Vermittlung von Sportwetten
Leitsatz
1. Sportwetten dürfen in Deutschland nur mit einer deutschen Lizenz angeboten oder vermittelt werden.
2. DDR-Sportwetten-Lizenzen gelten nur für das Bundesland, in dem sie erteilt worden sind.
3. Durch die Vorgaben des BVerfG (Urt. 28.03.2006 - Az.: 1 BvR 1054/01) ist das deutsche Sportwetten-Monopol auch europarechtskonform.
Tenor
1. Der Antrag wird auf Kosten der Antragstellerin abgelehnt.
2. Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
Sachverhalt
(vgl. Entscheidungsgründe)
Entscheidungsgründe
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 9. Mai 2006 wiederherzustellen bzw. bezüglich der Androhung von Zwangsgeld anzuordnen, ist zulässig, aber nicht begründet.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung und ihrer alsbaldigen Durchsetzung überwiegt das private Interesse der Antragstellerin, auch künftig Sportwetten an Veranstalter vermitteln zu dürfen, die über keine Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten nach § 1 des Sportwettengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - SportWettG - vom 3. Mai 1955 (SGV NRW 7126) verfügen. Das öffentliche Interesse überwiegt zunächst deshalb, weil die angefochtene Verfügung mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist.
Mit der Verfügung untersagt die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Vermittlung von Sportwetten mit der Begründung, die Vermittlung von Sportwetten an Veranstalter, die in Nordrhein-Westfalen keine Erlaubnis hierfür hätten, sei illegal, weil sie gegen das in § 284 StGB normierte Verbot verstoße, Glücksspiel ohne Erlaubnis zu veranstalten. Mit dieser Begründung entspricht die Verfügung der durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 -, www.bverfg.de, NJW 2006, 1261 geschaffenen Rechtslage.
Danach besteht nach geltendem Recht in Bayern und wegen der Übereinstimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften auch in Nordrhein-Westfalen ein uneingeschränktes Verbot der privaten Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten (mit Ausnahme von Pferdewetten).
Das Bundesverfassungsgericht geht mit den seiner Entscheidung zugrunde liegenden Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. März 2001 - BVerwG 6 C 2.01 -, BVerwGE 114, 92 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. August 2000 - 22 B 00.1833 -, GewArch 2001, 65 davon aus, dass die Veranstaltung und Vermittlung von Wetten gemäß § 284 StGB grundsätzlich verboten, aber ausnahmsweise einer Erlaubnis zugänglich ist. Vor diesem Hintergrund behält das bayerische Staatslotteriegesetz die Veranstaltung von Wetten dem Staat vor, ohne die Möglichkeit zur Erteilung einer Erlaubnis für gewerbliche Wettangebote durch private Wettunternehmen vorzusehen. Über die Veranstaltung und Durchführung hinaus ist auch das Anbieten und Vermitteln von Wetten privater Wettunternehmen in Bayern verboten.
Die vom Bundesverfassungsgericht übernommene fachgerichtliche Auslegung des in Bayern geltenden Rechts entspricht der Rechtslage in Nordrhein-Westfalen, wie sie von den nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichten bislang verstanden worden ist.
Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts sind daher auf die Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen ohne weiteres übertragbar. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 SportWettG dürfen auch in Nordrhein-Westfalen Sportwetten nur von öffentlich-rechtlich organisierten oder dominierten juristischen Personen veranstaltet werden. Das beinhaltet nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) ein Verbot der privaten Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten (ständige Rechtsprechung seit Beschluss vom 13. Dezember 2002 - 4 B 1844/02 -, NWVBl. 2003, 220).
Dieser Ansicht ist auch die Kammer bislang gefolgt (z.B. Beschluss vom 16. April 2003 - 7 L 601/03 -). Es besteht kein Anlass, nunmehr davon abzuweichen.
Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Sportwetten von privaten Unternehmen veranstaltet und angeboten werden, die über eine im Ausland hierfür erteilte Erlaubnis verfügen, oder ob es sich um Unternehmen handelt, denen vor der Wiedervereinigung in der früheren DDR eine Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten erteilt worden ist. Diese Erlaubnisse gelten nämlich räumlich nur für das Gebiet des Bundeslandes, in dem sie erteilt worden sind (vgl. OVG NRW, a.a.O.). An dieser Auffassung hält die Kammer auch unter Berücksichtigung des Umstands fest, dass diese Frage, bezogen auf Bayern, u.a. Gegenstand des am 21. Juni 2006 vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Verhandlung anstehenden Verfahrens BVerwG 6 C 17.04 sein soll.
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist das staatliche Wettmonopol allerdings in seiner derzeitigen Ausgestaltung mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Da ein Verbot der privaten Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten aber ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ist und daher grundsätzlich aus verfassungsrechtlicher Sicht die Errichtung eines staatlichen Wettmonopols zulässig wäre, hat das Bundesverfassungsgericht die bestehende Rechtslage übergangsweise bis spätestens Ende 2007 für anwendbar erklärt, um dem Bundesgesetzgeber und/oder den Landesgesetzgebern Gelegenheit zu geben, das bestehende Regelungsdefizit zu beseitigen.
Ausdrücklich (a.a.O., Rdnr. 158) hat es ausgeführt, es sei den zuständigen Behörden erlaubt, das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten, die nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet werden, weiterhin als verboten anzusehen und ordnungsrechtlich zu unterbinden. In Nordrhein-Westfalen ist, wie dargelegt, die Rechtslage vergleichbar. Die Ansicht, private Sportwetten dürften in Nordrhein-Westfalen legal veranstaltet und vermittelt werden, ist danach nicht mehr haltbar.
Ob die Betreiber illegaler Wettbüros in der Übergangszeit nach § 284 StGB bestraft werden können, spielt hierfür keine Rolle. Das Bundesverfassungsgericht hat zwischen den ordnungsrechtlichen und den strafrechtlichen Auswirkungen seiner Entscheidung klar unterschieden (a.a.O., Rdnr. 158 und 159) und die Befugnis zum ordnungsbehördlichen Einschreiten gerade nicht eingeschränkt (so auch Prof. Dr. Gunter Widmaier, Karlsruhe in einem im Auftrag des Verbandes Europäischer Wettunternehmer am 5. Mai 2006 erstatteten Gutachten zu den strafrechtlichen Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts für die Zeit bis zur Neuregelung des Rechts der Sportwetten, S. 12 und 13).
Die Antragsgegnerin ist an der Unterbindung der gewerblichen Vermittlung von Sportwetten nicht durch die Maßgaben gehindert, mit denen das Bundesverfassungsgericht die Übergangszeit bis zur gesetzlichen Neuregelung verbunden hat. Danach haben der Freistaat Bayern und demzufolge auch die anderen Bundesländer unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des staatlichen Wettmonopols andererseits herzustellen. Außerdem muss in der Übergangszeit bereits damit begonnen werden, das bestehende Wettmonopol konsequent an einer Bekämpfung der Wettsucht und einer Begrenzung der Wettleidenschaft auszurichten. Der Staat darf die Übergangszeit nicht zu einer expansiven Vermarktung von Wetten nutzen. Daher sind bis zu einer Neuregelung die Erweiterung des Angebots staatlicher Wettveranstaltung sowie eine Werbung, die über sachliche Informationen zur Art und Weise der Wettmöglichkeit hinausgehend gezielt zum Wetten auffordert, untersagt. Ferner hat die staatliche Lotterieverwaltung umgehend aktiv über die Gefahren des Wettens aufzuklären (vgl. BVerfG a.a.O., Rdnr. 157 und 160).
Das Land Nordrhein-Westfalen hat damit begonnen, diese Maßgaben umzusetzen. Durch Schreiben an die Geschäftsführung der Westdeutschen Lotterie GmbH & Co OHG vom 19. April 2006, Az: 14-38.07.06-5, hat das Innenministerium eingehende Auflagen in Bezug auf den Wettgegenstand, die Werbung, die Vertriebskanäle und Maßnahmen zur Suchtprävention erlassen. Danach ist insbesondere die Werbung so zu gestalten, dass sie keinen Aufforderungscharakter enthält. Sie ist allein auf Informationen zur Art und Weise der Wettmöglichkeiten zu beschränken. Grundsätzlich verboten sind die TV- und Radiowerbung, die Bandenwerbung in den Stadien, die Trikotwerbung, Gewinnspiele zu Oddset in den Medien, die Oddset-Werbung über Großplakate und Werbeterminals sowie die Durchführung von Promotionaktionen auf Messen, Jahrmärkten etc. Außerdem ist deutlich auf die Suchtgefahr hinzuweisen.
Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass die Lotteriegesellschaft diese Auflagen nicht befolgen wird. Das Innenministerium hat die zuständigen Ordnungsbehörden darüber hinaus angewiesen, die Einhaltung der Auflagen zu beobachten und Verstöße ggf. zu melden. Das alles wird in angemessener Zeit dazu führen, dass ein den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechender Zustand eintritt.
Die Kammer hält es auch nicht für entscheidungserheblich, ob gegenwärtig schon eine vollständige Umsetzung der angeordneten Schritte zur Beschränkung der Wetttätigkeiten gelungen ist. Angesichts der Kürze der seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts verstrichenen Zeit erscheinen die angeordneten Maßnahmen einschließlich der Überwachung ihrer Befolgung ausreichend, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die zulässige Beschränkung der Berufsfreiheit zu genügen. Es ist auch damit zu rechnen, dass vergleichbare Maßnahmen in allen Bundesländern ergriffen werden. So hat es die Innenministerkonferenz der Länder nach Presseberichten beschlossen. Damit ist aus verfassungsrechtlicher Sicht gegen die angefochtene Verfügung nichts einzuwenden.
Auch das Europäische Gemeinschaftsrecht gebietet es nicht, die Veranstaltung und Vermittlung privater Sportwetten in Nordrhein-Westfalen als erlaubt anzusehen. Das Verbot, Wettdienstleistungen zu erbringen, stellt zwar eine Beschränkung der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs nach Art. 49 EG-Vertrag dar. Solche Beschränkungen können jedoch aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses wie Verbraucherschutz, Betrugsvorbeugung und Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, dass die Beschränkungen auf solche Gründe und auf die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen, und dass sie geeignet sind, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen.
Die Behörden eines Mitgliedsstaates dürfen die Verbraucher nicht dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2003 - Rs. C-243/01 - (Gambelli u.a.), NJW 2004, 87 (Rdnr. 67 und 69) ). Diese Vorgaben stimmen inhaltlich mit den Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts überein (BVerfG, a.a.O. Rdnr. 144). Eine nach deutschem Verfassungsrecht zulässige Beschränkung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) genügt daher auch den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen für die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG-Vertrag) in diesem Sektor.
Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die oben beschriebene Umsetzung der vom Bundesverfassungsgericht für die Übergangszeit geforderten Maßnahmen zugleich bewirken wird, dass das in Deutschland bestehende staatliche Wettmonopol nicht (mehr) gegen Gemeinschaftsrecht verstößt. (So auch: Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4. Mai 2006 - 1 M 476/05 -, S. 10 des amtlichen Umdrucks).
Denn diese Maßnahmen sind geeignet, kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeit beizutragen. Wie die deutschen Behörden die erforderlichen Restriktionen umsetzen, sei es, wie es jetzt vorläufig erfolgt, aufgrund ministerieller Anweisungen und Erlasse oder, wie nach unserer Rechtsordnung zur Herstellung eines verfassungskonformen Zustands vorgesehen und vom Bundesverfassungsgericht verlangt, aufgrund einer gesetzlichen Regelung, ist aus europarechtlicher Sicht gleichgültig. Wichtig ist nur, dass tatsächlich ein gemeinschaftskonformer Zustand hergestellt wird.
Die durch eine Presseerklärung der EU-Kommission vom 4. April 2006 - IP/06/436 - bekannt gewordene Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG-Vertrag gegen Deutschland und sechs andere Mitgliedstaaten wegen der in diesen Ländern bestehenden Beschränkungen für Sportwetten nötigt zu keiner anderen Einschätzung der Anwendbarkeit des in Nordrhein-Westfalen nach Maßgabe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geltenden Rechts.
Die Presseerklärung hebt ausdrücklich hervor, dass sich die Untersuchung der Kommission nicht gegen bestehende Monopole oder die staatlichen Lotterien in den genannten Mitgliedstaaten richtet und auch keine Auswirkungen auf die Liberalisierung des Dienstleistungsmarkts für Glückspiele im Allgemeinen oder das Recht der Mitgliedstaaten auf den Schutz des Allgemeininteresses hat, solange der Mitgliedstaat sich in gemeinschaftskonformer Weise auf notwendige und verhältnismäßige Maßnahmen beschränkt und Diskriminierungen vermeidet. Für die Frage, ob durch die vom Bundesverfassungsgericht geschaffene Rechtslage und die Umsetzung seiner Maßgaben in Nordrhein-Westfalen und den übrigen Bundesländern eine gemeinschaftskonforme Regulierung des Wettspielmarktes erfolgt ist, gibt die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU- Kommission demnach nichts her.
Unabhängig davon, dass die angefochtene Verfügung wahrscheinlich rechtmäßig ist, überwiegt das öffentliche Interesse an ihrer Vollziehung auch deshalb, weil von Sportwetten, auch von Sportwetten mit festen Gewinnquoten, wie von anderen Glückspielen ein erhebliches Suchtpotenzial ausgeht. Die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ist ein besonders wichtiges Gemeinwohlziel (vgl. BVerfG, a.a.O., Rdnr. 98 ff).
Die den staatlichen Wettunternehmen auferlegten Beschränkungen und Auflagen bezüglich der Suchtprävention würden unterlaufen, wenn weiter unbeschränkt private Wettveranstalter tätig sein könnten und Wetten an solche Veranstalter vermittelt werden dürften. Der Einräumung einer Übergangszeit für die Schaffung eines Zustands, der die von Sportwetten ausgehenden Gefahren durch gesetzliche Regelungen verfassungskonform bekämpft, hätte es nicht bedurft, wenn der ansonsten entstandene rechtsfreie Raum hätte hingenommen werden können. Es gilt deshalb zu verhindern, dass jeder tut, was er will (vgl. Widmaier, a.a.O., S. 12). Auf Vertrauensschutz kann sich die Antragstellerin schon deshalb nicht berufen, weil sie ihren Betrieb in Kenntnis der unklaren Rechtslage eröffnet hat und deshalb wegen der möglichen Unwirtschaftlichkeit getätigter Investitionen keine Rücksichtnahme erwarten kann.
Die Androhung des Zwangsgeldes ist auch der Höhe nach mit Rücksicht auf die mit Betrieben dieser Art zu erzielenden Gewinne rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und entspricht der Praxis in Verfahren der vorliegenden Art.