Vermittlung von Sportwetten

Verwaltungsgericht Frankfurt_Oder

Beschluss v. 12.09.2006 - Az.: 4 L 302/06

Leitsatz

1. Das brandenburgische Sportwettenrecht verstößt gegen EU-Recht.

2. Entgegen dem OVG NRW (Beschl. v. 28.06.2006 - Az.: 4 B 961/06) existiert kein allgemeines Prinzip der Rechtssicherheit, dass die Rechtsfolgen einer Kollision mit höherrangigem Recht beschränkt, um unerträgliche Konsequenzen einer sonst eintretenden Regelungslosigkeit zu vermeiden.

3. Das Verbot, private Sportwetten an im EU-Ausland konzessionierte Anbieter zu vermitteln, ist daher rechtswidrig.

4. Das bloße Betreiben eines Sportwetten-Terminals fällt nicht unter die Tathandlungen des § 284 Abs.1 StGB. Ob eine strafbare Beihilfe-Handlung vorliegt, bedarf nicht der abschließenden Klärung, es bestehen jedoch erhebliche Zweifel an einer solchen Annahme.

Tenor

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren (...) hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) (...) am 12. September 2006 (...)

beschlossen:

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 20. Juli 2006 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 6. Juli 2006 wird hinsichtlich Ziffer 1 - 3 des Bescheides wiederhergestellt und hinsichtlich Ziffer 4 des Bescheides angeordnet.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

 

Sachverhalt

(vgl. Entscheidungsgründe)

Entscheidungsgründe

I.

Die Antragstellerin wehrt sich gegen die sofortige Vollziehung einer Untersagungsverfügung betreffend die Vermittlung von Sportwetten.

Die Antragstellerin hat in ihrer Betriebsstätte "Spielhalle 1" (...) einen sogenannten Tipomaten aufgestellt. Dabei handelt es sich um einen Wettterminal, über den Sportwetten in Form der sogenannten Oddset-Wette an die in Malta ansässige Firma Cashpoint Ltd. vermittelt werden. Darüber hinaus bietet das Gerät Zugriff auf alle weiteren Internetangebote.

Mit Bescheid vom 6. Juli 2006 untersagte der Antragsgegner der Antragstellerin die Veranstaltung von Glücksspielen in der Spielhalle 1 (...). Die Antragstellerin wurde aufgefordert, die Vermittlung von Sportwetten innerhalb von einer Woche nach Zustellung der Ordnungsverfügung einzustellen und das Gerät Tipomat aus der Spielhalle zu entfernen.

Für den Fall, dass die Antragstellerin dem nicht nachkomme, wurde der unmittelbare Zwang in Form der Versiegelung des Gerätes angedroht. Zur Begründung führte er

im Wesentlichen aus, die Bereitstellung des Tipomaten erfülle den Tatbestand des § 284 Strafgesetzbuch. Eine Genehmigung für das Veranstalten eines Glücksspiels könne nach brandenburgischem Landesrecht nicht erteilt werden. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 festgestellt habe, unterliege auch die Vermittlung von Sportwetten in ein anderes EU-Land der Erlaubnispflicht. Dem stehe auch die Rechtsprechung des EuGH nicht entgegen, da eine Beschränkung der Tätigkeit von Glücksspielveranstaltern zum Schutz vor den spezifischen Gefahren des Glücksspiels ausdrücklich zugelassen sei.

Die Androhung unmittelbaren Zwanges sei erforderlich, durch die Festsetzung eines Zwangsgeldes könne der Zweck der Unterlassungsverfügung, nämlich die Verhinderung der Veranstaltung von Glücksspielen nicht erfüllt werden. Ferner ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Ordnungsverfügung an und führte zur Begründung aus: An der Anordnung der sofortigen Vollziehung bestehe mit Blick auf die mit der Veranstaltung von Glücksspielen verbundenen besonderen Gefahren ein besonderes öffentliches Interesse.

Nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts handele es sich bei der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht um ein besonderes wertvolles Gemeinwohlziel, das sogar einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit rechtfertige. Das Interesse der Betreiber von Wettangeboten an gerichtlichem Rechtsschutz trete hinter das öffentliche Interesse an der Eindämmung des Glücksspielangebotes und dem Schutz der potentiellen Spieler zurück.

Die Betriebsstätten seien in Kenntnis der unklaren Rechtslage eröffnet worden. Die Anbieter seien daher das Risiko, nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wieder geschlossen zu werden, bewusst eingegangen. Betreiber von Wettannahmestellen könnten sich daher nicht auf Bestandsschutz berufen.

Am 19. Juli 2006 wurde das Gerät Tipomat amtlich versiegelt.

Gegen den Bescheid vom 6. Juli 2006 erhob die Antragstellerin am 20. Juli 2006 Widerspruch, über den der Antragsgegner noch nicht entschieden hat.

Mit ihrem am 29. Juli 2006 bei Gericht eingegangenen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz trägt die Antragstellerin vor, die Untersagungsverfügung sei rechtwidrig.

Soweit die Vermittlung von Sportwetten oder das Bereithalten bzw. Zugänglichmachen der Angebote von Glücksspielveranstaltern pauschal untersagt werde, sei die Verfügung zu weit gefasst. Sie würde - beim Wort genommen - letztlich dazu führen, dass in der Spielhalle weder ein Lottoschein ausgefüllt werden noch ein Internetzugang zur Verfügung gestellt werden dürfe.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung habe der Antragsgegner nicht hinreichend begründet. Er habe keine konkreten Gefahren dargelegt. Mit Blick auf die auch vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit sei es erforderlich gewesen, darzulegen, warum ein Verwaltungsakt, der auf einer grundrechtswidrigen Rechtslage beruhe, Bestand haben und durch Vollzugsmaßnahmen und Zwangsmittel durchgesetzt werden müsse.

Die Untersagungsverfügung sei auch materiell rechtswidrig. Die Vermittlung von Sportwetten in ein anderes EU-Land falle sowohl unter die Niederlassungsfreiheit wie auch unter die Dienstleistungsfreiheit. Eine Beschränkung sei nur zulässig, wenn sie wirklich dem Ziel diene, "die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern".

Nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts, genüge das gegenwärtige Sportwettenmonopol weder den Anforderungen des Verfassungsrechtes noch den Vorgaben des Gemeinschaftsrechtes. Die aufgrund der vorübergehenden Fortdauer des staatlichen Wettmonopols bestehende Kollision zwischen der Dienstleistungsfreiheit und Normen des interstaatlichen Rechts sei zugunsten des Gemeinschaftsrechts zu beantworten.

Anders als das Verfassungsrecht kenne das Europarecht keine Übergangsvorschriften. Darüber hinaus wäre die Ordnungsverfügung überhaupt nur dann rechtmäßig, wenn sie den Tatbestand des § 284 StGB verwirkliche. Das sei nicht der Fall. Die Frage, ob es sich bei Sportwetten um Glücksspiele handele, könne nur aufgrund einer einzelfallorientierten Betrachtung beurteilt werden. Feststellungen etwa zu den Eigenschaften des Durchschnittsspielers habe der Antragsgegner indes

nicht getroffen. Ferner könne die - hier in Rede stehende - Vermittlung von Sportwetten nicht mit der Veranstaltung von Sportwetten gleichgesetzt werden.

Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht die bis zum 31. Dezember 2007 befristete Anwendbarkeit des Staats- und Lotterievertrages nur mit der Maßgabe bestimmt, dass das betroffene Bundesland unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz herstelle zwischen dem Ziel der Begrenzung und Bekämpfung der Wettleidenschaft einerseits und der tatsächlichen Ausübung seines Monopols andererseits. Diesen Anforderungen seien die staatlichen Lotterieanbieter indes bis heute nicht nachgekommen. Vielmehr würben sie munter weiter in dem Glauben, den Anforderungen mit ein wenig Kosmetik genügen zu können.

So gebe es zwar zahlreiche medienwirksame Ankündigungen der Bundesländer, den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts Folge zu leisten. Eine - bislang nicht erfolgte - Umsetzung der in Aussicht gestellten Maßnahmen würde den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts indes nicht genügen. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass die Maßgaben von allen Bundesländern erfüllt werden müssten. Das Europarecht sei "länderblind“.

Solange auch nur ein Bundesland nicht den Maßgaben des EuGH nachkomme, könne sich kein Bundesland auf die eigene Erfüllung der Vorgaben des EuGH berufen. Ein europarechtswidriger Zustand bestehe daher auch dann, wenn sich auch nur ein einziges Bundesland nicht an die Vorgaben halte.

Die Antragstellerin beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 20. Juli 2006 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vorn 6. Juli 2006 wiederherzustellen, bzw. hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwanges anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß, den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner vertritt die Auffassung, der Antrag sei bereits unzulässig. Da die Antragstellerin das in Rede stehende Gerät Tipomat zwischenzeitlich aus der Spielhalle entfernt habe, fehle es bereits am Rechtsschutzbedürfnis.

Im Übrigen sei der Antrag aber auch unbegründet. Wie aus seiner Stellungnahme vom 12. Juni 2006 hervorgehe, habe das Ministerium des Innern als oberste Glücksspielaufsichtbehörde im Land Brandenburg nach Bekanntwerden des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 die Land Brandenburg Lotto Gesellschaft mbH (LBL) dazu verpflichtet, den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Folge zu leisten. Die LBL habe daraufhin hinreichende Maßnahmen zur Bekämpfung der Glücksspielsucht und einer Begrenzung der Glücksspielleidenschaft ergriffen.

Schließlich sei die Behauptung der Antragstellerin, aufgrund der Ordnungsverfügung erleide sie irreparable finanzielle und wirtschaftliche Einbußen, ihr werde dadurch die Erwerbsgrundlage entzogen, nicht nachvollziehbar. Die Antragstellerin betreibe in ihrer Spielothek 21 Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit, 7 Unterhaltungsspielgeräte sowie im angeschlossenen Internetcafe mindestens 9 PCs.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Streitakte und den die Antragstellerin betreffenden Verwaltungsvorgang Bezug genommen, die vorgelegen haben und - soweit wesentlich - Gegenstand der Beratung und Entscheidung der Kammer gewesen sind.


II.

Der Antrag ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Zulässigkeit des Antrages scheitert insbesondere nicht an dem Umstand, dass die Antragstellerin den in ihren Geschäftsräumen aufgestellten Tipomaten nach dessen Versiegelung entfernt hat.

Ihr Rechtsschutzbedürfnis ist hierdurch nicht entfallen. Abgesehen davon, dass die in Streit stehende Ordnungsverfügung nicht nur die Verwendung eines bestimmten Gerätes, sondern allgemein das Veranstalten von Glücksspielen untersagt, würde auch eine ausschließlich auf die Verwendung eines bestimmten Gerätes gerichtete Untersagung nicht durch dessen vorübergehende und jederzeit rückgängig zu machende Entfernung dieses Gerätes gegenstandslos werden.

Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin den Einsatz des Gerätes endgültig aufgeben wollte, sind nicht erkennbar.

Der Antrag ist auch begründet. Die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung und dem privaten Interesse der Antragstellerin, von einer Vollziehung vorerst verschont zu bleiben, geht zu Lasten des Antragsgegners aus.

Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Widerspruch der Antragstellerin aller Voraussicht nach Erfolg haben wird, weil die angefochtene Ordnungsverfügung rechtswidrig ist.

Die Untersagung der Vermittlung von Sportwetten an im EU-Ausland konzessionierte Wettveranstalter durch die Antragstellerin ist nicht durch die - vom Antragsgegner zwar nicht ausdrücklich genannte aber allein in Betracht kommende - Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1 Ordnungsbehördengesetz für das Land Brandendenburg (OBG) gedeckt.

Nach dieser Vorschrift können die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Von einem Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit wäre unter anderem dann auszugehen, wenn die Tätigkeit der Antragstellerin den Tatbestand einer Strafrechtsnorm erfüllen würde.

Das ist indes nicht der Fall.

Zwar geht die Kammer im Anschluss an die Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zuletzt BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006 - 6 C 19/06 -, zit. nach

juris) davon aus, dass es sich bei den von der Firma Cashpoint Ltd. durchgeführten Sportwetten um Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB handelt, weil die Entscheidung über Gewinn und Verlust beziehungsweise deren Höhe nach den Spielbedingungen nicht wesentlich von den Fähigkeiten, Kenntnissen und vom Grad der Aufmerksamkeit des einzelnen Spielers bestimmt wird, sondern überwiegend vom Zufall.

Ob allerdings die Tätigkeit der Antragstellerin, die sich darauf beschränkt, einen Internetterminal zur Verfügung zu stellen und Gewinne auszuzahlen, ein strafbares Verhalten darstellt, ist dagegen zweifelhaft. Die Antragstellerin ist zunächst nicht Veranstalterin eines Glückspiels.

Veranstalter ist, wer verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung eines Glückspiels schafft, und dem Publikum hierdurch der Abschluss von Spielmöglichkeiten unmittelbar eröffnet wird (vgl. Fischer/Tröndle, StGB-Kommentar, 52 Aufl., Rn. 11 zu § 284). Danach ist insbesondere derjenige Veranstalter, der den Spielplan entwirft, die Quoten festlegt und der Vertragspartner des Spielers ist. Wer lediglich eine Wette vermittelt, beziehungsweise wie die Antragstellerin ein

Gerät zur Vermittlung zur Verfügung stellt, schafft demgegenüber weder die maßgebenden Bedingungen für die Abhaltung des Spieltriebes, noch hat er auf die Durchführung des Spiels einen Einfluss.

Insbesondere ist er dafür weder organisatorisch noch finanziell und rechtlich verantwortlich.

Ob die Vermittlung von Wetten beziehungsweise die Bereitstellung eines PC-Terminals als Beihilfehandlung nach §§ 284, 27 StGB strafbar ist, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Während die Strafbarkeit teilweise mit dem Argument bejaht wird, Ort der Begehung einer Straftat im Sinne von § 9 StGB sei jeder Ort, an dem irgendein Teil des strafbaren Tatbestandes verwirklicht wird (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Dezember 2002 - 4 B 1844/02, zit. nach juris) wird die Beihilfe insbesondere von einem Teil der Strafgerichte mit dem Hinweis verneint, es fehle an einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat, wenn der die Sportwette veranstaltende Unternehmer - hier die Firma Cashpoint ltd., die die Wette in Malta veranstaltet, - hierfür eine gültige Erlaubnis des Heimatlandes innehabe (vgl. z.B. Landgericht Ellwangen,Urteil vom 12, April 2004 - 3 Ns 42 Js 5187/03).

Im Streitfall bedarf diese Frage letztlich keiner Entscheidung, weil der Annahme einer Beihilfe der Antragstellerin zur Veranstaltung unerlaubten Glücksspiels gemäß § 284 Abs. 1, 27 StGB jedenfalls entgegen steht, dass das staatliche Sportwettenmonopol in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 43 und 49 EG-Vertrag verstößt. Wegen des Anwendungsvorranges des europäischen Gemeinschaftsrechts führt dies zur Unanwendbarkeit der § 284 Abs. 1, 27 StGB in Fällen, in denen - wie hier - ein grenzüberschreitendes Element gegeben ist, weil der Veranstalter der Sportwetten über eine Konzession in einem anderen EU-Land verfügt (vgl. VG Arnsberg, Beschluss vom 21. August 2006, 1 L 725/06, VG Minden, Beschluss vom 26. Mai 2006 – 3 L 249/06 -, VG Köln Beschluss vom 14. Juli 2006 - 1 L 927/06, VG Stuttgart, Beschluss vom 27. Juli 2006 - 18 K 2636/06, a. A. OVG NRW, Beschluss vom 28. Juni 2006 - 4 B 961/06).

In der Sache "Gambelli" hat der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 6. November 2003 - Rs. C- 243/01 -, GewArch 2004, S. 30) entschieden, dass nationale Regelungen, die strafbewehrte Verbote des Sammelns, der Annahme und der Übertragung von Sportwetten enthalten, Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des Dienstleistungsverkehrs darstellen, wenn der betreffende Mitgliedsstaat keine Genehmigungen erteilt.

Die Beschränkungen müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein und geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten und dürfen nicht über das zur Zielerreichung erforderliche Maß hinausgehen. Zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die derartige Beschränkungen rechtfertigen könnten, gehöre u.a. die Vermeidung von Anreizen zu überhöhten Ausgaben für das Spielen. Unverhältnismäßig könnten strafrechtliche Sanktionen sein, wenn staatlich zugelassene nationale Einrichtungen zur Teilnahme an Sportwetten ermutigten.

Vorliegend fehlt es an einer diesen Anforderungen genügenden Rechtsfertigung der Beschränkung. In seinem Urteil vom 28. März 2006 (1 BvR 1054/01) hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die bayrischen Vorschriften zum staatlichen Sportwettenmonopol in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung - insbesondere weil es eine effektive Suchtbekämpfung nicht sicherstelle - als unverhältnismäßigen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit gewürdigt und bestätigt, dass die Unverhältnismäßigkeit der tatsächlichen Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols auch den Ausschluss der

Vermittlung privater Wetten erfasst.

Es hat hierbei ausdrücklich hervorgehoben, dass die Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel zu den vom Europäischen Gerichtshof zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben laufen bzw. die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts denen des Grundgesetzes entsprechen (Rn. 144). Damit impliziert seine verfassungsrechtliche Würdigung zwingend die Wertung, dass das bayerische Sportwettenmonopol auch gegen Art. 43 und 49 EG-Vertrag verstößt.

Da Rechtslage betreffend das staatliche Sportwettenmonopol, die weitgehend durch die Bestimmungen des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland (s. Gesetz zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland vom 20. April 2004, Gbl. I, S. 160) vorgezeichnet ist, in Bayern und Brandenburg keine wesentlichen Unterschiede aufweist, sind die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts auf die Rechtslage in Brandenburg übertragbar.

Soweit das BVerfG ausgeführt hat, dass die bisherige Rechtslage während einer bis zum 31. Dezember 2007 andauernden Übergangszeit, in der das Sportwettenrecht im Einklang mit dem Grundgesetz neu zu regeln ist, weiterhin anwendbar bleibe und die private Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden dürfe, steht dies der Annahme eines Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht nicht entgegen.

Das BVerfG hat in der genannten Entscheidung ausdrücklich festgestellt, es sei zur Beantwortung der Frage der Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Norm des

einfachen Rechts mit Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts nicht zuständig (Rdn. 77).

Es kann daher nicht angenommen werden, dass das BVerfG mit der Übergangsregelung konkludent zum Ausdruck bringen wollte, dass das staatliche Wettmonopol europarechtskonform sei.

Der Umstand, dass das Ministerium des Innern als oberste Glücksspielaufsichtsbehörde im Land Brandenburg die Glückspielmonopolistin - die Land Brandenburg Lotto Gesellschaft mbH (LBL) - unmittelbar nach Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Maßnahmen verpflichtet hat, um ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung und der Bekämpfung der Wettleidenschaft einerseits und der tatsächlichen Ausübung des Glückspielmonopols andererseits herzustellen, kann an dem festgestellten Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht nichts ändern.

Es kann dahinstehen, ob der Antragsgegner die - die von der Antragstellerin bestrittene - Umsetzung der in dem zitierten Schreiben aufgeführten Maßnahmen hinreichend glaubhaft gemacht hat (§ 173 VwGO i.V.m. § 294 ZPO). Denn die rein tatsächlichen Änderungen der Sportwettenpraxis der staatlichen Wertunternehmen reicht zur Beseitigung des Gemeinschaftsrechtsverstoßes nicht aus.

Vielmehr bedarf es darüber hinaus auch einer den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entsprechenden rechtlichen Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Juni 2006 - 4 B 961/06 -, zit. nach juris; Pischel GRUR 2006, S. 630, 635).

Eine rechtliche Umsetzung der verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben ist in Brandenburg bislang nicht erfolgt. Unter Ziffer 6 des zitierten Schreibens des Ministeriums des Innern, heißt es lediglich, derzeit erfolge die Vorbereitung einer ländereinheitlichen gesetzlichen Neuregelung des Glückspielwesens durch eine von der Ministerkonferenz eingesetzte Arbeitsgruppe.

Aus diesen Gründen kann angesichts des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts derzeit von einer Verwirklichung des Straftatbestandes der §§ 284, 27 StGB nicht ausgegan gen werden. Die Frage der Strafbarkeit kann sich erst dann stellen, wenn entweder die rechtliche und die tatsächliche Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Einklang mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts stehen oder das Monopol aufgegeben und der Zugang zum Wettgeschäft auch privaten Anbietern eröffnet wird.

Der Auffassung des OVG-NRW (Beschluss vom 28. Juni 2006 - 4 B 961/06), die derzeit geltenden Regelungen seien mit Blick auf das Prinzip der Rechtssicherheit vorrübergehend anwendbar, weil andernfalls eine inakzeptable Gesetzeslücke entstünde (vgl. auch Jarrss/Beljin, NVwZ 2004, 1, 5), folgt die Kammer nicht.

Eine derartige Ausnahme von dem Grundsatz des Anwendungsvorrangs ist in der Rechtssprechung des EuGH bislang nicht anerkannt (vgl. VG Arnsberg, Beschluss vom 21. August 2006 - 1 L 725/06 -; VG Köln, Urteil vom 6. Juli 2006 - 1 K 3679/05; VG Minden, Beschluss vom 31. Juli 2006 - 3 L 402/06 alle zit. nach juris).

Darüber hinaus ist vorliegend nicht erkennbar, dass eine inakzeptabel Gesetzeslücke vorläge.

Auch nach Auffassung des OVG NRW sind insoweit hohe Anforderungen zu stellen, die unter anderem dann erfüllt sein sollen, wenn aus der Nichtanwendung des nationalen Rechts absehbar eine Gefährdung wichtiger Allgemeininteressen resultiere, diese Gefährdung ersichtlich schwerer wiege als die Beeinträchtigung der durch die jeweils verletzte europarechtliche Vorschrift geschützten Rechtsgüter, und schließlich die Gefährdung der wichtigen Allgemeininteressen nicht anders abgewendet werden könne als durch eine zeitlich begrenzte weitere Anwendung der betroffenen nationalen Rechtsvorschriften.

Seien diese Voraussetzungen erfüllt, werde man den Anwendungsvorrang so lange als suspendiert betrachten müssen, bis der nationale Gesetzgeber hinreichend Gelegenheit gehabt habe, den fraglichen Lebensbereich gemeinschaftsrechtskonform zu regeln, wobei im Rahmen des Vollzugs des danach vorübergehend weiter anwendbaren nationalen Rechts die Organe des Mitgliedstaates jedoch regelmäßig sicherzustellen zu hätten, dass den Anforderungen der verletzten Norm des Gemeinschaftsrechts so weit wie möglich Rechnung getragen werde.

Diese hohen Anforderungen sind nicht erfüllt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, weshalb die angesprochenen wichtigen Allgemeininteressen (Eindämmung der Spielsucht, Gewährleistung hinreichenden Verbraucherschutzes im Glücksspielbereich, präventive Bekämpfung der dort drohenden Begleit- und Folgekriminalität) durch die sofortige Nichtanwendbarkeit der das staatliche Sportwettenmonopol in Brandenburg begründenden Normen im Übergangszeitraum bis längstens Ende 2007 gefährdet sein sollten. Insoweit ist darauf zu verweisen, dass zum einen die staatlichen Wettunternehmen in der Vergangenheit jedenfalls bis April dieses Jahres massiv für sich geworben und gerade nicht die Wettsucht bekämpft haben. Dass der Bevölkerung durch das öffentliche Glücksspiel in Form von ausländischen Oddset-Wetten größere Gefahren drohen als durch die staatlich veranstalteten Sportwetten ist nicht erkennbar.

Zum anderen sind private Wettanbieter, die ihrerseits ebenfalls offensiv geworben haben, teilweise jahrelang - im Hinblick auf die bei dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren - geduldet worden (vgl. VG Arnsberg, Beschluss vom 21. August 2006 (a.a.O)).

Weshalb bei einer Fortsetzung der Tätigkeit privater Anbieter bis zum Ablauf der Übergangsfrist mit unerträglichen Konsequenzen zu rechnen wäre, erschließt sich nicht, zumal sich die Antragstellerin nicht im rechtsfreien Raum bewegt. Sie vermittelt lediglich Wetten für einen in einem anderen EU-Land ansässigen und dort konzessionierten Wettanbieter.

Soweit der Antragsteller in der angegriffenen Ordnungsverfügung allgemein die Veranstaltung von Glücksspielen untersagt hat, ist die Verfügung auch deshalb rechtswidrig, weil es an der ordnungsrechtlich zu beachtenden Erforderlichkeit fehlt. Dass die Antragstellerin über die Vermittlung von Wetten an die Fa. Cashpoint Ltd. unter Einsatz des Internetterminals hinaus, Glücksspiele veranstaltet oder eine der in Ziffer 2 des Bescheides im Einzelnen aufgeführte Tätigkeiten entfaltet oder dies beabsichtigt hätte, ist nicht ersichtlich und von dem Antragsgegner auch nicht vorgetragen.

Da die Antragstellerin die Untersagungsverfügung nach alledem einstweilen nicht zu beachten braucht, ist auch die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches gegen die Androhung eines Zwangsmittels für den Fall der nicht fristgerechten Befolgung der Grundverfügung anzuordnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Nr. 2 Gerichtskostengesetz. Die Kammer hat sich insoweit an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NvWwZ 2004, 1327 ff; dort Nr. 54.2) angelehnt, wobei der Wert für das einstweilige Rechtsschutzverfahren um die Hälfte ermäßigt wurde.