Vermittlung von Sportwetten

Amtsgericht Muenchen

Urteil v. 26.09.2007 - Az.: 1125 Cs 307 Js 36189/06

Leitsatz

Auch für die Zeit nach dem Sportwetten-Urteil des BVerfG (Urt. v. 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01) liegt in dem Veranstalten oder Vermitteln von privaten Sportwetten keine strafbare Handlung, da es weiterhin an einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage für eine Verurteilung fehlt.

Tenor

In der Strafsache gegen (…) wegen, unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels

aufgrund der Hauptverhandlung vom Donnerstag, den 06.09.2007 an der teilgenommen haben: (…)

1. Der Angeklagte (…) wird freigesprochen.

2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt.

Sachverhalt

Dem Angeklagten (..) lag folgender Sachverhalt zur Last:

In dem Zeitraum von 29.03.2006 bis 08.08.2006 betrieb der Angeklagte in der (…), München, ein für jedermann zugängliches Sportwettbüro (Öffnungszeiten: Mo.-Fr. 10.30 Uhr bis 21.00 Uhr, Sa.-So. 10.00 Uhr-22.00 Uhr), in dem der Angeklagte Sportwetten annahm und an die in Malta ansässige Fa. (…) vermittelte.

Dazu lagen in dem Wettbüro die Wettbestimmungen und -Programme der Fa. (…) sowie Wettscheine aus. Gewettet werden konnte insbesondere auf den Ausgang nationaler und internationaler Fußball- und Eishockeyspiele.

Die von den Wettkunden ausgefüllten Wettscheine wurden in dem von dem Angeklagten betriebenen Wettbüro durch ihn zusammen mit den entsprechenden Einsatzsurrimen entgegengenommen, es wurden Wettquittungen ausgestellt, die Wettdaten in den Computer eingegeben und die Sportwetten online an die Fa. (…), Malta, weitergeleitet. Etwaige Gewinne wurden nach den bereits vor Abgabe der Wette festgelegten Quoten bar ausgezahlt.

Als Entgelt für die Vermittlung erhielt der Angeklagte von der Fa. (…) eine Provision in Höhe von 60 % des erzielten Gewinnes. So erhielt der Angeklagte beispielhaft für seine Vermittlungstätigkeit im Zeitraum von 18.01. bis 07.02.2006 eine Provision in Höhe von 3.342,54 EUR und im Zeitraum von 21.02. bis 06.03.2006 bei vereinnahmten Wetteinsätzen von 15.134,15 EUR eine Provision in Höhe von 3.237,05 EUR.

Wie der Angeklagte wusste, verfügte weder er selbst noch die Fa. (…) über die erforderliche behördliche Erlaubnis zur Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten in Bayern.

Der Angeklagte handelte somit in der Absicht, sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen.

Hinsichtlich des objektiven Sachverhalts konnte die Tat so festgestellt werden, wie sie dem Angeklagten unter Ziffer I. zur Last lag.

Entscheidungsgründe

Der Angeklagte räumte den objektiven Sachverhalt über seinen Verteidiger insoweit ein. An der Glaubwürdigkeit der Einlassung hatte das Gericht nicht den geringsten Zweifel.

Der Angeklagte war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, weil der festgestellte Sachverhalt den Tatbestand der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels nicht erfüllt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 28.03.2006 (NJW 2006, 1261) das in Bayern durch das dortige Staatslotteriegesetz errichtete staatliche Wettmonopol für einen in seiner gegenwärtigen gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG und damit für verfassungswidrig gehalten.

Den an entsprechender beruflicher Tätigkeit interessierten Bürgern sei der strafbewehrte Ausschluss gewerblicher Wettangebote durch private Wettunternehmer nur dann zumutbar, wenn das bestehende Wettmonopol auch in seiner konkreten Ausgestaltung der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischem Spielverhalten diene.

Das derzeit im Rahmen des staatlichen Wettmonopols errichtete Sportwettenangebot sei jedoch nicht konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht ausgerichtet. Die Vorschrift des § 284 StGB beseitige das verwaltungsrechtliche Defizit des Staatslotteriegesetzes nicht, da sie keine inhaltlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Wettangebots enthalte.

Ein verfassungsgemäßer Zustand können sowohl durch eine Ausgestaltung des Wettmonopols, die wirklich der Suchtbekämpfung diene, als auch durch eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Veranstaltung durch private Unternehmen errichtet werden.

Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber zur Neuregelung eine Frist bis zum 31.12.2007 gesetzt. Über die zwischenzeitliche Strafbarkeit hat das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht entschieden. Es hat diese Frage vielmehr offen gelassen und die Entscheidung hierüber dem Strafgerichten überlassen.

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar bestimmt, dass während der Übergangszeit die bisherige Rechtslage mit der Maßgabe anwendbar bleibe, dass der Staat unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung seines Wettmonopols andererseits herzustellen habe.

Nach Auffassung des Gerichts kann diese Fortgeltungsanordnung nur für das Verwaltungsrecht nicht jedoch für das Strafrecht gelten. Denn die Fortgeltungsanordnung bedeutet nur, dass in der Übergangszeit eine an sich verfassungswidrige Rechtslage hinzunehmen ist, nicht jedoch, dass die Rechtslage in der Übergangszeit als verfassungsgemäß anzusehen ist.

Der Verstoß gegen eine verfassungswidrige, aber übergangsweise hinzunehmende Freiheitsbeschränkung kann nicht als kriminelles Unrecht geahndet werden. Die Verhängung einer strafrechtlichen Sanktion kann nach Auffassung des Gerichts erst dann erfolgen, wenn der Gesetzgeber ein verfassungsgemäßes Gesetz erlassen hat, welches eine tragfähige Grundlage für das staatliche Sportwettenmonopol darstellt.

Für die Strafbarkeit kann es auch nicht von Bedeutung sein, ob die staatliche Lotterieverwaltung bereits Maßnahmen zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 getroffen oder sogar bereits vollständig erfüllt hat.

Denn eine Bestrafung ist erst dann möglich, wenn der Gesetzgeber das staatliche Sportwettmonopol auf eine verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage gestellt hat.

Kosten: § 467 Abs. 1 StPO.