Vermittlung von privaten Sportwetten

Oberverwaltungsgericht Saarlouis

Beschluss v. 06.12.2006 - Az.: 3 W 18/06

Leitsatz

1. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die derzeitige Ausgestaltung des saarländischen Sportwettenrechts mit dem EU-Gemeinschaftsrecht (Art. 43 EG und 49 EG) ist.

2. Aufgrund dieser Zweifel ist die sofortige Vollziehung einer Untersagungsverfügung bzgl. der Vermittlung privater Sportwetten auszusetzen.

Tenor

In dem Verfahren (…)

wegen Untersagung der Vermittlung von Sportwetten hier: Zwischenregelung

hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes in Saarlouis auf Grund der Beratung vom 6. Dezember 2006, an der mitgewirkt haben (…), beschlossen:

1. Die sofortige Vollziehbarkeit der polizeilichen Verfügung des Antragsgegners vom 27.7.2006 wird vorläufig bis zur Entscheidung in dem anhängigen Beschwerdeverfahren ausgesetzt.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Sachverhalt

(vgl. Entscheidungsgründe)

Entscheidungsgründe

I.

Die Antragstellerin betreibt in Merzig eine Wettannahmestelle, in der Sportwetten mit fester Gewinnquote an die (…) LtD, eine in Malta ansässige und zum Abschluss sowie zur Vermittlung von Wetten staatlich konzessionierte Anbieterin von Sportwetten, vermittelt werden.

Mit polizeilicher Verfügung vom 27.7.2006 untersagte der Antragsgegner unter gleichzeitiger Anordnung des Sofortvollzuges sowie Androhung und aufschiebend bedingter Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,- Euro für den Fall der Nichtbefolgung die Ausübung der Tätigkeit "Vermittlung von Sportwetten nach Malta an die Firma (..)", insbesondere den Betrieb einer Annahmestelle, die Vermittlung von Sportwetten und die Abwicklung des damit verbundenen Zahlungsverkehrs für nicht im Saarland konzessionierte Sportwetten für das gesamte Gebiet der Stadt Merzig mit sofortiger Wirkung. Die Gesellschafter der Antragstellerin werden aufgefordert, die betreffenden Tätigkeiten bis zum 2.8.2006 einzustellen.

Die Antragstellerin erhob gegen diese Verfügung am 4.8.2006 Widerspruch und suchte beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nach.

Mit Beschluss vom 23.11.2006 - 6 F 65/06 - hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, der Antragstellerin Eilrechtsschutz zu gewähren.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin am 29.11.2006 Beschwerde erhoben. Sie verfolgt ihr erstinstanzliches Aussetzungsbegehren weiter und beantragt außerdem, dem Antragsgegner aufzugeben, bis zur Entscheidung des Senats von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen.

Der Antragsgegner hat auf entsprechende Anfrage des Gerichts mitgeteilt, von der zwangsweisen Durchsetzung der angefochtenen Verfügung bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens werde nicht Abstand genommen.

II.

Dem Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer Zwischenregelung bis zur Entscheidung im Beschwerdeverfahren ist nach Maßgabe des Entscheidungstenors zu entsprechen.

Für die Entscheidung kann dabei offen bleiben, ob sich die Befugnis zum Erlass einer solchen Zwischenregelung aus der über § 173 VwGO entsprechend anwendbaren Bestimmung des § 570 Abs. 3 ZPO oder unmittelbar aus Art. 19 Abs. 4 GG ergibt

vgl. zum Beurteilungsmaßstab für Aussetzungsentscheidungen auf der Grundlage der §§ 173 VwGO, 570 Abs. 3 ZPO BGH, Beschluss vom 21.3.2002 - IX ZB 48/02 -, NJW 2002, 1658; zum Erlass einer Zwischenregelung auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 4 GG OVG des Saarlandes, Beschluss vom 15.12.1992 - 2 W 36/92 -.

Der Senat hält es bei den Gegebenheiten des vorliegenden Sachverhaltes zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes für geboten, die Vollziehbarkeit der polizeilichen Verfügung vom 22.7.2006 bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens zu suspendieren. Nach dem Erkenntnisstand in dem gegenwärtigen, noch frühen Stadium des Beschwerdeverfahrens ist es jedenfalls fraglich, ob die Regelungen des § 5 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen

vgl. Zustimmungsgesetz SL vom 31.3.2004, Amtsbl. 2004, 1030,

der §§ 1 und 2 SportwettG SL sowie der §§ 284 StGB und - gegebenenfalls - 8 SportwettG SL, sofern und soweit sie Private von der Vermittlung von Sportwetten für in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zugelassene Veranstalter solcher Wetten ausschließen beziehungsweise eine solche Betätigung unter Strafe stellen, gemessen an den vom Europäischen Gerichtshof in seiner Vorabentscheidung vom 6.11.2003 - C-243/01 -,

Rechtsprechungssammlung 2003, S. 1-1331 -, "Gambelli",

aufgestellten Grundsätzen eine gemeinschaftsrechtlich zulässige Beschränkung der durch die Art. 43 EG und 49 EG gewährleisteten Niederlassungsfreiheit und der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs darstellen.

Unter diesem Gesichtspunkt wirft die Sache komplexe Fragen im Verhältnis von Gemeinschaftsrecht zu nationalem Recht auf, deren Beantwortung aller Voraussicht nach auch davon abhängt, ob die derzeit bestehenden nationalen Regelungen und ihre Handhabung sich im Sinne der zitierten Entscheidung des EuGH als kohärenter und systematischer Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeit darstellen.

Das kann in Anbetracht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006

-1 BvR 1054/01 -zitiert nach Juris,

zum staatlichen Wettmonopol für Sportwetten in Bayern, die sich unter anderem mit den Regelungen des von dem Antragsgegner als Grundlage für sein Tätigwerden herangezogenen Staatsvertrages zum Lotteriewesen auseinandersetzt, zumindest in rechtlicher Hinsicht nicht ohne weiteres angenommen werden.

Hiervon ausgehend halt es der Senat für zweifelhaft, dass der die erstinstanzliche Beurteilung leitenden Annahme des Verwaltungsgerichts gefolgt werden kann, die angefochtene Verfügung erweise sich als offensichtlich rechtmäßig.

Bestehen danach bereits die Grundannahme des Verwaltungsgerichts betreffende Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, so ist ferner davon auszugehen, dass die wirtschaftlich motivierten Belange der Antragstellerin, die geltend macht, zum Betrieb ihrer Annahmestelle nicht kurzfristig kündbare Dauerschuldverhältnisse durch die Anmietung von Räumlichkeiten und die Anstellung von Mitarbeitern begründet sowie umfangreiche, nicht anderweitig einsetzbare Technik beschafft zu haben, bei einer zwangsweisen Durchsetzung der angefochtenen Verfügung bis zur Entscheidung im Beschwerdeverfahren deutlich stärker betroffen wären, als das öffentliche Interesse an der Bekämpfung der Wett- und Spielsucht, das allein geeignet sein dürfte, ein Einschreiten mit sofortiger Wirkung zu rechtfertigen, bei einer vorläufig weiteren Hinnahme der Betätigung der Antragstellerin.

Denn es ist kein objektiver Grund erkennbar, der einen an Sportwetten Interessierten davon abhalten könnte, das entsprechende Wettangebot einer der zahlreichen Annahmestellen der Saarland-Sporttoto-Gesellschaft in Anspruch zu nehmen, wenn die Vermittlungstätigkeit der Antragstellerin unterbunden ist.

Bei diesen Gegebenheiten hält der Senat die im Tenor ausgesprochene vorläufige Aussetzung der Vollziehbarkeit der angefochtenen Verfügung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes für geboten.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.