Vermittlung von Sportwetten
Leitsatz
Ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet ist.
Tenor
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der (…) gegen § 1 Satz 1 des Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetzes vom 3. Februar 2000 (GVBl S. 15) hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten (…) gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 21. Januar 2008 einstimmig beschlossen:
1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
2. Der Freistaat Thüringen hat der Beschwerdeführerin die ihr im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Sachverhalt
s. Entscheidungsgründe
Entscheidungsgründe
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetz (im Folgenden: ThürStaatslott-XSportwettG) vom 3. Februar 2000 (GVBl S. 15), welches nach dem Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Grundlagen des Thüringer Glücksspielwesens vom 18. Dezember 2007 (GVBl S. 243) im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Thüringer Gesetzes zu dem Glücksspielstaatsvertrag und des Thüringer Glücksspielgesetzes (ThürGlüG) zum 1. Januar 2008 außer Kraft getreten ist.
1.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG durch § 1 Satz 1 ThürStaatslott-/SportwettG, nach dem zur Veranstaltung von Zahlenlotterien und Sportwetten ausschließlich das Land befugt ist. Sie ist der Ansicht, dies stelle eine unverhältnismäßige objektive Beschränkung der Berufsfreiheit dar.
Das mit § 1 Satz 1 ThürStaatslott-/SportwettG einhergehende generelle Verbot gewerblicher Sportwettenveranstaltung in Thüringen diene nicht der Abwehr von schweren Gefahren für überragende Gemeinwohlgüter, sondern verfolge ausweislich der Gesetzesmaterialien fiskalische Ziele.
Die gemeinnützige Verwendung der Erträge beseitige diesen Makel nicht. Zur Gefahrenabwehr sei die ausschließliche Zulassung staatlicher Wettveranstaltung weder geeignet noch erforderlich, da es an gesetzlich geregelten Instrumenten zur Erreichung dieses Ziels fehle. Etwaigen Gefahren könne darüber hinaus ebenso gut durch - gegebenenfalls auch strenge - Erlaubnisvorbehalte für die gewerbliche Veranstaltung von Sportwetten Rechnung getragen werden.
2.
Zum vorliegenden Verfahren hat die Thüringer Landesregierung Stellung genommen. Sie hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Der Thüringer Landtag hat von einer Stellungnahme abgesehen.
Im Übrigen wurde gemäß § 94 Abs. 1 und Abs. 4 in Verbindung mit § 77 BVerfGG Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht mehr zur Entscheidung anzunehmen. Zur Annahme führende Gründe (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) liegen nicht mehr vor. Die im Zeitpunkt ihrer Erhebung zulässige und entsprechend der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil des Ersten Senats vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - (BVerfGE 115, 276) begründete Verfassungsbeschwerde ist inzwischen unzulässig geworden.
1.
Die Beschwerdeführerin ist durch das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Gesetz nicht mehr gegenwärtig betroffen. Gemäß Art. 4 des Gesetzes zur Änderung der gesetzlichen Grundlagen des Thüringer Glücksspielwesens vom 18. Dezember 2007 (GVBl S. 243) ist das Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetz im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Thüringer Gesetzes zu dem Glücksspielstaatsvertrag (Art. 1 des Gesetzes zur Änderung der gesetzlichen Grundlagen des Thüringer Glücksspielwesens) sowie des Thüringer Glücksspielgesetzes (Art. 2 des Gesetzes zur Änderung der gesetzlichen Grundlagen des Thüringer Glücksspielwesens) zum 1. Januar 2008 außer Kraft getreten.
Es wird nunmehr durch den ebenfalls am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV), dessen §§ 1 bis 23 sowie 25 bis 27 gemäß § 2 des Thüringer Gesetzes zu dem Glücksspielstaatsvertrag ab diesem Datum auch unabhängig von dessen Zustandekommen oder Außerkrafttreten als Landesrecht gelten, ersetzt.
Die erfolgte Aufhebung des angegriffenen Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetzes führt allerdings nicht zur Erledigung der Verfassungsbeschwerde. Dies wäre nur der Fall, wenn dadurch auch die mit ihr gerügte, in der Vergangenheit liegende Grundrechtsverletzung beseitigt würde (vgl. BVerfGE 2, 237 242>).
Zwar gehen von dem angegriffenen Gesetz für die Zeit ab dem 1. Januar 2008 keine Rechtswirkungen gegenüber der Beschwerdeführerin mehr aus. Die nunmehr erfolgte Neuregelung der gesetzlichen Grundlagen des Thüringer Glücksspielwesens führt aber nicht zu einer in die Vergangenheit wirkenden Beseitigung der Verfassungswidrigkeit des Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetzes vom 3. Februar 2000, das den Anforderungen, die sich aus dem Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) ergeben, nicht genügt.
Danach war auch der mit der beschränkten Zulassung nur staatlicher Wettveranstaltung durch das Land einhergehende Ausschluss gewerblicher Sportwettveranstalter in Thüringen mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar.
Ebenso wie das bayerische Staatslotteriegesetz enthielt auch das Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetz vom 3. Februar 2000 keine Regelungen, die eine konsequente und aktive Ausrichtung der vom Freistaat Thüringen veranstalteten Wetten am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht materiell und strukturell gewährleisteten.
Dieses Regelungsdefizit wurde auch nicht durch die in Thüringen geltenden Regelungen des Staatsvertrags zum Lotteriewesen in Deutschland (vgl. Thüringer Gesetz zu dem Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland und zu dem Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen vom 8. März 2004 <gvbl s.> sowie Thüringer Ausführungsgesetz zu dem Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland vom 3. Februar 2006 <gvbl s.>) ausgeglichen. </gvbl></gvbl>
Damit aber entsprach schon die rechtliche Ausgestaltung des grundsätzlich - also unbesehen der sich für Thüringen ergebenden Besonderheiten aufgrund von nach dem Gewerbegesetz der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. März 1990 (GBl S. 138) erteilten Erlaubnissen hinsichtlich gewerblicher Sportwettangebote (vgl. dazu vor allem Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Mai 2005 - 3 KO 705/03 -, JURIS) - auch in Thüringen errichteten staatlichen Sportwettmonopols nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an einen im Ergebnis verhältnismäßigen Ausschluss gewerblicher Anbieter von Sportwetten zu stellen sind.
2.
Einer verfahrensförmlichen Feststellung dieser sich aus dem Urteil vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) entsprechend ergebenden Verfassungswidrigkeit des Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetzes vom 3. Februar 2000 durch den Senat bedarf es allerdings nicht mehr. Ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis ist aufgrund der zum 1. Januar 2008 in Kraft gesetzten neuen gesetzlichen Grundlagen des Thüringer Glücksspielwesens nicht mehr vorhanden.
Ein solches bestünde nur fort, wenn anderenfalls eine mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfene Frage von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung unbeantwortet bliebe (vgl. BVerfGE 12, 311 317>) oder eine entsprechende verfahrensförmliche Feststellung zur Beseitigung des mit der Verfassungsbeschwerde gerügten Grundrechtseingriffs erforderlich wäre. Beides ist vorliegend nicht mehr der Fall.
Die mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde aufgeworfene grundsätzliche Frage, ob und inwieweit sich der Staat die Veranstaltung von Sportwetten im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit vorbehalten darf und an gewerblicher Veranstaltung von Sportwetten interessierte Bürger beziehungsweise Unternehmen ausgeschlossen werden dürfen, hat das Bundesverfassungsgericht durch Urteil des Ersten Senats vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) geklärt.
Danach ist die mit einem staatlichen Sportwettmonopol einhergehende Beschränkung des Grundrechts der Berufsfreiheit - entgegen der auch mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Einwände - nicht etwa schon mangels eines legitimen Ziels oder wegen fehlender Eignung und Erforderlichkeit verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, sondern insoweit grundsätzlich zulässig.
Als Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG ist sie den Grundrechtsträgern aber nur bei einer aktiv an der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht ausgerichteten rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des staatlichen Wettwesens zumutbar.
Die aus diesem Maßstab folgende Verfassungswidrigkeit des mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde angegriffenen Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetzes hat der Freistaat Thüringen erkannt. Ebenso hat er die verfassungsgerichtliche Forderung nach einer gesetzlichen Neuregelung als auch für sich verbindlich angesehen (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung: Thüringer Landtag, Drucks 4/3341, S. 1 f. und 24 ff.; ferner die Begründung zum Glücksspielstaatsvertragsentwurf: ebd. S. 37 ff.).
In Ausübung der im Urteil vom 28. März 2006 aufgezeigten Neuregelungsoptionen (vgl. BVerfGE 115, 276 318 f.>) hat er dies in Zusammenarbeit mit den anderen Ländern zur Erarbeitung und zum Abschluss des Glücksspielstaatsvertrags zum Anlass genommen und schließlich zum 1. Januar 2008 die dortigen Regelungen für Thüringen in Kraft gesetzt. Damit hat der Freistaat Thüringen die sich aus der Verfassungswidrigkeit des Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetzes vom 3. Februar 2000 ergebende Konsequenz grundsätzlich vollzogen.
Ob und inwieweit die in Thüringen nunmehr in Kraft gesetzten Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags und des Thüringer Glücksspielgesetzes den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Zumutbarkeit des mit dem staatlichen Sportwettmonopol einhergehenden Ausschlusses gewerblicher Sportwettangebote gerecht werden, ist nicht Gegenstand des vorliegenden, sondern eines möglichen eigenen Verfassungsbeschwerdeverfahrens.
Der Freistaat Thüringen behält sich zwar auch nach den neuen gesetzlichen Grundlagen die Veranstaltung von Wetten vor, so dass die Beschwerdeführerin weiterhin von entsprechender Geschäftstätigkeit ausgeschlossen ist. Wegen der Einbettung dieser Beschränkung der Berufsfreiheit in einen bisher nicht gegebenen Regelungskontext sind die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags und des Thüringer Glücksspielgesetzes allerdings nicht als identische Folgeregelungen anzusehen, die von Amts wegen im Rahmen des vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahrens zu prüfen wären.
Vielmehr stellen sie einen - möglichen - neuen Verfahrensgegenstand eigenen Gepräges dar (vgl. zu den insoweit maßgeblichen Kriterien BVerfGE 110, 33 44>m.w.N.).
Auch sonst ist eine fortwirkende Beschwer der Beschwerdeführerin, die die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angezeigt erscheinen ließe, nicht erkennbar.
3.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
III.
Die Anordnung der Erstattung der Auslagen beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG. Sie entspricht der Billigkeit, da die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachte Rüge einer unverhältnismäßigen Beschränkung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG - wie unter Punkt II. der Gründe dargestellt - begründet war.
IV.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.