptierten Status quo bis zu einer Neuregelung des Lotteriewesens -, so dass vor dem Erlass einer solchen Verfügung auch andere Ermessenserwägungen als vorliegend anzustellen sind. Dementsprechend wird dann nicht nur die rechtliche Beurteilung, sondern auch die Interessenabwägung anderen Kriterien unterliegen.
Wenn das Gericht jedoch, wie eingangs ausgeführt, den angefochtenen Ermes-sensverwaltungsakt nicht mit einer anderen Rechtsgrundlage aufrechterhalten darf, dann darf es diese Beschränkung auch nicht umgehen, indem es dasselbe Ergebnis im Rahmen der Interessenabwägung herbeiführt.
Muss nach alldem der Antragsteller die Untersagungsverfügung einstweilen nicht beachten, ist gem. § 80 Abs. 5 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 VwGO auch die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Zwangsmittelandrohung anzuordnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 und 63 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziffer 54.2,1 des Streitwertkatalogs 2004.