Vermittlung von Sportwetten
Leitsatz
1. Das Bundesland Baden-Württemberg hat bislang nicht die Vorgaben des BVerfG (Urt. 28.03.2006 - Az.: 1 BvR 1054/01) ausreichend umgesetzt.
2. Die landesrechtlichen Regelungen zum Sportwettenrecht sind in Baden-Württemberg somit derzeitig verfassungswidrig. Privaten Sportwetten-Anbietern kann somit keine Untersagungsverfügung ausgesprochen werden.
3. Aus all diesen Gründen ist ein Verbot der privaten Sportwetten-Vermittlung rechtswidrig
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 25. Februar 2005 wird wiederhergestellt, soweit die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten untersagt und die Einstellung dieser Tätigkeiten aufgegeben, und angeordnet soweit ein Zwangsgeld angedroht worden ist.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 € festgesetzt.
Sachverhalt
(vgl. Entscheidungsgründe)
Entscheidungsgründe
Der dem Tenor entsprechende Antrag ist nach § 80 Abs. 5, Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO bzw. nach § 80 Abs. 5, Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 12 LVwVG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Der Antrag ist auch begründet.
Das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die angefochtene Ordnungsverfügung überwiegt das öffentliche Interesse an deren sofortiger Durchsetzung. Denn bei der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen summarischen Beurteilung bestehen schwerwiegende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der genannten Verfügung. Vor diesem Hintergrund fällt die Interessenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin aus.
Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung der Antragsgegnerin vom 25.02.2005, mit der diese der Antragstellerin die Veranstaltung von Sportwetten und die Vermittlung von Sportwetten an solche Veranstalter, denen diese Tätigkeit weder durch ein baden-württembergisches Gesetz noch durch die Entscheidung einer baden-württembergischen Behörde erlaubt ist, untersagt und ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 € angedroht hat.
Die Voraussetzungen für das ordnungsbehördliche Einschreiten der Antragsgegnerin sind voraussichtlich nicht gegeben, und zwar unabhängig davon, ob als Ermächtigungsgrundlage § 35 Abs. 1 GewO oder §§ 1 Abs. 3, 3 PolG i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 des auch in Baden-Württemberg ratifizierten Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland - Lotteriestaatsvertrag (LottStV) - in Betracht kommen. Denn es spricht einiges dafür, dass die gewerbliche Tätigkeit der Antragstellerin, die für die Fa. Sportwetten (...), Sportwetten vermittelt, gegenwärtig nicht gegen Rechtsnormen verstößt.
Die Kammer geht zwar in Übereinstimmung mit der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung davon aus, dass Sportwetten in der Form der Oddset-Wetten Glückspiele im Sinne des § 3 Abs. 1 LottStV sind (vgl. etwa OVG Münster, Beschl. v. 28.06.2006 - 4 B 961/06 -), weil selbst im Falle eines bei den Spielteilnehmern unterstellten einschlägigen Sachverstandes gleichwohl die Entscheidung über den Gewinn zumindest überwiegend vom Zufall abhängt, ganz abgesehen davon, dass dieser Sachverstand gar nicht bei allen Teilnehmern vorausgesetzt werden kann.
Diese Glückspiele werden auch in Baden-Württemberg veranstaltet, indem hier durch einen Vermittler - die Antragstellerin - die Möglichkeit eröffnet wird, Angebote zum Abschluss von Wettverträgen abzugeben. Der Veranstalter, an den die Antragstellerin die Sportwetten vermittelt, hat auch keine in Baden-Württemberg gültige Erlaubnis nach § 6 LottStV. Diese ist aber erforderlich, da diese Wetten nach einem bestimmten Plan durchgeführt werden (vgl. § 3 Abs. 3 LottStV) und somit eine genehmigungsbedürftige Lotterie vorliegt. Zwar verfügt der Veranstalter - Sportwetten (...) - über eine nach dem Recht der DDR erteilte gewerberechtliche Erlaubnis für den Freistaat Thüringen, die aufgrund Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrages fortgilt. Diese Fortgeltung führt aber nicht zu einer räumlichen Ausweitung dieser Erlaubnis (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.06.2006 - 6 C 19.06 -).
Ausgehend hiervon wäre die Antragsgegnerin grundsätzlich ermächtigt und befugt, auch gegenüber der Antragstellerin deren Tätigkeit zu unterbinden, um sicherzustellen, dass „unerlaubtes Glücksspiel“ unterbleibt. Die Antragsgegnerin wäre hierfür auch aufgrund der Übergangsbestimmung des § 5 des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags zum Lotteriewesen in Deutschland vom 28.07.2005 - AGLottStV - (GBl. S. 586) als Ortspolizeibehörde zuständig, weil die angegriffene Verfügung bereits am 25.02.2005 und damit vor Inkrafttreten des AGLottStV erlassen worden ist.
Das Gericht ist aber aus verfassungsrechtlichen Gründen der Auffassung, dass sich die Antragsgegnerin derzeit nicht mit Erfolg auf die aus dem staatlichen Glücksspielmonopol resultierende Erlaubnispflicht berufen kann (so im Ergebnis auch VG Karlsruhe, Beschl. v. 21.07.2006 - 6 K 1260/06 -, a.A. VG Karlsruhe, Beschl. v. 17.07.2006 - 11 K 1386/06 -).Mit Urteil vom 28.03.2006 (- 1 BvR 138/95 - NJW 2006, 1261) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass ein staatliches Monopol für Sportwetten mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur dann vereinbar ist, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet ist.
Das Bundesverfassungsgericht sieht sich dabei in Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, nach welcher die Unterbindung der Vermittlung von Sportwetten in andere Mitgliedstaaten mit dem Gemeinschaftsrecht nur vereinbar ist, wenn ein Staatsmonopol wirklich dem Ziel dient, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, und die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen nur eine nützliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik ist (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rn. 144).
Das Bundesverfassungsgericht sieht das im Bundesland Bayern errichtete staatliche Wettmonopol in seiner gegenwärtigen gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung als einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit an (Rn. 119; anders noch: VGH Bad.-Württ., Beschl.v. 12.01.2005 - 6 S 1288/04 -, VBlBW 2005, 181 ). Die Vorschrift des § 284 Abs. 1 StGB beseitige das festgestellte verwaltungsrechtliche Regelungsdefizit nicht. Denn diese Regelung enthalte keine inhaltlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Wettangebots (Rn. 129).
Der Ausschluss der gewerblichen Veranstaltung von Wetten durch private Wettunternehmen sowie der Vermittlung von nicht in Bayern veranstalteten Wetten sei mit dem Grundgesetz unvereinbar, weil das bestehende Wettmonopol in einer Art und Weise ausgestaltet sei, die eine effektive Suchtbekämpfung, die den Ausschluss privater Veranstalter rechtfertigen könnte, nicht sicherstelle. Ein verfassungsgemäßer Zustand könne sowohl durch eine konsequente Ausgestaltung des Wettmonopols erreicht werden, die sicherstelle, dass es wirklich der Suchtbekämpfung diene, als auch durch eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Veranstaltung durch private Wettunternehmen (Rn. 148). Insoweit bestehe eine Regelungspflicht des Gesetzgebers. Wolle er an einem staatlichen Wettmonopol festhalten, müsse er dieses konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausrichten (Rn. 149). Hierzu gehörten etwa inhaltliche Kriterien betreffend Art und Zuschnitt der Sportwetten sowie Vorgaben zur Beschränkung ihrer Vermarktung (Rn. 150). Die Werbung für das Wettangebot habe sich zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters bei Wahrung des Ziels, legale Wettmöglichkeiten anzubieten, auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Wetten zu beschränken (Rn. 151). Die Einzelausgestaltung sei an dem Ziel der Suchtbekämpfung und dem damit verbundenen Spielerschutz auszurichten, auch etwa durch Vorkehrungen wie der Möglichkeit der Selbstsperre. Geboten seien auch Maßnahmen zur Abwehr von Suchtgefahren, die über das bloße Bereithalten von Informationsmaterial hinausgingen (Rn. 152). Die Vertriebswege seien so auszuwählen und einzurichten, dass Möglichkeiten zur Realisierung des Spieler- und Jugendschutzes genutzt würden. Insbesondere eine Verknüpfung von Wettmöglichkeiten mit Fernsehübertragungen von Sportereignissen würde dem Ziel der Suchtbekämpfung zuwiderlaufen und die mit dem Wetten verbundenen Risiken verstärken (Rn. 153).
Schließlich habe der Gesetzgeber die Einhaltung dieser Anforderungen durch geeignete Kontrollinstanzen sicherzustellen, die eine ausreichende Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates aufwiesen (Rn. 154). Eine Neuregelung komme grundsätzlich sowohl durch den Bundes- wie den Landesgesetzgeber in Betracht (Rn. 155). Für eine Neuregelung sei eine Frist bis zum 31.12.2007 angemessen (Rn. 156). Während der Übergangszeit bleibe zwar die bisherige Rechtslage anwendbar, es müsse jedoch unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des Monopols andererseits sichergestellt werden (Rn. 157). In der Übergangszeit sei zwar das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten weiterhin verboten und könne ordnungsrechtlich unterbunden werden (Rn. 158), dieses jedoch unter der Prämisse, dass bereits in der Übergangszeit damit begonnen werden müsse, das bestehende Wettmonopol konsequent an einer Bekämpfung der Wettsucht und einer Begrenzung der Wettleidenschaft auszurichten. So dürfe der Staat die Übergangszeit nicht zu einer expansiven Vermarktung von Wetten nutzen, weshalb bis zu einer Neuregelung etwa die Erweiterung des Angebots staatlicher Wettveranstaltungen sowie eine Werbung, die über sachliche Informationen zur Art und Weise der Wettmöglichkeit hinausgehend gezielt zum Wetten auffordere, untersagt sei. Ferner habe die staatliche Lotterieverwaltung umgehend aktiv über die Gefahren des Wettens aufzuklären (Rn. 160). Ob in der Übergangszeit eine Strafbarkeit nach § 284 StGB gegeben sei, unterliege der Entscheidung der Strafgerichte (Rn. 159).
Mit Beschluss vom 04.07.2006 (1 BvR 138/05) hat das Bundesverfassungsgericht auch die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg als mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar angesehen.
Dem Gesetz über staatliche Lotterien, Wetten und Ausspielungen (Staatslotteriegesetz - StLG) vom 14.12.2004 (GBl. S. 894) fehle es an Regelungen, die eine konsequente und aktive Ausrichtung des zulässigen Sportwettenangebots am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht materiell und strukturell gewährleisteten. Dieses Regelungsdefizit werde auch nicht durch den LottStV ausgeglichen (Rn. 12). Ebenso wie das bayerische Staatslotteriegesetz sei aber auch das baden-württembergisch nicht nichtig. Bis zu einer Neuregelung bleibe die bisherige Rechtslage daher mit der Maßgabe anwendbar, dass das gewerbliche Veranstalten von Sportwetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Sportwetten, die nicht vom Land Baden-Württemberg veranstaltet würden, unabhängig davon, ob in der Übergangszeit eine Strafbarkeit nach § 284 StGB vorliege, weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden dürfe, sofern das Land Baden-Württemberg unverzüglich damit beginne, das bestehende staatliche Sportwettenmonopol konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht auszurichten (Rn. 17).
Nach den Erklärungen der zuständigen öffentlichen Stellen des Landes Baden-Württemberg solle schon während der Übergangszeit eine konsequente Ausrichtung der vom Land veranstalteten Sportwetten am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht stattfinden (Rn. 18). Sofern Behörden unter Berufung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 das Verbot der Vermittlung und die sofortige Vollziehung ergangener Untersagungsverfügungen aufrecht erhalten, verweist das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 04.07.2006 zur Kontrolle der Einhaltung der dies rechtfertigenden verfassungsgerichtlichen Vorgaben zunächst auf verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz (Rn. 20).
Damit kann ein ordnungsbehördliches Einschreiten, gestützt auf die verfassungswidrigen Rechtsgrundlagen, in dieser Übergangszeit aber nur dann rechtmäßig sein, wenn der Gesetzgeber die vom Bundesverfassungsgericht geforderten Maßnahmen eingeleitet hat (so auch VG Stuttgart, Beschl. v. 17.07.2006 - 4 K 2657/06 -, a.A. VG Köln, Urt. v. 22.06.2006 - 1 K 2231/04). Solange die Gesetzeslage noch verfassungswidrig ist, kann sich das Land nur dann auf sein Glücksspielmonopol berufen, wenn bereits die Verwaltungspraxis den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Wenn aber die Verwaltungspraxis noch nicht an einer effektiven Suchtbekämpfung ausgerichtet ist, dürfen private Veranstalter nicht von der Veranstaltung von Glücksspielen ausgeschlossen werden. Denn wenn der Staat in der Übergangszeit private Wettbewerber verdrängt, ohne dabei zugleich die Vermarktung der staatlichen Glücksspiele ausreichend einzuschränken, will er primär Gewinne erzielen und nicht die Spielsucht einschränken. Dies ist aber mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar.Jedenfalls derzeit dürften die von der Verwaltung eingeleiteten Maßnahmen den strikten Anforderungen des Urteils vom 28.03.2006 nicht genügen.
In einer aktuellen Stellungnahme des Finanzministeriums auf den Antrag der Abgeordneten Margot Queitsch u.a. vom 21.06.2006 (Landtagsdrucksache 14/43) wird zwar u.a. ausgeführt, dass die Werbung für die Oddset-Sportwette erheblich eingeschränkt worden sei. Auf Plakat- und Rundfunkwerbung werde seit April, auf die Bandenwerbung in den Fußballstadien seit Juni (jeweils 2006) verzichtet. Medienkooperationen gebe es nicht mehr. Beim Internetspiel werde seit Juni 2006 eine Altersverifikation mittels eines „Schufa-Verfahrens“ zum Schutz der Jugendlichen eingesetzt. Hinweise zum Thema Spielsucht befänden sich inzwischen seit April 2006 im „Glücksmagazin“, auf allen neu gedruckten Spielscheinen, Broschüren, Verkaufsstellenplakaten und beim Internetauftritt. Seit Juni 2006 beinhalteten die Schulungen der Verkaufsstellen auch Informationen über Suchtprävention.
Diese Maßnahmen dürften den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Ausgestaltung des staatlichen Glücksspielmonopols noch nicht genügen. Zum einen wird immer noch für Oddset geworben. Die Stellungnahme spricht lediglich von einer Einschränkung der Werbung, nicht aber von einer Einstellung. Ob auch die Inhalte der Werbung bereits soweit abgeändert wurden, dass sie nicht mehr zum Wetten anreizen und ermuntern, lässt die Stellungnahme offen. Dies erscheint aber zweifelhaft, da Werbung typischerweise den Zweck verfolgt, den Bekanntheitsgrad eines Produkts zu steigern und beim Verbraucher ein Interesse zu wecken. Als entscheidender Mangel der bisherigen Maßnahmen tritt weiter der Umstand in Erscheinung, dass bislang keinerlei Schritte zur Einschränkung der Vertriebswege eingeleitet wurden.
Nach wie vor wird Oddset über das breit gefächerte Netz der Lotto-Annahmestellen und damit in bewusster Nähe zum Kunden vertrieben. Dadurch ist die Möglichkeit zum Abschluss von Sportwetten immer noch ein allerorts verfügbares Gut des täglichen Lebens. Es besteht auch immer noch die Möglichkeit zum Abschluss von Sportwetten über das Internet. Das Land Baden-Württemberg hat zwar nun eine Altersverifikation eingeführt, um den Jugendschutz zu verbessern. Aufgrund der Missbrauchsgefahr erscheint dieses Verfahren aber immer noch bedenklich. Hinzu kommt, dass unabhängig vom Jugendschutz bislang keinerlei Maßnahmen erkennbar sind, die vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich kritisierten Vertriebswege zu beschränken. Die staatlichen Schritte beschränken sich vielmehr auf Hinweise zur Suchtgefahr innerhalb der bestehenden Vertriebswege. Dies zeigt aber gerade, dass bislang noch nicht einmal beabsichtigt ist, die Vertriebswege einzuschränken. Damit wird jedoch aber ein zentraler Kritikpunkt des Bundesverfassungsgerichts an der Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols bislang völlig ignoriert. Auch das Angebot zum Abschluss von Sportwetten ist ein wichtiger Faktor bei der Bekämpfung der Spielsucht und muss daher erheblich eingeschränkt werden. Über das Internetportal der staatlichen Toto-Lotto-GmbH besteht aber die Möglichkeit, rund um die Uhr und von überall Sportwetten abzuschließen. Hinzu kommt, dass die Annahmestellen der Toto-Lotto-GmbH für Jugendliche möglicherweise suchtgefährlicher als private Annahmebüros sind, weil die Annahmestellen sich in der Regel in Zeitschriftenläden befinden, in denen Jugendliche regelmäßig verkehren. Jugendliche werden bei den staatlichen Annahmestellen wie zufällig an deren Produkte herangeführt. Kein Jugendlicher befindet sich aber zufällig in einer privaten Wettannahmestelle. Hier ist allein schon der Eintritt eine Barriere, welche bei den staatlichen Lotto-Annahmestellen fehlt. Mangels Einschränkung der Vertriebswege entspricht damit auch die Verwaltungspraxis des Landes Baden-Württemberg bislang nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.
Unter Berücksichtigung dieser Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren fällt die Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus.
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber verschiedene, rechtlich gleichermaßen zulässige Optionen zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustands offen stehen, wozu auch eine der Rechtslage in anderen Mitgliedstaaten vergleichbare weitergehende Liberalisierung des Lotteriewesens zählt. Solange noch nicht feststeht, dass der Gesetzgeber das staatliche Glücksspielmonopol aufrechterhält, wiegt das öffentliche Interesse an der Durchsetzung des Glücksspielmonopols weniger schwer. Es ist in Baden-Württemberg zwar derzeit politisch beabsichtigt, das staatliche Glücksspielmonopol aufrecht zu erhalten, wie sich insbesondere aus der genannten Stellungnahme des Finanzministeriums ergibt. Diese Absicht beruht aber wohl auch darauf, dass man sich der verfassungsgerichtlichen Vorgaben noch nicht im vollen Umfang bewusst zu sein scheint, insbesondere hinsichtlich der Einschränkung der Vertriebswege.
Ob das Land Baden-Württemberg auch noch am staatlichen Glücksspielmonopol festhalten will, wenn dies angesichts der eingeschränkten Möglichkeiten der Vermarktung nicht mit Mehreinnahmen für den Staat gegenüber einer Liberalisierung verbunden ist, erscheint aber fraglich. Hinzu kommt, dass aus dem Verlust von Sponsorengeldern der privaten Wettanbieter und nun zunehmend auch der staatlichen Lotteriebetriebe schwerwiegende Folgen für den Breiten- und Leistungssport in Deutschland resultieren. Daher sollte zunächst die anstehende Entscheidung des Gesetzgebers zu einer Neuordnung des Glückspiel- und Lotteriewesens abgewartet werden.
Ist hiernach die Grundverfügung nicht mehr vollziehbar, so kann auch die Vollziehung der unselbstständigen Zwangsmittelandrohung keinen Bestand haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO . Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 52 Abs. 1 , 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG . Sie entspricht der aktuellen Rechtsprechung für Verfahren dieser Art.