Landesverfassungsbeschwerde gegen Übergangsregelung Sportwettengesetz (§ 13 LSA-GlüG)

Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt

Beschluss v. 28.03.2006 - Az.: LVG 2/06

Leitsatz

1. Für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung, mit dem die Aussetzung des Vollzuges eines Gesetzes begehrt wird, gelten besonders hohe Anforderungen.

Das Landesverfassungsgericht hat - wie das Bundesverfassungsgericht - wegen des damit verbundenen erheblichen Eingriffs in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nur mit größter Zurückhaltung von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.

2. Die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Gesetzes vorgetragen werden, haben daher dabei außer Betracht zu bleiben, wenn sich nicht die Verfassungsbeschwerde von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet darstellt.

3. Die mit einer gesetzlichen Regelung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile Einzelner sind regelmäßig nicht geeignet, die Aussetzung von Normen im Gemeinwohlinteresse zu begründen. Eine Ausnahme kann in dem Fall bestehen, wenn die Gefahr droht, dass ein Gewerbebetrieb durch den Vollzug der angegriffenen Norm, der durch die einstweilige Anordnung ausgesetzt werden soll, schlechthin seiner Existenz beraubt würde, also aufgegeben oder in die Insolvenz geführt werden müsste.

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

3. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Sachverhalt

(vgl. Entscheidungsgründe)

Entscheidungsgründe

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit einer Verfassungsbeschwerde gegen das Fehlen einer Übergangsregelung im Glücksspielgesetz des Landes Sachsen-Anhalt. Mit der in diesem Verfahren begehrten einstweiligen Anordnung möchte sie erreichen, vorerst so gestellt zu werden, als gäbe es eine solche.

Die Antragstellerin ist seit 1999 zugelassene Buchmacherin für Pferdesportwetten und unterhält ein Geschäftslokal in C. Sie vermittelte seit August 2000 in ihrer Wettannahmestelle auch Wetten auf andere Sportereignisse, die von einem in Berlin ansässigen Wettunternehmen „A.“ veranstaltet werden, welches sich auf eine im Jahre 1990 erteilte Sportwetteerlaubnis nach dem Gewerbegesetz der Deutschen Demokratischen Republik vom 06.03.1990 (DDR-GBl. Teil I Nr. 17 S. 138) beruft. Außerdem vermittelte sie Sportwetten an das in Gibraltar ansässige und dort zugelassene Wettunternehmen „B.“. Sie ist der Ansicht, das Wettunter¬nehmen „A.“ dürfe seinen Betrieb jedenfalls im Gebiet der früheren DDR betreiben und die Firma „B.“. könne im gesamten Bereich der Europäischen Union legal tätig werden. Demzufolge sei auch die Annahme von Wetten für diese Firmen legal. Entgegenstehendes Bundes- oder Landesrecht sei unwirksam.

Diese Rechtsansicht wird von der inneren Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt nicht geteilt. Mit Bescheid vom 02.09.2004 untersagte die Stadt C. der Antragstellerin das Entgegennehmen, Vermitteln und Bewerben von Sportwetten unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, da weder sie noch die Wettunternehmen, an die sie vermittele, über eine Erlaubnis für das Land Sachsen-Anhalt verfügten. Damit aber erweise sich ihre diesbezügliche Tätigkeit als nach § 284 StGB und § 14 des Gesetzes über das Zahlenlotto und über Sportwetten im Lande Sachsen-Anhalt (Lotto-Totto-G-LSA) vom 16.08.1991 (LSA-GVBl., S. 266) als strafbar und sei zu unterbinden. Hiergegen ergriffene Rechtsbehelfe der Antragstellerin blieben bislang erfolglos.

Am 30.12.2004 trat das das LSA-Lotto-Toto-Gesetz ersetzende Glücksspielgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (Glücksspielgesetz - LSA-GlüG) vom 22.12.2004 (LSA-GVBl., S. 846), verkündet am 29.12.2004, in Kraft. Sein § 13 begründet eine Erlaubnispflicht für alle diejenigen, die Beteiligung an Glücksspielen gewerblich vermitteln, und enthält einzelne Regelungen der Voraussetzungen hierfür. Als einzige Übergangsregelung bestimmt § 13 Abs. 7 i. V. m. § 24 Abs. 3, dass für die Vermittlung im Auftrag eines landeseigenen Wettunternehmens die Erlaubnispflicht für drei Jahre nach In-Kraft-Treten des Gesetzes ausgesetzt ist. In § 18 enthält es eine dem § 14 des LSA-Lotto-Toto-G entsprechende Strafvorschrift.

Die Antragstellerin stellte mit Schreiben vom 14.10.2005 beim Ministerium des Inneren des Landes Sachsen-Anhalt den Antrag auf eine Erlaubnis nach § 13 LSA-GlüG, der am 17.10.2005 von ihren Verfahrensbevollmächtigten wiederholt wurde. Über den Antrag ist noch nicht entschieden worden. Das Ministerium des Inneren ließ die Antragstellerin jedoch wissen, dass sie seiner Ansicht nach die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis nicht erfülle. Der auch insoweit beschrittene Verwaltungsrechtsweg blieb bislang erfolglos.

Mit der unter dem Aktenzeichen LVG 19/05 am 29.12.2005 anhängig gewordenen Verfassungsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin das Ziel, die Übergangsregelung auf die von ihr vor In-Kraft-Treten des LSA-GlüG praktizierte Wettvermittlungstätigkeit ausdehnen zu lassen. Sie beruft sich darauf, dass ihre bisherige Wettvermittlungstätigkeit legal gewesen sei. Dann aber habe ihr mit dem Erlass des LSA-GlüG ausreichend Zeit eingeräumt werden müssen, um die nach dem Gesetz notwendige Erlaubnis zu erlangen, bzw. gegebenenfalls im Rechtsweg zu erstreiten, ohne den Zwang zur vorherigen Betriebseinstellung. Anderenfalls verstoße die Regelung gegen die Art. 16 (Berufsfreiheit) und 7 (Gleichheitsgrundsatz) der Landesverfassung.

Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der sie die in § 13 Abs. 7 LSA-GlüG getroffene Übergangsregelung auf sich erstreckt wissen will, hilfsweise soll dem Ministerium des Inneren des Landes Sachsen-Anhalt aufgegeben werden, der Antragstellerin die seiner Meinung nach sachlich angemessenen und erforderlichen Erlaubnisvoraussetzungen zum Betrieb der Wettannahmestelle zu benennen.

Für den Erlass der einstweiligen Anordnung spreche eine Folgenabwägung, auch wenn damit begehrt werde, ein Gesetz vorläufig außer Kraft zu setzen. Geschehe dies nicht und werde später seine Verfassungswidrigkeit festgestellt, sei mittlerweile die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin vernichtet und ihr damit ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstanden. Umgekehrt ergäben sich im Falle des Erlasses der einstweiligen Anordnung und einer späteren Bestätigung der angegriffenen Norm des LSA-GlüG nur geringfügige Nachteile für das Gemeinwohl.

Durch die Einführung der staatlichen ODDSET-Wette in Sachsen-Anhalt Anfang 2000 sei in der Bevölkerung das Interesse an Sportwetten geweckt worden. Dies habe dazu geführt, dass die Einnahmen aus Pferdesportwetten zurückgegangen und diejenigen aus anderen Sportwetten gestiegen seien. Mittlerweile deckten die Einnahmen aus Pferdewetten nur noch 22 % der Kosten, während sonstige Sportwetten zuletzt 70 % des Umsatzes ausgemacht hätten. Das zeige, dass sie für einen rentablen Betrieb auf die Vermittlung von Sportwetten angewiesen sei und im Falle einer weiteren Unterbindung dieses Geschäftszweiges ihren Betrieb einstellen müsse.

Werde die Geltung des § 13 LSA-GlüG außer Kraft gesetzt, so müsse der Sofortvollzug aufgehoben werden. Dann könne sie vorerst den Betrieb fortführen, der dem Publikum auch bislang zur Verfügung gestanden habe. Deshalb sei ein Schaden für das Gemeinwohl gering, falls später die angegriffene Norm doch bestätigt werde. Im Übrigen bedeute die jetzige Situation auch nicht, dass dem an Sportwetten interessierten Publikum diese nicht zugänglich wären. Es existierten diesbezüglich Anbieter im Internet, die überdies keiner oder einer geringeren Überwachung als sie unterlägen.

Die Antragstellerin habe so lange keinen Anlass für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gehabt, als sie - mit Duldung der Behörden - sonstige Sportwetten vermittelt habe. Erst seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.09.2005 im Verfahren 1 BvR 789/05 drohe ihr nach den Aussagen der Stadt Magdeburg die jederzeitige Zwangsvollstreckung. Danach habe sie versucht, durch die Anrufung der Fachgerichte zum Ziel zu kommen, und, erst als deren Entscheidung nicht absehbar gewesen sei, habe sie sich zur Stellung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung veranlasst gesehen.

Ihr Antrag beziehe sich nur auf sie selbst, so dass aus dem Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung nicht - wie von der Landesregierung behauptet - unmittelbar nachteilige Folgen für die Allgemeinheit erwachsen könnten. Im Übrigen könne offensichtlich illegales Glückspiel auf keinen Fall davon profitieren, sondern allenfalls möglicherweise illegales.

Die Beschwerdeführerin beantragt - wegen besonderer Dringlichkeit im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 31 des Landesverfassungsgerichtsgesetzes - zu beschließen,

dass § 13 Abs. 1 und 7 LSA-GlüG auf die Vermittlung der Beteiligung an Sportwetten zu festen Gewinnquoten durch die Beschwerdeführerin in der Wettannahmestelle …, bis zur Entscheidung in der Hauptsache mit der Maßgabe Anwendung finden, dass als Wettunternehmen im Sinne des § 13 Abs. 7 LSA-GlüG auch die Firmen Wettbüro A., …, sowie B.., Gibraltar, gelten,

hilfsweise,

1. dass § 13 Abs. 1 LSA-GlüG auf die Vermittlung der Beteiligung an Sportwetten zu festen Gewinnquoten der Firmen Wettbüro A., …, sowie B.., Gibraltar, durch die Beschwerdeführerin in der Wettannahmestelle (...) Magdeburg, im Auftrag der genannten Firmen für den Zeitraum von drei Monaten ab Erlass der einstweiligen Anordnung keine Anwendung findet,

2. dass das Ministerium für Inneres des Landes Sachsen-Anhalt der Beschwerdeführerin zur Prüfung der Erlaubnisvoraussetzungen des § 13 Abs. 3 Nr. 3-5 LSA-GlüG einen Kreis von sachlich angemessenen und erforderlichen Erlaubnisvoraussetzungen zum Betrieb der Wettannahmestelle benennt, zu deren Vorliegen sie Informationen und Unterlagen beibringt,

3. dass diese Anordnung erlischt, wenn die Beschwerdeführerin nicht binnen einer Frist von vier Wochen ab Anforderung diese Informationen und Unterlagen beibringt,

4. dass § 13 Abs. 1 LSA-GlüG auf die Vermittlung der Beteiligung an Sportwetten zu festen Gewinnquoten der Firmen Wettbüro A., Berlin, sowie B.., Gibraltar, durch die Beschwerdeführerin in der Wettannahmestelle … im Auftrag der genannten Firmen bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 29.Dezember 2007, keine Anwendung findet, sofern die Beschwerdeführerin eine Bescheinigung des Ministeriums für Inneres des Landes Sachsen-Anhalt beibringt, dass sie die Erlaubnisvoraussetzungen des § 13 Abs. 3 Nrn. 3-5 LSA-GlüG erfüllt.

Die Landesregierung hält die Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung nicht für gegeben; denn die Antragstellerin begehre damit, eine von ihr bisher ausgeübte verbotene Tätigkeit wieder aufnehmen zu dürfen.

Aber auch wenn man einen offenen Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens unterstelle, gehe eine Folgenabwägung zu Lasten der Antragstellerin. Der von ihr dargelegte schwere wirtschaftliche Nachteil sei weder substanziiert dargelegt noch glaubhaft gemacht. Im Übrigen sei nicht zu erkennen, dass er gerade auf der Einführung der Erlaubnispflicht des § 13 Abs. 1 LSA-GlüG oder einer fehlenden Übergangsregelung in dieser Vorschrift beruhe.

Die Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung im jetzigen Zeitpunkt sei nicht erkennbar. Schließlich sei die Tätigkeit der Antragstellerin vor dem In-Kraft-Treten des LSA-GlüG schon aufgrund der §§ 284, 287 StGB, § 14 Lotto-Toto-G-LSA strafbewehrt verboten gewesen und sei es nunmehr eben aufgrund der §§ 284, 287 StGB, § 18 LSA-GlüG. Auch sei sie bereits seit September 2004 behördlich sofort vollziehbar untersagt.

Würde demgegenüber die begehrte einstweilige Anordnung erlassen und erwiese sich das Gesetz später als verfassungsfest, so wäre in der Zwischenzeit der Vollzug sämtlicher entsprechender sicherheitsrechtlicher Untersagungen im Land Sachsen-Anhalt ausgesetzt. Die Tätigkeit illegaler Sportwettenvermittler und -veranstalter - wie auch anderer illegaler Glücksspielanbieter - müsste landesweit geduldet werden. Darüber hinaus müsste Jedermann ein Anspruch zumindest auf vorübergehende Betätigung als Sportwettenvermittler zugestanden werden. Das beinhalte das Risiko des Auftretens unseriöser bis krimineller Anbieter mit allen damit verbundenen Gefahren für das Vermögen der Spielinteressenten.

Eine Wiederherstellung gesetzmäßiger Zustände nach einer Entscheidung im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren oder im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht - 1 BvR 1054/01 - erscheine wenig realistisch, wenn sich erst ein entsprechender Markt etabliert habe.

Eine einstweilige Aussetzung der Erlaubnisnorm im Sinne der Antragstellerin habe auch Auswirkungen auf den Bereich der strafrechtlichen Bekämpfung des Glücksspiels und die damit häufig einher gehenden anderen Straftaten.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt ohne Erfolg.

Nach § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Landesverfassungsgericht - LSA-VerfGG - vom 23.08.1993 (LSA-GVBl., S. 441), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.03.2004 (LSA-GVBl., S. 234), kann das Landesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

Es hat dabei eine Folgenabwägung zu treffen, das heißt, die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung erginge, die Verfassungsbeschwerde aber erfolglos bliebe, mit den Nachteilen abzuwägen, die entständen, wenn die begehrte einstweilige Anordnung nicht erlassen würde, die Verfassungsbeschwerde aber erfolgreich wäre.

Dabei gelten besonders hohe Anforderungen, wenn mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Aussetzung des Vollzuges eines Gesetzes begehrt wird (LVerfG-LSA, Beschl. v. 24.07.2001 - LVG 8/01 -, LVerfGE 12, 387 [391]). Das Landesverfassungsgericht macht - in gleicher Weise wie das Bundesverfassungsgericht - wegen des damit verbundenen erheblichen Eingriffs in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nur mit größter Zurückhaltung von dieser Möglichkeit Gebrauch. Die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Gesetzes vorgetragen werden, haben dabei außer Betracht zu bleiben, wenn sich nicht die Verfassungsbeschwerde von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet darstellt (BVerfG, Urt. v. 13.11.1957 - 1 BvR 78/56 -, BVerfGE 7, 175 [179]).

Die mit einer gesetzlichen Regelung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile Einzelner sind regelmäßig nicht geeignet, die Aussetzung von Normen im Gemeinwohlinteresse zu begründen. Eine Ausnahme kann in dem Fall bestehen, wenn die Gefahr droht, dass ein Gewerbebetrieb durch den Vollzug der angegriffenen Norm, der durch die einstweilige Anordnung ausgesetzt werden soll, schlechthin seiner Existenz beraubt würde, also aufgegeben oder in die Insolvenz geführt werden müsste (BVerfG, Beschl. v. 19.06.1962 - 1 BvR 371/61 -, BVerfGE 14, 153 [153 f]).

Die Antragstellerin hat insoweit einen im Rahmen der Folgenabwägung so erheblichen Nachteil vorgetragen, dass er zum Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung führen könnte.

Die erhobene Verfassungsbeschwerde ist nicht von vornherein unzulässig oder nicht offensichtlich unbegründet. Insbesondere ist sie nicht entgegen § 48 LSA-VerfGG nach Ablauf der Jahresfrist nach In-Kraft-Treten des zur Überprüfung gestellten Landesgesetzes erhoben worden. Auch die Landesregierung räumt ein, dass die Frist in Bezug auf das LSA-GlüG gewahrt ist. Sie beruft sich aber darauf, dass das Landesverfassungsgericht im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darauf abstelle, ob die gerügte Belastung bereits durch eine inhalts- oder wirkungsgleiche Vorgängervorschrift begründet worden sei. Dann komme es auf den Zeitpunkt der materiellen Vorbelastung an. Eine solche sieht sie in den §§ 1, 2, 4, und 14 des Gesetzes über das Zahlenlotto und über Sportwetten im Lande Sachsen-Anhalt vom 16.08.1991 (LSA-GVBl., S. 266) - LSA-Lotto-Toto-G -. Zwar hat das Landesverfassungsgericht bereits entschieden, dass bei Gesetzesänderungen für unverändert gebliebene oder nur zugunsten von Betroffenen geänderte Bestimmungen mangels einer (neuen) belastenden Regelung ab Verkündung des Änderungsgesetzes keine neue Jahresfrist läuft (LVerfG-LSA, Urt. v. 13.07.1999 - LVG 20/97 -, LVerfGE 11, 429 [434 ff]); weil aber eine dem § 13 LSA-GlüG entsprechende Vorschrift über eine Erlaubnispflicht im LSA-Lotto-Toto-G nicht enthalten war, ist vorliegend von einem solchen Fall nicht auszugehen, so dass der Sonderfall einer von vornherein wegen Verfristung unzulässigen Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache nicht gegeben ist.

Der Antrag auf einstweilige Anordnung hat aber weder mit dem Hauptantrag noch mit einem der Hilfsanträge Erfolg, weil ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Lage der Antragstellerin und der angegriffenen Norm, deren Geltung ausgesetzt werden soll, nicht zu erkennen ist.

Die Antragstellerin hat zwar dargelegt, dass sie kurz vor einer Betriebsschließung aus wirtschaftlichen Gründen stehe. Dies soll im Folgenden als richtig unterstellt werden, ohne sich mit den dagegen geführten Angriffen der Landesregierung ausein¬ander zu setzen; denn gleichwohl verhilft es dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zum Erfolg.

Es ist nicht zu erkennen, weshalb dieser Umstand gerade auf die Einführung des § 13 LSA-GlüG zurückzuführen sein soll. Nach den eigenen Darstellungen der Antragstellerin sind die Umsätze im Pferdewettgeschäft im allgemeinen rückläufig, und zwar aufgrund der Gesamtentwicklung in diesem Markt, der durch die mittlerweile bereits seit mehreren Jahren entstandene Konkurrenz beispielsweise zur ODDSET-Sportwette gekennzeichnet ist. Die Antragstellerin hat selbst die Situation dargestellt, dass zwischen ihr und anderen vergleichbaren Wettbüros und -annahmestellen einerseits und den Behörden andererseits - und soweit ersichtlich bundesweit - seit längerem unterschiedliche Rechtsansichten über die Zulässigkeit der Vermittlung von Wetten für Wettbüros mit einer Gewerbeerlaubnis nach dem Recht der DDR und über die Vermittlung von Wetten für im Ausland zugelassene Wettanbieter bestehen (vgl. hierzu auch Horn, NJW 2004, S. 2047 ff.). Demzufolge sind auch in der Vergangenheit Behörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte - zugegebenermaßen mit unterschiedlicher Intensität - hiergegen vorgegangen.

Auch im vorliegenden Fall datiert die Untersagungsverfügung der Stadt C. vom 2. September 2004. Sie liegt also zeitlich vor dem In-Kraft-Treten des LSA-GlüG. Die hiergegen geführten Rechtsmittel der Antragstellerin blieben vor den Verwaltungsgerichten des Landes ohne Erfolg. Denkt man sich die Einführung des Erlaubniserfordernisses nach § 13 LSA-GlüG hinweg, durfte die Antragstellerin keine Sportwetten außerhalb des klassischen Buchmachergeschäftes vermitteln. Auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom heutigen Tag ändert an diesem Ergebnis nichts. Danach dürfen das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten, die von privaten Unternehmen veranstaltet werden, weiterhin bis zum Ablauf der Frist vom 31.12.2007 als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden (http:\\ www.bverfg.de\Entscheidungen\rs20060328 -1 BvR 1054/01, RdNr. 156, 158). Es besteht daher kein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem In-Kraft-Treten der mit der Verfassungsbeschwerde angefochtenen Norm, deren zeitweilige Außerkraftsetzung mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt wird, und der geschilderten Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Antragstellerin, wenn man zugrunde legt, dass sich die Antragstellerin an die geltenden Gesetze hält und lediglich auf dem Rechtswege deren Änderung oder Aufhebung erstrebt, nicht aber dadurch, dass sie sich einfach darüber hinwegsetzt.

Darüber hinaus kommt es für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht nur auf das Vorliegen eines schweren Nachteils an, sondern auch darauf, dass sie zur Abwehr dieses schweren Nachteils dringend geboten ist (BVerfG, Beschl. v. 10.01.2006 - 1 BvR 939/05 -). Die Dringlichkeit bedeutet, dass die angestrebte vorläufige Regelung unaufschiebbar sein muss. Dabei kann eine Dringlichkeit nicht berücksichtigt werden, die von der Antragstellerin mit zu verantworten ist. So ist der Fall aber hier. Die Antragstellerin kann von der Neuregelung durch das LSA-GlüG nicht überrascht worden sein. Die Rechtslage war bereits vorher umstritten. Ihr Geschäftsführer ist verbandspolitisch aktiv und verfolgt demzufolge die Veränderungen der Rechtslage und die Entwicklung der Rechtsprechung nicht nur landes-, sondern auch bundes- und europaweit. Selbst wenn man der Antragstellerin einräumt, dass die endgültig Gesetz gewordene Regelung erst mit der Verabschiedung des Gesetzes feststand, so wurde das LSA-GlüG am 29.12.2004 im Gesetzblatt für das Land Sach¬sen-Anhalt verkündet (LSA-GVBl., S. 845) und trat am 30.12. 2004 in Kraft.

Von den von der inneren Verwaltung ebenso wie von der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes Sachsen-Anhalt danach hierzu eingenommenen Rechtsstandpunkten kann die Antragstellerin nicht überrascht worden sein; denn sie entsprachen den von den Behörden auch bislang schon vertretenen. Dass die Antragstellerin die Verfassungsbeschwerde am 29.12.2005 erhob, also einen Tag vor Ablauf der Frist des § 48 LSA-VerfGG, war ihr unbenommen. Sie kann sich aber angesichts dessen, dass die wirtschaftlichen Folgen des Gesetzes für sie von vornherein deutlich gewesen sein müssen, nach Ablauf eines ganzen Jahres nicht mehr mit dem am 27.01.2006 eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf die nunmehrige Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung berufen. Auch der Sofortvollzug ist sogar schon vor dem In-Kraft-Treten des LSA-GlüG noch unter der Geltung der Rechtslage nach den Lotto-Toto-G-LSA angeordnet worden und hätte jederzeit auch eher angeordnet werden können. Außerdem ist dadurch, dass eine Zeit lang der Vollzug offenbar nicht konsequent umgesetzt worden ist, im Rechtssinn kein zu schützender Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Sie hat darüber hinaus auch erst im Oktober 2005 einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 13 Abs. 1 LSA-GlüG gestellt.

Der Antrag bleibt aus diesen Gründen ohne Erfolg, ohne dass auf die übrigen von der Antragstellerin und der Landesregierung vorgebrachten Gesichtspunkte noch eingegangen werden müsste. Insbesondere bedarf es auch keiner Erörterung, ob der Antragstellerin darin zu folgen wäre, dass eine einstweilige Anordnung der von ihr begehrten Art die Behörden zur Aufhebung des ausgesprochenen Sofortvollzuges aufgrund der Ausführungen im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.04.2005 - 1 BvR 223/05 - (NVwZ 2005, S. 1304 f.) veranlassen müsste.

Die Entscheidung über die Gerichts- und außergerichtlichen Kosten ergibt sich aus § 32 LVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 31 Abs. 3 S. 2 LSA-VerfGG).