Öffentliches Vollzugsinteresse überwiegt Aussetzungsinteresse bei unklarer Rechtslage

Oberverwaltungsgericht Lueneburg

Beschluss v. 16.02.2009 - Az.: 11 ME 367/08

Leitsatz

1. Die Regelungen über Sportwetten im Glücksspielstaatsvertrag und im Niedersächsischen Glücksspielgesetz sind nach vorläufiger Prüfung verfassungsgemäß. Hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Europarecht ist zu prüfen, ob die abweichenden Regelungen für Automatenspiele zu einer Rechtslage führen, die nicht kohärent und systematisch die Spielsucht bekämpft.

2. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung einer Untersagungsverfügung das Aussetzungsinteresse des Spielvermittlers, um dem Ziel der Bekämpfung der Spielsucht Rechnung zu tragen. Ein Spielvermittler, der seine Tätigkeit trotz unklarer Rechtslage aufgenommen hat, kann sich demgegenüber nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Sachverhalt

Der Antragsteller nimmt Oddset-Wetten an und vermittelt diese an ein in Großbritannien ansässiges Unternehmen. Gegen eine Untersagungsverfügung des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport aus dem Jahr 2007 beschritt er den Klageweg. Parallel beantragte er im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Dem wurde nicht stattgegeben.

Nachdem sich die Rechtslage zum 1. Januar 2008 änderte und der Glücksspielstaatsvertrag sowie mit ihm das Niedersächsische Glücksspielgesetz in Kraft traten, stellte er erneut einen Antrag. Er ist der Ansicht, die genannten Regelungen verstießen gegen Verfassungs- und Europarecht.

Entscheidungsgründe

Das Gericht lehnte den Antrag ab. Zwar sei die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung offen, jedoch überwiege das staatliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.

Das Verbot der Vermittlung nicht in Niedersachsen konzessionierter Sportwetten sei nunmehr nach den Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag sowie im Niedersächsischen Glücksspielgesetz zu beurteilen. Diese sehen ein staatliches Monopol vor, so dass die Vermittlung nicht vom Land Niedersachsen veranstalteter bzw. konzessionierter Sportwetten unzulässig sei.

Dies sei jedoch nach Ansicht des Gerichts mit Verfassungsrecht, insbesondere mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Sportwetten-Urteil, vereinbar. So sehe das Niedersächsische Glücksspielgesetz vor, dass die Begrenzung der Annahmestellen für Sportwetten durch eine Verordnung geregelt werden könne. Eine solche Verordnung sei inzwischen erlassen worden und sehe die schrittweise Rückführung der Zahl der Annahmestellen vor. Auch werde auf die Nähe von Annahmestellen zu Kinder- und Jugendeinrichtungen eingegangen.

Die Vorgaben an die in Niedersachsen konzessionierte Lotto-Veranstalterin seien ebenfalls im Sinne einer die Spielsucht bekämpfenden Anweisung vorgenommen worden. Der aktuelle Internetauftritt der Veranstalterin entspreche auch diesen Vorgaben sowie den Regelungen im Niedersächsischen Glücksspielgesetz.

Im Hinblick auf Europarecht blieben für das Gericht jedoch Zweifel offen. Es ist der Ansicht, nur eine die Spielsucht kohärent und systematisch bekämpfende Rechtslage bezogen auf den gesamten Bereich der Glücksspiele könne Eingriffe in die europarechtlichen Grundfreiheiten rechtfertigen. Ob von einer derartigen Rechtslage angesichts der bestehenden Vorschriften in der Gewerbeordnung, nach der Geldspielautomaten auch durch Private betrieben werden dürfen, ausgegangen werden könne, stellte das Gericht in Frage. Diese Art des Glücksspiels weise ein noch höheres Suchtpotential auf als die Sportwetten. Eine Entscheidung sei dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens überwiege das öffentliche Vollzugsinteresse. Nur so könne das Ziel der Bekämpfung der Spielsucht und des Minderjährigenschutzes effektiv angegangen werden. Für das Aussetzungsinteresse des Antragstellers spreche auch kein Vertrauensschutz, da dieser seine Tätigkeit trotz unklarer Rechtslage aufgenommen habe.