Vermittlung von Sportwetten; Glücksspiel-Staatsvertrag
Leitsatz
Es bestehen erhebliche rechtliche Bedenken, ob das deutsche Glücksspiel-Monopol mit dem EU-Recht vereinbar ist.
Tenor
In der Verwaltungsrechtssache (…) gegen (…), Streitgegenstand: Widerruf der Gaststättenerlaubnis, - Beschwerde im Verfahren des vorl. Rechtsschutzes - hat das Niedersachsische Oberverwaltungsgericht - 7. Senat - am 19 Mai 2008 beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Antragstellern wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 12. Kammer - vom 1. April 2008 geändert.
2. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 28. Januar 2008 wird wiederhergestellt und hinsichtlich des angedrohten Zwangsmittels angeordnet.
3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15.000 EUR festgesetzt.
Sachverhalt
s. Entscheidungsgründe
Entscheidungsgründe
I.
Die Antragstellern begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die sofortige Vollziehung des Widerrufs ihrer Gaststättenerlaubnis, der verfügten Schließung des Betriebes und der angedrohten Schließung und Versiegelung der Zugänge des Betriebs unter Anwendung unmittelbaren Zwangs. Die Verfügung stützt sich allein auf den Umstand, dass in der Gaststätte der Antragstellern Sportwetten eines auf Malta ansässigen Unternehmens vermittelt werden.
Die Antragstellern hat gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 22. Januar 2008; Klage erhoben und gleichzeitig vorläufigen Rechtsschutz beantragt, den das Verwaltungsgericht abgelehnt hat.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerdebegründung vor allem im Schriftsatz vom 24. April 2008 entspricht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, indem sie sich im Einzelnen mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt.
Die Beschwerde ist auch begründet. Da der Senat bei der in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes; regelmäßig gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage den Ausgang des Klageverfahrens nicht hinreichend sicher prognostizieren kann (1.), entscheidet er aufgrund einer Interessenabwägung.
Dabei hält er das Interesse der Antragstellerin, vom Vollzug der Widerrufs- und Schließungsverfügung bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu werden, für vorrangig gegenüber den öffentlichen Interessen, die mit dem Sofortvollzug durchgesetzt werden sollen (2.).
1.
Nach dem derzeitigen Stand ist der Ausgang des Klageverfahrens offen. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die in der Gaststätte der Antragstellerin mit deren Kenntnis vermittelten Sportwetten unerlaubtes Glücksspiel i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG sind, der Antragstellerin deswegen die zur Führung einer Gaststätte notwendige Zuverlässigkeit fehlt und damit ein Grund für den Widerruf der Gaststättenerlaubnis gemäß § 15 Abs. 2 GastG vorliegt.
Unstreitig hat die Antragstellerin keine Erlaubnis nach § 3 Abs. 3 und 4, § 4, § 7 des Niedersächsischen Gesetzes zur Neuordnung des Glücksspielrechts vom 17. Dezember 2007 (- NGlüSpG -, NdsGVBl. 2007, 756). Es ist jedoch fraglich, ob Sportwetten nach dem Ablauf der durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. Urt. v. 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 -, BVerfGE 115, 276 ff. = NJW 2006, 1261) gesetzten Übergangsfrist am 31. Dezember 2007 sowie der gesetzlichen Neuregelung des öffentlichen Glücksspielwesens durch den Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV -, NdsJGVBl. 2007, 768) diesem Erlaubnisvorbehalt unterliegen.
Während der angefochtene Beschluss die Neuregelung des Glücksspielrechts für verfassungs- und gemeinschaftsrechtskonform hält (so auch VG Stade, B. v. 06.05.2008 - 6 B 364/08 -), wird dies vom Verwaltungsgericht Braunschweig mit beachtlichen Gründen bezweifelt (vgl. VG Braunschweig, B. v. 10.04.2008 - 5 B 4/08 -). Eine Entscheidung des erkennenden Gerichts zu dieser Frage steht noch aus.
Der Antragstellerin ist vom Land Niedersachsen die Vermittlung von Sportwetten untersagt worden, das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist derzeit beim 11. Senat des Nds. OVG anhängig (11 ME 132/08), der in einem weiteren Verfahren (11 MC 489/07) am 06. März 2008 zur weiteren Aufklärung einen umfangreichen Fragenkatalog verfügt hat.
Nach der zwischenzeitlich eingegangenen Stellungnahme des Ministeriums für inneres, Sport und Integration steht die Prüfung der Kohärenz der jetzt bestehenden Regelungen und deren Umsetzung durch die Verwaltung sowie die Bewertung nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 -, a.a.O.) durch den 11. Senat noch aus.
Auch außerhalb Niedersachsens gibt es derzeit keine einheitliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Sportwettenangeboten anderer als der durch die jeweils zuständigen Landesbehörden lizenzierten Unternehmer (vgl. die Rechtsprechungsnachweise in: VG Stade a.a.O.). Der Senat will zur Klärung dieser Rechtsfragen weder dem vorrangig damit bereits befassten 11. Senat vorgreifen noch hält er das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für geeignet, ihnen im Rahmen einer Inzidentprüfung vertieft nachzugehen.
Sollten die derzet für Sportwetten geltenden Regelungen einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhalten, entfällt das den Widerruf der Gaststättenerlaubnis begründende Unzuverlässigkeitsurteil. In diesem Fall wird die Antragstellerin allerdings die Gewerbeanzeige für das Gewerbe "Vermittlung von Sportwetten" nachholen müssen.
Wenn die Untersagung der Vermittlung von Sportwetten im Eilverfahren zweiter Instanz (11 ME 132/08) bestätigt werden sollte, ist derzeit nicht anzunehmen, dass die Antragstellerin nach Ausschöpfen der Mittel vorläufigen Rechtsschutzes der Untersagung nicht Folge leisten wird.
Ob vor dem Hintergrund divergierender Rechtsansichten zur derzeitigen Legalität von Sportwetten das Verhalten der Antragstellerin dann genügt, ihre Unzuverlässigkeit im gaststättenrechtlichen Sinn zu begründen, mag im Klageverfahren entschieden werden.
2.
Bei der Interessenabwägung sind zwar die mit den Regelungen des NGlüSpG und des GlüStV verfolgten Zwecke (insbesondere Suchtbekämpfung und Jugend- und Spielerschutz, vgl. § 1 Abs. 3 NGlüSpG und § 1 GlüStV) zu berücksichtigen, andererseits gibt es dem Örtlichen Telefonbuch zufolge im Gebiet der Antragsgegnerin mehrere Sportwetten-Annahmestellen des derzeit in Niedersachsen zugelassenen Anbieters, ohne dass Unzuträglichkeiten im Hinblick auf Spielsucht oder Jugendschutz bekannt geworden sind. Eine Gleichbehandlung mit diesem Gewerbetreibenden ist bis zu einer weiteren Klärung der Rechtslage vertretbar.
Da die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich des Widerrufs der Gastsstättenerlaubnis wiederhergestellt wird, war hinsichtlich des angedrohten Zwangsmittels wegen der fehlenden aufschiebenden Wirkung der Klage (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 64 Abs. 4 Satz 1 Nds.SOG) diese anzuordnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).