Strafbarkeit von Sportwetten-Vermittlung an EU-Anbieter

Landgericht Ravensburg

Beschluss v. 29.08.2006 - Az.: 2 Qs 89/06

Leitsatz

Die Vermittlung von Sportwetten an einen Anbieter mit EU-Lizenz ist nicht strafbar, da § 284 StGB iVm. mit den sportwettenrechtlichen Regelungen des Landes Baden-Württemberg EU-Gemeinschaftsrechts (Art. 43 und 49 EG) verletzt und daher nicht anwendbar ist.

Hinweis: Das LG hat mit diesem Beschluss die erstinstanzliche Entscheidung des AG Ravensburg (Beschl. v. 06.06.2006 - Az.: 11 Ds 36 Js 21918/04) bestätigt.

Tenor

In der Beschwerdesache des (...)

wegen Beihilfe zum unerlaubten gewerbsmäßigen Glücksspiel

wird die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Ravensburg gegen die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts Ravensburg vom 06.06.2006 kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

 

Sachverhalt

(vgl. Entscheidungsgründe)

Entscheidungsgründe

Hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts wird auf die Anklage der Staatsanwaltschaft Ravensburg vom 03.02.2006 sowie die Gründe der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts Ravensburg vom 06.06.2006, mit der die Anklage nicht zugelassen und das Hauptverfahren nicht eröffnet wurde, Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung des Amtsgerichts hat die Staatsanwaltschaft in zulässiger Weise sofortige Beschwerde eingelegt, die in der Sache jedoch keinen Erfolg hat.

Die Kammer geht mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. Tröndle/Fischer: StGB, 53. Auflage, § 284 Rn. 7) davon aus, dass auch das Veranstalten

von Sportwetten - wie den verfahrensgegenständlichen - zum Kreis der von § 284 Abs. 1 StGB erfassten Glücksspiele zählt, wenngleich die Namensgebung "das Glücksspiel" nicht ausdrücklich erwähnt.

Bei § 284 StGB handelt es sich aber um einen so genannten verwaltungsakzessorischen Straftatbestand, der eine Handlung nur dann unter Strafe stellt, wenn eine behördliche Erlaubnis nicht erteilt ist.

Der Angeschuldigte hat unstreitig diese Erlaubnis zum Betrieb von Sportwetten nicht. Die Kammer ist auch nicht der Ansicht, dass es dieser Erlaubnis in vorliegendem Fall deshalb nicht bedürfe, weil der Angeschuldigte gar nicht der Veranstalter dieser Sportwetten sei, sondern die in Österreich ansässige Wettgesellschaft. Vielmehr ist die

Kammer der Überzeugung, dass das gewählte Konstrukt in erster Linie dazu dient, das in der Bundesrepublik geltende staatliche Wettmonopol, welches die Erteilung solcher Erlaubnisse erheblich erschwert, zu umgehen.

Es stellt sich allerdings für die Kammer die Frage, ob dem Angeschuldigten eine behördliche Erlaubnis in Einklang mit nationalem und europäischem Recht hätte verweigert werden dürfen.

Denn nur, wenn die zuständige Verwaltungsbehörde eine solche Erlaubnis vom Angeschuldigten verlangen kann, kann er sich auch strafbar machen, wenn er eine solche Erlaubnis beim Veranstalten eines Glückspiels nicht vorweisen kann. In der behördlichen Praxis, die solche Erlaubnisse privaten Anbietern praktisch nicht erteilt, läuft dies nach den jeweiligen Landeslotteriegesetzen auf ein staatliches Monopol für Sportwetten hinaus.

Das Bundesverfassungsgericht hat aber in seiner Entscheidung vom 28.03.2006 (Az. 1 BvR 1054/01, veröffentlicht in NJW 2006, 1261 ff.), ausgeführt, dass ein solches staatliches Wettmonopol bei der derzeitigen Ausgestaltung der gesetzlichen Vorgaben mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Artikel 12 Absatz 1 GG nicht vereinbar ist, da die staatlichen Lotteriegesetze nicht eindeutig und konsequent zum Ausdruck bringen, dass mit dem Monopol das Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren erreicht werden soll; letzteres ist das Hauptargument, warum privaten Anbietern, die diesbezüglich nicht ausreichend zu kontrollieren seien, eine solche Erlaubnis nicht erteilt wird. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in

der vorgenannten Entscheidung dem Gesetzgeber bis 31.12.2007 Zeit gegeben, einen verfassungskonformen Zustand herzustellen.

Offen gelassen hat es , wie sich dies auf die Strafbarkeit von privaten Betreibern ohne behördliche Erlaubnis in der Zeit des verfassungswidrigen Zustands auswirkt. Die Beurteilung dieser Frage hat es den Fachgerichten überlassen. § 284 StGB muss, wie alle Normen, im Rahmen der Verfassung ausgelegt werden. Hinzu kommt die Frage der so genannten Verwaltungsakzessorietät. Eine Strafbarkeit nach § 284 StGB kann also nur dann gegeben sein, wenn die derzeitige verwaltungsrechtliche Lage einen verfassungskonformen Zustand darstellt. Der derzeitige verwaltungsrechtliche Zustand ist jedoch mit geltendem nationalem Recht und Europarecht nicht vereinbar, da er sowohl gegen Artikel 12 GG wie auch gegen die Europäische Niederlassungsfreiheit verstößt (Bundesverfassungsgericht a.a.O.).

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erfährt jedoch insoweit, wie bereits erwähnt, eine Einschränkung, als sie dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist zugesteht, in der er die Möglichkeit hat, einen verfassungskonformen Zustand herzustellen. Eine Überprüfung der Kammer, wie die Strafbarkeit bei ähnlich gelagerten Fallkonstellationen, z.B. nach der für verfassungswidrig erklärten früheren Fassung des § 218 StGB gehandhabt wurde, ergab keine Klärung, da eine derartige Fallkonstellation in der Rechtsprechung offenbar bislang noch nicht entschieden worden ist.

Eine Bejahung der Strafbarkeit nach § 284 StGB bedeutete, dass dieser isoliert von geltendem Verwaltungsrecht angewendet werden würde, da nach der Entscheidung des Bundes-

verfassungsgerichts fest steht, dass diese verwaltungsrechtliche Praxis und die dahinter stehenden staatlichen Normen gegen nationales Recht und Europarecht verstößt. Dies würde wiederum bedeuten, dass man den strafrechtlichen Teil des § 284 StGB - Veranstalten eines Glückspiels - von einem wirksamen verwaltungsrechtlichen Teil, nämlich der Notwendigkeit einer rechtmäßig geforderten behördlichen Erlaubnis trennen würde.

Eine solche Anwendung des § 284 StGB entspräche nicht mehr dem rechtsstaatlichen Gebot der Bestimmtheit (Artikel 103 Absatz 2 GG). Ein Strafgesetz muss so gefasst sein, dass es auch dem juristischen Laien bei der Rechtsanwendung durch entsprechende Parallelwertung in der Laiensphäre klar vorgibt, was verboten und was erlaubt ist. Dies ist bei einer derartigen Beurteilung der Strafbarkeit nicht mehr gegeben.

Die Situation verändert sich allerdings dann wieder, wenn es dem Gesetzgeber gelingt, eine verfassungskonforme Ausgestaltung der staatlichen Lotteriegesetze vorzunehmen, die dann mit der entsprechenden Eindeutigkeit in verfassungskonformer Weise die Erlaubnispflichtigkeit eines Glückspiels wie der angebotenen Sportwetten festlegen.

Auf die Frage, ob der Angeschuldigte bereits vor Beginn der Glücksspielveranstaltungen oder erst danach anwaltlichen Rat in Anspruch genommen hat und aufgrund einer entsprechenden Auskunft, dass dies nicht strafbar sei, möglicherweise einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlag (§ 17 StGB), wie dies das Oberlandesgericht Stuttgart in seiner Entscheidung vom 26.06.2006 (1 Ss 296/05) zugunsten des dort Angeklagten angenommen hat, kam es aus Sicht der Kammer daher nicht an.

Ungeachtet dessen sei hierzu aber angemerkt, dass es allerdings höchst fraglich gewesen wäre, welche Antwort der Angeschuldigte von kompetenter Seite erhalten hätte, wenn er zum Zeitpunkt des Beginns der Glückspielveranstaltung einen fachkundigen Rechtsrat eingeholt hätte, zumal die Frage, ob hier überhaupt Glückspiel vorliegt oder ob dieses erlaubnispflichtig ist, in der Rechtsprechung und im Schriftum in höchstem Maße umstritten ist und nunmehr aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts feststeht, dass die Erlaubnispflichtigkeit in ihrer gegenwärtigen Form verfassungswidrig ist. Dies überfordert den rechtsunkundigen Bürger und er kann in einer solchen Situation noch nicht einmal unter Zuhilfenahme von fachkundigem Rat die Frage der Strafbarkeit eindeutig klären.

Dies aber ist ein zusätzlicher Beleg für die Ansicht der Kammer, dass der Straftatbestand des § 284 StGB im Hinblick auf die gegenwärtige Rechtslage nicht mehr bestimmt genug ist.

Die Kostenentscheidung erging gem. § 473 Abs.1 StPO.