Vermittlung von Sportwetten
Leitsatz
1. Das brandenburgische Sportwettenrecht verstößt gegen EU-Recht.
2. Das BVerfG hat die seinem Kammerbeschluss vom 27.4.2005 (GewArch 2005, 246) zugrunde liegende rechtliche Beurteilung, wonach erhebliche Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit des § 284 StGB nicht ausgeschlossen werden könnten und die Begründung des Sofortvollzugs von Untersagungsverfügungen daher über die Strafbarkeit nach § 284 StGB hinausgehende Feststellungen für eine konkrete Gefahr im Einzelfall erfordere, in der Senatsentscheidung vom 28.3.2006 (NJW 2006, 1261) ersichtlich aufrecht erhalten.
3. Das Verbot, private Sportwetten an im EU-Ausland konzessionierte Anbieter zu vermitteln, ist daher rechtswidrig.
Tenor
In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren (...) hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Cottbus am 6. September 2006 (...) beschlossen:
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 26. Mai 2006 (2 K 595/06) gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 08.Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2006 wird hinsichtlich der mit Anordnung vom 27. April 2006 für sofort vollziehbar erklärten Regelungen in Ziffer 1. der Ordnungsverfügung wiederhergestellt und hinsichtlich der in Ziffer 2. ausgesprochenen Zwangsgeldandrohung angeordnet.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.
Sachverhalt
(vgl. Entscheidungsgründe)
Entscheidungsgründe
Der Antrag der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf Regelung der Vollziehung ihrer Klage vom 26. Mai 2006 gegen die Ordnungsverfügung
des Antragsgegners vom 08. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2006, deren sofortige Vollziehung der Antragsgegner unter dem 27. April 2006 angeordnet hat, hat Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen, in denen - wie hier hinsichtlich der Regelungen in Ziffer 1. - die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet worden ist, wiederherstellen, wenn das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt.
Letzteres ist jedenfalls dann der Fall, wenn der erlassene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, da dann an dessen sofortiger Vollziehung ein öffentliches Interesse nicht bestehen kann. Dagegen überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes das Privatinteresse des Antragstellers daran, von der Vollziehung vorläufig verschont zu bleiben, wenn sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist.
Soweit - wie vorliegend - die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO durch die Behörde angeordnet worden ist, ist des Weiteren erforderlich, dass ein besonderes Vollzugsinteresse hinzutritt. Hiervon ausgehend fällt die Interessenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin aus: Der Antragsgegner hat den Sofortvollzug maßgeblich damit begründet, dass das Veranstalten und die Vermittlung von nicht nach dem brandenburgischen Lotterie- und Sportwettengesetz genehmigten Sportwetten durch Privatpersonen den Straftatbestand des § 284 des Strafgesetzbuches (StGB) erfülle. Diese Behauptung allein genügt aber in Anbetracht des Umstandes, dass die
Antragstellerin - was von dem Antragsgegner auch nicht in Zweifel gezogen wird - lediglich Sportwetten an ein in Malta und damit in der europäischen Gemeinschaft ansässiges und über eine zur Entgegennahme und Veranstaltung von Sportwetten in Malta berechtigende Erlaubnis verfügendes Unternehmen vermittelt, im Spannungsverhältnis zu der durch Art. 43, 49 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) garantierten Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit nicht, um hier die Anordnung des Sofortvollzuges zu rechtfertigen.
Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 27. April 2005 (Az.: 1 BvR 223/05, GewArch 2005, 246) folgendes ausgeführt:
"Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes durch die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorgesehene Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung muss ... nur insoweit zurückstehen, als es im Einzelfall um die Abwendung gewichtiger konkreter Gefahren geht. Denn die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes setzt ein besonderes öffentliches Interesse voraus, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (vgl. BVerfGE 35, 382 402>; 38, 52 58>).
Ein solches besonderes öffentliches Interesse ist zwar in der Regel bei der Untersagung strafbaren Verhaltens durch Verwaltungsakt gegeben, da an der Unterbindung der Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ein erhebliches öffentliches Interesse besteht. Dies setzt jedoch voraus, dass die Strafbarkeit des in Rede stehenden Verhaltens im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann.
Je unsicherer aber eine Strafbarkeit prognostiziert werden kann, desto weniger ist allein der Verweis darauf geeignet, das öffentliche Vollzugsinteresse zu begründen.
Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Anwendbarkeit der Strafnorm selbst, zum Beispiel aus europarechtlichen Gründen, zweifelhaft ist. In einer solchen Situation bedarf es nicht zuletzt wegen der materiell grundrechtsgewährleistenden Funktion effektiven Rechtsschutzes der Benennung von über die Strafbarkeit hinaus gehender konkreter Gefahren für das Allgemeinwohl."
Zur Frage der Vereinbarkeit des - auch in Brandenburg bestehenden - staatlichen Sportwettenmonopols und der Strafvorschrift des § 284 StGB mit gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben heißt es in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) mit Blick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der Sache Gambelli (Urteil des EuGH vom 06. November 2003 - Rs. C-243/01-, GewArch 2004, 30) weiter:
"Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs betrifft nicht nur die europarechtliche Zulässigkeit mitgliedstaatlicher Glücksspielmonopole, sondern stellt auch die Frage, ob deren Strafbewehrung am Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts scheitert. Die Vorlage zum Europäischen Gerichtshof in der Sache "Gambelli" erfolgte nämlich in einem Strafverfahren, und die Prüfung der Vereinbarkeit mit gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten bezieht sich ausdrücklich auf Vorschriften, nach denen in Italien unter anderem die Vermittlung von Wetten ohne die nach anderen Rechtsvorschriften erforderliche Genehmigung unter Strafe gestellt ist (vgl. Rn. 9 des Urteils vom 6.November 2003).
Die Beschränkung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sowie die Anforderungen einer möglichen Rechtfertigung werden gerade mit Blick auf mitgliedstaatliche Strafvorschriften gewürdigt und den nationalen Gerichten die Prüfung auferlegt, ob eine Bestrafung einer Person, die Wetten an einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Buchmacher vermittelt, eine unverhältnismäßige Sanktion darstellt (vgl. Rn. 44 und 50 sowie Rn. 58 f. und 72 des Urteils vom 6. November 2003).
Zudem hält der Europäische Gerichtshof im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung die Erforderlichkeit einer Strafsanktion unter anderem auch dann für überprüfungsbedürftig, wenn der Leistungserbringer, an den vermittelt wird, im Mitgliedstaat der Niederlassung einer Kontroll- und Sanktionsregelung unterliegt (vgl. Rn. 73 des Urteils vom 6. November 2003).
Angesichts dieser Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs könnte im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren die Konformität der deutschen Rechtslage mit Gemeinschaftsrecht kaum ohne eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof festgestellt werden. Sie kann daher auch nicht bei der Bewertung des besonderen Vollzugsinteresses im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren als ausreichend sicher behandelt werden."
An dieser rechtlichen Einschätzung hat sich auch durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 28. März 2006 (Az.: 1 BvR 1054/01, N/W 2006, 1261) nichts geändert.
In diesem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht in Übereinstimmung mit dem Europäischen Gerichtshof festgestellt, dass ein staatliches Wettmonopol - wie es in den meisten Lotteriegesetzen und auch in Brandenburg normiert ist -, das konkurrierenden privaten Sportwettenanbietern den Zugang zum Glückspielmarkt verwehrt, nur dann gerechtfertigt ist, wenn es der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, sowie dem Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften seitens der Wettanbieter und einem darüber hinausgehenden Verbraucherschutz dient.
Legitimes Ziel eines staatlichen Wettmonopols ist hiernach außerdem die Abwehr von Gefahren aus mit dem Wetten verbundener Folge- und Begleitkrirninalität. Fiskalische Interessen des Staates zur Rechtfertigung der Errichtung eines. Wettmonopols scheiden indes aus.
Das Bundesverfassungsgericht hat ferner ausgeführt, dass das in Bayern errichtete staatliche Wettmonopol und der von allen Bundesländern ratifizierte Lotteriestaatsvertrag diesen Anforderungen nicht genügen und deshalb gegen Art. 12 des Grundgesetzes (GG) verstoßen.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Blick darauf jedoch nicht die Nichtigkeit der Rechtslage in Bayern festgestellt, sondern gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) "nur" für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt.
Es hat dem Bundes- oder Landesgesetzgeber eine Frist zur verfassungskonformen Neuregelung bis zum 31. Dezember 2007 mit der Maßgabe eingeräumt, dass während der Übergangszeit die bisherige Rechtslage anwendbar bleibt und das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Unternehmen und deren Vermittlung weiterhin als verboten angesehen werden darf. Allerdings müsse in der Übergangszeit damit begonnen werden, das bestehende Wettmonopol konsequent an der Bekämpfung der Wettsucht und einer Begrenzung der Wettleidenschaft auszurichten.
Bis zu einer Neuregelung seien eine Erweiterung des Angebots staatlicher Wettveranstaltungen sowie eine gezielt zum Wetten auffordernde Werbung untersagt. Unverzüglich
müsse ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des Mo-
nopols andererseits hergestellt werden.
Im Bundesland Brandenburg fußt die Rechtslage auf den Regelungen des Lotteriestaatsvertrages und enthält das Lotterie- und Sportwettengesetz des Landes Brandenburg keine weiter gehenden Bestimmungen zur Sicherstellung der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Schutzzwecke.
Damit dürfte sich wohl auch die Rechtslage in Brandenburg als verfassungswidrig darstellen. Die sich damit ergebende Frage, ob die derzeitige tatsächliche Ausgestal-
tung des staatlichen Wettmonopols in Brandenburg den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2007 entspricht, ist anhand des gesamten Vorbringens des Antragsgegners nicht zu beantworten.
Eine endgültige Klärung dieser Frage und Entscheidung können im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren jedenfalls nicht geleistet werden, sondern müssen dem Hauptsacheverfahren gg. im Rahmen einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 S. 2 GG bzw. Art. 113 Nr. 3 Bbg Verf. vorbehalten bleiben.
Abgesehen davon stellt sich die weitere Frage, ob die dem nationalen Gesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht eingeräumte Übergangsregelung in Fällen der Kollision mit Gemeinschaftsrecht überhaupt anwendbar ist. Eine Übergangsregelung, wie sie das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 28. März 2006 in Anwendung des § 95 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG getroffen hat, in dem Sinne, dass eine an sich gemeinschaftswidrige Norm für einen gewissen Übergangszeitraum weiterhin Geltung hat, sieht das Gemeinschaftsrecht nicht vor.
Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts bewirkt vielmehr, dass mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbare nationale Gesetze weder von den nationalen Behörden noch von den Gerichten angewandt werden dürfen. Dies dürfte zur Folge haben, dass während der Zeit, in denen die Bundesländer ihre die Sportwetten betreffenden gesetzlichen Regelungen nach den Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 neu ausgestalten, in Fällen mit Bezug zu der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit die nationalen Vorschriften wohl nicht anwendbar sind (vgl; hierzu VG Stuttgart, Beschluss
vom 27. Juli 2006 - 18 K 2636/06-; VG Neustadt, Beschluss vom 26. Juli 2006 - 5 L 1114/06 NW-, jeweils zitiert nach Juris).
Das Bundesverfassungsgericht hat, auch wenn es die Rüge der Verletzung europäischen Gemeinschaftsrechts mangels einer hierfür gegebenen Zuständigkeit für unzulässig erachtet hat, im Übrigen ausdrücklich klargestellt, dass die sich aus Art. 12 GG ergebenden Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel zu den vom EuGH zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben laufen und die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts denen des Grundgesetzes entsprechen.
Hieraus dürfte zugleich ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht folgen.
Stellt sich im Ergebnis all dessen das staatliche Wettmonopol als nur schwer vereinbar mit Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht dar, ist gegenwärtig mehr als zweifelhaft, ob die hier in Rede stehende Vermittlung von Sportwetten auf der Grundlage des § 284 StGB untersagt werden darf.
Dabei stellt sich auch die Frage, ob auf Vermittler von Sportwetten die Strafnorm des § 284 StGB überhaupt Anwendung finden kann. Zwar werden Sportwetten wohl
überwiegend als Glücksspiel im Sinne der genannten Vorschriften angesehen. Es ist aber streitig, ob das Vermitteln solcher Sportwetten eine der drei Tathandlungen des § 284 Abs. 1 StGB (Veranstalten, Halten, Einrichtungen bereitstellen) erfüllt (vgl. VG Neustadt, Beschluss vom 26. Juli: 2006, a.a.O., m.w.N.).
Auch die Klärung dieser Frage ist einem Hauptsacheverfahren ggf. im Rahmen einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG bzw. Art. 113 Nr. 3 Bbg Verf. vorzubehalten.
In Anbetracht der zweifelhaften Anwendbarkeit des § 284 StGB auf die von der Antragstellerin betriebene Vermittlung von Sportwetten an ein in der Europäischen Gemeinschaft lizenziertes Wettunternehmen genügen die vom Antragsgegner in der Anordnung vom 27. April 2006 vorgebrachten Gesichtspunkte jedenfalls nicht den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten (oben bereits dargelegten) strengen Anforderungen an die Bewertung des besonderen Vollzugsinteresses nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Danach lässt die bloße Bezugnahme auf die angebliche Strafbarkeit der gewerblichen Tätigkeit ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit noch nicht in ausreichendem Maße erkennen, wenn diese Strafbarkeit - wie hier - nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann.
In solchen Fällen bedarf die Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung vielmehr der Begründung mit konkreten Gefahren für das Gemeinwohl (vgl. BVerfG Beschluss vorn 27.
April 2005, a.a.O.). Derartige konkrete Gefahren, die von der Antragstellerin ausgehen, sind vom Antragsgegner in seiner Begründung vom 27. April 2006 nicht dargetan worden.
Dort verweist er lediglich auf die (nach den obigen Ausführungen aber zweifelhafte) Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des § 284 StGB und die notwendige Unterbindung von Nachahmungshandlungen. Ferner wird mehrfach pauschal behauptet, dass eine Abwägung stattgefunden habe und das öffentliche Interesse "größer" zu gewichten sei. Darüber hinausgehende konkrete Gefahren für das Allgemeinwohl zeigt der Antragsgegner nicht ansatzweise auf; diese sind auch aus den sonstigen Feststellungen des Antragsgegners, soweit sie dem Verwaltungsvorgang zu entnehmen sind, nicht erkennbar.
Namentlich fehlt es an jeglichen Darlegungen des Antragsgegners - der seine Ausführungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch nicht ergänzt hat - dazu, dass von den von der Antragstellerin vermittelten Wettangeboten eines in der Europäischen Gemeinschaft lizenzierten privaten Wettveranstalters eine größere Gefährdung des besonders wichtigen Gemeinwohlziels "Bekämpfung der Spielund Wettsicht" ausgeht als von einem staatlichen Wettangebot.
Nach alledem ist die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, soweit es die in Ziffer 1 Satz 1 der Ordnungsverfügung vom 08. Februar 2006 ausgesprochene Untersagung der gewerblichen Vermittlung von Sportwelten betrifft. Gleiches gilt für die in Ziffer l Satz 2 verfügte Einstellung des Wettbetriebs und Entfernung der Cashpointautomaten, die mit der Untersagungsverfügung untrennbar verbunden sind und deren rechtliches Schicksal teilen.
Dass die Anordnung des Sofortvollzugs gerade auch hinsichtlich der Regelungen in Ziffer 1 Satz 2 der Ordnungsverfügung keinen Bestand haben kann, ergibt sich darüber hinaus auch aus Folgendem: Mit den angegriffenen Regelungen hat der Antragsgegner der Antragstellerin aufgegeben, spätestens zwei Tage nach Unanfechtbarkeit des Bescheides den Wettbetrieb in Form der Bereitstellung von Cashpointautomaten einzustellen und diese aus der Spielhalle zu entfernen.
Mit Blick auf die die Antragstellerin damit aber erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides treffenden Verpflichtungen erweist sich die mit Schreiben vom 27.
April 2006 erfolgte Anordnung des Sofortvollzuges - die dahingehend verstanden werden kann, dass der Antragsgegner bereits jetzt tätig werden will - als rechtswidrig.
Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese endet gemäß § 80b Abs. 1 VwGO spätestens mit der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes. Etwas anderes gilt außer in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und Satz 2 VwGO nur dann, wenn die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO besonders angeordnet wird.
Trifft die Behörde in einem Verwaltungsakt aber eine Regelung, die vom Betroffenen ausdrücklich erst nach der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes zu
befolgen ist, so steht die Anordnung des Sofortvollzugs dazu in einem unlösbaren Widerspruch. Mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung soll nämlich gerade unterbunden werden, dass der Betroffene in Folge des Suspensiveffektes den Venvaltungsakt vorerst nicht zu befolgen braucht. Für eine solche Regelung ist aber dann kein Raum, wenn sich wie im vorliegenden Fall- die gegenüber dem Betroffenen ergangene Regelung selbst erst Gültigkeit ab einem Zeitpunkt zumisst, in dem Widerspruch und Anfechtungsklage unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr aufschiebende Wirkung entfalten können.
Dass nach alledem die aufschiebende Wirkung der Klage auch hinsichtlich der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung (Ziffer 2 der Ordnungsverfügung vom 08. Februar 2006) anzuordnen ist, bedarf keiner weiteren Erläuterung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes in der nach dem 1. Juli 2004 gültigen Fassung (GKG). Das Interesse des Antragstellers in Bezug auf die Untersagung des ausgeübten Gewerbes "Vermittlung von Sportwetten" ist in Anlehnung an den für die Verwaltungsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalog (NVwZ 2004, 1327; dort Ziffer 54.2.1.) mit einem Betrag vom 15.000 Euro angemessen bewertet. Dieser Betrag ist mit Blick darauf, dass lediglich eine vorläufige Regelung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt wird, zu halbieren.