Vermittlung von Sportwetten; DDR-Erlaubnis

Landgericht Wiesbaden

Urteil v. 28.03.2007 - Az.: 11 0 56/06

Leitsatz

Die Vermittlung von privaten Sportwetten in Hessen aufgrund einer DDR-Sportwetten-Erlaubnis ist nicht wettbewerbswidrig.

Tenor

In dem Rechtsstreit (…) gegen (…) hat die 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wiesbaden durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht (…) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.1.2007 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der beizutreibenden Kosten.

Sachverhalt

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Veranstaltung von Sportwetten zu festen Gewinnquoten.

Die Klägerin ist die (…). Ihr Alleingesellschafter ist (…). Zusammen mit 15 weiteren deutschen Landeslotteriegesellschaften gehört sie dem deutschen Lotto- und Totoblock an und veranstaltet die Sportwette ODDSET zu festen Gewinnquoten.

Die Beklagte zu 1), mit Sitz in (…) bietet auf ihrer Internetpräsenz (…) den Abschluss von Sportwetten zu festen Gewinnquoten an. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 1) ist im Besitz einer Gewerbeerlaubnis der (…) aus dem Jahr 1990. Die Beklagte zu 1) bietet ihre Sportwetten über das Internet an, gewährt die Möglichkeit zur Teilnahme über das Internet und bewirbt ihre Sportwetten über dasselbe Medium. Angebot, Teilnahme und Werbung für die Sportwetten der Beklagten zu 1) erfolgen demnach auch über das Internet im Land Hessen.

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch. Ferner begehrt sie festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist oder entstehen wird, dass die Beklagte zu 1) im Gebiet des Landes Hessen Sportwetten veranstaltet, ferner die Beklagten zu verurteilen, ihr Auskunft darüber zu erteilen, welche Umsätze sie hierdurch erzielt hat.

Die Klägerin vertritt dabei die Auffassung, dass die Beklagten wettbewerbswidrig nach §§ 3, 4 Abs. 1.1 UWG handeln, da die Beklagte zu 1) für das Gebiet des Landes Hessen ohne behördliche Erlaubnis Sportwetten anbietet, veranstaltet und bewirbt. Hierdurch verstoße sie gegen § 284 Abs. 1 und Abs. 4 StGB sowie § 5 Abs. 1 des Gesetzes über staatliche Sportwetten, Zahlen, Lotterien und Zusatzlotterien in Hessen.

Zwar sei durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006, Az.: 1 BvR 1054/01, entschieden, dass das dem Bayerischen Sportwetten- und Lotteriegesetz entsprechende Gesetz über die vom Freistaat veranstalteten Lotterien und Wetten (Staatslotteriegesetz) insoweit mit Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz unvereinbar sei, als in Bayern Sportwetten nur vom Freistaat Bayern veranstaltet und nur diese Wetten gewerblich vermittelt werden dürfen, ohne das Monopol konsequent am Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren auszurichten.

Zugleich habe das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgegeben, die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten nach Maßgabe der Entscheidungsgründe bis zum 31.12.2007 neu zu regeln. Die vom Bundesverfassungsgericht für das Bayerische Staatslotteriegesetz aufgestellten Grundsätze würden nach dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25.07.2006, Az.; 11 TG 1465/06 auch für die anderen Bundesländer, sprich auch für das Land Hessen gelten.

Da das Bundesverfassungsgericht aber in der oben genannten Entscheidung weiter festgestellt habe, dass das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten, die nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet werden, weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden können, handele die Beklagte zu 1) nicht nur ordnungsrechtlich verbotswidrig, sondern auch strafrechtlich verbotswidrig.

Das Bundesverfassungsgericht habe in der Entscheidung ausdrücklich offen gelassen, ob in der Übergangszeit eine Strafbarkeit nach § 284 StGB gegeben sei. Dies solle der Entscheidung der Strafgerichte unterliegen. Danach bleibe festzuhalten, dass sowohl das Hessische Sportwetten- und Lotteriegesetz nach wie vor gelte, als auch § 284 StGB nach wie vor anwendbar sei.

Die Klägerin behauptet weiterhin, dass sie unmittelbar nach Kenntniserlangung von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 die in einem als ODDSET-Maßnahmekatalog vorgelegten und aufgelisteten Maßnahmen getroffen und erfüllt habe und damit die vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Auflagen für die weitere Anwendbarkeit des Hessischen Landeslotteriegesetzes.

Die der Beklagten zu 1) erteilte Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten des Magistrats der Stadt (…) vom 14.09.1990 gelte nicht zur Veranstaltung von Sportwetten in Hessen. Vielmehr gelte diese Erlaubnis nur innerhalb des Gebiets des die Erlaubnis erteilenden Landes.

Eine bundesweite Erstreckung der von dem Magistrat der Stadt (…) erteilten Erlaubnis nach Artikel 19 Erstreckungsvertrag sei nicht erfolgt, indem die Beklagte zu 1) in dem Gebiet des Landes Hessen öffentliche Sportwetten veranstalte und anbiete, ohne im Besitz einer behördlichen Erlaubnis des Landes Hessen zu sein, erfülle sie den Straftatbestand des § 284 Abs. 1 StGB und des § 5 Abs. 1 Ziffer 2 und 3 Hessisches Landeslotteriegesetz.

Verstöße gegen § 284 StGB, der den Schutz des Verbrauchers bezwecke, stellen Wettbewerbsverletzungen nach § 4 Ziffer 11 UWG dar. Die Klägerin behauptet ferner, dass die Beklagte zu 1) nicht Sportwetten nicht nur über ihre Internetseite anbiete, sondern darüber hinaus in Hessen Wettbüros, so unter anderem in (…) in der (…) unterhalte.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs In dem Gebiet des Landes Hessen Sportwetten ohne behördliche Erlaubnis zu veranstalten, anzubieten oder zu bewerben,

2. den Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine der Unterlassungsverpflichtungen gem. Ziffer 1, ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle der Beklagten zu 1) zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen,

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist oder zukünftig entstehen wird, dass die Beklagte zu 1) im Gebiet des Landes Hessen ohne behördliche Erlaubnis Sportwetten veranstaltet, angeboten oder beworben hat oder zukünftig veranstaltet, anbietet oder bewirbt,

4. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche Umsätze die Beklagte zu 1) dadurch erzielt hat, dass sie Sportwetten von Teilnehmern innerhalb des Gebietes des Landes Hessen angenommen hat.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beruft sich auf die ihr von dem Magistrat der Stadt (…) erteilten Gewerbeerlaubnis, die sie zur Ausübung ihrer Tätigkeit berechtige und die von dem zuständigen Verwaltungsgericht als Erlaubnis gemäß § 284 StGB rechtskräftig anerkannt sei. Sie sei als Veranstalter und Vermittler von Sportwetten ausschließlich in (…) (Freistaat Thüringen) tätig.

Außerhalb von (…) betreibe sie keine Wettlokale. Sie sei seit dem Aufkommen des Internet ganz überwiegend als Anbieter von Sportwetten über das Internet tätig und nehme zudem Wetten per Telefon oder per Telefax bzw. per Post an. Bereits unmittelbar nach Inkrafttreten des Einigungsvertrages hätten zunächst die staatlichen Stellen versucht, ihr die aufgrund einer unter dem Gewerbegesetz der DDR erteilten Erlaubnis durchgeführte Veranstaltung von Sportwetten zu untersagen.

Das OVG Weimar habe mit Urteil vom 20.05.2005 bestätigt, dass die ihr erteilte Erlaubnis eine Erlaubnis im Sinne von § 284 StGB sei. Die Entscheidung sei durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht rechtskräftig. Ein Verfahren auf Aufhebung der Erlaubnis sei zu keinem Zeitpunkt eingeleitet worden. Sämtliche Strafverfahren, die gegen den Beklagten zu 2) wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen § 284 StGB eingeleitet worden seien, hätten mit einem Freispruch oder einer Einstellung geendet.

Auch der Kartellsenat des BGH, der Wettbewerbssenat des BGH und der Zivilsenat des BGH's, die über die Wirksamkeit von Verträgen mit der Beklagten zu entscheiden gehabt hätten, hätten die Auffassung vertreten, dass eine Dienstleistung, für die eine gewerbliche Erlaubnis erteilt worden sei, deutschlandweit vertrieben werden dürfe und dass Verträge mit dem konzessioniertem Unternehmen auch von anderen Bundesländern aus abgeschlossen werden könnten.

Darüber hinaus sind die Beklagten der Auffassung, dass es durchaus fraglich sei, ob Sportwetten der hier in Frage stehenden Art (ODDSET-Wetten) Glücksspiele im Sinne der Vorschrift des § 284 StGB seien. Zumindest sei § 9 Abs. 1 StGB nicht anwendbar, so dass als Tatort für das Handeln der Beklagten ausschließlich der Handlungsort (…) in Betracht komme, in (…) jedoch sei die Tätigkeit der Beklagten durch die Erlaubnis des Magistrats der Stadt (…) gedeckt.

Hinsichtlich der Strafvorschrift des § 5 Hessisches Sportwettengesetz fehle dem Landesgesetzgeber bereits die Gesetzgebungsbefugnis. Der Bundesgesetzgeber habe von seiner Gesetzgebungskompetenz im Strafrecht umfassend Gebrauch gemacht.

Darüber hinaus diene § 5 Hessisches Sportwettengesetz der Monopolsicherung und sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Hessischen VGH verfassungswidrig. Ein verfassungswidriges Strafgesetz dürfe jedoch nicht angewandt werden.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die in den Akten befindlichen Urkunden und Schriftstücke sowie auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche gemäß §§ 3, 4 Abs. 11,8 Abs. 1 , 9 UWG in Verbindung mit § 284 Abs. 1 und Abs. 4 StGB sowie § 5 Abs. 1 des Gesetzes über staatliche Sportwetten, Zahlenlotterie und Zusatzlotterien in Hessen gegen die Beklagten nicht zu.

Zwar sind die Parteien Wettbewerber auf dem Gebiet der Veranstaltung von Sportwetten zu festen Gewinnquoten auf dem Landesgebiet Hessen.

Auch geht das erkennende Gericht wohl mit der überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung davon aus, dass Sportwetten nach dem Buchmacherprinzip (ODDSET-Wetten), bei denen sogenannte ODDS gesetzt werden, indem der Veranstalter eine fest Quote festlegt, die er dem Gewinner auf jeden Fall auszahlen muss, wenn ein oder mehrere Sportereignisse ein bestimmtes Ergebnis haben, als Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB anzusehen sind (Tröndle/Fischer, StGB, 57, Auflage, § 284 Rn. 7 m.w.N.; Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band IV, § 268 Rn. 10 m.w.N.; Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Auflage, § 184 Rn. 7 m.w.N.; BGH in NSTZ 2003, 372 ff.).

Ein Glücksspiel im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn bei einem Spiel ein nicht unerheblicher Einsatz erbracht werden muss und die Entscheidung über Gewinn und Verlust zumindest im wesentlichen nicht von den Fähigkeiten, Kenntnissen oder dem Grad der Aufmerksamkeit des Spielers, sondern vom Zufall abhängt (BGH a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des erkennenden Gerichts für die ODDSET-Wetten erfüllt.

Die Teilnehmer setzen Beträge auf den Ausgang eines bevorstehenden Sportereignisses. Die Entscheidung über die nach festen Quoten ausgelobten Gewinn hängt damit nicht von Fähigkeiten, Kenntnissen oder dem Grad der Aufmerksamkeit des Spielers ab, sondern letztlich von den Fähigkeiten der Sportler und den sonstigen Unwägbarkeiten, die mit Sportwettkämpfen einhergehen.

Die von der Beklagten veranstalteten Glücksspiele werden über das Internet auch im Landesgebiet Hessen entgegengenommen.

Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass die Beklagte zu 1) als Veranstalterin von ODDSET-Wetten aufgetreten ist.

Heftig umstritten zwischen den Parteien ist die Frage, ob die Beklagte zu 1) für ihre Tätigkeit über eine Erlaubnis im Sinne von § 284 Abs. 1 StGB verfügt. Die Klägerin beruft sich hierzu auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.06.2006. In dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass die der Beklagten zu 1) erteilte Gewerbeerlaubnis vom 14.09.1990 lediglich auf dem Gebiet des Freistaates Thüringen Wirksamkeit entfalte.

Die Gewerbeerlaubnis enthalte selbst keine Regelung über ihren räumlichen Geltungsbereich. Mit Blick auf die Grenze der Hoheitsmacht einer Behörde der DDR können von vornherein nicht angenommen werden, dass sie eine darüber hinausreichende Wirkung entfalten sollte und konnte. Auch sei durch Artikel 19 EV grundsätzlich keine inhaltliche Änderung von Verwaltungsakten der DDR-Behörden eingetreten.

Die Gewerbeerlaubnis sei mit der Wiedervereinigung auf den bundesweit geltenden § 284 StGB getroffen, dem bundesrechtlich ein Repräsivverbot für Glücksspiele zugrunde liege, von dem nur nach Maßgabe des jeweiligen Landesrechts Befreiung im Rahmen der Kompetenz des jeweiligen Landes erteilt werden könne. Die Beklagten wenden hiergegen ein, dass gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Verfassungsbeschwerde wegen Verstoßes gegen das Analogieverbot und gegen das Willkürverbot eingereicht worden sei, über die noch nicht entschieden worden sei.

Darüber hinaus habe es auch noch nach dieser Entscheidung verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, gegeben, die es als durchaus fraglich angesehen hätten, ob eine Betätigung der Beklagten zu 1) auf Bundesgebiet ein strafbares Verhalten darstellen könne, selbst wenn verwaltungsrechtlich diese Tätigkeit als nicht legalisiert zu betrachten sei.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat in der Entscheidung vom 20.02.2007 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die sofortige Vollziehung der Untersagungsverfügung wiederhergestellt mit der Begründung, dass es widersprüchlich erscheine, wenn der Bundesgesetzgeber das Glücksspiel wegen seiner sozialschädlichen Auswirkungen und Begleiterscheinungen (nur) unter der Voraussetzung einer fehlenden behördlichen Genehmigung, der eine umfassende ordnungsrechtliche Prüfung zugrunde liegt, als strafwürdiges und mit den Mitteln des Strafrechts zu bekämpfendes Verhalten qualifiziert, dieses Verhalten in Bundesländern, in denen eine Genehmigung nicht vorliege, einem strafrechtlichen Urteil zu unterwerfen und nicht nur als schlichtes Verwaltungsunrecht zu behandeln.

Diese Auffassung wird vom erkennenden Gericht geteilt. Die Bundesrechtsnorm des § 284 StGB stellt die Veranstaltung unerlaubter Glücksspiele bundeseinheitlich unter Strafe. Sie bindet damit den Strafausspruch an das Nichtvorliegen einer Erlaubnis, verhält sich aber indifferent zur staatsverbandlichen Zugehörigkeit der Erlaubnisbehörde (Hörn NJW 2004, Seite 2047 ff.).

Damit überlässt die Strafnorm die Entscheidung über die Strafwürdigkeit einer konkreten Glücksspielveranstaltung dem je für die Genehmigung zuständigen Bundesland. Dies bedeutet aber nicht zugleich, dass sie damit dem zuständigen Bundesland auch die Strafgewalt übergibt. Diese verbleibt in den Händen des Bundes. Die rechtliche Sanktion des Glücksspielverbotes wird nicht zur Disposition der Länder gestellt. Diese gehört zum unbedingten bundesrechtlichen Normgehalt des § 284 StGB und ist dem landesrechtlichen Zugriff entzogen (Artikel 72 Abs. 1 GG).

Daraus lässt sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts nur eine Schlussfolgerung ziehen, dass nämlich das Vorliegen einer landesrechtlichen Glücksspielgenehmigung die Strafbarkeit unerlaubten Glücksspiels bundesweit entfallen lässt. Dies wird um so deutlicher im Hinblick auf § 285 StGB. Danach wäre nämlich jeder Teilnehmer von ODDSET-Wetten, die die Beklagte zu 1) veranstaltet, als Teilnehmer an einem öffentlichen Glücksspiel strafrechtlich verantwortlich; mit Ausnahme der Teilnehmer, die die Wetten im Landesgebiet des Freistaats Thüringen annehmen.

Unabhängig von dieser Auffassung, ob die Beklagte zu 1) die Strafnorm des §284 StGB erfüllt, hält das erkennende Gericht jedoch eine Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten im Sinne von § 1 UWG aber auch aus anderen Gründen nicht gegeben.

Nach wie vor ist nicht endgültig geklärt, ob die Strafvorschrift des § 284 StGB im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 (1 BvR 1054/01) sowie der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 06.11.2003 in der Rechtssache Gambelli (C-243/01) und die Entscheidung vom 06.03.2007 in der Rechtssache Placanica (C-338/04) auf das Veranstalten von Glücksspielen derzeit überhaupt noch Anwendung findet.

Auch diese Frage ist in der Judikatur und in der Literatur ausgesprochen umstritten. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts kommt es nicht ausschließlich darauf an, ob die Klägerin damit begonnen hat, die in dem vorgelegten ODDSET-Maßnahmenkatalog aufgelisteten Maßnahmen zu treffen.

Wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 14.09.2006 (11 TG 1653/06) festgehalten hat, reichen diese Maßnahmen alleine nicht aus, um den Eingriff in die gemeinschaftsrechtlich verbürgte Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit eines ausländischen Veranstalters als nach Artikel 46 Abs. 1 des EG-Vertrages durch überwiegende Gründe des Gemeinwohls legitimiert zu betrachten.

Vielmehr gelten die Bedenken an der gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit der Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Hessen, die der Senat in seinem Beschluss vom 19.02.2004 (11 TG 3060/03) auch aus dem Fehlen eines gemeinschaftskonformen Regelwerts hergeleitet hat, fort. Allerdings kommt der Hessische Verwaltungsgerichtshof zu dem Ergebnis, dass § 284 StGB auf der Grundlage des einstweiligen Fortbestehens des staatlichen Sportwettenmonopols nach wie vor Anwendung findet.

Er hat deshalb auch keine Notwendigkeit gesehen, eine Klärung der Frage durch den EuGH herbeizuführen, ob Artikel 43 Abs. 1 und Artikel 49 Abs. 1 des EG-Vertrages dahingehend ausgelegt werden können, dass die Mitgliedstaaten durch das Verbot oder die Einschränkung der Vermittlung von Sportwetten zeitlich begrenzt von den Grundsätzen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs in der Europäischen Union abweichen dürfen.

In diesem Zusammenhang ist allerdings die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in dem Rechtsstreit Placanica zu würdigen. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen Herrn Placanica ein Strafverfahren beim Tribunale di Larino eingeleitet, in dem sie ihn beschuldigte, gegen Artikel 4 Abs. 4 bis des Gesetzes Nr. 401/89 verstoßen zu haben, in dem er als Betreiber eines Datenübertragungszentrum in Italien für die Stanlay International Wetting Ltd. das Sammeln von Wetten ohne die erforderliche polizeiliche Genehmigung betrieben habe.

Das Tribunale di Larino hat Zweifel daran gehabt, ob Artikel 4 Abs. 4 bis des Gesetzes Nr. 401/89 tatsächlich mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. In diesem Zusammenhang hat der Europäische Gerichtshof seine mit dem Urteil im Rechtsstreit Gambelli begonnenen Rechtsprechung fortgesetzt, dass nämlich eine nationale Regelung, die die Ausübung von Tätigkeiten im Glücksspielsektor ohne eine vom Staat erteilte Konzession oder polizeiliche Genehmigung unter Strafandrohung verbietet, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt (Urteil Gambelli Rn. 59 und Tenor).

Der EuGH hat die italienische Regelung, die die Anzahl der Betreiber für den Bereich der Annahme von Wetten auf 1.000 begrenzt und Genehmigungen aufgrund von Ausschreibungen vergibt, als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit qualifiziert.

Zu den strafrechtlichen Sanktionen hat der EuGH weiter ausgeführt, dass zwar für das Strafrecht grundsätzlich die Mitgliedstaaten zuständig sind, jedoch das Gemeinschaftsrecht dieser Zuständigkeit nach ständiger Rechtsprechung Schranken setze, insbesondere dürfe ein Mitgliedsstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nichterfüllten Verwaltungsformalität verhängen, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt oder vereitelt habe.

Mit dieser Entscheidung ist der EuGH noch einen Schritt weitergegangen, als in der Entscheidung Gambelli. Er hat jetzt auch Aussagen zur strafrechtlichen Würdigung der Ausübung von Spiel- oder Wetttätigkeiten getroffen. Ob im Zusammenhang mit dieser Entscheidung nun tatsächlich das Wettmonopol des Staates wankt (FAZ vom 11.03.2007) vermag das erkennende Gericht nicht zu beantworten.

Jedenfalls hält das Gericht das Verhalten der Beklagten zu 1) nicht für wettbewerbsrechtlich unlauter, solange sie über eine nicht widerrufene Erlaubnis des Magistrats der Stadt (…) ihre Tätigkeit ausübt und, diese solange fortsetzt, bis die unstreitige juristische Auseinandersetzung um die Sportwetten mit höchstrichterlichen Urteilen abschließend geklärt ist.

Dass dies derzeit nicht der Fall ist, zeigen die unterschiedlichen, von den Parteien zu den Akten gereichten Judikate der Verwaltungs-, Straf- und Zivilgerichtsbarkeit aus den letzten Jahren, die mittlerweile zwei Anlagebände füllen. Insbesondere kann von der Beklagten nicht verlangt werden, dass sie aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Auffassungen sozusagen im Voraus eilenden Gehorsam ihre Tätigkeit einstellt.

Das Risiko einer extrem unklaren Rechtslage, wie sie hier von Behörden und Gerichten geschaffen wurden, darf nicht einseitig dem Normadressaten aufgebürdet werden (Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage, § 17 Rn. 21 m.w.N.). In diese Richtung weist auch die Entscheidung des Bundesgerichtshof in einem Beschluss vom 29.11.2006, Az.: 2 StR 55/06, der sich dahingehend geäußert hat, dass das in jedem Verfahren angefochtene Urteil wegen unerlaubtem gewerbsmäßigen Glücksspiels im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 und verschiedener Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, unter anderem Urteil vom 06.11.2003 in der Rechtssache Gambelli, Bedenken begegne. Das Verfahren wurde gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt.

Da die Kammer eine unlautere Wettbewerbshandlung der Beklagten zu 1) nicht feststellen kann, ist die Klage insgesamt gegen beide Beklagte mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuwenden.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.