Sportwetten ohne deutsche Lizenz
Leitsatz
1. Sportwetten sind Glücksspiele.
2. Sportwetten dürfen in Deutschland nur mit einer deutschen Lizenz angeboten oder beworben werden.
3. Die §§ 284, 287 StGB sind mit den EU-Grundfreiheiten vereinbar. Ein Veranstalter von privaten Sportwetten ohne deutsche Lizenz handelt schon deswegen wettbewerbswidrig, weil er seine Rechte im verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahren geltend zu machen hat und nicht einfach genehmigungsfrei Sportwetten anbieten darf.
Tenor
(nicht vorhanden)
Sachverhalt
Die Klägerin organisiert und veranstaltet im Gebiet des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen mit behördlicher Erlaubnis eine Vielzahl von Lotterie- und Glücksspielen, unter anderem LOTTO, TOTO und die Sportwette ODDSET. Diese Veranstaltungen finden in Abstimmung mit den übrigen 15 Landeslotteriegesellschaften statt, die jeweils für ihr Bundesland über die erforderlichen Genehmigungen verfügen. Diese sind auch Inhaber der beim DPMA am 02.09.1996 insbesondere für die Veranstaltung von Lotterien und Glücksspielen angemeldeten und am 27.08.1997 als durchgesetzte Marke eingetragenen Wortmarke TOTO mit der Nr. 396 38 297. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf den als Anlage CBH 1 zur Klageschrift überreichten Markenregisterauszug (Bl. 19 f. d. A.) Bezug genommen.
Das Spiel TOTO veranstalten die Landeslotteriegesellschaften wöchentlich seit 1949. Insgesamt wurde bislang ein Umsatz von ca. 8 Milliarden Euro erwirtschaftet, was einem Jahresdurchschnitt von mehr als 150 Mio. Euro entspricht. Die Werbeaufwendungen für TOTO betragen jährlich zwischen 1 und 1,5 Mio. Euro. Die Gewinnzahlen werden – zusammen mit den LOTTO-Zahlen – in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht. Die Sportwette ODDSET wurde im Jahre 1999 eingeführt. Der Jahresumsatz beträgt derzeit ca. 500 Mio. Euro, die jährlichen Werbeaufwendungen belaufen sich auf knapp 5 Mio. Euro.
Die Beklagte zu 1) ist ein Glücksspiel- und Wettunternehmen mit Sitz in H. Sie betreibt das unter anderem auch in deutscher Sprache verfügbare Internetangebot unter der Domain www.c.com, deren Inhaberin sie ist. Dort bietet sie unter drei unterschiedlichen Menüpunkten Sportwetten, Casinospiele und Lotterien an. Über den Menüpunkt "Sportwetten" kann auf die Ergebnisse sportlicher Ereignisse aller Art, wie insbesondere auch Spiele der deutschen Bundesliga gewettet werden, aber auch auf politische Ereignisse.
Unter "Casino" werden Spiele wie Poker, Blackjack u. ä. angeboten. Unter "Lotterie" schließlich kann in verschiedener Art und Weise auf den Ausgang einer alle zehn Minuten stattfindenden Ziehung von sechs aus 36 Kugeln, davon je 12 in den Farben weiß, gelb und rot gesetzt werden. Desweiteren gibt es einen Menüpunkt "Supertoto" zur Bezeichnung einer bestimmten Fußballwette. Teilweise wird das dortige Angebot auch als "T" bezeichnet. Bei allen Angeboten dient jeweils ein zuvor einzurichtendes Wettkonto für die Leistung der erforderlichen Geldeinsätze und die Auszahlung der Geldgewinne. Zur Eröffnung des Wettkontos muß sich der Spieler über den Link "Konto eröffnen" registrieren. Dies geschieht über ein Registrierungsmenü, in dem Name, Straße und Wohnort frei eingegeben werden können. Unter den im Drop-Down-Menü fest vorgegebenen Ländern befindet sich auch Deutschland. Unstreitig verfügt die Beklagte zu 1) weder über die Genehmigung einer deutschen Behörde zur Veranstaltung von Glücksspielen, noch hat sie eine solche beantragt. Der Beklagte zu 2) ist organschaftlicher Vertreter der Beklagten zu 1).
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten handelten als Veranstalter des beschriebenen Angebots wettbewerbswidrig gemäß den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. den §§ 284, 287 StGB, weil es sich dabei um in Deutschland unerlaubte Glücksspiele bzw. Lotterien ohne behördliche Genehmigung handele. Weil und soweit Veranstaltungsort Deutschland sei, komme es auf eine Genehmigung ausländischer Behörden nicht an. Desweiteren macht sie eine Verletzung der Wortmarke TOTO aufgrund der Verwendung der Begriffe "Supertoto" und "T" geltend.
Die Klägerin beantragt, wie erkannt.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen, und hilfsweise, das Verfahren gemäß § 148 ZPO hinsichtlich des Klageantrages zu 1.1. bis zur Entscheidung des BVerfG in der Rechtssache 1 BvR 2643/04 und hinsichtlich des Klageantrages zu 1.2. bis zur Entscheidung des DPMA über den Antrag auf Löschung der Wortmarke TOTO auszusetzen.
Sie stellen die Aktivlegitimation der Klägerin zur Geltendmachung von Wettbewerbsverstößen außerhalb Nordrhein-Westfalens in Abrede und führen aus, die §§ 284, 287 StGB seien schon tatbestandlich nicht erfüllt. Desweiteren berufen sie sich auf diverse Lizenzen der Regierung von H, die der Beklagten zu 1) für ihr Internetangebot erteilt worden seien, und vertreten die Auffassung, dass es daneben der Genehmigung einer deutschen Behörde nicht bedürfe.
Hierzu berufen sie sich – unter Hinweis auf die sogenannte Gambelli-Entscheidung des EuGH vom 06.11.2003 (NJW 2004, 139 ff.) und auf eine Entscheidung des BVerfG vom 27.04.2005 (1 BvR 223/05) - auf gemeinschaftsrechtliche Aspekte und vertreten die Auffassung, das gesamte Normengeflecht, welches das staatliche Monopol auf dem Glücksspielsektor in Deutschland begründen und absichern solle - §§ 284, 287 StGB eingeschlossen - verstosse gegen höherrangiges Recht, nämlich die in Artikel 43 und 49 EG-Vertrag gewährte Dienst- und Niederlassungsfreiheit.
Nach der Rechtsprechung des EuGH seien Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit durch innerstaatliches Recht zwar zulässig; diese müßten jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden. Staatliche Monopole auf dem Glücksspielsektor müßten notwendig und geeignet sein, um die anerkennenswerten Ziele auch zu erreichen. Ermuntere der Staat die Verbraucher auch dazu, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen, könnten sich die Behörden dieses Staates nicht im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, auf die öffentliche Sozialordnung berufen. Genau dies sei jedoch vorliegend der Fall. Die staatlichen Lottogesellschaften betrieben - wie die Beklagten näher darlegen - intensive Werbung für die von ihnen veranstalteten Glücksspiele mit dem Ziel, möglichst hohe Einnahmen zu generieren. Das staatliche Monopol diene folglich nicht der sozialpolitisch gewünschten Kanalisierung und Eindämmung des Spieltriebes, sondern ganz oder überwiegend fiskalischen Zwecken.
Erwiesen sich demnach der Lotterie-Staatsvertrag und die darauf aufbauenden Landesgesetze als europarechtswidrig, seien auch §§ 284, 287 StGB nicht (mehr) anwendbar. Soweit der BGH in der Entscheidung "Schöner Wetten" (NJW 2004, 2158 ff.) eine andere Auffassung vertreten habe, bedürfe dies der Überprüfung. Insoweit berufen sich die Beklagten auf die Vorgreiflichkeit einer bevorstehenden Entscheidung des BVerfG in der Rechtssache 1 BvR 2643/04, bei der es um die Vereinbarkeit des Genehmigungserfordernisses für die Vermittlung von Sportwetten an private Sportwettenanbieter mit Art. 12 GG gehe.
Gegen den Unterlassungsantrag zu 1.2. wenden sich die Beklagten mit der Begründung, bei der Bezeichnung "Toto" handele es sich für den hier interessierenden Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen, insbesondere im Zusammenhang mit Sportwetten um einen rein beschreibenden Begriff, nämlich konkret um eine allgemein geläufige Abkürzung für den Begriff "Totalisateur", der ursprünglich für eine bestimmte Form der organisierten Pferdewette (Totalisatorwette) gestanden habe. Inzwischen werde der Begriff "Toto" längst nicht mehr nur von den Gesellschaften des staatlichen Lottoblocks verwendet, sondern von den Medien und anderen privaten Wettanbietern regelmäßig zur Bezeichnung von Pferde- und anderen Sportwetten genutzt. Die für die Landeslotteriegesellschaften eingetragene Wortmarke TOTO sei von daher löschungsreif und ein Löschungsverfahren beim DPMA bereits anhängig. Der Fall liege nicht anders als bei der Wortmarke LOTTO, die ebenfalls für die Landeslotteriegesellschaften eingetragen, nach einer Entscheidung des BPatG jedoch zu löschen gewesen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst überreichten Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Anspruch in Bezug auf den Unterlassungsantrag zu 1.1. folgt aus § 8 UWG, weil das Angebot von Glücksspielen, insbesondere Sportwetten in der beanstandeten Form gegen die §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. §§ 284, 287 StGB verstößt und deshalb unlauter ist.
Keine Zweifel bestehen zunächst an der Aktivlegitimation der Klägerin. Zwischen ihr und den Beklagten besteht ein Wettbewerbsverhältnis, weil sich die durch ihr jeweiliges Sportwetten- und Glücksspielangebot angesprochenen Verkehrskreise überschneiden, soweit es um Spieler aus Nordrhein-Westfalen geht. Kann sich somit die geschäftliche Tätigkeit der Beklagten auf den potentiellen Kundenkreis der Klägerin auswirken, so ist diese ohne weiteres berechtigt, wettbewerbsrechtliche Verstöße der Beklagten insgesamt, auch bundesweit geltend zu machen (vgl. nur OLG München, Urteil vom 27.10.2005, 6 U 51041/04, Anlage CBH 33; Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 2, Rz 65; Harte-Bavendamm/Keller, UWG, § 2, Rz 22).
Bei der hier gegebenen Konstellation ist § 284 StGB tatbestandlich einschlägig für das Angebot von Casinospielen und Sportwetten. Es entspricht praktisch einhelliger Auffassung und wurde auch von der Kammer stets so gesehen, daß auch Sportwetten unter den Begriff des Glücksspiels im Sinne dieser Vorschrift fallen, weil ihr Wesen darin besteht, daß die Entscheidung über Gewinn und Verlust nicht wesentlich von den Kenntnissen und Fähigkeiten der Spieler, sondern hauptsächlich von dem ihrer Einwirkungsmöglichkeit entzogenen Zufall abhängt (vgl. nur BGH, NStZ 2003, 372 f. sowie BGH a.a.O. Sportwetten m. w. N.).
Daß bestimmte Spielausgänge aus Sicht eines bewanderten Spielers möglicherweise zu Recht als mehr oder weniger wahrscheinlich erscheinen mögen, ändert daran nichts, zum einen weil dies bereits bei der Festsetzung der Wettquote Berücksichtigung findet und zum anderen, weil auch weniger kenntnisreiche Spieler zu den Teilnehmern zählen. Soweit die Beklagten außer Sportwetten und Casinospielen auch die Teilnahme an Lotteriespielen anbieten, handelt es sich um eine besondere, von § 287 StGB erfasste Art des Glücksspiels, deren öffentliche Veranstaltung in Deutschland ohne behördliche Erlaubnis ebenfalls verboten ist.
Die Beklagte zu 1) haftet dabei als Veranstalterin von Glücksspielen in Deutschland, der Beklagte zu 2) als ihr organschaftlicher Vertreter. Als Veranstalter im Sinne der §§ 284, 287 StGB ist jeder anzusehen, der verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung des Glückspiels schafft und der Bevölkerung auf diese Weise den Abschluß von Spielverträgen ermöglicht (vgl. BGH, NStZ 2003, 372, 374; Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 284, Rz 11, § 287, Rz 1b; Lackner/Kühl, StGB, 25. Aufl., § 284, Rz 11).
Dies geschieht, indem die Beklagte zu 1) ihr Glücksspielangebot über ihre weltweit abrufbare Internetseite gerade auch in deutscher Sprache anbietet und gezielt für Spieler mit Wohnsitz in Deutschland zugänglich macht. Veranstaltungsort ist damit – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht lediglich H als Handlungsort, an dem sie ihre Website betreiben, die Spielpläne erstellen und die Quoten ermitteln, sondern darüberhinaus auch Deutschland als Erfolgsort im Sinne des § 9 Abs. 1 StGB, an dem die Beteiligungsmöglichkeit für Spieler aus Deutschland eröffnet wird.
Die objektiven tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 284, 287 StGB sind nach alledem erfüllt. Gleiches gilt auch für die subjektiven Tatbetandsvoraussetzungen und für das Verschuldenserfordernis. Insoweit genügt es, dass die Beklagten in Kenntnis der den objektiven Tatbestand erfüllenden Umstände handelten. Auf einen vermeidbaren Verbotsirrtum können sich die Beklagten dagegen nicht berufen. Insoweit kommt es nicht auf die uneinheitliche Rechtsprechung deutscher erstinstanzlicher Straf- und/oder Verwaltungsgerichte zur Verfassungskonformität des § 284 StGB an, sondern auf die eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH zu Konstellationen der vorliegenden Art in der Entscheidung "Schöner Wetten" (NJW 2004, 2158 ff). Sich hieran zu halten, ist und war den Beklagten ohne weiteres zumutbar.
Aus der wettbewerbsrechtlichen Haftung der Beklagten führen desweiteren auch die im einzelnen angesprochenen gemeinschaftsrechtlichen Aspekte nicht heraus. Vielmehr bleibt die Kammer auch nach erneuter Überprüfung – und unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH und des BVerfG - bei ihrer in ständiger Rechtsprechung geäußerten Auffassung, dass das Angebot von Glücksspielen in Deutschland wettbewerbsrechtlich unlauter im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. §§ 284, 287 StGB ist, wenn diese nicht behördlich erlaubt wurden, insbesondere eine solche Erlaubnis noch nicht einmal beantragt ist. Sie sieht sich insoweit in vollständiger Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH vor und nach der Gambelli-Entscheidung (vgl. BGH GRUR 2002, 636 ff. - Sportwetten einerseits und BGH NJW, 2158 ff. - Schöner Wetten andererseits) sowie der nahezu einhelligen instanzgerichtlichen wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung (vgl. nur OLG Hamburg MMR 2004, 752; OLG München, a.a.O.; OLG Köln, Urteil vom 09.12.2005, 6 U 91/05).
Im Einzelnen:
Zur Vermeidung einer Strafbarkeit gemäß §§ 284, 287 StGB bedarf die öffentliche Veranstaltung von Glücksspielen in Deutschland der Erlaubnis einer zuständigen inländischen Behörde und nicht etwa nur irgendeiner Behörde innerhalb der Gemeinschaft. Dies ist von den Gerichten stets so gesehen worden (vgl. nur BGH a.a.O. Sportwetten, Schöner Wetten) und ergibt sich bereits aus der Natur der Sache. Im gemeinschaftsrechtlich nicht harmonisierten Bereich des Glücksspielwesens steht es nämlich im Ermessen eines jeden Mitgliedstaates, ob und ggf. welche Regelungen er hierzu treffen will (vgl. nur BGH a.a.O. Sportwetten, Schöner Wetten m. w. N.). Von daher versteht es sich von selbst, daß behördliche Genehmigungen immer nur in den Grenzen des jeweiligen Mitgliedstaates, nicht aber für das Gebiet der anderen Mitgliedstaaten gelten können. Vor dem Hintergrund, daß die Beklagte zu 1) in Deutschland als Wettveranstalterin tätig ist, kann sie sich insoweit nicht auf ihr erteilte Lizenzen der Regierung von H berufen.
Der Verstoß gegen die Vorschriften der §§ 284, 287 StGB, die wettbewerbsbezogene Normen darstellen (BGH a.a.O. Sportwetten, Schöner Wetten), welche auch dem Schutz der Verbraucher dienen, führt dementsprechend zur Unlauterkeit des Handelns der Beklagten zu 1) gemäß den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG und läßt gemäß § 8 UWG den geltend gemachten Unterlassungsanspruch entstehen. Die wettbewerbsrechtliche Haftung des Beklagten zu 2) ergibt sich ohne weiteres aus seiner Stellung und Funktion als organschaftlicher Vertreter der Beklagten zu 1).
Die von den Beklagten hiergegen erhobenen Bedenken gehen nach Auffassung der Kammer an der Sache vorbei.
Soweit die Beklagten die landes- und bundesgesetzlichen Regelungen, die bislang - faktisch - ein Monopol der staatlich kontrollierten Landesgesellschaften zur Veranstaltung von Sportwetten vorsehen, unter Darlegung der Bedenken vor allem im Hinblick auf die Gambelli-Entscheidung des EuGH für europarechtswidrig halten, braucht hierüber nicht entschieden zu werden. Diese Fragestellungen betreffen bei Lichte betrachtet lediglich die Problematik, ob die bisherige Erlaubnispraxis der deutschen Behörden gemeinschaftsrechtlich diskriminierungsfrei erfolgt oder ob der Gesetzgeber und/oder die Behörden gehalten sind, hier künftig andere Maßstäbe anzulegen.
Diese gesamte Diskussion ändert aber nichts daran, dass die Vorschriften der §§ 284, 287 StGB als solche nach zutreffender Auffassung nicht gegen die durch Art. 43 und 49 EG-Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit verstoßen. Der BGH hat hierzu - in Kenntnis und unter Berücksichtigung der Gambelli-Entscheidung des EuGH – in seiner Entscheidung Schöner Wetten ausgeführt:
"Die Strafvorschrift des § 284 StGB verbietet jedoch lediglich das Veranstalten eines Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis und ist insoweit durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ... Sie trifft selbst keine Entscheidung darüber, ob und inwieweit Glücksspiele abweichend von ihrer grundsätzlichen Unerlaubtheit zugelassen werden können oder nicht (vgl. Bundesverwaltungsgericht, NJW 2001, 2648), und verstößt als solche schon deshalb nicht gegen die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit... Nach europäischem Gemeinschaftsrecht steht es im Ermessen der Mitgliedsstaaten, Glücksspiele auch vollständig zu verbieten (es folgen Zitate von EuGH - Entscheidungen). Selbst wenn die landesrechtlichen Vorschriften über die Erteilung einer behördlichen Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen nicht mit Artikel 46 und 49 EG vereinbar sein sollten... wäre deshalb die Veranstaltung von Glücksspielen im Internet für inländische Teilnehmer nicht erlaubnisfrei zulässig (vgl. BGH GRUR 2002 636 Sportwetten; A.A. - in einem Eilverfahren - VGH Kassel, GewAarch 2004, 153)."
Nach Auffassung der Kammer kann nicht ernsthaft darüber diskutiert werden, dass Glücksspiel ein erhebliches Gefahrenpotential bei der Förderung der Spielleidenschaft und Spielsucht in sich birgt, und dass es deshalb aus übergeordneten Interessen der Allgemeinheit reglementiert werden darf. Das betont auch ausdrücklich der EuGH in ständiger Rechtsprechung, zuletzt in der Gambelli-Entscheidung. Ein probates, verhältnismäßiges Mittel ist insoweit sicher der Erlaubnisvorbehalt, der strikt zu trennen ist von der Frage nach den Kriterien für die Erlaubniserteilung oder –versagung. Lediglich letzteres mag einer Überprüfung bedürfen, nicht aber der Grundsatz als solcher.
Auch der EuGH geht in seiner Gambelli-Entscheidung nicht davon aus, daß bereits ein strafbewehrtes Verbot der Veranstaltung von Wetten als solches eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt, sondern – wie er in Beantwortung der Vorlagefrage (Erwägung Nr. 76) ausführt – nur dann, wenn der betreffende Mitgliedstaat keine Konzession oder Genehmigung erteilt. Nur dann stellt sich überhaupt die Frage, ob die einer solchen ablehnenden Entscheidung zugrunde liegenden Regelungen angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten den damit verfolgten anerkennenswerten Zielen Rechnung tragen.
Etwas anderes ergibt sich für die Beurteilung des vorliegenden Falles auch nicht aus der von den Beklagten angeführten Entscheidung des BVerfG vom 27.04.2005, die auf die Gambelli-Entscheidung des EuGH Bezug nimmt.
Diese – im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangene Entscheidung - betrifft den besonderen Fall der lediglich vorläufigen Vollziehbarkeit einer behördlichen Untersagungsverfügung. Damit ist aber nichts darüber gesagt, ob die behördliche Untersagung einer nicht genehmigten Glücksspielveranstaltung im Hauptsacheverfahren nicht weiter Bestand haben kann. Davon geht bislang die weit überwiegende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung aus. So führt etwa der Hessische Verwaltungsgerichtshof aus, es gebe keinen Anspruch eines privaten Sportwettenveranstalters darauf, seiner Tätigkeit ohne Genehmigung bis zur endgültigen rechtlichen Klärung in der Hauptsache nachzugehen (VGH Kassel, Urteil vom 29.08.2005, 11 TG 1460/05).
Im vorliegenden Fall geht es weder um die eine, noch um die andere, sondern um die wiederum anders gelagerte Frage nach dem wettbewerbswidrigen Verhalten eines Veranstalters, der Glücksspiele anbietet, ohne die dafür erforderliche behördliche Erlaubnis eingeholt oder auch nur beantragt zu haben. Auch dafür kann aus der Entscheidung des BVerfG nichts unmittelbar hergeleitet werden.
Das BVerfG hat im übrigen in zwei weiteren Entscheidungen vom 27.09.2005 (1 BvR 757/05; 1 BvR 789/05, Anlagen CBH 34 und 35) ausgeführt, für den Fall, dass der Gesetzgeber ein präventives Kontrollregime für die Tätigkeit des Wettvermittelns vorsehe, seien Gewerbetreibende jedenfalls gehalten, sich zunächst bei der zuständigen Behörde um die Erteilung einer entsprechenden Genehmigung zu bemühen und ggf. den verwaltungsgerichtlichen Rechtsweg zu beschreiten, um etwaige Zweifel an der Europarechtskonformität der Genehmigungsvorschriften klären zu lassen. Solange die Möglichkeit eines solchen Genehmigungsverfahren nicht ausgeschöpft worden ist, könne der Veranstalter eines öffentlichen Glücksspiels gegen eine Untersagungsverfügung nicht mit Aussicht auf Erfolg im Wege einer Verfassungsbeschwerde vorgehen. Auch nach der Auffassung des BVerfG kann also die Rechtmäßigkeit der Durchführung von Sportwetten in Deutschland ungeachtet der vorstehend erörterten europarechtlichen Fragestellungen von der Erteilung einer Erlaubnis abhängig gemacht werden (so auch OLG Köln, a.a.O.).
Vor diesem Hintergrund besteht aus Sicht der Kammer kein Anlaß, dem hilfsweise gestellten Antrag der Beklagten auf Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO bis zur Entscheidung des BVerfG in der Rechtssache 1 BvR 2643/04 nachzukommen. Es ist weder ersichtlich, noch hinreichend dargetan, dass dieses Verfahren für das vorliegende vorgreiflich ist.
Der weitere Anspruch der Klägerin in Bezug auf den Unterlassungsantrag zu 1.2. folgt aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG. Die von der Beklagten zu 1) verwendeten Bezeichnungen "Supertoto" bzw. "T" sind mit der für die Klägerin und die übrigen Landeslotteriegesellschaften eingetragenen Wortmarke TOTO verwechslungsfähig.
Soweit die Beklagten sich auf ein absolutes Schutzhindernis der Klagemarke nach § 8 Abs. 2 MarkenG berufen, hat dies vorliegend außer Betracht zu bleiben, weil im Verletzungsprozeß von der Schutzfähigkeit eingetragener Marken jedenfalls dann bindend auszugehen ist, wenn und solange das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen noch in einem insoweit vorrangigen Löschungsverfahren zur Überprüfung gestellt werden kann (vgl. BGH, GRUR 2003, 1040, 1041 f.). Davon ist vorliegend auszugehen, denn nach dem eigenen Vortrag der Beklagten sind bereits Löschungsanträge zur Klagemarke anhängig.
Die Kammer sieht darüber hinaus auch keinen Anlaß, dem hilfsweise gestellten Antrag der Beklagten auf Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO bis zur Entscheidung des DPMA über die Löschungsanträge nachzukommen, weil sie einen Erfolg dieser Löschungsanträge nicht für wahrscheinlich hält. Der Argumentation der Beklagten, wonach es sich bei der Bezeichnung "Toto" für den hier interessierenden Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen, insbesondere Sportwetten um einen rein beschreibenden Begriff handele, nämlich konkret um eine allgemein geläufige Abkürzung für den Begriff "Totalisateur", vermag sie nicht zu folgen.
Im Gegenteil ist die Kammer der Auffassung, dass nur die wenigsten Verkehrsteilnehmer den Begriff "Toto" auf den althergebrachten Begriff "Totalisateur" zurückführen oder damit in Verbindung bringen werden. Dieser aus dem modernen Sprachschatz praktisch verschwundene Begriff dürfte nur den wenigstens Verkehrsteilnehmern überhaupt geläufig sein.
Insofern liegt der Fall auch ganz anders als bei der zur Löschung gebrachten Wortmarke LOTTO, die für die meisten Verkehrsteilnehmer als Abkürzung für den allgemein gebräuchlichen Begriff der Lotterie ohne weiteres erkennbar ist. Der Begriff des "Toto" erscheint dagegen aus Sicht des durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers als reiner Phantasiebegriff und ist nur deshalb Teil des allgemeinen Sprachschatzes geworden, weil die Klägerin und die übrigen Landeslotteriegesellschaften ihn über viele Jahre hinweg intensiv für ihr Sportwettenangebot genutzt haben, was im Jahre 1997 schließlich zu seiner Eintragung als Marke kraft Verkehrsgeltung geführt hat. Daß sich an diesem im Jahr 1997 maßgeblichen Verkehrsverständnis bis zum heutigen Tag etwas wesentliches verändert hat, ist nicht ersichtlich. Nach wie vor verbindet der Verkehr den Begriff "Toto" mit dem Sportwettenangebot der Klägerin. Etwas anderes haben auch die Beklagten nicht dargetan. Soweit die Beklagten auf die Verwendung des Begriffs in diversen Zeitungen und Magazinen, wie der Torgauer Zeitung ("Aktuelles TZ-Toto"), des Hamburger Abendblatts ("Boom am Toto"), der Münchener Abendzeitung ("Wahltoto") oder des Magazins Brisant des Mitteldeutschen Rundfunks ("Toto-Tipp") verweisen, ist dies nicht zum Beleg einer Verwässerung der Kennzeichnungskraft geeignet, weil es sich dabei ersichtlich nicht um markenmäßige Verwendungen des Begriffs "Toto" durch Wettbewerber der Klägerin, sondern lediglich um Verwendungen als beschreibende Angaben im Sinne des § 23 Nr. 2 MarkenG handelt. Eine markenmäßige Verwendung durch andere angeblich zahlreiche private Wettanbieter im Internet haben die Beklagten dagegen nicht darzulegen vermocht. Der dazu als Anlage B 51 überreichte Ausdruck der Website eines Anbieters gibt dazu nichts her.
Ist für das vorliegende Verfahren nach alledem von einer zumindest durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der kraft Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Klagemarke TOTO auszugehen, so sind die von der Beklagten zu 1) verwendeten Bezeichnungen "Supertoto" bzw. "T" – bei gleichzeitiger Identität des beworbenen Dienstleistungsangebots der Sportwetten – mit der Klagemarke eklatant verwechslungsfähig. Die verwendeten Zusätze "Super" bzw. "XXL" sind ersichtlich nicht dazu geeignet, aus dem Schutzumfang der Marke herauszuführen. Denn sie werden im Verkehr nicht zur Unterscheidung, sondern lediglich zur Beschreibung des Größen- oder Qualitätsangebotes verwendet und verstanden. Der Beklagte zu 2) haftet für die danach gegebene Markenverletzung durch die Beklagte zu 1) wiederum als deren organschaftlicher Vertreter.
Erweisen sich die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zu Ziff. 1.1. und 1.2. nach alledem als begründet, so waren die Beklagten gemäß den Klageanträgen zu Ziff. 2. und 3. auch zur Auskunftserteilung zu verurteilen bzw. ihre Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz festzustellen, da sie – nach allem Vorhergehenden – zumindest fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709, S. 1 ZPO. Der Antrag auf Gewährung von Vollstreckungsschutz gemäß § 712 ZPO war abzulehnen, weil nicht ersichtlich ist, dass die Vollstreckung den Beklagten einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und dem Antrag zudem das überwiegende Interesse der Klägerin entgegensteht.