Verbotene Glücksspiel-Werbung auf Banden in Fussballstadien

Landgericht Hamburg

Urteil v. 07.09.2007 - Az.: 406 O 95/07

Leitsatz

1. Die Bandenwerbung in Fussballstadien für ausländische Glücksspiel-Anbieter ist nach § 284 Abs.4 StGB verboten.

2. Wer für die Vergabe der Werbeflächen - insbesondere von Fußball-Länderspielen der Deutschen A-Nationalmannschaft sowie hinsichtlich der Spiele des DFB-Vereinspokals, welche live im Fernsehen übertragen werden - berechtigt ist, haftet als Mitstörer.

Tenor

In dem Rechtsstreit (…) gegen (…) erkennt das Landgericht Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen, auf die mündliche Verhandlung vom 24. August 2007, durch (...) für Recht:

I. Dem Beklagten wird es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,-, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten, auf Fußball-Sportveranstaltungen mit Bandenwerbung für den Glücksspielanbieter (…) zu werben und / oder werben zu lassen, wie insbesondere nachstehend abgebildet:

(…)

solange auf der Website (…) erlaubnispflichtige Glücksspiele, insbesondere Kasino-Spiele, deutschen Spielern ohne das Vorliegen der erforderlichen Erlaubnis angeboten werden.

II. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägerinnen Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang Handlungen der in Ziffer l genannten Art seit dem 27. Februar 2007 begangen wurden, und zwar über

- an (…) vergebene Werbeträger,

- Anzahl der Gäste vor Ort,

- Vergabe von Rundfunk-Übertragungsrechten an inländische Rundfunkveranstalter unter Benennung der Sender aufgeschlüsselt nach Veranstaltungen.

III. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen all denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihnen aus seit dem 27. Februar 2007 begangenen Handlungen der zu Ziffer l bezeichneten Art entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

V. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

VI. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung der Klägerinnen in Höhe von € 60.000,- vorläufig vollstreckbar.

und beschließt:

Der Streitwert wird auf € 60.000,- festgesetzt (Antrag 1) € 50.000,-), Antrag 2) € 5.000,-, Anträge 3) und 4) € 5.000,-).

Sachverhalt

Die Klägerinnen betreiben sämtliche Spielbanken im Bundesland Schleswig-Holstein. Der Beklagte ist der Verband deutscher Fußballvereine und Veranstalter verschiedener Fußballereignisse. Der Beklagte ist zur Vergabe der Werbeflächen in den jeweiligen Spielstadien anlässlich von Fußball-Länderspielen der Deutschen A-Nationalmannschaft in der Bundesrepublik Deutschland sowie hinsichtlich der Spiele des DFB-Vereinspokals, welche life im Fernsehen übertragen werden, berechtigt. Der Beklagte hat diese Werberechte an die Firma (…) verpachtet.

Am 7. und am 27. Februar 2007 veranstaltete der Beklagte Fußballspiele, bei denen Bandenwerbung für den Wettanbieter und Online-Kasino-Betreiber "(…)" betrieben wurde. Anbieter von "(…)" ist die (…), welche die Glücksspiele mit einer von der Regierung in Gibraltar ausgestellten Lizenz veranstaltet. Eine deutsche Spielbanklizenz ist hierfür nicht erteilt. Ob eine solche erforderlich ist, befindet sich zwischen den Parteien im Streit.

Mit dem aus Anlage K 3 ersichtlichen Schreiben vom 23. Februar 2007 ließen die Klägerinnen den Beklagten abmahnen, der diese Abmahnung wiederum dem Pächter der Werbeflächen zeitnah zur Kenntnis brachte. Mit dem aus Anlage K 5 ersichtlichen Schreiben ließ der Beklagte die Forderungen der Klägerseite zurückweisen.

Die Klägerinnen machen geltend, bei der streitgegenständlichen Bandenwerbung handele es sich um unlautere Werbung für Glücksspielangebote. Der Beklagte sei für die Werbung rechtlich verantwortlich.

Die Klägerinnen beantragen,

1. wie erkannt,

2. der Beklagte wird verurteilt, den Gläubigern Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang Handlungen der in 1. zu erteilenden Art seit dem 7. Februar 2007 begangen wurden, und zwar über

- an (…) vergebene Werbeträger,

- Anzahl der Gäste vor Ort,

- Vergabe an Rundfunk-Übertragungsrechten an inländische Rundfunkveranstalter unter Benennung der Sender aufgeschlüsselt nach Veranstaltungen;

3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen all denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihnen aus Handlungen der in Nummer 1. bezeichneten Art entstanden ist und künftig noch entstehen wird;

4. der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen € 1.955,10 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 7. März 2007 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt Klagabweisung.

Der Beklagte macht geltend, aus den in der Klagerwiderung und im Schriftsatz vom 22. August 2007 genannten Gründen sei die streitgegenständliche Werbung weder unlauter noch von dem Beklagten zu verantworten.

Zur Ergänzung des Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.

Den Klägerinnen steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG in Verbindung mit § 284 Abs. 4 StGB zu.

Dafür ist es unschädlich, dass zwischen den Parteien kein Wettbewerbsverhältnis besteht. Geht es - wie vorliegend - um die Förderung fremden Wettbewerbs - hier des Glücksspielanbieters (…) -, so muss das konkrete Wettbewerbsverhältnis zwischen dem geförderten Unternehmen und dessen Mitbewerber bestehen (Hefermehl/Köhler/Bornkamp, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage, 2007, § 2 UWG Rn. 72 mit weiteren Nachweisen).

Ein solches Konkurrenzverhältnis ist vorliegend gegeben, da die von (…) bzw. den Klägerinnen angebotenen Glücksspiele sich an jedenfalls einander überschneidende Interessentenkreise wenden.

Bei der hier streitgegenständlichen Bandenwerbung handelt es sich um Werbung für ein öffentliches Glücksspiel ohne behördliche Erlaubnis im Sinne des § 284 Abs. 4 StGB. Dass das Glücksspielangebot von "(…)" ohne eine von den deutschen Behörden erteilte Erlaubnis nach bundesdeutschem Recht unerlaubt ist, befindet sich zwischen den Parteien zu Recht nicht im Streit.

Aber auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten ist es nicht zu beanstanden, dass der in Gibraltar erteilten Glücksspielerlaubnis des Anbieters (…) im Inland die Gültigkeit versagt bleibt.

Wie die Klägerinnen im Einzelnen zutreffend ausgeführt haben, ist das staatliche Glücksspielmonopol in der Bundesrepublik Deutschland auch europarechtlich nicht zu beanstanden und selbst das staatliche Wettmonopol hat jedenfalls bis zum Ablauf einer Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2007 Bestand.

Der rechtfertigende Grund für die in diesem Monopol liegende Beschränkung der grundgesetzlich und europarechtlich geschützten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit ist in dem Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren des Glücksspiels zu erblicken. Wettleidenschaft und Glücksspielsucht sollen durch staatliche Monopolveranstaltungen begrenzt und kanalisiert werden.

Soweit dieser Rahmen von den derzeit zugelassenen Glücksspielangeboten überschritten würde, hätte dies nach der Auffassung der Kammer im Übrigen auch nicht zur Folge, dass nunmehr jegliche Schranken für das Angebot von Glücksspiel entfallen würden. Folge derartiger Missstände im Bereich des konzessionierten Glücksspielangebotes wäre vielmehr die staatliche Verpflichtung, dieses nunmehr konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Spielsucht auszurichten.

Die hier streitgegenständliche Bandenwerbung stellte daher nach § 284 Abs. 4 StGB unerlaubte Werbung für öffentliches Glücksspiel dar und verstieß somit gegen eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Dabei kommt es für das Vorliegen eines Verstoßes im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG noch nicht darauf an, ob dieser vorsätzlich erfolgte.

Erforderlich ist letztlich nur, dass der in Anspruch Genommene die objektive Zuwiderhandlung selbst begangen hat oder dass sie ihm zuzurechnen ist. Es ist keine Kenntnis und kein Kennenmüssen des Gesetzesverstoßes erforderlich. Der Unterlassungsanspruch setzt lediglich objektiv rechtswidriges, nicht aber schuldhaftes Verhalten voraus.

Der Unlauterkeitsvorwurf ist kein Schuldvorwurf, sondern knüpft an das objektiv rechtswidrige Marktverhalten an (Hefermehl/Köhler/Bornkamp § 4 Rn. 11.54; Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 9. November 2006, 3 U 85/05, S. 15, 16).

Es bedarf daher hier keiner Feststellungen dazu, ob der Beklagte und seine Pächterin jedenfalls nach Kenntnisnahme von der Abmahnung der Klägerinnen vorsätzlich im Sinne des § 15 StGB gehandelt haben und ob ein Verbotsirrtum in diesem Zusammenhang nach § 17 StGB entschuldigende Wirkung gehabt hätte.

Der Beklagte ist für die in Rede stehende Bandenwerbung jedenfalls nach den Grundsätzen der so genannten Störerhaftung verantwortlich. In diesem Zusammenhang ist es unabhängig von dogmatischen und terminologischen Streitfragen im Ergebnis zu Recht anerkannt, dass derjenige, der vorsätzlich an einem mindestens objektiv rechtswidrigen Wettbewerbsverstoß mitwirkt, auch auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann.

Der Vorsatz setzt dabei das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit, im Wettbewerbsrecht also der Unlauterkeit, voraus und kann auch in der Form des bedingten Vorsatzes vorliegen. Dem Vorsatz steht es gleich, wenn der Handelnde sich bewusst einer Kenntnisnahme verschließt. Die erforderliche "Bösgläubigkeit" des Teilnehmers lässt sich durch eine entsprechende substantiierte Aufklärung seitens des Verletzten herbeiführen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 8 UWG Rn. 2.16).

Diese Aufklärung ist vorliegend mit der aus Anlage K 3 ersichtlichen Abmahnung vom 23. Februar 2007 erfolgt. Jedenfalls nach diesem Zeitpunkt hat es der Beklagte ungeachtet etwaiger Zweifel hinsichtlich der rechtlichen Zulässigkeit des Glücksspielangebotes jedenfalls billigend in Kauf genommen, an einer unzulässigen Werbung für unerlaubtes Glücksspiel mitzuwirken und somit zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt.

Der Beklagte ist daher beginnend mit dem ersten nach der Abmahnung erfolgten Verstoß in Gestalt der Bandenwerbung bei dem Spiel vom 27. Februar 2007 der Klägerseite nach § 9 UWG zum Schadensersatz sowie nach §§ 242, 249 BGB zur Auskunft verpflichtet. Der 27. Februar 2007 stellt damit den Zeitpunkt des ersten bekannt gewordenen, zum Schadensersatz verpflichtenden Verstoßes dar, mit dem auch die Auskunftspflicht einsetzt.

Die am 7. Februar 2007 erfolgte Bandenwerbung kann dem Beklagten hingegen noch nicht zugerechnet werden. Die Werbung wurde nicht von dem Beklagten selbst durchgeführt, sondern von seinem Pächter. Eine allgemeine Prüfungspflicht besteht im Rahmen der Störerhaftung nicht. Die Werbung stellte auch keinen offenkundigen Rechtsverstoß dar, für den eine Verantwortlichkeit im Rahmen der Störerhaftung jedenfalls hinsichtlich eines Unterlassungsanspruches begründet sein könnte.

Denn es ist nicht ohne weiteres offensichtlich, was sich hinter der Angabe "(…)" verbirgt. Ebenso wenig ist es ohne weiteres offensichtlich, dass das dahinter stehende Glücksspielangebot im Inland nicht konzessioniert ist.

Da somit die Bandenwerbung vom 7. Februar 2007 noch keine Ansprüche der Klägerseite gegen den Beklagten auslöste, handelt es sich bei der Abmahnung gemäß Anlage K 3 um eine so genannte aufklärende Abmahnung, hinsichtlich derer noch keine Verpflichtung zur Erstattung der den Klägerinnen entstandenen Abmahnkosten besteht, die Gegenstand des Antrages zu 4) sind (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 8 Rn. 2.16; Hanseatisches Oberlandesgericht a.a.O.).

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

Der Schriftsatz des Beklagten vom 31.8.2007 gibt keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Unabhängig von der Vollmachtsvorlage wusste der Beklagte aufgrund der Abmahnung spätestens am 26.2.2007 um die rechtliche Problematik der streitigen Bandenwerbung und hätte auf deren erneute Verwendung am darauffolgenden 27.2.2207 noch Einfluss nehmen können.