Vermittlung von Sportwetten
Leitsatz
1. Sportwetten dürfen in Deutschland nur mit einer deutschen Lizenz angeboten oder vermittelt werden.
2. Das vom BVerfG (Urt. v. 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01) verlangte Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des staatlichen Monopols ist in Hamburg gegeben, da entsprechende Maßnahmen im Bundesland eingeleitet wurden.
3. Durch die Einleitung der entsprechenden Maßnahmen ist auch den europarechtlichen Vorgaben genüge getan.
Tenor
In der Verwaltungsrechtssache (...) hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, (...) am 25. September 2006 beschlossen:1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 29. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.
Sachverhalt
(vgl. Entscheidungsgründe)
Entscheidungsgründe
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die mit einer ausreichenden Begründung für sofort vollziehbar erklärte Verfügung der Antragsgegnerin vom 10. April 2006 wiederherzustellen.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verbotes, Glückspiele anzubieten und an Veranstalter zu vermitteln, die für ihre Tätigkeit keine Erlaubnis der Finanzbehörde besitzen oder hierfür Einrichtungen bereitzustellen und für entsprechende Angebote zu werben sowie den Betrieb der Annahmestelle (...) einzustellen, überwiegt gegenüber dem Interesse des Antragstellers, vorerst weiterhin Oddset-Wetten zu veranstalten und zu vermitteln (§ 80 Abs. 5 VwGO).
1.
Das Verbot, für die H(...) Sportwetten GmbH mit Sitz in Österreich, Klagenfurt, Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln oder Einrichtungen zur Verfügung zu stellen,
erweist sich als aller Voraussicht nach als rechtmäßig.
a.
Allerdings wird sich dieses Verbot schwerlich auf § 12 Abs. 1 des durch das Gesetz zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland vom 27. April 2004 (GVBI. S.223) in
Hamburgisches Gesetzesrecht transformierten genannten Lotteriestaatsvertrages (StVLottw) stützen lassen, wie dies die Antragsgegnerin und ihr folgend das Verwaltungsgericht angenommen haben.
Die Untersagungsnorm des § 12 Abs. 1 StVLottw bezieht sich lediglich auf die im Dritten Abschnitt des Staatsvertrages geregelten Lotterien anderer Veranstalter und damit nicht auf die von dem Antragsteller angebotenen Oddset-Wetten.
Wie § 5 Abs. 2 und 4 StVLottw zeigt, sieht der Staatsvertrag nicht vor, die Durchführung gewerblicher Oddset-Wetten privaten Veranstaltern zu erlauben. Deshalb enthält der Staatsvertrag insoweit weder in seinem § 12 noch seiner für die gewerbliche Spielvermittlung vorgesehenen Überwachungsregelung des § 14 Abs. 3 eine allgemeine Verbotsermächtigung für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten (Oddset-Wetten).
Eine solche Verbotsvorschrift folgt auch nicht im Wege eines "Erst- Recht-Schlusses" aus den genannten Bestimmungen. Für den Staatsvertrag besteht insoweit kein Anlass, eine Ermächtigungsgrundlage vorzusehen. Denn diese ergibt sich bereits ordnungsrechtlich aus der polizeilichen Generalklausel (§ 3 SOG) in Verbindung mit dem Verbot unerlaubten Glückspiels in § 284 StGB.
Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. vom 21.6.2006 - 6 C 19.06 -) an, dass allein wegen des Verbotes unerlaubten Glückspiels in § 284 StGB ordnungsrechtlich gegen die Veranstaltung ungenehmigter Oddset-Wetten vorgegangen werden kann.
Unabhängig von der von dem Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 28.3.2006 - 1 BvR - 1054/01 -, NJW 2006, 833 sowie mit Beschluss vom 4.7.2006 - 1 BvR 138/05 - offen gehaltenen Frage, ob es § 284 StGB zur Zeit erlaubt, strafrechtlich gegen die Veranstaltung und Vermittlung von Oddset-Wetten zu Gunsten eines lediglich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union lizensierten Wettanbieters vorzugehen, enthält § 284 StGB ordnungsrechtlich ein repressives Verbot derartiger Wetten (vgl. BVerwG a.a.O. Urt. vom 28.3.2001, BVerwGE 114, 92/95/, OVG Hamburg, Beschl. vom 11.7.2006 - 1 Bs 496/04 -).
An dieses Verbot knüpft § 5 StVLottw an. Der Lotteriestaatsvertrag öffnet insoweit anderen als den staatlichen oder zumindest mit maßgeblicher staatlicher Beteiligung organisierten Trägern nach § 5 Abs. 2 StVLottw nur den Bereich der anderen Lotterien und Ausspielungen nach dem Dritten Abschnitt und sieht damit für Hamburg ein staatliches Wettmonopol vor.
Soweit der Antragsteller demgegenüber geltend macht, dem Bund fehle für ein derartiges ordnungsrechtliches Verbot die erforderliche Gesetzgebungskompetenz und deshalb könne nicht zwischen einem strafrechtlichen und einem sonstigen Verbotsgehalt des § 284 StGB unterschieden werden, überzeugt dies nicht.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 28.3.2006 a.a.O., bestätigt, dass der Bund insoweit auch über die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG a.F. - Recht der Wirtschaft - verfügte und diese Kompetenz nicht an dem ordnungsrechtlichen Aspekt der Regelungsmaterie scheitert.
Es hat hervorgehoben, dass das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung derartiger Wetten weiterhin als verboten angesehen und
ordnungsrechtlich unterbunden werden dürfen.
Der Senat folgt dem Bundesverwaltungsgericht, Urt. vom 21.6.2006 auch darin, dass die ordnungsrechtlichen Eingriffsbefugnisse hier den ferner in Betracht zu ziehenden gewerberechtlichen Ermächtigungsgrundlagen für ein Einschreiten vorgehen.
b.
Das staatliche Wettmonopol genügt allerdings in seiner gegenwärtigen gesetzlichen Ausgestaltung durch den in Hamburg unmittelbar als Gesetz geltenden Lotterie-Staatsvertrag den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG nicht. Jedoch sind die Bedingungen erfüllt, von denen das Bundesverfassungsgericht a.a.O. seinen Fortbestand bis zu dem Ablauf der von ihm bis zum 31. Dezember 2007 gesetzten Übergangsfrist abhängig gemacht hat.
Die Bedenken des Antragstellers überzeugen nicht.
Die Antragsgegnerin hat - wie von dem Bundesverfassungsgericht a.a.O. vorgegeben und mit Beschluss vom 4.7.2006 - 1 BvR 138/05 - bestätigt unverzüglich begonnen, das bestehende Wettmonopol konsequent an einer Bekämpfung der Wettsucht und einer Begrenzung der Wettleidenschaft auszurichten. Sie nutzt die Übergangszeit nicht zu einer expansiven Vermarktung von Wetten und einer Erweiterung des Angebots staatlicher Wettveranstaltungen sowie zu einer Werbung, die über eine sachliche Information hinaus gezielt zum Wetten auffordert.
Der von Nord-West Lotto und Toto Hamburg mit der Antragsgegnerin abgestimmte Maßnahmenkatalog sieht vielmehr u. a. vor:
o Einstellung der Online-Kampagnen bei Jackpots und Einstellung auffordernder Werbung im Internet
o Beendigung einzelner Werbekampagnen wie z. B. Bandenwerbung für Oddset in den Stadien sowie Absetzung von Rundfunk- und Fernsehwerbung
o Verzicht auf verschiedene Wettangebote (u.a. Halbzeitergebnisse, Rote Karten, Eckstöße, Live Wetten) etc. und Wettmöglichkeiten bei Großveranstaltungen und in Stadien
o Trikotwerbung erfolgt nicht
o Einstellung von Promotion-Aktionen mit Verkaufscharakter vor den Annahmestellen
o Weiterentwicklung eines Flyers zur Suchtprävention in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung
o Absenkung des Spieleinsatzlimits im Internet von wöchentlich 5.000 Euro auf 500 Euro
o Schulung und Weiterbildung des gesamten Verkaufspersonals in den 530 Lotto-Annahmestellen in Hamburg
o Vorbereitung einer Pflichtkundenkarte zum 1. 7 2007, um jeden Spieler eindeutig identifizieren und so insbesondere den Jugendschutz sicherstellen zu können
o Schufa-Anfrage für alle Internetkunden auch zur Feststellung der Volljährigkeit
o Ansprache von Kunden, die auffällig häufig Gewinne ab 1.000 Euro geltend machen
o Warnhinweis auf den neuen Wettscheinen mit Hinweis auf Hilfemöglichkeiten.
Demgegenüber dringt der Antragsteller mit seinem Hinweis nicht durch, das Bundesverfassungsgericht a.a.O. halte auch den Vertriebsweg durch ein breit gefächertes
Netz von Lotto-Annahmestellen für bedenklich, weil dadurch die Möglichkeit zum Sportwetten zu einem "normalen" Gut des täglichen Lebens werde. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Übergangsregelung nicht davon abhängig gemacht, dass dieses Netz quantitativ eingeschränkt wird.
Insoweit hat es offen gelassen, ob seinen Bedenken auch durch qualitative Maßnahmen zur Bekämpfung der Wettleidenschaft in den Annahmestellen Rechnung getragen werden kann, wie dies die Antragsgegnerin und Nord-West-Lotto Toto Hamburg u.a. durch ihr Schulungskonzept versuchen.
Soweit der Antragsteller ferner eine angeblich aggressive Werbung während der Fußballweltmeisterschaft rügt, bezieht sich dies zum einen nicht auf Werbemaßnahmen in Hamburg und trägt er zum anderen nur sehr vereinzelte Verstöße vor. Daher kann unentschieden bleiben, ob tatsächlich in einem über den erlaubten informativen
Gehalt hinausgehendem Maße für Oddset-Wetten geworben worden ist.
Ebenso vermag er mit seinem Vorbringen nicht zu überzeugen, in Nordrhein-Westfalen würden zahlreiche Lotto-Annahmestellen Wetten auch Jugendlichen zugänglich machen.
Während die H(...) Sportwetten GmbH die Geschäftsbeziehungen zu einem Hamburger Partner abgebrochen habe, der Wettscheine Jugendlichen ausgehändigt habe, sehe die Antragsgegnerin bzw. Nord-West Lotto und Toto Hamburg insoweit lediglich ein Eskalationskonzept vor, um den Jugendschutz sicherzustellen. Angesichts des Schulungskonzepts, dessen erste Basisschulung für alle Lottoannahmetellen in Hamburg bis Ende September 2006 abgeschlossen werden soll, und der wöchentlichen Erinnerungen ("Memos") der Lotto- und Wettannahmestellen an die Erfordernisse einer Suchtprävention sowie der weiteren Maßnahmen ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin und Nord-West Lotto und Toto Hamburg keine ausreichenden Maßnahmen für den Jugendschutz ergreifen.
c.
Auch die gemeinschaftsrechtlichen Bedenken des Antragstellers überzeugen nicht.
c.a. Der Antragsteller trägt sinngemäß vor, der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts verbiete es, die von dem Europäischen Gerichtshof zuletzt in der Gambelli-Entscheidung (EuGH, Urt. vom 6.11.2003, GewArch 2004, 30 ff) entwickelten Anforderungen an ein nationales Wettmonopol während einer Übergangszeit unbeachtet zu lassen.
Da das Wettmonopol gegen die Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG verstoße, dürften die entsprechenden nationalen Vorschriften auch nicht während einer Übergangszeit angewendet werden. Der Europäische Gerichtshof hat in dem genannten Urteil die Zulässigkeit eines nationalen Wettmonopols nicht - wie der Antragsteller zu meinen scheint - davon abhängig gemacht, dass das nationale Gesetz selbst regelungstechnisch sicherstellt, dass die mit einem staatlichen Wettmonopol verbundenen Beschränkungen der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, wie dem Verbraucherschutz, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sind.
Vielmehr hat er darauf abgestellt, ob die Beschränkungen auch tatsächlich geeignet sind, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen.
Dies zu beurteilen ist Aufgabe des nationalen Gerichts.
Mit den strikten Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht zu der übergangsweisen Fortgeltung des staatlichen Sportwettenmonopols bis zu einer neuen gesetzgeberischen Regelung bis Ende 2007 gemacht hat, und den von der Antragsgegnerin tatsächlich unternommenen Anstrengungen ist sichergestellt, dass in Hamburg jedenfalls für den Zeitraum bis zum Ablauf der von dem Bundesverfassungsgericht gesetzten Übergangsfrist die gesetzliche Verankerung des staatlichen Sportwettenmonopols bereits jetzt den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genügt (vgl. VGH Bad-Württ, Beschl. vom 28.7.2006 - 6 S 1987/05 -; BayVGH, Urt. vom 10.7.2006 - 22 BV 05.457).
Diese Übergangsregelungen des Bundesverfassungsgerichts sind auch für die Antragsgegnerin maßgeblich, da sie sich auf den in Hamburg unmittelbar geltenden Staatsvertrag beziehen und sie ihnen im übrigen Rechnung trägt. Insofern kann dahinstehen, ob der Senat befugt ist, für eine Übergangszeit aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts außer Acht zu lassen (vgl. dazu OVG Münster, Beschl. vom 28.6.2006 - 4 B 961/06 -; VGH Kassel, Beschl. vom 25.7.2006 - 11 TG 1465/06 -).
Im Übrigen betont der Europäische Gerichtshof a.a.O. gerade, dass die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die sittlich und finanziell schädlichen
Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, die mit Spielen und Wetten einhergehen, es rechtfertigen können, dass die staatlichen Stellen über ein ausreichendes
Ermessen verfügen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben. Dieser den Nationalstaaten verbliebene
Spielraum kann ein staatliches Wettmonopol entgegen der Auffassung des Antragstellers unabhängig davon rechtfertigen, ob das Schutzniveau im Herkunftsland eines ausländischen Wettanbieters dasjenige der staatlichen Anbieter in der Bundesrepublik Deutschland bzw. in Hamburg übersteigt oder nicht.
Auch kommt es nach Auffassung des Senats nicht darauf an, ob - wie der Antragsteller bezweifelt - die Glückspielpolitik in Deutschland insgesamt einschließlich des Lotterie- und Spielbankwesens sowie der Restriktionen für Geldspielgeräte konsequent auf das Ziel der Begrenzung und Bekämpfung der Spielsucht ausgerichtet ist.
Diese Teilmärkte bergen ein unterschiedliches Gefährdungspotential in sich, dem auf verschiedene Weise begegnet werden kann. Die Eignung des staatlichen Sportwettenmonopols, zur Begrenzung der Spielsucht beizutragen, entfällt noch nicht deshalb, weil - was hier nicht aufzuklären und zu entscheiden ist - möglicherweise die zur Begrenzung der Werbung für das Lotto-Spiel ergriffenen Maßnahmen noch nicht konsequent an dem Ziel der Begrenzung der Spielleidenschaft ausgerichtet sind.
Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Antragsgegnerin nach der Verkündung des Urteiles des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 in einem solchen Maße im Interesse
der Einnahmeerzielung das staatliche Glückspielangebot insgesamt ausweitet und die Verbraucher zum Spielen anreizt und ermuntert, dass sie sich deshalb zur Zeit
gemeinschaftsrechtlich nicht auf den Rechtfertigungsgrund berufen kann, die Gelegenheiten zum Wetten zu vermindern.
c.b. Auch der Hinweis auf die Schlussanträge des Generalanwaltes Colomer vom 16.5.2006 (Placanica) in Rechtssachen C-338/04, C-359/04 und C-360/04 überzeugt nicht. In jenen - noch nicht entschiedenen - Fällen macht der Generalanwalt geltend, die Behörden des Staates, in dem die Dienstleistung erbracht werde, müssten davon
ausgehen, dass es eine ausreichende Garantie der Integrität eines Wettveranstalters aus einem anderen Land sei, wenn er die dortigen gesetzlichen Bestimmungen einhalte.
Darum geht es hier nicht.
Das Bundesverfassungsgericht hat seine grundsätzliche Billigung eines staatlichen Wettmonopols nicht mit den Schwierigkeiten einer Überprüfung ausländischer Anbieter begründet.
Maßgeblich ist: Es liegt im Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers einzuschätzen, ob bereits die mit der Zulassung privater Anbieter verbundene Ausweitung des Wettangebots die Suchtproblematik verschärfen und deren Bekämpfung erschweren kann.
Im übrigen wendet sich der Generalanwalt gegen die hier nicht interessierende Härte der italienischen Strafvorschriften gegen das gewerbsmäßige Wetten und trägt er selbst vor, dass auch nach dem Entwurf für eine Dienstleistungsrichtlinie das Herkunftslandprinzip während einer Übergangszeit keine Anwendung auf Gewinnspiele finden soll, die einen geldwerten Einsatz bei Glücksspielen verlangen.
c.c. Der Antragsteller vermag seine Bedenken ebenfalls nicht auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Lindmann (Urt. vom 13.11.2003 Slg 2003 I -
13519 ) zu stützen. Der Europäische Gerichtshof hat nicht - wie der Antragsteller vorträgt - verlangt, dass dem nationalen Gesetzgeber, der die Dienstleistungsfreiheit im
Bereich der Glücksspiele beschränkt, vor Erlass des Gesetzes eine Untersuchung zur Zweckmäßigkeit und zur Verhältnismäßigkeit der von diesem Staat erlassenden beschränkendem Maßnahme vorgelegen haben muss. Vielmehr müssen lediglich die Rechtfertigungsgründe, die von einem Mitgliedstaat geltend gemacht werden, von einer solchen Untersuchung begleitet sein. Daher genügt, dass sich das Bundesverfassungsgericht a.a.O. bei seiner Entscheidung auf eine wissenschaftliche Untersuchung
zu dem Gefahrpotential einer Ausweitung der Sportwetten für suchtgefährdete Spieler
gestützt hat.
d.
Schließlich erscheint die Untersagungsverfügung nicht deshalb unverhältnismäßig, weil der Antragsteller als milderes Austauschmittel angeboten hat, das Angebot der
Fa. H(...) Sportwetten GmbH zahlreichen Restriktionen zu unterwerfen und zumindest vorerst den Erlass einer entsprechenden Ordnungsverfügung zu akzeptieren.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen ändern nichts daran, dass die Zulassung weiterer Wettanbieter das Wettangebot ausweitet und damit die Suchtproblematik verschärft.
Dies gilt insbesondere für die Begrenzung der monatlichen Einsatzhöhe, die die Gefahren des unkontrollierten Wettens begrenzen soll. Diese könnte ein Spieler ohne
weiteres umgehen, wenn er auf andere Anbieter ausweichen kann.
Im übrigen hat der Antragsteller das Austauschmittel auch erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO angeboten.
2.
Es besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse daran, das staatliche Wettmonopol sofort noch vor der Entscheidung über den Widerspruch und eine etwaige Klage durchzusetzen. Der Antragsteller vermag sich nicht darauf zu berufen, dass der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes hohe Anforderungen an den Nachweis
konkreter Gefahren stelle und solche wegen seiner Ausgestaltung seines Wettangebotes nicht bestünden (vgl. dazu BVerfG, Beschl. vom 27.4.2005. - 1 BvR
223/2005 - ).
Das Bundesverfassungsgericht hat nachdem es die Rechtslage weitgehend mit seinem Beschluss vom 28.3.2006 geklärt hat, mit Beschluss vom 4.7.2006 festgestellt, dass schon aus dem Verbot der unerlaubten Vermittlung gewerblich veranstalteter Sportwetten unabhängig von einer Strafbarkeit zugleich ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung folgt. Die Antragsgegnerin muss die mit einer Ausdehnung des Wettangebots verbundenen Gefahren für eine effektive Eingrenzung der Spielsuchtgefährdungen auch nicht übergangsweise hinnehmen.
Das Vertrauen des Antragstellers ist demgegenüber nicht schutzwürdig, seinen Wettbetrieb vorerst weiterführen zu dürfen. Ihm musste von Anfang an deutlich sein, dass er eine nach deutschem Recht unerlaubte Wetttätigkeit aufgenommen hat und er dafür keine Erlaubnis erwarten konnte.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die über den Streitwert beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 VwGO.