Länder müssen Mindestmaß an Konsistenz zwischen Ziel der Bekämpfung der Wettsucht und dem staatlich verantworteten Wettangebot herstellen
Leitsatz
1. Der Sofortvollzug einer Untersagungsverfügung gegenüber einem privaten Vermittler von Sportwetten ist rechtswidrig, so lange das Land selbst sich nicht um die Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Sportwetten-Urteil bemüht.
2. Dies erfordert z.B. dass auch das staatliche bzw. staatlich konzessionierte Glücksspiel-Angebot nicht über eine sachliche Information hinaus beworben wird. Eine entsprechende Verfügung an das staatlich konzessionierte Unternehmen, die ihrerseits erst des Vollzugs bedarf, ist hierzu nicht ausreichend.
Sachverhalt
Ein privater Vermittler von Sportwetten in Rheinland-Pfalz wendete sich mit einer Verfassungsbeschwerde gegen den Sofortvollzug einer Untersagungsverfügung vom 30. Juni 2006. Er sah in den landesrechtlichen Regelungen zur Vermittlung von Glücksspielen einen Eingriff in seine Berufsfreiheit.
Das Land habe die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Neuregelung des Glücksspielrechts nicht ausreichend umgesetzt. U.a. sei die Werbung für das Angebot des einzig zugelassenen Anbieters, der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH, nicht auf sachliche Information beschränkt. Aus diesem Grund sei es unzumutbar, dass weiteren Anbietern die Tätigkeit der Vermittlung von Sportwetten untersagt werde.
Das Land berief sich auf einen Auflagenbescheid gegenüber der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH, durch den dem zugelassenen Anbieter umfangreiche Einschränkungen des Wettangebots, des Vertriebs und der Werbung sowie Maßnahmen zur Suchtprävention auferlegt wurden.
Entscheidungsgründe
Das Gericht brachte zum Ausdruck, dass die Monopolisierung des Wettangebots auf einen einzelnen - wenn auch nicht staatlichen - Anbieter grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Durch diese Entscheidung des Landesgesetzgebers könne die Glücksspielsucht wirksam bekämpft werden.
Jedoch setze der Ausschluss weiterer Anbieter voraus, dass das Land sich um ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen Ziel der Bekämpfung der Wettsucht und dem staatlich verantworteten Wettangebot bemühe. Die im Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem März 2006 aufgestellten Leitlinien erforderten, dass die Länder bereits in der Übergangszeit der Änderung ihrer landesrechtlichen Regelungen des Glücksspielangebots einen "ersten Schritt" zur Umgestaltung ihres Wettangebots umsetzten. Dazu gehöre u.a. das Unterlassen der Erweiterung des Wettangebots sowie einer Werbung, die über die sachliche Information hinausgehe und gezielt zur Teilnahme auffordere. Zudem müsse eine aktive Aufklärung über die Gefahren des Glücksspiels erfolgen. Erfülle das Land diese Anforderungen nicht, dürfe es auch keine Untersagungsverfügungen aussprechen.
Den Auflagenbescheid des Landes Rheinland-Pfalz gegenüber der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH sah das Bundesverfassungsgericht nicht als ausreichend an. Er sei seinerseits umsetzungsbedürftig. Durch den Bescheid selbst trete keine Verbesserung der Bekämpfung der Glücksspielsucht ein. Das erforderliche Mindestmaß an Konsistenz sei damit noch nicht hergestellt.