Pflicht zur Bestätigung von Gewerbeanzeigen bei privater Sportwettenvermittlung

Verwaltungsgericht Wuerzburg

Urteil v. 25.10.2006 - Az.: W 6 K 06 273

Leitsatz

Die zuständige Behörde hat auch bei Anmeldung eines Gewerbes, das die Vermittlung von privaten Sportwetten zum Gegenstand hat, eine Empfangsbescheinigung nach § 14 GewO auszustellen. Die Behörde kann die Ausstellung nicht mit dem Argument Grund verweigern, dass private Sportwetten in Deutschland verboten sind.

Tenor

Urteil

1. Die Beklagte wird verpflichtet, den Empfang der Gewerbeanzeigen der Klägerin zur Tätigkeit der Vermittlung von Sportwetten für die Betriebsstätten in Würzburg, (…), und (…) zu bescheinigen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Sachverhalt

I.

Mit Schreiben vom 11. Januar 2006 zeigte die Klägerin bei der Beklagten am 12. Januar 2006 für die Spielhallen in Würzburg (…) die Erweiterung des Gewerbes auf die Vermittlung von Sportwetten an.

Mit Schreiben vom 1. Februar 2006 bestätigte die Beklagte den Eingang des Schreibens vom 11. Januar 2006 und wies die Klägerin darauf hin, dass das gewerbliche Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen oder das Bereitstellen solcher Einrichtungen ohne die erforderliche behördliche Erlaubnis gem. § 284 StGB verboten sei und eine behördliche Erlaubnis in Bayern hinsichtlich der Sportwettenvermittlung nur für Oddset-Wetten der Staatlichen Lotterieverwaltung erteilt werde (Art. 2 Staatslotteriegesetz). Eine Gewerbeanmeldung ohne diese Erlaubnis sei nicht möglich. Daher würden die drei Gewerbeanmeldungen wieder zurückgesandt.

II.

1.

Am 20. März 2006 erhob die Klägerin Klage und beantragte, die Beklagte zu verpflichten, die Gewerbeanzeigen der Klägerin zur Tätigkeit der Vermittlung von Sportwetten für die Betriebsstätten in Würzburg (…) zu bescheinigen, hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 1. Februar 2006 zu verpflichten, die Anzeige zur Tätigkeit der Vermittlung von Sportwelten für die Betriebsstätten in Würzburg (…) zu bescheinigen.

Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Rechtsanspruch auf Erteilung der begehrten Bescheinigungen. Die Beklagte sei daher verpflichtet, den Empfang der Gewerbeanzeigen der Klägerin vom 11. Januar 2006 zu bestätigen.

Gemäß § 14 Abs. 1 GewO bestehe Anzeigepflicht für den Betrieb eines bestehenden Gewerbes. In § 14 Abs. 2 GewO sei ausdrücklich normiert, dass § 14 Abs. 1 GewO auch für den Betrieb von Wettannahmestellen aller Art gelte.

Eine Anzeige sei demnach erforderlich. Nach § 15 Abs. 1 GewO bescheinige die Behörde innerhalb von drei Tagen den Empfang der Anzeige. Die Empfangsbescheinigung gebe der Klägerin die Gewissheit, dass ihre Anzeige bei der Behörde eingegangen sei und ermögliche ihr den Nachweis, dass sie tatsächlich eine Anzeige erstattet habe.

Die Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 GewO dürfe nur dann nicht erteilt werden, wenn der Behörde der Betrieb einer generell nicht erlaubten Tätigkeit angezeigt werde.

Die Vermittlung von Sportwetten sei keine generell verbotene Tätigkeit. Auch die Voraussetzungen des § 284 StGB lägen nicht vor. Für den Fall, dass das Gericht die Bescheinigung gem. § 15 GewO bzw. deren Ablehnung als Verwaltungsakt ansehe und nicht als bloßen Realakt, sei dem Hilfsantrag stattzugeben.

Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 28. März 2006 Az.: 1 BvR 1054/01 deutlich gemacht, dass der Beruf des Sportwettenvermittlers ein grundsätzlich zulässiger Beruf sei, der unter den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG falle. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 28. März 2006 seine Rechtsprechung im Beschluss vom 27. April 2005 Az 1 BvR 223/05 nicht aufgegeben. Das Bundesverfassungsgericht habe das Staatliche Wettmonopol in seiner jetzigen Ausgestaltung eindeutig für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt.

Die vom Bundesverfassungsgericht eingeräumte Möglichkeit, durch entsprechende Maßnahmen wieder einen verfassungskonformen Rechtszustand herzustellen, ändere nichts daran, dass derzeit ein verfassungswidriger Zustand bestehe. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 28. März 2006 in dem Bewusstsein des geltenden Anwendungsvorrangs die EG-rechtliche Zulässigkeit der Vermittlung von Sportwetten an EU-Anbieter ausdrücklich ausgeklammert.

§ 284 StGB könne aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen keine Anwendung auf die Vermittlung von Sportwetten an EU-konzessionierte Unternehmen finden. Auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werde weiterhin für die Oddset-Sportwette bundesweit geworben. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes würden also nicht eingehalten. In den letzten zwei Jahren hätten zahlreiche Landgerichte dem Grundsatz des Anwendungsvorrangs Rechnung getragen und seien zur Unanwendbarkeit des § 284 StGB gelangt.

Schon die Tatbestandsalternative des Veranstaltens einer Wette sei objektiv nicht erfüllt, soweit eine einfache Vermittlung von Wetten erfolge. Es sei auch nicht einmal abschließend geklärt, ob Sportwetten Glücksspiele seien.

2.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

Die Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 GewO dürfe nur dann nicht erteilt werden, wenn der Betrieb einer generell nicht erlaubten Tätigkeit angezeigt werde.

Ein solcher Fall liege hier vor. Das Bundesrecht stelle unerlaubtes öffentliches Glücksspiel in § 284 StGB unter Strafe. Nach dessen Abs. 1 werde mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstalte oder halte oder die Einrichtung hierfür bereitstelle. Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe werde nach § 284 Abs. 4 StGB außerdem bestraft, wer für ein öffentliches Glücksspiel werbe.

Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 28. März 2006 für Recht erkannt, dass das Staatliche Glücksspielmonopol mit dem Grundgesetz dann vereinbar sei, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren ausgerichtet werde.

Im Übrigen sei die Verfassungsbeschwerde private Glücksspiele zu veranstalten bzw. Wetten zu vermitteln, zurückgewiesen worden. Durch dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts stehe fest, dass die private Glücksspielveranstaltung und Vermittlung von Wetten ohne eine behördliche Erlaubnis eine Straftat nach § 284 StGB darstelle.

Die Beklagte habe daher auch auf Weisungen des Bayer. Staatsministeriums des Innern vom 4. Dezember 2003 und 4. April 2006 richtig gehandelt, indem sie die Anzeige nicht entgegengenommen habe. Die Beklagte könne nicht verpflichtet sein, die Bescheinigung einer Anzeige einer Gewerbeanmeldung für illegale Gewerbeausübungen zu erteilen. Die Anzeige der Gewerbeausübung würde nach außen und bei Dritten den Anschein erwecken, dass es sich um eine legale Gewerbeausübung handele. Es sei Aufgabe der Behörde, diesem Anschein einer rechtmäßigen Gewerbeausübung wirkungsvoll zu begegnen.

3.

Die Klägerbevollmächtigten verzichteten mit Schriftsätzen vom 12. April 2006 und 22. August 2006, die Beklagte mit Schriftsatz vom 12. September 2006 auf mündliche Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Über die Klage konnte im Einverständnis der Parteien gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig.

Der Empfangsbescheinigung über den Erhalt einer nach § 14 GewO erforderlichen Anzeige kommt lediglich eine Beweisfunktion für den Gewerbetreibenden zu. Sie hat keinen eigenständigen Regelungsgehalt und ist daher auch kein Verwaltungsakt (vgl. Tettinger/Wank, GewO, § 15, RdNr 1).

Die Klage ist auch begründet.

Die Klägerin hat nach § 15 Abs. 1 GewO einen Anspruch gegen die Beklagte auf Bescheinigung ihrer Gewerbeanzeigen.

Da die formellen Voraussetzungen (vgl. § 14 Abs. 4 GewO) für ordnungsgemäße Gewerbeanzeigen nach § 14 GewO von der Beklagten nicht in Frage gestellt worden sind, war sie nur dann befugt, die Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 GewO zu verweigern, wenn die angezeigte Tätigkeit gar kein Gewerbe darstellt oder aber keine selbständige Tätigkeit ausgeübt werden soll.

Im Rahmen des Anzeigeverfahrens findet hingegen keine Prüfung der Frage statt, ob der Gewerbetreibende überhaupt zur Ausübung des angezeigten Gewerbes berechtigt ist.

Dies wird auch deutlich durch die vom Gesetz vorgesehene kurze Frist von drei Tagen für die Bescheinigung der Anzeige (vgl. § 15 Abs. 1 GewO). In dieser Frist wäre die Anmeldebehörde häufig gar nicht in der Lage, entsprechende Prüfungen vorzunehmen. Durch die Bescheinigung wird insbesondere auch nicht eine etwa erforderliche Erlaubnis ersetzt.

Die Verweigerung der Empfangsbescheinigung nach § 15 Abs. 1 GewO ist daher nur auf die Fälle beschränkt: in denen ohne eingehende und langwierige Prüfungen ohne weiteres erkennbar ist, dass das angezeigte Gewerbe nicht zulässig ist. Nur in diesen Fällen liegt eine generell verbotene Tätigkeit vor, welche zur Verweigerung der Empfangsbescheinigung berechtigt.

Dies ist bei der von der Klägerin angezeigten Tätigkeit der Vermittlung von Sportwetten aber gerade nicht der Fall, wie das Verwaltungsgericht Ansbach in den Urteilen vom 13. Oktober 2005 Az AN 4 K 05 01765 und AN 4 K 05.02532, das Verwaltungsgericht Stuttgart im Urteil vom 1. Dezember 2005 Az 4 K 3339/05, das Verwaltungsgericht Freiburg im Urteil vom 22. März 2006 Az 2 K 81/06, das Verwaltungsgericht München in den Urteilen vom 25. April 2006 Az M 16 K 05.5341 und M 16 K 06.1092 und das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Urteil vom 20. Juni 2006 Az 11 K 850/06 ausgeführt haben.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 28. März 2006 (NJW 2006, 1261) zum staatlichen Monopol für Sportwetten führt für die hier streitgegenständliche Frage nicht zu einer anderen Beurteilung. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil ausgeführt, dass es sich beim Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten nicht um Tätigkeiten handelt, die von vornherein nur der öffentlichen Hand zugänglich und ihr vorbehalten sind. Der Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG sei angesichts der gegenwärtigen Ausgestaltung des Wettmonopols in Bayern verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, weil sie die effektive Suchtbekämpfung, die den Ausschluss privater Veranstalter rechtfertigen könne, nicht sicherstelle.

Ein verfassungsgemäßer Zustand könne daher sowohl durch eine konsequente Ausgestaltung des Wettmonopols erreicht werden, die sicherstelle, dass es wirklich der Suchtbekämpfung diene, als auch durch eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Veranstaltung durch private Wettunternehmen.

Für die Neuregelung sei eine Frist bis zum 31. Dezember 2007 angemessen. Während der Übergangszeit dürften das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten, die nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet würden, weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden. Ob in der Übergangszeit eine Strafbarkeit gegeben sei, unterliege der Entscheidung der Strafgerichte.

Aufgrund der Komplexität der Rechtsmaterie kann daher der Anmeldebehörde nicht angesonnen werden, binnen drei Tagen zu erkennen, ob hier eine generell verbotene Tätigkeit angezeigt wird.

Die Beklagte erleidet durch die Bescheinigung von Gewerbeanzeigen auch keinen Rechtsverlust, da der Gewerbeanmeldung keine legalisierende Wirkung zukommt. Sie bekommt vielmehr Kenntnis von der beabsichtigten Vermittlung von Sportwetten und kann nach eingehender Prüfung - falls erforderlich - darauf reagieren.

Kosten: §154 Abs 1 VwGO

Vorläufige Vollstreckbarkeit. § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.