Vermittlung von privaten Sportwetten nicht strafbar
Leitsatz
1. Das Vermitteln von privaten Sportwetten an einen ausländischen Anbieter ist straflos, da keine inländische Veranstaltung eines Glücksspiels vorliegt.
2. Der Beschuldigte hat einen Anspruch auf Entschädigung nach dem StrEG für die erlittenen strafprozessualen Maßnahmen, wenn die Verwaltungsbehörden nicht primär nicht ordnungsrechtlich, sondern strafrechtlich vorgehen. Denn das verwaltungsrechtliche Regelungs- und Vollzugsdefizit ist nicht mit Hilfe von strafprozessuafen Maßnahmen zu kompensieren.
Tenor
In der früheren Emittlungssache (...)
wegen Verdachts der unerlaubten Veranstaltung eines Glückspiels hat die 26. große Strafkammer des Landgerichts Berlin am 31. Juli 2006 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Beschluß des Amtsgerichts Tiergarten vom 23. Juni 2006 wird auf Kosten der Landeskasse verworfen.
Diese hat auch die notwendigen Auslagen des vormaligen Beschuldigten für das hiesige Beschwerdeverfahren zu tragen.
Sachverhalt
(vgl. Entscheidungsgründe)
Entscheidungsgründe
I.
Der vormalige Beschuldigte bietet in Berlin die Möglichheit an, Wetten auf das Ergebnis von Fußballspielen oder anderen sportlichen Ereignissen zu festen Gewinnquoten {sog, "Oddset-Wettan") abzuschließen. Er ist jedoch nicht selbst der Buchmacher bzw. der Wetthalter: dies ist die in Österreich ansässige und dort ordnungsgemäß konzessionierte C(...) GmbH. Eine deutsche Lizenz besitzen der vormalige Beschuldigte oder die C (...) GmbH nicht.
Auf Strafanzeige eines Mitarbeiters der für die Genehmigung oder Versagung von Wettlizenzen unzuständigen Berliner Senatsverwaltung für Finanzen vom 26. Oktober 2004, welcher vom vormaligen Beschuldigten zwecks Genehmigung seines Geschäfts am 5. Juli 2004 aufgesucht worden war, beantragte die Staatsanwaltschaft Berlin, die dem Beschuldigten deshalb das unerlaubte Veranstalten eines Glücksspiels gemäß § 284 StGB vorwarf, bei dem zuständigen Ermittlungsrichter einen Durchsuchungsbeschluß.
Am 17. August 2005 beschlagnahmte die Berliner Polizei auf der Grundlage des am 29. Juni 2005 ergangenen Beschlusses diverse Wettunterlagen, u.a. den Wettvermittlungsvertrag.
Bis dahin war keine Untersagungsverfügung der dafür zuständigen Behörde ergangen.
Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Berlin am 26. Januar 2006 das Ermittlungsverfahren im Hinblick auf die uneinheitliche Rechtslage eingestellt und die beschlagnahmten Beweismittel herausgegeben.Nunmehr beantragt der vom vormaligen Beschuldigten erst nach der Durchsuchung konsultierte Verteidiger - insbesondere für seine Bemühungen - die Feststellung einer Entschädigungspflicht nach dem Strafverfolgungsentschädigungsgesetz. Durch die angefochtene Entscheidung der Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Tiergarten vom 23. Juni 2006 wurde sie ihm auch zuerkannt.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde begehrt die Staatsanwaltschaft Berlin die Aberkennung eines derartigen Entschädigungsanspruches, weil der vormalige Beschuldigte sich zumindest ordnungsrechtlich rechtswidrig verhalten habe und sich wegen der unklaren Rechtslage lediglich auf einen unvermeidbaren Vorbotsirrtum habe berufen können, er also grob fahrlässig im Sinne des § 5 Abs. 2 StrEG gehandelt habe.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 9 Abs. 2 StrEG zulässig.
Das Beschwerdevorbringen kann indes keine andere Entscheidung rechtfertigen.
1.
Die Kammer hält auch und gerade im Anschluß an die in der Zwischenzeit ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes vom 6. November 2003 und des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Merz 2006 an ihrer Auffassung fest, daß bereits die Tatbestandsmäßigkeit des dem vormaligen Beschuldigten zur Last gelegten Handels ausscheidet, da auch im vorliegenden Fall von einer straflosen Vermittlung von Sportwetten in das Ausland und nicht von deren inländischen Veranstaltung auszugehen ist (vgl. Beschl. der Kammer vom 23. Sep. 2003, 526 Qs 214/03; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl. § 284 Rdnr. 11a; Horn, NJW 2004, 2047 ff,; Janz, NJW 2003, 1694 ff.; a.A.; BGH, Urt. v. 29. Nov. 2002 - 4 StR 260/02).
Gleichwohl ist zu konstatieren, daß nicht nur die strafrechtliche Einordnung des inländischen Handelns von im europäischen Ausland (hier: Österreich} ordnungsgemäß lizenzierten Sportwettenanbietern seit geraumer Zeit äußerst umstritten ist. In gleichem Maße ist dies auch für das deutsche verwaltungsrechtliche Genehmigungsverfahren zu beobachten (vgl. die vom Verteidiger - allerdings in einseitiger Welse - eingereichten Rechtsprechungsnachweise von ordentlichen Gerichten und Verwaltungsgerichten und den Bescheid der Staatsanwaltschaft Berlin vom 25. Januar 2006 an die Berliner Senatsverwaltung für Finanzen sowie den in anderer Sache ergangenen Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vom 11. April 2006).
2.
Für die Zu- oder Aberkennung eines strafrechtlichen Entschädigungsanspruches ist von entscheidender Bedeutung, ob dem Beschuldigten in Anbetracht dieser Rechtslage im konkreten Fall ein zumindest grob fahrlässiges Miiverschulden an den Strafverfolgungsmaßnahmen anzulasten ist.
a. Dabei gilt grundsätzlich Folgendes:
Sowohl die Verwaltungsbehörden als such die Betroffenen haben zunächst den dafür vorgesehenen originären Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten. Die zuständigen Verwaltungsbehörden haben zuvorderst nicht mit Strafanzeigen zu agieren, sondern mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtsmittelfähigen Verwaltungsakten (z.B. Untersagungsbescheid, Schließungsanordnung). Darauf haben die Betroffenen - soweit sie dem Verwaltungsakt keine Folge leisten wollen - die entsprechenden Rechtsmittel einzulegen. Das verwaltungsrechtliche Regelungs- und Vollzugsdefizit ist also nicht mit Hilfe von strafprozessuafen Maßnahmen zu kompensieren (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28. März 2006, 1 BvR 1054/01, Rdnr, 129 f.)
Handeln die zuständigen Verwaltungsbehörden nicht derartig verwaltungsgemäß, fehlt es in der Regel an einem grob fahrlässigen Mitverschulden des Betroffenen an den Strafverfolgungsmaßnahmen. Handeln die Betroffenen nicht demgemäß, d.h. legen sie trotz bereits ergangener Untersagungsbescheide oder Schließungsanordnungen keine verwaltungsrechtlichen ein, und setzen ihr Handeln einfach fort, wird in der Regel ihr grob fahrlässiges Mitverschulden an den dann vollzogenen Strafverfolgungsmaßnahmen anzunehmen sein.
b. Im vorliegenden Fall ist den Akten der kein vorangegangener rechtsmittelfähiger Bescheid der zuständigen Behörde zu entnehmen. Es gab lediglich am 6. Juli 2005 "eine ausführliche Erläuterung der Sach- und Rechtslage" zwischen dem Betroffenen und einem an sich unzuständigen Mitarbeiter der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen, in welcher dem Betroffenen mitgeteilt wurde, dass die Aufnahme dieser Tätigkeit verboten sei und eine Eröffnung "sofort ordnung"- und strafrechtliche Konsequenzen für den Betreiber haben [würde]".
Den Akten ist indes nicht zu entnehmen, dass der vom Anzeige erstattenden Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Finanzen bei dem dafür zuständigen Berliner Landesamt für Bürger - und Ordnungsaangelegenheiten erbetene Untersagungsbescheid noch vor der Durchsuchung ergangen war und der Betroffene gegen diesen keinen Rechtsbehelf eingelegt hat. Vielmehr erging diese Untersagungsverfügung erst am 17. Mai 2006.
Demnach fehlt es an einem grob fahrlässigen Mitverschzlden des vormaligen Beschuldigten an der verfahrensgegenständlichen strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahme im Sinne des § 5 Abs. 2 StrEG, zumal auch Verdachtsmomente des anderweitigen Veranstaltens von unerlaubten Glücksspiels durch den vormaligen Beschuldigten (z.B. Würfel- oder Kartenspiele, Roulette, Backgammon, Mah Jongg o.ä.) nicht vorlagen.
Für eine Billigkeitsentscheidung nach § 6 StrEG sah die Kammer keine Anknüpfungspunkte.
III.
Für das Betragsverfahren weist die Kammer daraufhin, daß der vom vormaligen Beschuldigten beauftragte routinierte Verteidiger offensichtlich in die Materie eingearbeitet war und insbesondere das mehrfache Einsenden einer ganzen Reihe von Entscheidungskopien (u.a. auch einer Entscheidung der beschließenden Kammer) und Kopieen von Aktenbestandteilen das Verfahren nicht gefördert hat.
IV.
Die Kostenentscheidung fußt auf § 473 Abs.1 StPO.