Pokern und Glücksspiel

Landgericht Hamburg

Beschluss v. 18.03.2008 - Az.: 620 Qs 7/08

Leitsatz

1. Es kann dahinstehen, ob Poker zufallsbezogen und somit ein Glücksspiel ist. Denn selbst wenn diese Frage zu verneinen wäre, besteht der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit wegen der gewerbsmäßigen Veranstaltung von Gewinnspielen ohne die hierzu gemäß § 33 d Abs.1 GewO erforderliche Erlaubnis.

2. Auch der Verdacht einer bloßen Ordnungswidrigkeit ermöglicht die strafprozessuale Maßnahme der Durchsuchung.

Tenor

In der Strafsache gegen (…) hat das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer 20 durch folgende Richter (…) am 18,03.2008 beschlossen:

Die Beschwerde des Beschuldigten (…) vom 30.1.2008 gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 9.11.2007 (164 Gs 860/07) wird zurückgewiesen.

Sachverhalt

s. Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1.

Der Beschluss ist formell rechtmäßig. Zur örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Hamburg wird auf die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 13.2.2008 Ziff. 1) lit. a) (Bl. 167 dA) verwiesen. Der Beschluss war auch nicht infolge Zeitablaufs unwirksam geworden. Zwar erfolgte die Durchsuchung vom 25,1:2008 auf Grund eines zu diesem Zeitpunkt bereits etwa 4 ½ Monate zurückliegenden Beschlusses.

Dieser wurde jedoch durch die inhaltsgleichen Durchsuchungsbeschlüsse vom 4.12.2007 (Bl. 39ff, dA), welche die Anordnung vom 9.11.2007 auf weitere Örtlichkeiten ausdehnten, stillschweigend bestätigt.

2.

Der Beschluss ist auch materiell rechtmäßig, denn die Voraussetzungen des § 103 StPO lagen vor.

a) Es bestand - und besteht - eine hinreichende Verdachtslage. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung kann die Rechtsfrage unbeantwortet bleiben, ob die konkret in Frage stehende Pokervariante "Texas Hold´Em" in turniermäßiger Spielweise ein Glücksspiel ¡S.d. § 284 StGB darstellt.

Denn selbst wenn diese Frage zu verneinen wäre, bestünde der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 lit. d GewO wegen der gewerbsmäßigen Veranstaltung von Gewinnspielen ohne die hierzu gemäß § 33d Abs. 1 GewO erforderliche Erlaubnis. Nach § 46 Abs. 1 OWiG rechtfertigt auch der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit die strafprozessuale Maßnahme der Durchsuchung.

Soweit der Beschuldigte vorträgt, es lägen verfassungs- bzw. gemeinschaftsrechtliche Einwände gegen die Anwendbarkeit des § 284 StGB vor, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 5.7.2007 - 1 Ws 61/07 - befasst sich ausschließlich mit der Anwendbarkeit dieser Strafnorm auf Fälle der öffentlichen Vermittlung oder Veranstaltung von Sportwetten vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 (NJW 2006, 1261).

In diesem Urteil wurde das durch das bayerische Staatlotteriegesetz begründete Staatsmonopol für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt, weil das Staatsmonopol eine Verletzung von Art. 12 GG darstelle. Aus der Begründung der Entscheidung ergibt sich, dass ein Staatsmonopol für die Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, sofern es in seiner rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung strikt am überragend wichtigen Gemeinwohlziel der Eindämmung der Gefahren der Spielsucht ausgerichtet ist, was im Hinblick auf das staatliche Sportwettenmonopol jedoch nicht der Fall war.

Die dieses Urteil tragenden Gründe sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Zwar begründen §§ 1, 2 des Hamburger Spielbankgesetzes für die Veranstaltung öffentlicher Pokerspiele ein Monopol zu Gunsten eines einzigen Spielbankbetreibers; dies stellt auch einen Eingriff in die von Art. 12 GG gewährleistete Berufsfreiheit dar. Dieser war und ist jedoch auf Grund der konkreten rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Spielbankmonopols gerechtfertigt.

In seinem Beschluss vom 26.03.2007 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass das durch das bayerische Spielbankgesetz begründete Staatsmonopol für bestimmte Glücksspiele, zu welchen auch Poker gehört, in hinreichender Weise darauf ausgerichtet ist, den vom Glücksspiel ausgehenden Gefahren für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter entgegenzuwirken (GewArch 2007, 242).

Das Hamburger Spielbankmonopol, welches auf dem Hamburger SpielbkG vom 24.5,1976 und der Spielordnung vom 19.12.2006 beruht, unterscheidet sich in seiner rechtlichen wie auch tatsächlichen Ausgestaltung nicht wesentlich von dem in Bayern praktizierten Modell. Daher können die den Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 26.3.2007 tragenden Gründe auf die hiesige Fallgestaltung übertragen werden, woraus notwendig folgt, dass die auch nach Ansicht der Kammer zutreffenden verfassungsrechtlichen Bedenken des Hanseatischen Oberlandesgerichts gegen die Anwendung des § 284 StGB hier nicht greifen.

Geht man alternativ davon aus, dass vorliegend schon begrifflich kein Glücksspiel i.S.d. § 284 StGB anzunehmen ist, läge ebenfalls kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit des Art. 12 GG vor. Denn dann würde sich das aus dem gesetzlichen Spielbankenmonopol folgende faktische Verbot in ein erheblich weniger eingriffintensives präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt umwandeln, dessen verfassungsrechtliche Rechtfertigung keinen Bedenken begegnet.

Allein die Tatsache, dass die ordnungsrechtliche Verwaltungspraxis in Hamburg Poker in allen Varianten als Glücksspiel einordnet und daher nicht ohne weiteres mit einer antragsgemäßen Erlaubniserteilung zu rechnen war, ändert hieran nichts. Dem Beschuldigten wäre es zuzumuten gewesen, sich die erforderliche Erlaubnis ggf. im Verwaltungsrechtsweg zu erstreiten.

Auch unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Zum einen fehlt es schon an einem grenzüberschreitenden Bezug des vorliegenden Sachverhaltes, so dass eine wesentliche Voraussetzung für den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts fehlt.

Zum anderen wäre die Rechtfertigung einer in die Dienstleistungsfreiheit des Art 49 EGV eingreifenden Regelung inhaltlich an einem weitgehend deckungsgleichen Maßstab zu messen wie der Eingriff in Art. 12 GG (vgl. EuGH. NJW 2004, 139).

Die bestehende Verdachtslage deutet auch nicht auf das Vorliegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums gemäß § 17 S. 1 StGB hin, denn das staatliche Spielbankenmonopol sah sich zu keinem Zeitpunkt ernstlichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Ferner ist aus dem in gleicher Sache geführten ordnungsrechtlichen Verwaltungsverfahren (Bl. 741 d.A.) ersichtlich, dass dem Beschuldigten bekannt war, dass die zuständige Ordnungsbehörde nur unter bestimmten Voraussetzungen bereit war, auf ein gefahrenabwehrendes Eingreifen zu verzichten.

Die Einhaltung dieser Voraussetzungen hat der Beschuldigte nach Aktenlage auch zugesagt (handschriftl. Vermerk BL 75 d.A.), sich an diese Zusage aber nicht gehalten und damit die Gefahr strafbarer bzw. ordnungswidriger Handlungen möglicherweise sogar bewusst in Kauf genommen.

b) Auch lagen Tatsachen vor, aus denen zu schließen war, dass sich zu beschlagnahmende Beweismittel in den durchsuchten Räumlichkeiten befanden, welche dem grundrechtlichen Schutzbereich eines Dritten, hier der (…) zuzurechnen sind. Dass der angefochtene Beschluss eine Durchsuchung beim Beschuldigten annimmt und auf § 102 StPO abstellt, ist insoweit unschädlich.

c) Schließlich bestehen keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Durchsuchungsanordnung, da keine anderen, weniger einschneidenden Ermittlungsmaßnahmen ersichtlich sind und die Intensität des Eingriffs in einem angemessenen Verhältnis zur mutmaßlichen Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit steht.