Vermittlung von Sportwetten

Saechsisches_Oberverwaltungsgericht-2

Beschluss v. 12.12.2007 - Az.: 3 BS 311/06

Leitsatz

Sportwetten dürfen in Deutschland nur mit einer deutschen Lizenz angeboten oder vermittelt werden.

Tenor

In der Verwaltungsrechtssache (…) gegen (…) wegen Lotterierechts; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hier: Beschwerde, hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht (…) am 12. Dezember 2007 beschlossen:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 16. November 2006 - 3 K 1059/06 - geändert.

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 25.000,00 € festgesetzt.

Sachverhalt

s. Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat Erfolg.

I.

Der Antragsgegner wendet sich zu Recht gegen die tragende Begründung des Verwaltungsgerichts. Dieses hat in dem angefochtenen Beschluss das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die auf §§ 3, 4 Abs. 3 SächsPolG i.V.m. § 284 Abs. l und 4 StGB i.V.m. § 12 Abs. l Nr. l des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland vom 13.2.2004 (Lotteriestaatsvertrag - LottStV) i.V.m. Art. l und Art. 2 § 2 Abs. 2 Nr. l des Gesetzes zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland vom 9.6.2004 (SächsGVBl. S. 186) gestützte Verfügung vom 10.8.2006, mit der der Antragstellerin untersagt wurde, über Domains der Firma (...) im Freistaat Sachsen für Glücksspiele in Form von Sportwetten, Casino, Poker und Games zu werben, werben zu lassen und im Fernabsatz, insbesondere auf dem Weg des Internet hierzu Verträge abzuschließen oder abschließen zu lassen, höher bewertet als das Interesse des Antragsgegners am Sofortvollzug dieser Verfügung, weil der Antragsgegner die Antragstellerin als Rechtssubjekt eines anderen Staates im Ausland durch die Zustellung der Untersagungsverfügung unter Nichtbeachtung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts i.S.v. Art. 25 Satz l GG zu Unrecht deutscher Staatsgewalt unterworfen habe.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war die Zustellung der Untersagungsverfügung an die Antragstellerin mit Sitz in Wien in der Republik Österreich durch das gem. § 2 Abs. 2 Nr. l des Gesetzes zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland vom 9.6.2004 zuständige Regierungspräsidium Chemnitz rechtmäßig, da diese von Art. 10 Abs. l Satz l des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom 31.5.1988 (BGB1. 1990 II S. 358 ff.; im folgenden: Vertrag) gedeckt ist. Denn dieser Vertrag behandelt auch Regelungen über Zustellungen von Schriftstücken in den jeweiligen anderen Vertragsstaates.

Entsprechend heißt es im Rahmen des IV. Abschnitts (Überschrift: Zustellungen) in Art. 10 Abs. l Satz l des Vertrages, dass Schriftstücke in Verfahren nach Artikel l Absatz l unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertrags Staaten geltenden Vorschriften übermittelt werden. Zu den Verfahren nach Art. l Abs. l des Vertrages gehören unter anderem die öffentlich-rechtlichen Verfahren der Verwaltungsbehörden beider Staaten, in denen diese "nach Maßgabe dieses Vertrags Amts- und Rechtshilfe" leisten.

Anders als das Verwaltungsgericht meint, bedeutet der Verweis auf die Amts- und Rechtshilfe in Art. 10 Abs. l Satz l des Vertrages nicht, dass auch Zustellungen nur im Wege der Amts- und Rechtshilfe, also nur zwischen deutschen und österreichischen Behörden oder Gerichten (vereinfacht) möglich sein sollen.

Dies ergibt sich jedenfalls im Wege der Auslegung. Nach Art. 31 Abs. l des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.5.1969 (von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert durch Gesetz vom 3.8.1985 [BGB1. 1985 II S. 926]) sind völkerrechtliche Verträge nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, ihren Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte ihres Zieles und Zweckes auszulegen.

Schaut man auf die Bestimmungen in ihrem Zusammenhang, so deuten sowohl die Regelung in Art. 10 Abs. l Satz 3 als auch diejenige in Art. 10 Abs. 2 und 3 des Vertrages darauf hin, dass mit unmittelbarer Zustellung die Zustellung eines Schriftstücks von der Behörde eines Staates an den Staatsangehörigen des anderen Staates gemeint ist. Deutlich wird dies insbesondere in den Formulierungen in Art. 10 Abs. 2 des Vertrages (unmittelbare Zustellung bei Bescheiden im Zusammenhang mit der Feststellung der Eignung Wehrpflichtiger) und in Art. 10 Abs. 3 des Vertrages (Zustellung von Bescheiden in Verwaltungsstrafverfahren), die sich nur auf die Versendung von Schriftstücken an einen Bürger, nicht aber auf die Amts- und Rechtshilfe zwischen zwei Behörden beziehen können.

Dieses Auslegungsergebnis wird zudem durch die zu dem Vertrag verfasste Denkschrift (BRDrs. 41/89, S. 10) gestützt. Im allgemeinen Teil dieser Denkschrift wird zunächst u.a. angeknüpft an das Europäische Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland vom 24.11.1977 (BGB1. 1981 II S. 530; im folgenden: Übereinkommen), das für die Zwecke der beiden Vertrags Staaten modifiziert und ergänzt wird.

Bereits die Anknüpfung an das Übereinkommen vom 24.11.1977 - ein Übereinkommen, das nur die Zustellung von Schriftstücken regelt - zeigt, dass der Vertrag auch die Zustellung von Schriftstücken in den anderen Staat umfassen soll. Im Weiteren wird ausgeführt, dass der benannte Vertrag Regelungen über Amts- und Rechtshilfe im Allgemeinen, Vollstreckungshilfe, Zustellungen sowie Angelegenheiten des Kraftfahrtwesens enthalte. Auch diese Aufteilung macht deutlich, dass Regelungen über das Verfahren der Zustellung neben denen zur Amtsund Rechtshilfe stehen, dass also Zustellungen nicht als Teil der behördlichen oder gerichtlichen Amts- und Rechtshilfe angesehen werden.

Die Anknüpfung an das Übereinkommen vom 24.11.1977 erweist sich auch mit Blick auf Zustellungen in den jeweils anderen Staat als deutlich gewollte Fortentwicklung, hatte doch die Bundesrepublik Deutschland in dem Übereinkommen der Zustellung von Schriftstücken durch die Post in ihrem Hoheitsgebiet ausdrücklich widersprochen (Punkt 6 der Erklärung nach Artikel 11 Abs. 2 des Übereinkommens bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde am 24.9.1982).

Die Republik Österreich wiederum hatte der Zustellung direkt durch die Post nur auf der Grundlage der Gegenseitigkeit zugestimmt (Punkt 4 der Erklärung nach Art. 11 Abs. 2 des Übereinkommens bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde), so dass bis zum Abschluss des Vertrages in beiden Staaten eine Zustellung von Verwaltungsakten durch die Behörde eines Staates an den Bürger eines anderen Staates nicht möglich war.

Schließlich bestätigt auch das vom Antragsgegner vorgelegte "Durchführungsrundschreiben zum Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom 31. Mai 1988" (Stand Juni 1988) die getroffene Auslegung des Art. 10 Abs. l des Vertrages. Dort heißt es zu Art. 10 Abs. l des Vertrages:

"Schriftstücke sind zwischen den beiden Vertrags Staaten grundsätzlich unmittelbar durch die Post zu übermitteln (Ausnahmen siehe unten); dabei ist nach den Vorschriften des Weltpostvertrages zu verfahren. Die Rechtshilfe besteht hier also in der Duldung der unmittelbaren Zustellung durch ausländische Behörden auf eigenem Hoheitsgebiet."

Damit wird deutlich, dass - entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts - Rechtshilfe auch dadurch gewährt wird, dass eine unmittelbare Zustellung von Schriftstücken zugelassen wird.

Art. 10 Abs. l Satz l des Vertrages ist mithin so auszulegen, dass in verwaltungsbehördlichen oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren die unmittelbare Zustellung von Bescheiden aus der Bundesrepublik Deutschland an Personen in der Republik Österreich möglich ist.

II.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als rechtmäßig. Denn es spricht zum derzeitigen Zeitpunkt mehr dafür, dass der Antragsgegner als zuständige Behörde die angefochtene Verfügung zu Recht erlassen hat. Die Antragstellerin verfügt nämlich nicht über die notwendige Erlaubnis i.S.d. § 284 Abs. l StGB im Freistaat Sachsen (dazu unter L).

Auch ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken gegen die Untersagungsverfügung aus Art. 12 Abs. l GG (dazu unter 2.) oder aus Art. 43 und 49 des EG-Vertrages (EG) (dazu unter 3.). Zudem ist die Untersagungsverfügung jedenfalls rechtlich durchsetzbar (dazu unter 4.). Schließlich sind das Werbeverbot und die Zwangsgeldandrohung rechtmäßig (dazu unter 5.). Damit fällt die Interessenabwägung zu Gunsten des Antragsgegners aus (dazu unter 6.).

1.

Die Antragstellerin verfügt - unstreitig - nicht über eine vom Freistaat Sachsen erteilte Erlaubnis i.S.d. § 284 Abs. l StGB, so dass sie auf dessen Hoheitsgebiet unerlaubt Glücksspiele veranstaltet, weswegen der Antragsgegner gem. § 3 Abs. l SächsPolG einschreiten darf (Ziffer l der Verfügung vom 10.8.2006).

a) Offen bleiben kann, ob bzw. inwieweit die Antragstellerin für ihr Glücksspielangebot wirksame Erlaubnisse aus Gibraltar besitzt. Denn diese vermögen, selbst wenn sie vorlägen, die Erteilung einer Erlaubnis durch eine inländische zuständige Behörde nicht zu ersetzen, da es - auch unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts - Sache der nationalen Stellen der Mitgliedstaaten ist, das Glücksspielwesen im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens zu regeln (vgl. BGH, Urt. v. 14.3.2002, NJW 2002, 2175 f. [2176] - Sportwetten, BGH, Urt. v. 1.4.2004, NJW 2004, 2158 ff. [2160] - Schöner Wetten). Zu den Glücksspielen zählen neben den von der Antragstellerin veranstalteten Casino-, Poker- und Games-Angeboten auch Sportwetten (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 28.3.2001, NJW 2001, 2648 ff. [2648]).

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes im Verfahren Placanica hat an der Regelungsbefugnis der einzelnen Staaten nichts geändert. Zwar hatte Generalanwalt Colomer in seinem Schlussantrag vom 16.5.2006 (RdNr. 128 ff.) darauf hingewiesen, dass im Bereich der Dienstleistungsfreiheit der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gelte, wonach Behörden des Bestimmungs Staates die bereits im Niederlassungsstaat vorgenommenen Kontrollen und Überprüfungen berücksichtigen müssten.

Wenn danach ein Veranstalter aus einem anderen Mitgliedstaat die dort geltenden gesetzlichen Anforderungen erfülle, müssten die Behörden des Staates, in dem die Dienstleistung erbracht werde, davon ausgehen, dass dies eine ausreichende Garantie für seine Integrität sei. Der Europäische Gerichtshof ist dem in seiner Entscheidung nicht gefolgt und hat sich nicht zur Sache geäußert (Urt. v. 6.3.2007, NVwZ 2007, 675 ff.).

In solch einem Fall verbietet es sich, von der Meinung des Generalanwaltes auf die Auffassung des Europäischen Gerichtshofes zu schließen (a.A. VG Stuttgart, Beschl. v. 24.7.2007, GewArch 2007, 382 f. [383]). Gegen einen solchen Schluss spricht auch, dass der Europäische Gerichtshof an seiner bereits vorher entwickelten Rechtsprechung festhält, wonach Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des Glücksspielsektors aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind.

Es steht daher den Mitgliedstaaten auch frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen; die Beschränkungen müssen jedoch den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. EuGH, Urt. v. 6.3.2007, NVwZ 2007, 675 ff. [677]; VGH BW, Beschl. v. 5.11.2007 - 6 S 2223/07 -, zitiert nach Juris).

b) Die Antragstellerin veranstaltet unerlaubt Sportwetten und andere Glücksspiele auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen, obwohl sie selbst nur in Wien und ihre 100%ige Tochter (...) in Gibraltar tätig ist. Denn unerlaubtes Veranstalten von Glücksspielen i.S.d. § 284 Abs. l StGB liegt schon dann vor, wenn der Abschluss entsprechender Spielverträge außerhalb des Gebietes angeboten wird, für welches die Genehmigung des Unternehmens gilt.

Das Glücksspiel wird nämlich nicht nur dort veranstaltet, wo sich Wetthalter und sein Server befinden, sondern auch dort, wo dieses Wettangebot in Empfang genommen werden kann. Das folgt daraus, dass Ort der Begehung einer Straftat i.S.d. § 9 Abs. l StGB jeder Ort ist, an dem irgendein Teil des strafbaren Tatbestandes verwirklicht wird. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass im Fall des Angebots über das Internet der Wettinteressent selbst initiativ werden muss (vgl. OVG NW, Beschl. v. 5.12.2003 - 4 B 1987/03 -, zitiert nach juris mit Verweis auf BGH, Urt. v. 14.3.2002, NJW 2002, 2175 f. [2175] - Sportwetten; BayVGH, Beschl. v. 22.11.2006 - 24 CS 06.2501 -, zitiert nach juris). Dies gilt entgegen der Ansicht der Antragstellerin unabhängig davon, ob § 284 Abs. l StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt definiert wird (vgl. implizit BGH, Urt. v. 14.3.2002, a.a.O., S. 2175).

c) Da der Erfolgsort des Deliktes aus § 284 Abs. l StGB in Sachsen liegt und damit die Tat auch hier begangen wird, ergibt sich daraus sowohl die Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Chemnitz (Art. 2 § 2 Abs. l Nr. l des Gesetzes zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland sowie aus § 64 Abs. l Nr. 2, § 68 Abs. l und § 70 Abs. 2 SächsPolG i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 2 SachsVwOrgG) als auch - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - die gesetzliche Ermächtigung aus § 3 Abs. l SächsPolG i.V.m. § 284 Abs. l StGB, um gegen die vom Ausland aus im Freistaat Sachsen agierende Antragstellerin vorzugehen.

d) Der Antragsgegner hat die Untersagungsverfügung zu Recht an die Antragstellerin als Störerin i.S.d. § 4 Abs. 3 SächsPolG gerichtet. Denn diese ist verantwortlich für das Handeln der (...) in Gibraltar.

Für die in § 4 Abs. 3 SächsPolG geregelte Verantwortlichkeit für Verrichtungsgehilfen ist erforderlich, dass der Verrichtungsgehilfe von den Weisungen des Geschäftsherrn abhängig ist und der Geschäftsherr die Möglichkeit hat, auf die Tätigkeit des Verrichtungsgehilfen einzuwirken (vgl. R. Beiz, Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, 3. Aufl. 1999, § 4 RdNr. 13).

Zwar handelt es sich bei der (...) in Gibraltar um eine - gegenüber der Antragstellerin - selbstständige juristische Person, die möglicherweise auch selbst als Störerin in Betracht käme, weil sie das gesamte Wettprogramm und seine Spielregeln im Rahmen der Sportwetten festlegt. Die Antragstellerin aber betreibt alle Webserver und Gamingserver, mittels derer Kunden Wetten unter der Domain "(...).com" ermöglicht werden.

Zudem muss sich die (...) in Gibraltar zur Festlegung des Wettprogramms und der Spielregeln per Internet der in Wien etablierten Webserver und Gamingserver bedienen. Dies ergibt sich aus einem von einem anderen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin in einem Verfahren vor dem Landgericht München am 3.1.2007 erstellten Schriftsatz, den der Antragsgegner vorgelegt hat.

Schließlich ist in Abschnitt II. der Satzung der Antragstellerin geregelt, dass zum Unternehmensgegenstand das Anbieten und der Abschluss von Wetten und Spielen aller Art gehören, insbesondere das Anbieten und der Abschluss von Sportwetten und Spielen via Internet und anderen nationalen und internationalen digitalen Netzwerken. Im Rahmen des Internetportals "(...).com" ist daher der Abschluss eines Sportwettvertrages für die in Gibraltar veranstalteten Wetten nur über die Antragstellerin möglich.

Für einige andere Glücksspiele ist die Zuhilfenahme der Gesellschaft in Gibraltar nach unwidersprochen gebliebener Auffassung des Antragsgegners gar nicht notwendig. Damit ist die Antragstellerin in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Schlüsselfigur der Glücksspiele, die sie anbietet. Sie wirkt vollständig auf die Tätigkeit der (...) ein und muss daher als Verantwortliche i.S.d. § 4 Abs. 3 SächsPolG angesehen werden.

2.

Der angegriffenen Untersagungsverfügung steht nicht das Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. l GG entgegen, obwohl das derzeit geltende staatliche Monopol für Sportwetten gegen die Berufsfreiheit verstößt. Der Senat schließt sich damit der rechtlichen Bewertung des Bundesverfassungsgerichts in der zum bayerischen Staatslotteriegesetz ergangenen Entscheidung (Urt. v. 28.3.2006, NJW 2006, 1281 ff.) an. Im Freistaat Sachsen besteht nämlich eine vergleichbare Rechtslage.

Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung das bayerische Staatslotteriegesetz für mit Art. 12 Abs. l GG unvereinbar erklärt. Denn es behalte vor dem Hintergrund des § 284 StGB das Veranstalten und die Vermittlung von Sportwetten dem Freistaat Bayern und deren Durchführung der Staatlichen Lotterieverwaltung oder einer juristischen Person des Privatrechts vor, deren alleiniger Gesellschafter der Freistaat Bayern sei, ohne zugleich hinreichende gesetzliche Regelungen zur materiellen und strukturellen Sicherung der Erreichung der damit verfolgten Ziele zu schaffen, insbesondere zur Ausrichtung des Wettangebots an der Begrenzung und Bekämpfung von Wettsucht und problematischem Spielverhalten.

Diese in Bayern bestehende rechtliche Situation ist mit derjenigen in Sachsen vergleichbar. Denn auch in Sachsen ist mit dem Gesetz über die staatlichen Lotterien und Wetten vom 21.10.1998 (SächsGVBl. 1998, 598 - Staatslotteriegesetz -) für den Betrieb von Sportwetten ein Staatsmonopol geschaffen worden. Dementsprechend sieht das Gesetz zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland vom 9.6.2004 (SächsGVBl. 2004, 186) nur eine Erlaubnis nach § 6 Abs. l des Lotteriestaatsvertrages für Kleine Lotterien vor.

Im Übrigen sollen gem. § 5 Abs. l des Lotteriestaatsvertrages die Länder die ordnungsrechtliche Aufgabe erfüllen, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen. Eine Erlaubnis an private Veranstalter und Vermittler von Sportwetten kann daher in Sachsen nicht erteilt werden. Gleichzeitig fehlt es an gesetzlichen Regelungen, die die mit dem staatlichen Monopol verfolgten Ziele wie insbesondere die Bekämpfung der Wettsucht absicherten.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum bayerischen Staatslotteriegesetz vom 28.3.2006 zwar die Unvereinbarkeit der geltenden Rechtslage mit Art. 12 Abs. l GG festgestellt, das bestehende Sportwettenmonopol aber nicht für nichtig erklärt. Vielmehr hat es eine Frist für eine Neuregelung bis zum 31.12.2007 gesetzt und die bisherige Rechtslage mit der Maßgabe für weiter anwendbar erklärt, dass der Freistaat Bayern unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung seines Monopols andererseits herzustellen hat.

Wegen der vergleichbaren Rechtslage in Bayern und Sachsen ist auch für den Freistaat Sachsen von einer befristeten Weitergeltung des Monopols auszugehen, so dass bis zum 31.12.2007 die bisherige Rechtslage mit der Maßgabe anwendbar ist, dass auch der Freistaat Sachsen unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Wettsuchtbekämpfung und der Ausübung des staatlichen Monopols herstellt (vgl. entsprechend für die Rechtslage in Baden-Württemberg BVerfG, Beschl. v. 4.7.2006 - l BvR 138/05 -, zitiert nach Juris).

An dieser rechtlichen Beurteilung ändert sich nichts dadurch, dass es im Freistaat Sachsen anders als in Bayern oder Baden-Württemberg neben dem staatlichen zwei private Anbieter gibt. Denn auch in Sachsen besteht - wie aufgezeigt - im Bereich der Sportwetten aus rechtlicher Sicht ein staatliches Monopol. Diese Monopolstellung soll durch die Untersagungsverfügung umgesetzt werden.

Das erforderliche Mindestmaß an Konsistenz zwischen der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht einerseits sowie der tatsächlichen Ausübung des staatlichen Monopols andererseits ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 im Freistaat Sachsen schrittweise hergestellt worden. Der Staat hat die Übergangszeit nicht zu einer expansiven Vermarktung von Wetten genutzt, sondern untersagt, dass das Angebot staatlicher Wettveranstaltung erweitert wird und dass die Werbung über sachliche Informationen zu Art und Weise der Wettmöglichkeit hinaus gezielt zum Wetten auffordert.

Darüber hinaus hat die Staatliche Lotterieverwaltung umgehend aktiv über die Gefahren des Wettens aufgeklärt. Dies ergibt sich aus den vom Antragsgegner vorgelegten Unterlagen, vor allem aus der "Spezifizierung der Vertriebs-, Werbe- und Öffentlichkeitsarbeit der SLG in 2006" (Stand: 31.3.2007), deren Umsetzung von der Antragstellerin nicht angezweifelt wird. Hiernach sind eine Reihe der geforderten Maßnahmen bereits realisiert worden.

Insbesondere wurden unsachliche Aufforderungen zum Spielen entfernt (1.7.), Suchthinweise angebracht (1.5, 1.6., 1.10., 1.11., 1.12.), die aggressive Werbung in ganz unterschiedlichen Bereichen verboten (2.1.-2.21), das Angebot der ODDSET-Wette über den terrestrischen Vertriebs- sowie den Internetkanal der Sächsischen Lotto-Gesellschaft beschränkt (3.4.) sowie eine Reihe von Vorkehrungen dazu getroffen, dass Minderjährige keine Wetten abschließen können, dass die Verkaufsstellen informiert und die Einhaltung der geforderten Maßnahmen überprüft werden (1.8.-1.10, 1.19, 1.20, 1.21, 1.22, 1.50.1.-1.50.13).

Zudem trat am 15.2.2007 eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Staatlichen (...) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Kraft, die auch eine Kooperation mit dem Deutschen Lotto- und Totoblock (der Interessen Vereinigung der deutschen Lotto- und Totounternehmen aller Bundesländer) zur Prävention von Spielsucht umfasst.

Weitere Maßnahmen wie die Einführung eines Kundenidentifizierungssystems (1.17), das sowohl dem Jugendschutz dienen als auch Spielsperren ermöglichen soll, sind in Bearbeitung. Da diese Maßnahmen sich nicht nur auf den Bereich der Sportwetten beschränken, sondern auch andere Bereiche des Glücksspielmarktes einbeziehen, kann offen bleiben, ob sich die vom Bundesverfassungsgericht für die Übergangszeit bis zum 31.12.2007 geforderten Maßnahmen nur auf den Sportwettenmarkt oder auf den gesamten Glücksspielsektor beziehen.

An diesen bereits durchgesetzten Einschränkungen wurde bis zum heutigen Tag festgehalten. Komplettiert wird diese Art der in sich konsistenten Suchtbekämpfung dadurch, dass am 1.1.2008 aller Voraussicht nach ein neuer "Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland" in Kraft treten wird, der auch die Veranstaltung von Sportwetten im Rahmen des staatlichen Monopols entsprechend den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts regeln soll.

Zur vollständigen Umsetzung dieses staatlichen Monopol hat sich der Freistaat Sachsen gemäß Nummer 3 der Protokollnotiz der Ministerpräsidentenkonferenz vom 13.12.2006 verpflichtet, die unter Geltung des Gewerbegesetzes der ehemaligen DDR erteilten Erlaubnisse zur Veranstaltung von Sportwetten aufzuheben (vgl. D. Postel, Glücksspielrechtliche Wirkungen des tatsächlichen Inhalts der nach dem DDR-Gewerbegesetz erteilten Erlaubnisse - Teil 2", ZfWG 2007, 328 ff. [342 f.]).

Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Vorkehrungen nicht ausreichen, um die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien für die Übergangszeit zu erfüllen, sind entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht ersichtlich. Die vorläufigen Maßnahmen sind nicht in vollem Umfang an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für eine vom Gesetzgeber zu schaffende Neuregelung zu messen, die konsequent am Ziel der Bekämpfung der Spielsucht ausgerichtet sein muss.

Denn für die derzeitige Übergangssituation ist von Verfassungs wegen nur ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen den vom Antragsgegner angestrebten Zielen erforderlich, wie das Bundesverfassungsgericht in einer weiteren Entscheidung ausdrücklich klargestellt hat (BVerfG, Beschl. v. 19.10.2006 - 2 BvR 2023/06 -). Nicht entscheidend ist auch, welches die (internen) Gründe für die Ziele der Wettbekämpfung und -begrenzung sind und ob diese bereits kurz nach Erlass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erfüllt wurden. Jedenfalls zum Ende des Jahres 2006 sind die aufgezeigten Maßnahmen realisiert worden. Sie begründen das notwendige Mindestmaß an Konsistenz.

3.

Die angegriffene Untersagungsverfügung erweist sich auch nicht mit Blick auf die durch Art. 43 und 49 EGV gewährleistete Niederlas sungs- und Dienstleistungsfreiheit als rechtswidrig. Dabei kann an dieser Stelle zu Gunsten der Antragstellerin unterstellt werden, dass es der Firma (...) mit Sitz in Gibraltar - entgegen der Ansicht des Antragsgegners - von Rechts wegen erlaubt ist, in Gibraltar selbst Sportwetten anzunehmen, so dass sich die Antragstellerin hinsichtlich der von ihr abgeschlossenen und von ihrer Tochterfirma in Gibraltar veranstalteten Wetten auf die Grundfreiheiten des EG-Vertrages berufen könnte.

Die Antragstellerin erbringt mit der Veranstaltung von Wetten für Wettkunden aus dem Freistaat Sachsen durch die in Gibraltar ansässige Firma (...) grenzüberschreitende Dienstleistungen i.S.d. Art. 49 EGV. Ein Verbot der Teilnahme an Wetten, die in anderen Mitgliedstaaten als demjenigen organisiert werden, in dessen Gebiet der Wettende ansässig ist, stellt eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar (vgl. EuGH, Urt. v. 6.11.2003, NJW 2004, 139 ff. [140] - Gambelli).

Außerdem liegt in dem sächsischen Staatsmonopol für den Glücksspielbereich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, unabhängig davon, ob die Monopolregelung unterschiedslos für alle Gesellschaften in Deutschland und außerhalb Deutschlands Anwendung findet (vgl. EuGH, Urt. v. 6.11.2003, a.a.O., 139).

a) Die gegenwärtig (noch) bestehende Rechtslage im Freistaat Sachsen verstößt allerdings gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel zu den vom Europäischen Gerichtshof zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben laufen und in einem dem hiesigen vergleichbaren Fall ein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 12 Abs. l GG bejaht wurde (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.3.2006, NJW 2006, 1261 ff. [1264 und 1266 f.]).

Dabei bezog sich das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich auf die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu Sportwetten (Urt. v. 6.11.2003, NJW 2004, 139 ff. [140] - Gambelli -). Die für eine Übergangszeit vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Vorgaben können den Eingriff in Rechte des EG-Vertrages nicht beseitigen, weil sie nur auf tatsächlicher Ebene wirken, das bestehende gesetzliche Regelungsdefizit dagegen nicht beheben können, welches das Bundesverfassungsgericht zur Vermeidung des festgestellten Verfassungsverstoßes als notwendig angesehen hat.

Hinzu kommt, dass das Bundesverfassungsgericht mit dem in der Weitergeltungsanordnung geforderten "Mindestmaß an Konsistenz" weniger fordert, als von Verfassungs wegen zu einer gesetzlichen Neuregelung erforderlich ist. Auch gemeinschaftsrechtlich kann sich die Rechtfertigung der Beschränkung von Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit nur auf Grund der in Art. 45 und 46 EG ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmeregelungen oder nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls wie dem Verbraucherschutz, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen ergeben (vgl. EuGH, Urt. v. 6.3.2007, NVwZ 2007, 675 ff. [677] - Placanica u.a. -).

Notwendig sind damit auch hier normative Regelungen, die (noch) nicht vorliegen (vgl. OVG NW, Beschl. v. 9.10.2006 - 4 B 898/06 -, zitiert nach juris; ThürOVG, Beschl. v. 12.12.2006 - 3 EO 663/06 -; a.A. OVG Sachs.-Anh., Beschl. v. 4.5.2006 - l M 476/05 -, zitiert nach juris; BayVGH, Beschl. v. 3.8.2006, NVwZ 2006, 1430 ff. [1432]; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 28.7.2006, NVwZ 2006, 1440 ff. [1441]; OVG Bremen, Beschl. v. 7.9.2006 - l B 273/06; OVG NW, Beschl. v. 14.12.2006 - 13 B 2594/06 -; OVG Hamburg, Beschl. v. 9.3.2007, NVwZ 2005, 725 ff. [726]; HessVGH, Beschl. v. 21.12.2006 - 11 TG 2775/06 -; NdsOVG, Beschl. v. 2.5.2007 - 11 ME 106/07 -, zitiert nach juris).

Die vom Bundesverfassungsgericht bis zum 31.12.2007 geforderten Vorgaben eines Mindestmaßes an Konsistenz in der Glücksspielmarktpolitik, um das bundesdeutsche Sportwettenmonopol weiterhin ordnungsrechtlich durchsetzen zu können, beanspruchen Geltung im bundesdeutschen Rechts System. Insbesondere führt die Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts nicht per se dazu, dass die bundesdeutschen Vorschriften auch in Ansehung der Anforderungen des Gemeinschaftsrechts in der vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten Übergangsphase weiter angewendet werden können (a.A. HessVGH, Beschl. v. 21.12.2006 - 11 TG 2775/06 -).

Denn sie bezieht sich auf die festgestellten Verstöße des bayerischen Staatslotteriegesetzes gegen Verfassungsrecht. Für die Frage der Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Norm des einfachen Rechts mit den Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts ist das Bundesverfassungsgericht nicht zuständig (BVerfG, Beschl. v. 28.3.2006, NJW 2006, 1261 ff. [1261]) und damit auch nicht für Regelungen in einer Übergangszeit. Von Seiten des Europäischen Gerichtshofes wurde eine Übergangsfrist nicht eingeräumt.

b) Trotz des Verstoßes der bestehenden Rechtslage gegen die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit ist die Untersagungsverfügung aller Voraussicht nach auch nicht aus diesem Grunde zu beanstanden.

Grundsätzlich besitzen die Normen des EG-Vertrages Anwendungsvorrang vor Bestimmungen des nationalen Rechts. Dieser Vorrang hat zur Folge, dass jedes Organ eines Mitgliedsstaates verpflichtet ist, die mit dem EG-Recht unvereinbare nationale Norm nicht anzuwenden, "ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste" (vgl. EuGH, Urt. v. 9.3.1978, NJW 1978, 1741 f. [1742]).

Von der Geltung des Anwendungsvorrangs kann aber in eng umgrenzten Fällen für eine Übergangszeit abgesehen werden. Zwar hat der Europäische Gerichtshof sich zu dieser Frage bislang selbst nicht ausdrücklich geäußert. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt aber eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof im Regelfall nicht in Frage, so dass es Sache des erkennenden Gerichts ist, in für notwendig befundenen Situationen (ungeschriebene) Ausnahmen von der Geltung des Anwendungsvorrangs zuzulassen.

Eine Ausnahme ist insbesondere dann geboten, wenn durch die Nichtanwendung einer nationalen Rechtsvorschrift wegen Verstoßes gegen EG-Recht eine inakzeptable Gesetzeslücke entstünde (vgl. Jarass/Beljin, Die Bedeutung von Vorrang und Durchführung des EG-Rechts für die nationale Rechtsetzung und Rechtsanwendung, NVwZ 2004, l ff. [5]), so dass überragend wichtige Gemeinwohlinteressen gefährdet würden und die Gefährdung erheblich schwerer wöge als die Beeinträchtigung der durch die verletzte europarechtliche Vorschrift geschützten Rechtsgüter.

In solchen Fällen führt der hohe Wert der Rechtssicherheit dazu, dass die betroffenen Vorschriften des nationalen Rechts zeitlich begrenzt weiter angewendet werden (vgl. OVG NW, Beschl. v. 9.10.2006 - 4 B 898/06 -, zitiert nach juris; vgl. außerdem ThürOVG, Beschl. v. 12.12.2006 - 3 EO 663/06 -; HessVGH, Beschl. v. 25.7.2006, NVwZ 2006, 1435 ff. [1439]; a.A.: OVG Saarland, Beschl. v. 4.4.2007, NVwZ 2007, 717 ff.; offen gelassen: OVG NW, Beschl. v. 14.12.2006 - 13 B 2594/06 -, zitiert nach juris; NdsOVG, Beschl. v. 2.5.2007 - 11 ME 106/07 -, zitiert nach juris).

Die Kritik der Antragstellerin, dass nicht ein deutsches Gericht den Zeitpunkt bestimmten könne, ab dem Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes zu beachten sind, vermag nicht zu überzeugen. Denn letztlich muss es hier bei der Prüfung der Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit dem Gemeinschaftsrecht verbleiben, über die grundsätzlich die nationalen Gerichte zu befinden haben.

So hat auch die Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vom 14.3.2006 in der Rechtssache C-475/03 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Ausspruch, dass eine nationale Vorschrift ungültig sei, nur vom zuständigen nationalen Gericht und gegebenenfalls mit Wirkung ab einem von ihm selbst oder kraft nationalen Rechts bestimmten Zeitpunkt getroffen werden könne (RdNr. 147 f., zitiert nach Juris). Dementsprechend ist die so begründete Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.12.2006 - 2 BvR 2428/06 - zum Beschl. des OVG NW v. 23.10.2006 - 4 B 1060/06 -).

Die Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall ergibt, dass es zur Abwendung von Gefahren für das überragend wichtige Gemeinwohlinteresse der Gesundheit der Bevölkerung erforderlich und rechtlich zulässig ist, die vom sächsischen Landesgesetzgeber mit Nachdruck verfolgte Monopolisierung im Sportwettenbereich auch in der zeitlich begrenzten Übergangsphase durchzusetzen, in der die Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht (noch) nicht in Einklang stehen.

Denn die im Bereich der Sportwetten möglicherweise eintretende krankhafte Spielsucht kann zu schwerwiegenden Folgen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre Familien und für die Gemeinschaft führen (vgl. hierzu und zu weiteren Folgen der Spielsucht bereits BVerfG, Urt. v. 28.3.2006, NJW 2006, 1261 ff.[1263]). Ließe man dagegen in der Übergangszeit private Sportwettenveranstalter und -Vermittler zu, wäre zu befürchten, dass das in Vorbereitung befindliche - und europarechtlich im Prinzip erlaubte - staatliche Sportwettenmonopol nur unter großen Schwierigkeiten tatsächlich durchsetzbar wäre.

4.

Die Antragstellerin ist daher verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als Veranstalterin von Wetten durch ihre 100%ige Tochter (...) nicht gegen die Bestimmung des § 284 Abs. l StGB verstößt, indem sie es Personen, die sich im Freistaat Sachsen aufhalten, ermöglicht, an diesen Wetten teilzunehmen. Zur technischen Umsetzung dieser Verpflichtung ist es erforderlich, den Standort insbesondere eines Internet-Benutzers exakt feststellen zu können.

Ob und, wenn ja, auf welchem Wege diese Vorgabe praktisch umsetzbar ist, kann in dem hier anhängigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden (vgl. BayVGH, Beschl. v. 7.5.2007, GewArch 2007, 338 f. [338]; HessVGH, Beschl. v. 29.10.2007 - 7 TG 53/07 -). Unschädlich ist es jedenfalls, dass Ziffer l der Untersagungsverfügung zur technischen Umsetzung eine Sperrung der Internetzugänge erwähnt. Denn diese Art der Umsetzung der Verfügung wird nur als eine Möglichkeit ("kann"), nicht aber als verpflichtend vorgegeben.

Wie die ausgesprochene Unterlassungsverfügung in technischer Hinsicht praktisch umgesetzt werden könnte, kann hier offen bleiben, da die Antragstellerin der Verfügung in rechtlicher Hinsicht nachkommen kann. Denn sie hat es in der Hand, den Abschluss von Wettverträgen mit Personen, die sich auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen befinden, dadurch zu unterbinden, dass sie auf den Abschluss dieser Verträge gerichtete Willenserklärungen ausdrücklich ablehnt und darauf im Eingangsportal ihrer Internetseite deutlich hinweist.

Dies könnte sie beispielsweise so umsetzen, dass jeder Wettinteressent für die Anmeldung beim Antragsteller versichern muss, dass er sich in diesem Moment nicht im Gebiet des Freistaates Sachsen aufhält, und dass ein Hinweis erfolgt, dass, wenn dies nicht der Fall sein sollte, kein rechtswirksamer Vertrag zustande kommen kann (vgl. VGH Bad.-Württ, Beschl. v. 5.11.2007 - 6 S 2223/07 -, zitiert nach juris).

5.

Das gleichfalls in Ziffer l der streitgegenständlichen Verfügung vom 10.8.2006 ausgesprochene Werbeverbot beruht auf § 3 Abs. l SächsPolG i.V.m. § 284 Abs. 4 StGB und ist - entsprechend den oben gemachten Ausführungen - aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls rechtmäßig.

Die in Ziffer 3 der Untersagungsverfügung vom 10.8.2006 ausgesprochene und gem. § 80 Abs. 2 Satz l Nr. 3 VwGO L.V.m. § 11 Satz l SachsVwVG sofort vollziehbare Androhung von Zwangsgeld beruht auf §§ l Abs. l Nr. l, 2, 19 und § 20 Abs. l Satz l Sachs VwVG und ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

6.

Die vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus, da ihr privates Interesse an der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Freistaat Sachsen hinter den öffentlichen Belangen zurücktreten muss. Ins Gewicht fällt dabei zunächst, dass die Untersagungsverfügung aller Voraussicht nach rechtmäßig ist. Die Tätigkeit der Antragstellerin stellt zudem eine konkrete Gefahr für die Allgemeinheit dar, wenn man die Spielsucht und ihre Folgen betrachtet.

Auch ein präventives Eingreifen ist daher gerechtfertigt. Insbesondere die vorläufige Freigabe des Sportwettenmarktes für eine Übergangszeit würde die Durchsetzung des staatlicherseits beschlossenen Sportwettenmonopols, welches sich gerade zum Ziel setzt, die Spielleidenschaft zu begrenzen und die Wettsucht einzudämmen, sehr erschweren. Die aufgezeigten vorhandenen Gefahren für die Gemeinschaft wiegen daher erheblich höher als das Interesse der Antragstellerin, ihrer beruflichen Tätigkeit auch im Freistaat Sachsen weiter nachgehen zu können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. l VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. l und 2, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. l VwGO. Der Senat orientiert sich an dem in der Empfehlung Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung 7/2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.) genannten Jahresgewinn des Gewerbes sowie einem Mindeststreitwert von 15.000,-- € und geht so für das hier streitige Gewerbe von einem Streitwert in Höhe von 50.000,-- € für die Hauptsache aus. Wegen der Vorläufigkeit des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens wird dieser Betrag zur Hälfte angesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. l VwGO; § 68 Abs. l Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).