Vermittlung von Sportwetten

Oberverwaltungsgericht Hamburg

Beschluss v. 01.06.2007 - Az.: 1 Bs 107/07

Leitsatz

Sportwetten dürfen in Deutschland nur mit einer deutschen Lizenz angeboten oder vermittelt werden.

Tenor

In der Verwaltungsrechtssache (…) gegen (…) hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter (…)am 1. Juni 2007 beschlossen:

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat sich zur Begründung seines Beschlusses im Wesentlichen auf die - den Beteiligten bekannte - Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (OVG Hamburg, Beschl. vom 9.3.2007, 1 Bs 378/06, und Beschl. vom 9.10.2006, 1 Bs 204/06) bezogen, das sich für eine übergangsweise Fortgeltung des staatlichen Sportwettenmonopols ausgesprochen hat. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass hiervon abzuweichen.

Sachverhalt

s. Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe

1.

In der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts ist geklärt, dass der angegriffene Untersagungsbescheid seine Grundlage in der polizeirechtlichen Generalklausel des § 3 SOG in Verbindung mit dem ordnungsrechtlich fort geltenden Verbot der Veranstaltung unerlaubter Sportwetten mit festen Gewinnquoten (Oddset-Wetten) aus § 284 StGB findet.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschl. vom 19.10.2006, WM 2006, 2326-juris Rn 20 -) hat ausdrücklich festgestellt, dass die Behörden unabhängig von der Frage einer Strafbarkeit nach § 284 StGB ordnungsrechtlich gegen die Wettvermittlung vorgehen können. § 284 StGB beinhaltet zusätzlich zu seinem strafrechtlichen Gehalt eine Verbotsnorm für unerwünschtes, weil sozial schädliches Verhalten.

Insoweit enthält diese Regelung ein repressives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. BVerwG, Urt. vom 21.6.2006, BVerwGE 126, 149 ff-juris Rn 44-). Deshalb kommt es nicht darauf an, dass die Strafjustiz zur Zeit angesichts der Unvereinbarkeitserklärung mit Art. 12 GG durch das Bundesverfassungsgericht (Urt. vom 28.3.2006, BVerfGE 115, 276 ff) und die europa-rechtliche Lage die Vermittlung von Sportwetten an im europäischen Ausland ansässige Wettveranstalter für nicht strafbar hält. Maßgeblich ist, dass § 5 Abs. 2 StVLottw im Anschluss an § 284 StGB in Hamburg ein staatliches Wettmonopol verankert (vgl. im Einzelnen OVG Hamburg, Beschl. vom 9.10.2006, 1 Bs 204/06).

Ebenso erfüllen die hier fraglichen Oddset-Wetten nach der den Beteiligten bekannten Rechtsprechung des Beschwerdegerichts den ordnungsrechtlich relevanten Tatbestand der Veranstaltung öffentlichen Glückspiels im Sinne des § 284 StGB.

Die Antragstellerin veranstaltet bzw. vermittelt die Sportwetten auch unerlaubt im Sinne des § 284 StGB. Angesichts des Sportwettmonopols, das in Hamburg durch den hier unmittelbar als Gesetz geltenden Lotteriestaatsvertrag verankert ist, erlauben es die den Wettveranstaltern in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erteilten Genehmigungen nicht, in Hamburg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln und Einrichtungen hierfür bereit zu stellen. Deshalb kann dahinstehen, ob die den Wettveranstaltern nach dem Recht ihres Herkunftsstaates erteilten Genehmigungen sich nach dem dortigen Recht überhaupt auf die Vermittlung von Wetten aus dem Ausland erstrecken.

Allerdings genügt das staatliche Wettmonopol in seiner gegenwärtigen gesetzlichen Ausgestaltung durch den in Hamburg unmittelbar als Gesetz geltenden Lotteriestaatsvertrag den Anforderungen des Grundrechts der Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht.

Dies hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 28,3.2006, BVerfGE 115, 276 ff) zu der vergleichbaren Rechtslage in Bayern entschieden und auch für Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt so gesehen (BVerfG, Beschl. vom 4.7.2006, WM 2006, 1644 und vom 18.12.2006 - 1 BvR 874/05 -juris Rn 8 -). Diese Beanstandungen treffen auch für Hamburg zu. Gleichwohl ist das Verfahren nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen, damit das Bundesverfassungsgericht über die Vereinbarkeit des Lotteriestaatsvertrages in Hamburg mit Art. 12 Abs. 1 GG entscheidet.

Eine Vorlage ist in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes schon deshalb entbehrlich, weil in Hamburg die Bedingungen erfüllt sind, von denen das Bundesverfassungsgericht a.a.O. den Fortbestand des staatlichen Sportwettmonopols bis zum Ablauf der von ihm bis zum 31. Dezember 2007 gesetzten Übergangsfrist abhängig gemacht hat. Deshalb gilt dieses Monopol in Hamburg zur Zeit fort.

Es ist nicht dargelegt, dass die Antragsgegnerin bzw. die in ihrem Treuhandvermögen befindliche Nord-West Lotto und Toto Hamburg (NLHT) die Übergangszeit zu:einer expansiven Vermarktung von Wetten und einer Erweiterung des Angebots staatlicher Wett-Veranstaltungen sowie zu einer Werbung nutzt, die über eine sachliche Information hinaus gezielt zum Wetten auffordert.

Hingegen ist nicht erforderlich, dass während des Übergangszeitraumes bereits vollständig alle Anforderungen erfüllt werden, die das Bundesverfassungsgericht an eine gesetzliche Neuregelung des Wettmonopols stellt. Während der derzeitigen Übergangszeit ist von Verfassungs wegen nur ein Mindestmaß an Konsistenz verlangt. Ausreichend ist, dass die Antragsgegnerin unverzüglich damit beginnt, das bestehende staatliche Sportwettenmonopol konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht auszurichten (vgl. BVerfG, a.a.O.; BVerfG, Beschl. vom 19.10.2006, WM 2006, 2326-juris Rn 18-19). Dies hat sie getan:

Der von Nord-West Lotto und Toto Hamburg mit der Antragsgegnerin abgestimmte Maßnahmenkatalog sieht für den Bereich der Oddset-Wetten u.a. vor:

o Einstellung auffordernder Werbung im Internet

o Beendigung einzelner Werbekampagnen wie z. B. Bandenwerbung für Oddset in den Stadien sowie Absetzung von Rundfunk- und Fernsehwerbung

o Verzicht auf verschiedene Wettangebote {u.a. Halbzeitergebnisse, Rote Karten, Eckstöße, Live Wetten) etc. und Wettmöglichkeiten bei Großveranstaltungen und in Stadien, Trikotwerbung erfolgt nicht,

o Einstellung von Promotion-Aktionen mit Verkaufscharakter vor den Annahmestellen, Weiterentwicklung eines Flyers zur Suchtprävention in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung,

o Absenkung des Spieleinsatzlimits im Internet von wöchentlich 5.000 Euro auf 500 Euro,

o Abschaltung des Internetportals von Lotto-Hamburg,

o Schulung und Weiterbildung des gesamten Verkaufspersonals in den 530 Lotto-Annahmestellen in Hamburg,

o Vorbereitung einer Pflichtkundenkarte zum 1. 7 2007, um jeden Spieler eindeutig identifizieren und so insbesondere den Jugendschutz sicherstellen zu können, Schufa-Anfrage für alle Internetkunden auch zur Feststellung der Volljährigkeit, Ansprache von Kunden, die auffällig häufig Gewinne ab 1.000 Euro geltend machen, Warnhinweis auf den neuen Wettscheinen mit Hinweis auf Hilfemöglichkeiten.

Dieser Maßnahmekatalog ist auch weitestgehend umgesetzt. Die Antragsgegnerin hat insoweit unwidersprochen u.a. vorgetragen:

o Die Fernsehwerbung wurde abgesetzt und die Rundfunkwerbung umgestellt, keine Trikotwerbung erlaubt, die Oddset-Werbemittel im Altona 93 Stadium entfernt und verschiedene Fußballvereine aufgefordert, Oddset-Bandenwerbung zu unterlassen sowie Werbematerialien zurückzuschicken etc.,

o Umbenennung der Kundenzeitschrift "mach mit" in "Lotto aktuell",

o Halbzeitergebnisse werden nicht mehr in die Spielpaarungen aufgenommen,

o Weiterentwicklung der Flyer zur Suchtprävention,

o Suchtpräventive Basisschulung des gesamten ca. 2.000 Personen umfassenden Verkaufspersonals und Fortführung einer Aufbauschulung ab Mai 2007 und Entwicklung eines Sozialkonzepts für eine aktive Spielsuchtprävention durch das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung des Universitätsklinikums Eppendorf,

o Reduzierung der Annahmestellen in Hamburg seit Ende März 2006 von 530 auf 489, Abschaltung des Internetportals von Lotto Hamburg.

Es trifft nicht zu, dass die Antragsgegnerin bzw. Lotto Hamburg (NLTH) ihr Sportwettangebot nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 ausgeweitet haben. Gegen eine unzulässige Ausweitung des staatlichen Sportwettangebotes spricht insbesondere, dass der Oddset-Umsatz der im Treuhandvermögen der Antragsgegnerin stehenden NLTH von im Jahr 2002 ca 21 Mio Euro auf knapp 7 Mio Euro in 2006 zurückgegangen ist. Ergänzend wird auf den Beschluss des OVG Hamburg vom 9.3.2007, 1 Bs 378/06, verwiesen.

Soweit die Antragstellerin vorträgt, die staatlichen Anbieter würden ihr Glückspielangebot ausweiten, bezieht sich dies nicht auf die Antragsgegnerin bzw. Lotto Hamburg und vor allem nicht auf das Sportwettangebot sondern andere Glückspiele.

Es kommt nicht darauf an, ob in anderen Bundesländern in einem über das von dem Bundesverfassungsgericht erlaubte Maß hinausgehenden Umfange geworben wird. Die Antragsgegnerin ist angesichts der Eigenständigkeit der einzelnen Bundesländer nur für den Bereich ihres Landes für die Einhaltung der Anforderungen an die Werbebeschränkungen verantwortlich.

Daran ändert nichts, dass der Toto- und Lottoblock länderübergreifend tätig wird. Es ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die länderübergreifende Zusammenarbeit bei der Erstellung und dem Vertrieb der staatlichen Oddset-Wetten missbräuchlich nutzt, um den Anforderungen an den Fortbestand des staatlichen Wettmonopols zu entgehen.

So wurde im Deutschen Lotto- und Totoblock eine Arbeitsgruppe "Suchtprävention" eingerichtet, die blockweite Standards für die Spieisuchtprävention erarbeiten soll. Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass die in einzelnen Bundesländern möglicherweise - was hier nicht näher aufzuklären ist - bedenklichen Werbemaßnahmen in einer Weise und einem Umfange nach Hamburg hineinwirken, dass sie die Ausrichtung des hiesigen Wettmonopols an dem Ziel einer Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht in Frage stellen.

Insoweit überzeugt nicht, wenn vorgetragen wird, mit der Einführung eines neuen gemeinsamen Logos für Lotto, Toto und Oddset-Wetten werde der Rahmen zulässiger Werbung überschritten. Es ist noch nicht jede Werbung unzulässig, die über eine bloße sachliche Information zur Art und Weise der Wettmöglichkeit hinausgeht. Untersagt ist nach der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 (a.a.O.) eine Werbung erst, wenn sie gezielt zum Wetten auffordert. Eine derartige gezielte Aufforderung beinhaltet das neue Logo nicht.

Auch der Hinweis auf den Aufforderungscharakter, den möglicherweise die Werbung einzelner privater Vermittler staatlicher Oddset-Wetten aufweist, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Die Antragsgegnerin dringt nach ihrem glaubhaften Vorbringen durch Änderung der von NLHT mit einzelnen gewerblichen Spielvermittlern vereinbarten Geschäftsbesorgungsverträge darauf, dass diese Vermittler ihre Werbung an die rechtlichen Anforderungen anpassen. In einzelnen Fällen hat sie auch erfolgreich unzulässige Werbemaßnahmen wie eine Telefonwerbung oder ein Wetten über SMS abgemahnt.

Des Weiteren kommt es nicht darauf an, in welchem Maße die Werbung für Lotto und TOTO-Spiele umgestellt werden muss und ob die umfangreiche und zumindest teilweise wohl zum Spielen auffordernde Werbung für Lottoprodukte unzulässig ist. Insoweit handelt es sich um andere Glücksspielsektoren. Die Antragsgegnerin darf auch dann mit dem Ziel der Eindämmung des Spieltriebs an dem Wettmonopol für Sportwetten festhalten, wenn sie ihre Maßnahmen in anderen Bereichen der Glückspielmärkte weniger strikt und andersartig ausgestaltet.

2.

Die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erteilten Genehmigungen für die Veranstaltung von Sportwetten erlauben es auch nicht aus Gründen der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit, in Hamburg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln und Einrichtungen dafür bereit zu stellen. Der Anwendungsvorrang des Rechtes der Europäischen Gemeinschaft verdrängt das innerstaatliche Sportwettmonopol nicht.

Zwar beschränkt dieses Monopol die Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EGfund die in Art. 49 EG gewährleistete Dienstleistungsfreiheit. Der Europäische Gerichtshof hat aber anerkannt, dass diese u.a. aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses eingeschränkt werden dürfen.

Dazu zählen - wie der Europäische Gerichtshof jüngst mit Urteil vom 6.3.2007 in den Rechtssachen Placanica, Palazzese und Sorricchio Rn 46 m.w.Nachw. (NJW 2007, 1515) bestätigt hat - der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen.

Der Europäische Gerichtshof hat in diesem Urteil an seiner Rechtsprechung (Urteil vom 6. 11.(2003 - Gambelli - Slg 2003 1-13031) festgehalten, nach der die sittlichen, religiösen;oder kulturellen Besonderheiten und die sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, die mit Spielen und Wetten einhergehen, ein ausreichendes Ermessen der staatlichen Stellen rechtfertigen, festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben. Danach steht es den Mitgliedstaaten frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glückspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen, sofern die Beschränkungen den sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergebenden Anforderungen hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit genügen.

Insoweit ist von dem nationalen Gericht zu prüfen, ob die Beschränkung geeignet ist, die Verwirklichung des von dem jeweiligen Mitgliedsstaat geltend gemachten Zieles oder geltend gemachten Ziele zu gewährleisten und ob sie über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels oder dieser Ziele erforderlich ist.

a. Die Antragsgegnerin verfolgt mit dem Sportwettmonopol europarechtlich zulässige Ziele, nämlich den Verbraucherschutz, die Eindämmung des Spieltriebes, den Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften und die Abwehr von Gefahren aus der Begleitkriminalität. Es liegt in ihrem Ermessen, zur Eindämmung des Spieltriebs 'das Schutzniveau zu bestimmen und zur Wahrung des Schutzniveaus ein Sportwettmonopol vorzusehen.

Die Freie und Hansestadt Hamburg verfolgt gegenwärtig mit der Beibehaltung des Wettmonopols auch das Ziel, die Gelegenheiten zum Wetten zu vermindern und die Tätigkeiten in diesem Bereich zu begrenzen. Insoweit wird auf die Ausführungen der Einhaltung der Ubergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts verwiesen. Dass daneben als erfreuliche Nebenfolge auch Einnahmen erzielt werden sollen, schadet nicht.

Der Europäische Gerichtshof differenziert in seinem Urteil vom 6. März 2007 - Rn 52 - zwischen dem Ziel, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern und - soweit Glücksspiele zugelassen sind - dem Ziel, Straftaten durch eine Kontrolle der auf diesem Gebiet tätigen Wirtschaftsteilnehmer vorzubeugen. Dabei erkennt er ausdrücklich an, dass das Ziel einer Verminderung der Spielgelegenheiten es grundsätzlich rechtfertigt, die Anzahl der Wirtschaftsteilnehmer zu begrenzen (EuGH a.a.O., Rn 53 ). Um eine derartige - gesteigerte - Begrenzung handelt es sich bei dem Sportwettmonopol.

a.a. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage in Deutschland grundsätzlich von der in Italien, die Anlass zu der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gab. In Italien wurde lediglich das Ziel verfolgt, die Glücksspieltätigkeiten in kontrollierbare Bahnen zu lenken, und deshalb ein Konzessionsmodell mit einer Begrenzung der Gesamtzahl der Konzessionen auf anscheinend 1000 praktiziert.

Dabei hat der italienische Staat nach den von dem Europäischen Gerichtshof seinem Urteil zugrunde gelegten Feststelfungen des italienischen Vorlagegerichts eine expansive Politik mit dem Ziel verfolgt, die Staatseinnahmen zu erhöhen. Insoweit hat der EuGH lediglich beanstandet, dass nach der italienischen Regelung Kapitalgesellschaften, deren Anteile auf reglementierten Märkten gehandelt werden, von der Konzessionsvergabe völlig ausgeschlossen sind.

Mit dieser Problematik der Ausgestaltung eines konzessionierten Wettmarktes ist die Einrichtung eines staatlichen Sportwettmonopols nicht zu vergleichen, das nicht nur das Spielgeschehen in kontrollierte Bahnen lenken, sondern auch die Gelegenheit zum Spiel vermindern will.

Wegen der Höherrangigkeit dieses letzteren Zieles kann aus dem Verbot des Ausschlusses der genannten Kapitalgesellschaften von der Konzessionsvergabe nicht geschlossen werden, dass erst recht nicht wie im Falle eines Monopols alle Bewerber für den Sportwettmarkt ausgeschlossen werden dürften. Insoweit besteht jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kein Anlass, das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof die in einem Teil der Beschwerden formulierten Fragen zur Auslegung des Europäischen Rechts vorzulegen.

a.b. Es ist auch nicht zu erkennen, dass ein System staatlich an eine Vielzahl privater Wettunternehmen vergebener Konzessionen oder anderer Formen staatlicher Kontrolle gleichermaßen wie ein Monopol geeignet ist, die Gelegenheiten für Sportwetten zu vermindern. Konkurrieren verschiedene private Anbieter mit unterschiedlichen Wettangeboten, so wird der Wettmarkt regelmäßig ausgedehnt und werden damit die Gelegenheiten zum Wetten erhöht. Dies bestätigt der Blick auf die hohe Zahl privater Wettbüros bzw. Wettvermittler, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 in Hamburg auf dem Markt getreten sind. Sie erhöhen mit ihren vielfältigen Angeboten die Wettmöglichkeiten und die Wetttätigkeit. Dies gilt auch dann, wenn sie sich (selbst - wie es jedenfalls teilweise geschieht - Werbebeschränkungen unterwerfen.

b. Es kommt nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin auch in anderen Sektoren des Glückspielmarkts, insbesondere im Bereich des Lotto und Toto sowie der Spielbanken und der Geldspielgeräte, das Ziel einer Verminderung der Spielgelegenheiten verfolgt (a.A. OVG Saarlouis, Beseht, vom 4.4.2007, 3 W 23/06).

Der Europäische Gerichtshof (a.a.O. Rn 53) hat nicht verlangt, dass die Zahl der Wirtschaftsteilnehmer nur begrenzt werden darf, wenn nicht nur in einem Teilbereich des Gesamtmarktes für alle Glückspiele die Tätigkeiten kohärent und systematisch begrenzt werden, sondern in allen unterschiedlichen Glückspielmärkten. Der Europäische Gerichtshof (a.a.O.Rn 72), dereine Kontrolle der jeweiligen einzelnen Regelungen verlangt, spricht vielmehr in seiner Antwort auf die Vorlagefragen ausdrücklich von den "Glückspielsektoren".

Er verweist in Rn 53 zur Begründung seines Grundsatzes, dass die Beschränkungen in jedem Fall dem Anliegen gerecht werden müssen, die Gelegenheiten zum Spiel wirklich zu vermindern und die Tätigkeiten in diesem Bereich kohärent und systematisch zu begrenzen, ausdrücklich auf die Randziffern 62 und 67 seines Urteils vom 6.11.2003, C 243/01, -Gambelli-. Dort hat er ausdrücklich darauf abgestellt, dass die Maßnahmen zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen müssen.

Es ist zulässig, auch Gefahren in einem Sektor der Glückspiele zu bekämpfen, wenn es an einem kohärenten Gesamtkonzept für die gleichzeitige Suchtprävention in anderen Glückspielbereichen fehlt. Da es sich um unterschiedliche Märkte mit einem unterschiedlichen Spielsuchtpotential handelt, darf der Staat für die einzelnen Bereiche gesonderte Einzelkonzepte entwickeln,

Demgegenüber dringt die Antragstellerin nicht mit ihrem Hinweis auf das von ihr - ohne Datum - eingereichte Aufforderungsschreiben der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu den Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheiten auf dem Gebiet der Sportwetten durch.

Zwar kritisiert die Kommission darin, dass die deutschen Behörden keine konsistente und systematische Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele betrieben und sie ihre expansive Politik im Bereich der Kasinospiele fortsetzten und die Spielverordnung in der Fassung vom 1. Januar 2006 für das Spiel an Spielautomaten Erleichterungen eingeführt habe.

Dies wie auch der Hinweis auf die eher expansive Durchführung der Lottospiele ändern aber nichts daran, dass die Eignung des Sportwettmonopols, zur Bekämpfung der Spielsucht beizutragen, wie oben auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dargelegt, gesondert für den Glückspielsektor der Sportwetten zu prüfen ist.

Auch überzeugt der Hinweis der Kommmission nicht, es lägen keinerlei Nachweise für ein Risiko oder zumindest potenzielles Risiko der Spielsucht für die 20 Millionen Menschen vor, die jede Woche in Deutschland Lotto spielen oder auf Sportwetten setzen. Immerhin belief sich die Zahl der Spielsüchtigen nach einer von der Kommission zitierten Schätzung des Instituts für Therapieforschung und der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen auf 90.000.

Wenn nach dem in dem Schreiben der Kommission genannten Abschlussbericht der Universität Bremen, Institut für Psychologie und Kognitionsforschung, vom Mai 2005 ein irrationales Suchtverhalten bei Lotterien kaum zu beobachten ist, aber das Risiko für Sportwetten höher eingeschätzt wird, spricht dies gerade für eine gesonderte Betrachtung der einzelnen Glückspielsektoren.

Die Behörden müssen nicht abwarten, bis die durch Sportwetten, deren Anteil am Gesamtspielumsatz in Deutschland nach dem Schreiben der Kommission lediglich 5 % ausmachen soll, verursachte Spielsucht mit der Ausweitung des Spielangebots ein quantitativ auch im Vergleich mit anderen Suchtverhalten großes Ausmaß angenommen hat. Zu bedenken ist, dass die Zulassung privater Sportwettveranstalter das Wettangebot und den Wettmarkt erheblich ausdehnen kann (vgl. Hecker, ZfWG 2007, 119 ff) und damit ein erhebliches Gefährdungspotential beinhaltet.

Das Vorbringen der Antragstellerin trifft nicht zu, es gebe keine Untersuchungen zu den Suchtgefahren von Sportwetten. Die Kommission berichtet aus der dem Bundesverfassungsgericht vorgelegten Studie von Meyer (2005) "Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten", in der von den untersuchten 828 Fällen problematischen Spielverhaltens 8 % auf die Sportwetten entfielen.

Das Ausmaß der Spielsucht kann mit der Ausweitung des Wettmarktes beträchtlich steigen. Nach allem teilt das Beschwerdegericht die Auffassung der Kommission nicht, die mit dem Sportwettmonopol verbundene Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit sei nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt.

Auch führt der Hinweis der Antragstellerin auf die Stellungnahme der Kommission in dem Notifizierungsverfahren 2006/658/D für den Entwurf eines Staatsvertrages zum Glückspielwesen in Deutschland nicht zum Erfolg. Insoweit beziehen sich die Bedenken der Kommission ausschließlich auf das Verbot, Lottospiele und Sportwetten im Internet anzubieten.

Ebenso führt das Vorbringen nicht weiter, der Europäische Gerichtshof habe in Sachen Lindmann, (Urt. vom 13.11.2003, Slg 2003 1-13519) verlangt, dass dem nationalen Gesetzgeber, der die Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Glückspiele beschränke, vor Erlass des Gesetzes eine Untersuchung zur Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der beschränkenden Maßnahmen vorgelegen habe.

Dies ist nicht so. Es müssen lediglich die Rechtfertigungsgründe, die von einem Mitgliedstaat geltend gemacht werden, von einer solchen Untersuchung begleitet sein. Deshalb genügt, dass sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28.3.2006 (a.a.O.) auf eine Untersuchung zu dem Gefahrpotential gestützt hat, das für suchtgefährdete Spieler mit einer Ausweitung derjSportwetten verbunden ist.

Da nach allem die tatsächliche Ausgestaltung des Wettmonopols in Hamburg, zur Zeit den europarechtlichen Anforderungen genügt, kann dahinstehen, inwieweit das europäische Recht dem nationalen Gesetzgeber Übergangsfristen einräumt, um sein nationales Recht an die Erfordernisse der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit anzupassen.

3.

Es besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse daran, ddas staatliche Wettmonopol sofort noch vor der Entscheidung über den Widerspruch und eine etwaige Klage durchzusetzen. Die Beschwerde vermag sich nicht darauf zu berufen, dass der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes hohe Anforderungen an den Nachweis konkreter Gefahren stelle und solche wegen der Ausgestaltung des im vorliegenden Falle fraglichen privaten Wettangebots nicht bestünden (vgl. dazu BVerfG, Beschl. vom 27.4.2005, 1 BvR 223/2005).

Das Bundesverfassungsgericht hat, nachdem es die Rechtslage weitgehend mit seinem Urteil vom 28.3.2006 (a.a.O.) geklärt hat, mit Beschlüssen vom 19.H 0.2006 und vom 4.7.2006 (a.a.O.) festgestellt, dass schon aus dem Verbot der unerlaubten Vermittlung gewerblich veranstalteter Sportwetten unabhängig von der Frage der Strafbarkeit zugleich ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung folgt.

Die Antragsgegnerin muss die mit einer Ausdehnung des Wettangebots verbundenen Gefahren für eine Eingrenzung der Spielsuchtgefährdungen auch nicht übergangsweise hinnehmen. Die hohe Zahl neu gegründeter privater Wettbüros zeigt, wie schwer es ist, diesen Markt wieder einzudämmen. Sie darf dem Suchtpotential, das dieser Markt für seine Wettkunden in sich birgt, sofort begegnen.

Dem gegenüber ist das Interesse der Antragstellehn nicht schutzwürdig, ihren Wettbetrieb vorerst weiterführen zu dürfen. Ihr musste von Anfang an deutlich sein, dass sie eine nach deutschem Recht unerlaubte Wetttätigkeit aufgenommen hat und sie dafür keine Erlaubnis erwarten konnte.

An dieser Interessenabwägung ändert der Hinweis der Antragstellerin nichts, das Bundesverwaltungsgericht habe mit Beschluss vom 29.11.2006 eine Revision mit der Begründung zugelassen, die europarechtlichen Fragen des Sportwettmonopols seien noch offen. Auch entfällt das Vollzugsinteresse nicht deshalb, weil politisch angesichts der Haltung des Landes Schleswig-Holsteins der Europäischen Kommission und der von der Antragstellerin vorgetragenen Haltung der haushalts- und finanzpolitischen Sprecher der Unionsfraktionen der Abschluss eines neuen Staatsvertrages mit einer Verlängerung des Wettmonopols nicht sichergestellt ist.

Vor der abschließenden Entscheidung über den Fortbestand des Wettmonopols und vor Ablauf der von dem Bundesverfassungsgericht gesetzten Übergangsfrist muss nicht hingenommen werden, dass durch die Duldung zahlreicher Wettbüros die Spielsucht weiter gefördert wird. Im Übrigen haben auch das OVG Lüneburg, Beschl. vom 2.5.2007, 11 ME 106/07, und das OVG Mannheim, Beschl. vom 28.3.2007, 6 S 1972/06, an ihrer Rechtsprechung festgehalten und es abgelehnt, privaten Veranstaltern von Sportwetten vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; diejenige über den Streitwert beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.