lotto-betrug.de
Leitsatz
Aus einer reinen Domain-Bezeichnung (hier: www.lotto-betrug.de) lässt sich weder eine wahre noch unwahre Tatsachenbehauptung herleiten. Denn der
durchschnittlich informierte Internetnutzer entnimmt einem Domainnamen nicht die Information, dass die dort Genannten strafbare Handlungen begangen hätten, die unter den Straftatbestand des Betrugs (§ 263 StGB) fallen, und/oder wegen Betrugs verurteilt worden sind.
Hinweis:
Das OLG Frankfurt bestätigt damit die Entscheidung des LG Frankfurt (Beschl. v. 30.03.2006 - Az.: 2/03 0 112/05) aus der 1. Instanz.
Tenor
In dem Rechtsstreit (...)
(...)
- Klägerin und Beschwerdeführerin -
gegen
(...)
- Beklagter und Beschwerdegegner -
Prozessbevollmächtigte: Kanzlei Dr. Bahr, Sierichstr.35, 22301 Hamburg
(...) hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (...) am 22.01.2007 beschlossen:
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4.5.2006 - 2-03 0 112/05 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
3. Der Beschwerdewert entspricht den im Verfahren erster Instanz entstandenen Kosten.
Sachverhalt
(vgl. Entscheidungsgründe)
Entscheidungsgründe
A.
Die Klägerin vermittelt Verbrauchern - seinerzeit unter der Firma L(...) GmbH - Teilnahmemöglichkeiten an gewerblich organisierten Spielgemeinschaften, die per Systemschein am Lotto der Gesellschaft des Deutschen Lotto- und Totoblocks teilnehmen.
Der Beklagte war seit Dezember 2001 als Kunde bei der Klägerin registriert. Im April 2003 kündigte er die Teilnahme bei der Klägerin. Unter der Domain "lotto-betrug.de", die bei der DENIC für den Beklagten registriert ist, war im Februar 2005 eine Web-Site mit folgendem Text erreichbar:
"Sie spielen auch beim Lotto Team Düsseldorf mit?
Dann sollten Sie sich mal die Inhalte dieser Seite ansehen!
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Wegen dieser Website hat die Klägerin den Beklagten beim Landgericht Frankfurt am Main auf Unterlassung der vorstehend wiedergegebenen Äußerungen unter der Domain "lotto-betrug.de" in Anspruch genommen. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte folgende Unterlassungserklärung abgegeben:
Der Beklagte verpflichtet sich, für jeden Fall er Zuwiderhandlung, gegen eine Vertragsstrafe von 5001.-- € zu unterlassen, auf der Internetseite www.lotto-betrug.de über die Klägerin zu berichten oder berichten zu lassen, wie auf Seite 2 der Klageschrift (Bl. 3 d.A.) wiedergegeben.
Auf Blatt 3 d.A. findet sich der vorstehend wiedergegebene Text. Die Klägerin hat diese Unterlassungserklärung angenommen und den Rechtsstreit für in der Hauptsache
erledigt erklärt. Der Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen.
Beide Parteien haben wechselseitig Kostenanträge gestellt.
Durch Beschluss vom 4.5.2006 hat das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt.
Die Entscheidung ist im Wesentlichen damit begründet, dass eine nach den §§ 823 Abs.l, 1004 BGB (analog) zur Unterlassung verpflichtende Tatsachenbehauptung nicht vorliege. Die angegriffenen Äußerungen seien vielmehr als Meinungsäußerung zu werten, deren Unterlassung die Klägerin nicht verlangen könne, weil die Grenze zur Schmähkritik nicht überschritten sei.
Gegen diesen ihr am 10.5.2006 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 24.5.2006 sofortige Beschwerde eingelegt: Der Beklagte habe die Klägerin unter einer mit Bedacht ausgewählten, bei der DENIC registrierten Domain verunglimpft und zu ihrem Boykott aufgerufen. Wegen der für sie nicht hinnehmbaren Prangerwirkung, die von den Äußerungen des Beklagten ausgehe, sei die Grenze zur Schmähkritik überschritten.
Die Klägerin beantragt, die Kosten des Rechtsstreits unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts dem Beklagten aufzuerlegen.
Der Beklagte beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.
B.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, hatte das Landgericht gemäß § 91 a I ZPO nur noch nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands über die Kosten zu entscheiden.
Zu Recht hat das Landgericht danach die Kosten der Klägerin auferlegt, weil ohne die Erledigungserklärung der Parteien die Klage abzuweisen gewesen wäre.
Der Klägerin standen bis zur Unterlassungserklärung des Beklagten wegen der angegriffenen Äußerungen Unterlassungsansprüche nach den §§ 823 Abs.l, 1004 BGB oder nach den §§ 823 Abs.2 BGB, 186, 187 StGB oder nach den §§ 824 Abs.l, 1004 BGB unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
1.
Ein Unterlassungsanspruch nach den genannten Vorschriften wegen Behauptung oder Verbreitung unwahrer oder nicht erweisliche wahrer Tatsachen könnte der Klagerin nur zustehen, wenn es sich bei den angegriffenen Äußerungen des Beklagten um Tatsachenbehauptungen handeln würde. Dies hat das Landgericht aber zu Recht verneint.
Eine Tatsachenbehauptung liegt nur vor, wenn der Gehalt der Äußerung dem Beweis offen steht (BGHZ 132, 13, 21). Der Beklagte teilt zwar durch die angegriffenen Äußerungen in Verbindung mit der Domain "lotto-betrug.de" den angesprochenen Internetnutzern sinngemäß mit, dass er den Verdacht hegt, die Klägerin gehe mit den Geldern ihrer Kunden in unlauterer, möglicherweise betrügerischer Weise um. Irgendwelche Tatsachen, die einen Nachweis der Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieses Vorwurfs gestatten könnten, werden aber jedenfalls in den angegriffenen Passagen der Website des Beklagten nicht mitgeteilt.
Die dort publizierten Äußerungen des Beklagten enthalten lediglich die Aufforderung an die Nutzer, sich die übrigen Seiten anzusehen und ihm eigene Erfahrungen mit der Klägerin mitzuteilen. Ob auf weiteren Web-Seiten der Klägerin Informationen vorzufinden sind, die den Betrugsvorwurf des Beklagten einem Nachweis der Richtigkeit oder Unrichtigkeit zugänglich machen, kann dahinstehen, weil diese nicht Gegenstand des Unterlassungsantrags waren, über den das Landgericht allein zu befinden hatte.
2.
Da die angegriffenen Ausführungen des Beklagten mithin als Meinungsäußerung zu werten sind, die den Schutz von Art. 5 Abs.l GG genießen, kommt ein Unterlassungsanspruch nur in Betracht, wenn sie als Schmähkritik anzusehen sind. Auch dies hat das Landgericht zu Recht verneint.
Hiervon kann nur dann die Rede sein, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Kritisierten im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik gleichsam an den Pranger gestellt werden soll (BGH NJW 2002, 1192, 1193 mwN). Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sich ein Gewerbetreibender kritische Einschätzungen seiner Tätigkeit in der Regel gefallen lassen muss (BGHZ 138, 311,320).
Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte die Grenze zur Schmähkritik nicht überschritten. Der - in der Sache - gegen die Klägerin erhobene Vorwurf zumindest unlauteren, wenn nicht betrügerischen Umgangs mit den Geldern ihrer Kunden mag polemisch und überspitzt sein. Doch ist zum einen in Rechnung zu stellen, dass die geschäftlichen Aktivitäten der Klägerin mit der treuhänderischen Verwaltung fremder Gelder einhergehen und dass in diesem Tätigkeitsbereich Beschwerden unzufriedener
Kunden nahe liegen.
Hinzu kommt, dass der Beklagte die Klägerin nicht als "Betrügerin" bezeichnet, sondern nur unter der Domain "lotto-betrug.de" über sie berichtet und zugleich weitere Recherchen, möglicherweise auch zu anderen Anbietern, angekündigt hat. Zudem sind die auf der angegriffenen Web-Site enthaltenen Äußerungen ausgesprochen moderat gehalten; sie sind in keiner Weise geeignet, den mit der Domain inzident geäußerten Vorwurf gegen die Klägerin zu belegen oder zu vertiefen.
Vor allem aber lässt der Beitrag des Beklagten erkennen, dass es ihm nicht um eine Diffamierung der Klägerin, sondern darum ging herauszufinden, ob und inwiefern auch andere Lottospieler negative Erfahrungen mit der Klägerin gemacht hatten. Dies aber ist ein legitimes, von Art. 5 Abs. 1 GG gedecktes Anliegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht, da der Senat anerkannte Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall angewendet hat.