Vermittlung von Sportwetten; Glücksspiel-Staatsvertrag

Landgericht Kassel

Urteil v. 30.04.2008 - Az.: 11 O 4057/08

Leitsatz

1. Die anpreisende Werbung eines gewerblichen Spielvermittlers ("Was würden Sie mit 1 Mio. € LOTTO-Gewinn machen?") und die Gewährung eines 5-EUR-Bonus für das erstmalige Mitmachen ("Wir schenken jedem neuen Kunden 5-EUR-Bonus für das erste Lottospiel") ist wettbewerbswidrig, wenn kein Hinweis enthalten ist, dass Personen unter 18 Jahren von der Spielteilnahme ausgeschlossen sind, und jede Erläuterung über Suchtgefahren und Hilfsmöglichkeiten fehlt.

2. Ein etwaiger Unterlassungsanspruch erstreckt sich auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und nicht nur auf das Bundesland, in dem der klagende Mitbewerber tätig ist.

Tenor

In dem Rechtsstreit (…) gegen (…) hat die 1. Kammer für Handelsaachen des Landgerichts Kassel durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht (…) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2008 für Recht erkannt:

Den Verfügungsbeklagten wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, den Verfügungsbeklagten zu 2), 4) und 5) untersagt,

1.


a) auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu Zwecken des Wettbewerbs die Teilnahme an Lotterieveranstaltungen mit der Gewährung eines "5-€-Bonus" für die erstmalige Spielteilnahme zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/oder

b) auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu Zwecken des Wettbewerbs die Teilnahme an Lotterieveranstaltung zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, ohne unmittelbar auf dem Werbeträger auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger und/oder auf die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und/oder Hilfsmöglichkeiten hinzuweisen;

insgesamt wie nachstehend wiedergegeben: (Grafik)

2. auf dem Gebiet des Landes Hessen zu Zwecken des Wettbewerbs ohne behördliche Erlaubnis die Teilnahme an Lotterieveranstaltungen über das Internet, insbesondere die Internetpräsenz (…) zu vermitteln und/oder vermitteln zu lassen, wie nachstehend wiedergegeben: (Grafik)

3. Von den Gerichtskosten tragen die Verfügungsklägerin 3/5 und die Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) 2/5 als Gesamtschuldner.

Von den außergerichtlichen Kosten der Verfügungsklägerin tragen die Verfügungsklägerin 3/5 selbst und 2/5 die Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner.

Die Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die außergerichtlichen Kosten der Verfügungsbeklagten zu 3) bis 5) trägt die Verfügungsklägerin.

Sachverhalt

Die Verfügungsklägerin führt für den Veranstalter Hessische Lotterieverwaltung auf dem Gebiet des Landes Hessen Sportwetten (ODDSET, Toto) und Lotterien (Lotto 6 aus 49, Keno, Glücksspirale) durch.

Die Beklagte zu 1) ist ein gewerblicher Spielvermittler, sie bietet die Vermittlung von Spielverträgen auf dem Gebiet des Lotteriewesens an. Der Beklagte zu 2) ist Geschäftsführer der Beklagten zu 1) und Inhaber der Domain (…). Ihr Spielvermittlungsangebot vertreibt die Verfügungsbeklagte zu 1) bundesweit über die Internetpräsenz (…).de.

Über den Einzelhandel u. a. die Tankstelle der Verfügungsbeklagten zu 3) in (…), vertreibt die Verfügungsbeklagte zu 1) ihre Produkte. In ihrem Geschäftsbetrieb in (…) hat die Verfügungsbeklagte zu 3) Selbstbedienungs-Terminals der Verfügungsbeklagten zu 1) aufgestellt, über die sie das Spielvermittlungsangebot der Verfügungsbeklagten zu 1) vertreibt. Von der Beklagten zu 1) hat sich die Beklagte zu 3) eine Internetseite (…) einrichten lassen, über die von ihr akquirierte gemeinsame Kunden online an dem Vermittlungsangebot der Verfügungsbeklagten zu 1) teilnehmen können.

Die Verfügungsbeklagten zu 4) und 5) sind die Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zu 3).

Die Verfügungsbeklagte zu 1) bewirbt die von ihr vermittelten Lotterieprodukte auf der Internetpräsenz (…) mit einem 5-€-Bonus für die erstmalige Teilnahme ("Wir schenken jedem neuen Kunden 5 € Bonus für das erste Lottospiel").

Im Schaufenster an der Eingangstür des Tankstellengebäudes in (…) wirbt die Verfügungsbeklagte zu 1) nicht nur mit dem 5-€-Bonus, sondern auch mit folgenden Angaben:

"Was würden Sie mit 1 Mio. € LOTTO-Gewinn machen?"

Wegen der Einzelheiten wird auf die Werbetafel (Anlage CBH10, Bl. 112) verwiesen.

Beide Werbeplakate (5-€-Bonus und "Was würden Sie mit 1 Mio. € LOTTO-Gewinn machen?") enthalten keinen Hinweis, dass Personen unter 18 Jahren von der Spielteilnahme ausgeschlossen sind. Auch ein Hinweis auf Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten fehlt.

Die Verfügungsklägerin sieht in der Werbung einen Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 5 Abs. 1, 2 und § 7 Abs. 1 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag). Darüber hinaus - so die Verfügungsklägerin - verstoße der Vertrieb des Spielvermittlungsangebotes über die Internetpräsenz gegen §§ 3, 4 Nr. 11 i. V. m. § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag.

Denn das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet seien verboten. Eine Erlaubnis der zuständigen hessischen Landesbehörde zur Vermittlung von Lotterien im Internet gemäß § 25 Abs. 6 GlüStV liege nicht vor und werde offensichtlich auch nicht erteilt, weil man an dem Glücksspiel der Verfügungsbeklagten auch mittels Zahlung durch Kreditkarten teilnehmen könne (§ 7 Ziff. 1 lit. C AGB der Verfügungsbeklagten zu 1)).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 12. März 2008 mahnte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte zu 1) ab und forderte sie auf, bis zum 14. März 2008, 10:00 Uhr eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben.

Mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 12. März 2008 mahnte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte zu 3) ab und forderte sie auf, bis zum 14. März 2008, 10:00 Uhr eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 14. März 2008 meldete sich für die Verfügungsbeklagten Rechtsanwalt (…) mit der Versicherung, von den Verfügungsbeklagten bevollmächtigt worden zu sein Mit Schreiben vom 12. Mai 2008 hatte bereits der Vertreter der Verfügungsbeklagten zu 3), Rechtsanwalt (…) gegenüber dem Klägervertreter die Vollmacht des Klägervertreters gerügt und die Vorlage der Originalvollmacht verlangt.

Mit weiterem Schreiben vom 14. März 2008 an den Klägervertreter monierte Rechtsanwalt (…) erneut die bislang nicht vorliegende Vollmacht. Auch in einer Schutzschrift vom 17. März 2008 rügte die Verfügungsbeklagte zu 3), dass bis zum 14. März 2008 keine Vollmacht vorgelegen habe, weshalb keine Veranlassung bestanden habe, auf das Schreiben der vollmachtlosen Vertreter zu reagieren.

Am 27. März 2008 ging der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass der einstweiligen Verfügung zusammen mit der Ladung des Gerichts zum Termin am 30. April 2008 bei Rechtsanwalt (…) ein. Rechtsanwalt (…) meldete sich und teilte mit, dass Anträge im Termin gestellt würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Verfügungsklägerin wird auf die Antragsschrift vom 19. März 2008 und ihren weiteren Schriftsatz vom 29. April 2008 Bezug genommen.

Die Verfügungsklägerin beantragt:

1. Den Antragsgegnern wird aufgegeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 250.000,00 EUR - ersatzweise von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu Zwecken des Wettbewerbs

a) die Teilnahme an Lotterieveranstaltungen mit der Gewährung eines "5-€-Bonus" für die erstmalige Spielteilnahme zu bewerben und/oder bewerben zu lassen

und/oder

b) die Teilnahme an Lotterieveranstaltung zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, ohne unmittelbar auf dem Werbeträger auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger und/oder auf die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und/oder Hilfsmöglichkeiten hinzuweisen;

insgesamt wie nachstehend wiedergegeben: (Grafik)

2. den Antragsgegnern wird weiterhin aufgegeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 250.000,00 EUR - ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monten zu unterlassen, auf dem Gebiet des Landes Hessen zu Zwecken des Wettbewerbs die Teilnahme an Lotterieveranstaltungen über das Internet, insbesondere die Internetpräsenz (…) zu vermitteln und/oder vermitteln zu lassen; wie nachstehend wiedergegeben: [Grafik]

Die Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) beantragen, den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagten zu 3) bis 5) erkennen die Verfügungsanträge an und beantragen, die Kosten des Verfahrens der Verfügungsklägerin aufzuerlegen.

Die Verfügungsklägerin beantragt, hinsichtlich der Verfügungsbeklagten zu 3) bis 5) durch Anerkenntnisurteil zu entscheiden und die Kosten des Verfahrens den Verfügungsbeklagten zu 3) bis 5) aufzuerlegen.

Die Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) halten den Antrag bereits für unzulässig, weil rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG und darüber hinaus, weil das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Sie machen geltend, der Verfügungsklägerin sei es verwehrt, Ansprüche zivilrechtlich durchzusetzen, weil es um Ansprüche gehe, die letztlich nur in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren geprüft werden könnten.

Obwohl die Verfügungsbeklagte zu 1) - unstreitig - unter dem 6. Februar 2008 einen Antrag auf Genehmigung der gewerblichen Spielvermittlung im Internet gestellt habe, habe das Land Hessen über diesen Antrag noch nicht entschieden. Trotz der umfassenden Inkenntnissetzung des Landes Hessen durch die Verfügungsbeklagte zu 1) habe es das Land Hessen bislang unterlassen, gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) wegen der Internetvermittlung und/oder bestimmter Werbemaßnahmen im Rahmen seiner ordnungs-rechtlichen Befugnisse (§ 9 GlüStV) einzuschreiten.

Offensichtlich sei dem Land Hessen bekannt, dass eine ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung sich nur schwer durchsetzen lasse. Die Erfolgsaussichten einer sofort vollziehbaren öffentlich-rechtlichen Untersagungsverfügung auf der Grundlage von vermeintlichen Verstößen gegen die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages seien mehr als schlecht, wie bereits aus einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 4. April 2008 (4 L 114/08) ersichtlich sei. Mithin sei die Antragsstellung der Verfügungsklägerin von sachfremden Motiven beherrscht und deshalb rechtsmissbräuchlich.

Das Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil der Verfügungsklägerin über das Land Hessen ein einfacherer Weg zur Verfügung stehe, um ihr Begehren zu realisieren. Statt einer Unterfassungsklage könne die Verfügungsklägerin bzw. das Land Hessen eine Ordnungsverfügung erlassen.

Ein Verfügungsanspruch bestehe nicht. Denn der Glücksspielstaatsvertrag, auf den die Verfügungsklägerin ihre Unterlassungsansprüche stütze, sei verfassungswidrig, weil er gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoße. Die Zuwiderhandlung gegen eine wegen eines unverhältnismäßigen Eingriffs in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit verfassungswidrige Marktverhaltensregelung sei keine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne von § 3,4. Nr. 11 UWG. Auch im einstweiligen Verfügungsverfahren habe das Gericht die Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Normen zu prüfen.

Der Unterlassungsantrag zu Ziffer 2) sei unzulässig, weil er zu weit gehe. Für die deutschlandweite Untersagung fehle der Verfügungsklägerin das Rechtsschutzinteresse.

Schließlich mangele es auch an einem Verfügungsgrund. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 UWG greife nicht. Die Verfügungsklägerin habe mehr als 5 Wochen nach Kenntnis der maßgeblichen Umstände die Abmahnung vorgenommen. Kenntnis über das Marktverhalten liege aber bei der Verfügungsklägerin seit mehr als einem Jahr vor, nämlich seit November 2006. Seit dieser Zeit sei der 5-€-Anmeldebonus gewährt worden wie auch die Möglichkeit einer Internetbestellung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) wird auf ihren Schriftsatz vom 28. April 2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist begründet.

Die Verfügungsklägerin kann von den Verfügungsbeklagten verlangen, dass diese sowohl die streitgegenständliche Werbung (Antrag Ziffer 1 a) und b)) als auch die Vermittlung der Teilnahme an Lotterieveranstaltungen über das Internet (Antrag Ziff. 2) unterlässt. Der Anspruch folgt aus den §§ 3, 4 Nr. UWG i. V, m. § 5 Abs. 1, 2 und §§ 7 Abs. 1, 4 Abs. 4 des GlüStV.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Denn die Verfügungsklägerin und die Verfügungsbeklagten zu 1) und 3) sind Konkurrenten. Sie bieten Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben relevanten Markt an. Bei Absatzwettbewerb ist ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen Unternehmern anzunehmen, wenn sie die gleichen oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises abzusetzen versuchen (Baumbach/Hevermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage, § 2 Rn. 59).

Sowohl die Klägerin als auch die Verfügungsbeklagten zu 1) sind auch dem Markt für die Teilnahme an Gewinnspielen staatlich genehmigter Lotterien tätig und stehen deshalb in Wettbewerb. So hat das Oberlandesgericht Düsseldorf ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen Lotterieveranstalter und gewerblichem Spielevermittler bejaht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juni 2007, Anlage CBH18).

Gemäß § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter im Sinne von § 3, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Marktteilnehmer sind neben Mitbewerbern und Verbrauchern alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind (§ 2 Nr. 2 UWG).

Die Vorschriften der §§ 5 Abs. 1, Abs. 2, § 7 und § 4 Abs. 4 GlüStV sind Marktverhaltensregelungen. Sie dienen dem Schutz der Spieler und Spielinteressenten vor Glücksspielsucht. Ziele des Staatsvertrages sind gemäß § 1 das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen (Ziffer 1), das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern (Ziffer 2), den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten (Ziffer 3), und sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abzuwehren (Ziffer 4). Die Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages verlangen von den Anbietern öffentlicher Glücksspiele die Einhaltung der Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages.

§ 5 Abs. 1 lautet wie folgt:

"Werbung für öffentliches Glücksspiel hat sich zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters bei Wahrung des Ziels, legale Glücksspielmöglichkeiten anzubiegen, auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel zu beschränken."

Gemäß Absatz 2 des § 5 darf Werbung für öffentliches Glücksspiel nicht in Widerspruch zu den Zielen des § 1 stehen, insbesondere darf Werbung nicht gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern, anreizen oder ermuntern. Sie darf sich nicht an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen richten. Die Werbung darf nicht irreführend sein und muss deutliche Hinweise auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger, die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten enthalten.

Die Werbung mit dem 5-€-Bonus und der fehlende Hinweis auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger bzw. auf die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr begründet einen Verstoß gegen §§ 5, 7 des GlüStV. Das Verbot des gezielten Aufforderns, Anreizens oder Ermunterns zur Teilnahme am Glücksspiel wird durch die Gewährung des 5-€-Bonus verletzt. Derartige verkaufsfördernde Maßnahmen sind unzulässig.

Die beiden Werbeplakate enthalten auch nicht einen deutlichen Hinweis auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger und auf die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und entsprechende Hilfsmöglichkeiten. Dass in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen derartige Hinweis enthalten sind, ist nicht ausreichend. Der Hinweis hat nämlich in untermittelbarem Zusammenhang mit dem Angebot zu erfolgen. Beide Plakate enthalten einen derartigen Hinweis nicht.

Die Werbung der Verfügungsbeklagten zu 1) hebt nur den 5-€-Bonus und die besondere Gewinnwahrscheinlichkeit hervor. Die Unausgewogenheit der Anzeige, die sich aus der einseitigen Hervorhebung der Möglichkeit eines besonders hohen Gewinnes ergibt, bewirkt einen gesteigerten Anreiz für die durch die Werbung angesprochenen Personen, an der Lotterie teilzunehmen.

Der Vertrieb des Spielvermittlungsangebots über die Internetpräsenz verstößt gegen §4 Abs. 4 des GlüStV. Danach ist das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten. Gemäß § 25 Abs. 6 des Gesetzes können die Länder befristet auf ein Jahr nach Inkrafttreten des Staatsvertrages abweichend von § 4 Abs. 4 bei Lotterien die Veranstaltung und Vermittlung im Internet erlauben, wenn keine Versagensgründe nach § 4 Abs. 2 vorliegen und die im § 25 Abs. 6 Ziff. 1 bis 5 genannten Voraussetzungen vorliegen.

Eine derartige Erlaubnis hat die Verfügungsbeklagte zu 1) zwar mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Februar 2008 (Anlage E1, Bl. 292 - 307) beim Hessischen Ministerium des Innern und für Sport beantragt. Unstreitig hat das Land noch keine Entscheidung getroffen, d. h. eine Erlaubnis wurde der Verfügungsbeklagten zu 1) bislang nicht erteilt. Das Verhalten der Verfügungsbeklagten verstößt mithin gegen die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages.

Ob die Regelungen dieses Gesetzes mit Art. 12 GG und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben übereinstimmen, müssen die Verwaltungsgerichte letztlich entscheiden. Die Kammer geht im einstweiligen Verfügungsverfahren von der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 4 Abs. 4 GlüStV aus. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 (1 BvR 1054/01) entschieden, dass das staatliche Wettmonopol in seiner Ausgestaltung bis zum 31. Dezember 2007 einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG darstellt.

Durch das Inkrafttreten des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland am 1. Januar 2008 hat sich aber die Rechtslage gegenüber der verfassungsgerichtlichen Entscheidung in wesentlichen Punkten geändert. Das Gesetz enthält entsprechend der Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts neue Regelungen zur Vermeidung und Bekämpfung der Glücksspielsucht.

Nach Auffassung der Kammer bestehen nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage keine Anhaltspunkte dafür, dass die Neuregelung des staatlichen Wettmonopols erneut gegen deutsches Verfassungsrecht und auch gegen europäisches Gemeinschaftsrecht (Art. 43 und 49 EG-Vertrag) verstoßen könnte.

Der Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG, §§ 5, 7, 4 Abs. 4 GlüStV ist auch geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher nicht nur unerheblich im Sinne des § 3 UWG zu beeinträchtigen. Die Anträge der Verfügungsklägerin zu Ziffer 1) und 2) sind deshalb begründet.

Entgegen der Ansicht der Verfugungsbeklagten ist die Geltendmachung des Unterlassungsanspruches auch nicht missbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG. Wenn die Geltendmachung des Anspruchs unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, ist die Klage unzulässig. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.

Es müssen mithin überwiegend sachfremde und nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zum einen geht es der Verfügungsklägerin nicht um den Ersatz von Aufwendungen, zum anderen ist die zivilrechtliche Unterlassungsklage nicht unzulässig, um wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Klägerin durchzusetzen. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruches durch die Klägerin als Mitbewerberin auf dem Markt für Lotterie- und Glücksspiele ist nicht allein deshalb missbräuchlich, weil gleichzeitig das Land Hessen als Träger der Gefahrenabwehr die Möglichkeit hat, wegen desselben Sachverhaltes ordnungsrechtliche Maßnahmen gegen die Verfügungsbeklagten als Mitbewerber zu ergreifen.

Nach Auffassung der Kammer ist hier eine strikte Differenzierung geboten. Die. Klägerin ist eine private Gesellschaft, sie ist nicht in der Lage, im Rahmen der Gefahrabwehr in Ausübung hoheitlicher Befugnisse zu handeln. Derartige Maßnahmen obliegen dem Land Hessen. Andererseits besteht - wie oben ausgeführt - ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien, was die Klägerin berechtigt, mit der Unterlassungsklage wettbewerbsrechtliche Ansprüche durchzusetzen. Es bestehen mithin unterschiedliche Zuständigkeiten unterschiedlicher Rechtsträger. Deshalb ist nicht ersichtlich, Weshalb die zivilrechtliche Unterlassungsklage rechtsmissbräuchlich und unzulässig sein sollte.

Es liegt auch ein Verfügungsgrund, nämlich Dringlichkeit (Eilbedürftigkeit) der Sache für die Verfügungsklägerin vor. Grundsätzlich muss der Antragsteller die Dringlichkeit darlegen und glaubhaft machen. Jedoch begründet § 12 II UWG eine widerlegliche tatsächliche Vermutung der Dringlichkeit (BGH GRUR 2000,151). Die Vermutung der Dringlichkeit kann allerdings durch ein Verhalten des Antragstellers widerlegt werden, dem zu entnehmen ist, dass er die Angelegenheit selbst nicht als dringend ansieht Aus der eidesstattlichen Versicherung des (…) (Bezirksleiter bei der Klägerin) vom 12. März 2008 folgt, dass die Verfügungsklägerin erstmals am 12. März 2008 von der Werbung mit dem 5-€-Bonus und den Werbeplakaten Kenntnis erlangt hat.

In der mündlichen Verhandlung hat der Justiziar der Verfügungsklägerin glaubhaft gemacht, er habe erstmals am 26. Februar 2008 Kenntnis von der Internetpräsenz der Verfügungsbeklagten erlangt. Nach der Rechtssprechung ist die Dringlichkeitsvermutung als widerlegt anzusehen, wenn ein Verfügungskläger länger als 6 Wochen ab Erlangung der Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß und vom Verletzer zuwartet, bevor er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Die Verfügungsklägerin hat aber am 12. März 2008 abgemahnt und bereits am 19. März 2008 den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung beim Gericht eingereicht.

Soweit die Verfügungsbeklagten eine frühere Kenntnis der Verfügungsklägerin behauptet, ist er für die Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung darlegungspflichtig und muss auch entsprechendes glaubhaft machen. Das ist nicht geschehen. Vielmehr ist es eine reine Vermutung der Verfügungsbeklagten, dass die Verfügungsklägerin Kenntnis von der Internetpräsenz der Verfügungsbeklagten hat. Erst ab dem 1. Januar 2008 trat der Glücksspielstaatsvertrag in Kraft, sodass es nicht darauf ankommt, welche Kenntnis die Verfügungsklägerin im Jahre 2008 hatte.

Nach alledem ist das Vorbringen der Verfügungsbeklagten nicht geeignet, die Dringlichkeitsvermutung zu widerlegen. Sichere Kenntnis hatte die Verfügungsklägerin von dem Internetglücksspiel der Verfügungsbeklagten erst am 26. Februar 2008 erlangt. Alsbald darauf hat sie die Verfügungsbeklagten abgemahnt und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung eingereicht.

Die Verfügungsbeklagten zu 3) bis 5) haben den Klageanspruch anerkannt so dass sie auf Antrag der Verfügungsklägerin durch Anerkenntnisurteil zu verurteilen waren.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 93 ZPO.

Es liegt ein sofortiges Anerkenntnis der Beklagten zu 3) bis 5) vor, sodass gemäß § 93 ZPO dem Kläger die Prozesskosten zur Last fallen. Die Verfügungsklägerin hat die Beklagte zu 3) nicht wirksam abgemahnt. Denn es fehlte an der Vorlage der Vollmacht durch die Verfügungsklägerin, was die Verfügungsbeklagte zu 3) von Anfang an moniert hat. Die Nachteile, die dem Gläubiger drohen, wenn er auf die Abmahnung verzichtet liegen darin begründet, dass der nicht abgemahnte Schuldner, der im Falle der gerichtlichen Geltendmachung den Klageanspruch sofort anerkennt, so behandelt wird, als habe er keine Veranlassung zur Klage bzw. zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegeben (§ 93 ZPO).

Die Folge ist, dass zwar zugunsten der Verfügungsklägerin das Anerkenntnisurteil zu erlassen war, der Verfügungsklägerin aber gleichwohl die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen waren. Denn die Verfügungsbeklagte zu 3) hat den Anspruch sofort anerkannt. Auch in der Schutzschrift vom 17. März 2008 hat sie noch auf die fehlende Vollmacht hingewiesen. Sie hatte deshalb keine Veranlassung, auf das Schreiben vollmachtloser Vertreter zu reagieren.

Nach Erhalt der Antragsschrift und der Ladung zum Termin hat Rechtsanwalt (…) für die Verfügungsbeklagte zu 3) angekündigt er werde Anträge im Termin stellen. Zu diesem Zeitpunkt musste die Verfügungsbeklagte zu 3) den Antrag auch noch nicht anerkennen, denn das ist nur notwendig bei einem schriftlichen Vorverfahren, was aber hier nicht vorliegt; in der mündlichen Verhandlung haben die Verfügungsbeklagten zu 3) sofort den Anspruch anerkannt, sodass gemäß § 93 ZPO die Prozesskosten der Verfügungsklägerin aufzuerlegen waren.