Staatliches Monopol für Sportwetten in Berlin verfassungs- und europarechtswidrig
Leitsatz
1. Die in Malta bestehende Erlaubnis, dass ein privater Veranstalter Sportwetten veranstalten dürfe, führt nicht zur erlaubten Vermittlung dieser Sportwetten durch einen Spielvermittler in Deutschland.
2. Jedoch kann eine Untersagungsverfügung hinsichtlich der Vermittlung von Sportwetten in Berlin, die in Malta in rechtmäßiger Weise veranstaltet werden, einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit darstellen.
3. Die Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Berlin ist sowohl verfassungs- als auch europarechtswidrig, weil sie keine kohärente und systematische Regelung zur Bekämpfung der Wettsucht darstellt.
Sachverhalt
Das Land Berlin sprach im Januar 2006 sowie im Januar 2007 gegenüber einem Vermittler privater Sportwetten Untersagungsverfügungen aus. Dieser bot über sein Geschäft die Vermittlung der Teilnahme an privaten EU-konzessionierten Wetten, insbesondere eines Veranstalters aus Malta, an. Eine Erlaubnis zur Veranstaltung und Vermittlung dieser Sportwetten lag in Malta vor.
Nach Ansicht der Behörde sei die Vermittlung privater, also nicht von einem staatlichen Veranstalter durchgeführter Sportwetten rechtswidrig. Der Spielvermittler hält die Untersagung für europarechts- und verfassungswidrig.
Entscheidungsgründe
Das Gericht gab dem Spielvermittler Recht und hob die Untersagungsverfügungen auf.
Die Untersagung der Vermittlung privater Sportwetten stelle einen Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Diese könne nur durch eine gesetzliche Grundlage gerechtfertigt sein. Nach den Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages sei die Vermittlung von Glücksspielen ohne Erlaubnis unzulässig. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Sportwetten seien Glücksspiele. Die Klägerin verfüge über keine Erlaubnis. Die Erlaubnis aus Malta entfalte für Berlin keine Wirkung.
Die von der Behörde vorgebrachte Begründung sei jedoch nicht korrekt. Sie habe die Untersagung u.a. auf das Internet-Vermittlungsverbot für Glücksspiele sowie auf das Verbot von Live-Wetten gestützt, insgesamt aber eine uneingeschränkte Untersagungsverfügung erlassen. Eine Internet-Vermittlung erfolge durch die Klägerin jedoch nicht. Diese leite zwar die eingegangenen Teilnahmescheine über eine Datenfernleitung an den Veranstalter weiter, die Teilnahme an sich erfolge aber durch persönliche Einreichung eines Teilnahmescheins im Wettbüro. Selbst wenn die Klägerin auch Live-Wetten vermittele, rechtfertige dies nicht eine uneingeschränkte Untersagung.
Im Übrigen sei das durch den Glücksspielstaatsvertrag und die Berliner Landesgesetze vorgesehene staatliche Sportwettenmonopol, welches nicht nur die Veranstaltung von Sportwetten durch private Veranstalter, sondern auch die Vermittlung durch Private verbietet, soweit diese auf Sportwetten privater Veranstalter gerichtet ist, verfassungs- und europarechtswidrig.
Das Bundesverfassungsgericht habe im Sportwetten-Urteil gefordert, dass der Gesetzgeber Art und Zuschnitt der Sportwetten regele. Dies sei vorliegend nicht erfolgt. Es werden pauschal alle Sportwetten "auf den Ausgang eines Sportereignisses" dem staatlichen Monopol unterworfen. Tatsächlich biete aber auch das Land Berlin zahlreiche sportliche Wetten an, die sich nicht auf den Ausgang eines sportlichen Ereignisses zurückführen ließen, sondern etwa den Ausgang eines Gesamtturniers oder aber z.B. die Gesamttorsumme eines Turniers etc. betreffen.
Auch hinsichtlich des Vertriebs der Sportwetten habe das Land Berlin die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Begrenzung der Annahmestellen nicht umgesetzt. In der nur geringen Reduzierung der Annahmestellen sei kein Systemwandel zu sehen, wie er gefordert gewesen sei. Die Teilnahme an Sportwetten sei weiterhin allerorts verfügbar. In Berlin bestehe eine höhere Dichte von Annahmestellen als es sie bundesweit vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegeben habe.
Ferner seien auch die Beschränkungen des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Werbung für staatlich organisierte Glücksspiele nicht eingehalten. Danach sei die Werbung zur Verhinderung einer Anreizschaffung "auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zu Wetten" zu beschränken. In Berlin habe man sich damit begnügt, dass diese Formulierung in den Glücksspielstaatsvertrag wörtlich übernommen worden sei. Konkretisierungsvorschriften oder Verwaltungsanweisungen gebe es aber nicht. Dies sei nicht ausreichend, so das Verwaltungsgericht. In der Praxis würden dann auch die staatlichen Wettangebote geradezu als gemeinnützig beworben, was deutlich zur Teilnahme animiere. Überdies sei die Werbung für Sportwetten bei Sportveranstaltungen, z.B. als Bandenwerbung, nicht verboten, was durch die Verbindung von Sportbegeisterung und Sportwetten ein erhöhtes Suchtpotential biete.
Schließlich habe man keine Regelung zu Höchsteinsätzen bei staatlichen Sportwetten vorgesehen, die dem Spielerschutz dienen sollen.
Auch ein Verstoß gegen Europarecht liege vor. Durch den Ausschluss der Vermittlung privater Sportwetten sei im vorliegenden Fall die Dienstleistungsfreiheit verletzt. Das Verbot der Vermittlung von Sportwetten aus Malta, die dort in rechtmäßiger Weise veranstaltet werden, durch die in Deutschland ansässige Klägerin verletze die Dienstleistungsfreiheit sowohl des Veranstalters auf Malta als auch der Klägerin als Vermittlerin in Deutschland.
Eine Rechtfertigung der Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit komme vorliegend nur in Betracht, wenn dem Ziel der Suchtbekämpfung "durch einen kohärenten und systematischen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten" Genüge getan werde. Das in Berlin ausgestaltete staatliche Wettmonopol zeuge dagegen nicht von einer systematischen an der Bekämpfung der Wettsucht ausgerichteten Glücksspielpolitik.