Jackpots und die neue SpielVO

Verwaltungsgericht Wuerzburg

Beschluss v. 07.03.2006 - Az.: W 5 S 06.162

Leitsatz

1. Das Verbot des § 9 Abs.2 SpielVO ist umfassend zu verstehen und verbietet jede Form der zusätzlichen Gewinnchance oder sonstigen finanziellen Vergünstigungen. Die Norm differenziert nicht zwischen Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit.

2. Die Ungleichbehandlung der Branche der Geräte-Aufsteller in Verhältnis zu anderen Wirtschaftsunternehmen rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass sich diese Branche gewerbsmäßig mit dem Spiel als solchem befasst, während bei den anderen Wirtschaftsunternehmen mit der Durchführung eines Gewinnspiels in aller Regel dieses beendet ist.

Tenor

In der Verwaltungsstreitsache (...) erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg, 5. Kammer (...) folgenden Beschluss:

I. Der Antrag wird abgewiesen.

II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Sachverhalt

(vgl. Entscheidungsgründe)

Entscheidungsgründe

I.

1.

Mit Bescheiden vom 20. Januar 2006 untersagte das Landratsamt Miltenberg den Antragstellern unter Anordnung des sofortigen Vollzugs (Nr. III) und Zwangsgeldandrohung (Nr. IV) den Betrieb der beiden "3er Jackpot-Anlagen" der (...) in den beiden Spielhallen in (...), mit sofortiger Wirkung (Nr. I) und verpflichtete die Antragsteller, die Jackpot-Anlagen innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Anordnung aus den Spielhallen zu entfernen (Nr. II).

Zur Begründung wurde ausgeführt, bei einer Überprüfung der beiden Spielhallen sei festgestellt worden, dass in jeder Spielhalle je eine Jackpot-Anlage in Betrieb gewesen sei. Nach § 9 Abs. 2 SpielV sei es dem Aufsteller eines Spielgeräts oder dem Veranstalter eines anderen Spiels verboten, dem Spieler neben der Ausgabe von Gewinnen über gemäß §§ 33c oder 33d GewO zugelassene Spielgeräte oder andere Spiele hinaus sonstige Gewinnchancen in Aussicht zu stellen und Zahlungen oder finanzielle Vergünstigungen zu gewähren. Die Jackpot-Anlagen seien weder nach § 33c Abs. 1 GewO zugelassene Spielgeräte noch nach § 33d Abs. 1 GewO erlaubte andere Spiele, so dass sie zweifelsfrei diesem Verbot unterfielen.

Ein Verstoß gegen § 9 Abs. 2 SpielV verwirkliche nach § 19 Abs. 1 Nr. 8a SpielV den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit, die nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 GewO mit einer Geldbuße bis zu einer Höhe von 2.500,00 EUR geahndet werden könne. Da die Antragsteller trotz Hinweises auf die Verbotswidrigkeit ihres Handels bekundet hätten, dieses nicht zu unterlassen, bestehe die Notwendigkeit, die Fortsetzung der Ordnungswidrigkeit durch sicherheitsbehördliche Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG zu unterbinden. Das dabei der Sicherheitsbehörde eingeräumte pflichtgemäße Ermessen werde weitgehend reduziert, da eine andere Möglichkeit der Unterbindung der Ordnungswidrigkeit nicht gegeben sei und die Antragsteller Hinweisen auf die Verbotswidrigkeit ihres Tuns nicht Folge geleistet hätten.

Auf die weitere Begründung der Bescheide, die den Antragstellern am 24. bzw. 26. Januar 2006 gegen Zustellungsurkunde zugestellt worden sind und gegen die die Antragsteller am 30. Januar 2006 Widerspruch einlegen ließen, wird - ebenso wie auf die Widerspruchsbegründung - Bezug genommen.

2.

Am 15. Februar 2006 ließen die Antragsteller bei Gericht beantragen, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Bescheide des Landratsamtes Miltenberg vom 20. Januar 2006 wiederherzustellen.

Zur Begründung wurde vorgetragen, in den Spielhallen werde zu Werbezwecken über eine so genannte "Jackpot-Anlage" ein kostenloses Gewinnspiel veranstaltet. Eine Gewinnchance habe jeder Kunde, der den Zeitpunkt der Auslösung entweder durch Betätigen einer Kundentaste oder durch Einsendung einer Postkarte richtig getippt habe. Die Teilnahme sei unabhängig davon, ob der Kunde an einem Spielgerät spiele oder nicht. Die mithin durchgeführte kostenlose Verlosung verstoße nicht gegen § 9 SpielV. Diese Vorschrift verbiete nur die Gewährung zusätzlicher Vergünstigungen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Spielgeräte, nicht aber reine Marketingmaßnahmen, wie sie die Antragsteller durchführten. Bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergebe sich, dass die In-Aussicht-Stellung sonstiger Gewinnchancen als zusätzlicher Gewinnanreiz im Zusammenhang mit der Benutzung der Spielgeräte untersagt werden solle.

Der Verordnungsgeber habe die bis dahin weit verbreiteten Jackpot-Anlagen untersagen wollen, bei denen durch die Benutzung der Spielgeräte zusätzlich die Chance auf den Gewinn eines Jackpots geboten worden sei. Nicht aber richte sich die Vorschrift gegen kostenlose Verlosungen, wie sie in allen Wirtschaftsbranchen zum Zwecke der Kundenbindung betrieben würden und bei denen die Teilnahme weder direkt noch indirekt einen Einsatz erfordere. Der Verordnungsgeber habe mit dem neuen § 9 Abs. 2 SpielV vielmehr auf Jackpot-Systeme reagiert, die mit Spielgeräten vernetzt gewesen seien. Diese hätten dem Kunden die Möglichkeit gegeben, neben den Gewinnen an den Geldspielgeräten weitere Gewinne durch die Teilnahme an einer Jackpot-Ausspielung zu erhalten, wobei die Wahrscheinlichkeit eines Gewinns davon abhängig gewesen sei, dass die Geräte entgeltlich bespielt worden seien. Um ein solchermaßen gekoppeltes System handele es sich vorliegend aber gerade nicht. Die Veranstaltung rein kostenloser Gewinnspiele werde durch die gewerbe- und spielrechtlichen Vorschriften in keiner Weise eingeschränkt. Ein solches Verbot wäre auch weder mit der Ermächtigungsgrundlage in § 33f GewO noch mit dem Grundsatz der Berufsfreiheit in Art. 12 GG vereinbar.

Auf die weitere Antragsbegründung wird Bezug genommen.

Demgegenüber beantragte das Landratsamt Miltenberg als Vertreter des Antragsgegners, den Antrag abzuweisen.

Zur Begründung des Abweisungsantrages wurde ausgeführt, mit der zum 1. Januar 2006 in Kraft getretenen 5. Verordnung zur Änderung der Spielverordnung sei in § 9 Abs. 2 SpielV ein Verbot weitergehender Gewinnofferten eingeführt worden. Das Verbot gelte ausweislich der Begründung der Vorschrift unabhängig vom einzelnen Spiel im Verhältnis zwischen dem Aufsteller eines Spielgerätes oder Veranstalter eines anderen Spiels und dem Spieler.

Der Gesetzgeber habe durch § 9 Abs. 2 SpielV dem kostenlosen Spiel im Rahmen eines Spielbetriebes gerade spielrechtliche Relevanz beigemessen. Beim kostenlosen Spiel am Jackpot i.S.v. § 9 Abs. 2 SpielV fehle es auch nicht etwa an der Gewerbsmäßigkeit. Ursache der Leistung sei keine Wohltätigkeit des Gewerbetreibenden, sondern die Erwartung einer Gewinnsteigerung durch die Maßnahme. Das Verbot des § 9 Abs. 2 SpielV sei umfassend. Verboten werde das In-Aussicht-Stellen von sonstigen Gewinnchancen, unabhängig davon, in welcher Form dies geschehe.

Im Übrigen ergebe sich aus der Formulierung des § 9 Abs. 2 SpielV weder eine Beschränkung auf unentgeltliche Spielsysteme noch auf entgeltliche. Die Automatenbranche unterscheide sich von anderen Branchen, wie etwa dem Einzelhandel, dadurch, dass es bei ihr um das Spiel als solches gehe. Beim Einzelhandel sei mit der Teilnahme an der Verlosung das Spiel beendet, in der Spielhalle hingegen bestehe aufgrund der weiteren Spielmöglichkeiten die konkrete Gefahr einer Fortsetzung des Spiels. Der Schutz des Spielers rechtfertige vor dem Hintergrund der Gefahren gesteigerter Spielanreize und des damit einhergehenden Suchtpotenzials das Verbot der Jackpot-Systeme und den mit ihm verbundenen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung hinreichend.

Auf die weitere Begründung des Abweisungsantrages wird Bezug genommen.

3.

Die einschlägigen Behördenakten lagen dem Gericht vor.

II.

1.

Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.

2.

Nach § 80 Abs. 1 VwGO besitzen Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese Wirkung entfällt nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO dann, wenn die sofortige Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes im öffentlichen oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, angeordnet wird.

In einem solchen Fall kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat dann Erfolg, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht oder wenn triftige private Gründe des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung ein gleichwohl vorhandenes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegen.

Auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache kommt es nicht entscheidungserheblich an. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der sichere Erfolg oder die Aussichtslosigkeit des erhobenen Rechtsbehelfs klar zu Tage tritt. Es liegt nämlich weder im öffentlichen Interesse, dass ein offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakt sofort vollzogen wird, noch, dass ein offensichtlich unzulässiges oder unbegründetes Rechtsmittel den sofortigen Vollzug verhindert.

Eine summarische Prüfung der Streitsache durch das Gericht führt zu dem Ergebnis, dass der von den Antragstellern eingelegte Rechtsbehelf in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird und den Antragstellern auch kein schützenswertes Interesse an der weiteren Ausübung einer illegalen Tätigkeit zusteht, mithin das öffentliche Interesse an der sofortigen Einstellung der untersagten Tätigkeit und damit das Vollzugsinteresse die Interessen der Antragsteller überwiegt.

Die im streitgegenständlichen Bescheid enthaltene Begründung des Sofortvollzugs entspricht ersichtlich den Anforderungen an § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

Die Anordnungen der Bescheide sind bei summarischer Prüfung rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 9 Abs. 2 SpielV darf der Aufsteller eines Spielgerätes oder Veranstalter eines anderen Spiels dem Spieler neben der Ausgabe von Gewinnen über gemäß den §§ 33c und 33d der GewO zugelassene Spielgeräte oder andere Spiele keine sonstigen Gewinnchancen in Aussicht stellen und keine Zahlungen oder sonstige finanziellen Vergünstigungen gewähren.

Gegen diese Vorgaben verstoßen die von den Antragstellern betriebenen Jackpot-Anlagen.

Dass es sich dabei um unvernetzte, von der Benutzung der Spielgeräte entkoppelte Anlagen handelt, spielt keine Rolle. Bereits aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 SpielV ergibt sich ein umfassendes Verbot der In-Aussicht-Stellung sonstiger Gewinnchancen und der Gewährung von Zahlungen oder sonstigen finanziellen Vergünstigungen.

Die Regelung differenziert weder nach Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit noch nach Koppelung des zusätzlichen Gewinnspiels mit einem Spielgerät oder anderem Spiel und einer entsprechenden Entkoppelung.

Auch aus dem Gesetzgebungsverfahren ergibt sich nichts anderes. So begründen bereits die "Empfehlungen der Ausschüsse" (Wirtschaftsausschuss, Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik, Finanzausschuss und Ausschuss für Innere Angelegenheiten) des Bundesrats vom 4. Oktober 2005 (Bundesrat Drs. 655/1/05) die Neuregelung damit, dass mit dem neu eingefügten § 9 Abs. 2 SpielV "sämtliche Zahlungen und Vergünstigungen" verboten werden, die neben der Ausgabe von Gewinnen über zugelassene Spielgeräte oder andere Spiele gewährt werden (a.a.O., S. 5 unten).

Es ist auch nicht zutreffend, dass die Regelung ausschließlich mit den Spielgeräten vernetzte Jackpot-Anlagen unterbinden wollte. Vielmehr stellen die Bundesrats-Ausschüsse in ihren Empfehlungen fest, das Verbot gelte unabhängig vom einzelnen Spiel im Verhältnis Aufsteller-Spieler. Das Verbot betreffe "vor allem" die so genannten Jackpots, die in jüngster Zeit verstärkt Verwendung fänden. Jackpots und ähnliche Sonderzahlungen seien - unabhängig von der jeweiligen formalrechtlichen Ausgestaltung - im Hinblick auf die gesteigerten Spielanreize und das damit verbundene erhöhte Suchtpotenzial höchst bedenklich. Durch das Verbot werde "auch" missbräuchlichen Gestaltungen der Boden entzogen, bei denen entgegen dem Grundsatz der zufälligen Entscheidung der Jackpot an nach bestimmten Kriterien oder gar ad hoc ausgewählte Spieler (so genannte Topspieler) ausgeschüttet werde (a.a.O., S. 5 unten und 6 oben). Daraus folgt, dass die Ausschüsse des Bundesrats bei der vorgeschlagenen Einfügung des § 9 Abs. 2 SpielV jede Art zusätzlicher InAussicht-Stellung weiterer Gewinnchancen sowie jede zusätzliche Zahlung oder sonstige finanzielle Vergünstigung im Auge hatten.

Auch der Antrag des Freistaates Bayern vom 12. Oktober 2005 (Bundesrat Drs. 655/2/05 v. 12.10.2005) enthält eine insoweit inhaltsgleiche Begründung. Mit dieser Begründung wurde schließlich auch der Zustimmungsbeschluss des Bundesrates vom 14. Oktober 2005 gefasst (Bundesrat Drs. 655/05).

Dass die Branche der Antragsteller im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsunternehmen durch die Regelung des § 9 Abs. 2 SpielV abweichend behandelt wird, rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass sich die Branche der Antragsteller gewerbsmäßig mit dem Spiel als solchem befasst. Wie das Landratsamt Miltenberg in seiner Stellungnahme vom 17. Februar 2006 zu Recht vorträgt, ist etwa bei Durchführung eines Gewinnspiels im Einzelhandel mit der Teilnahme an der Verlosung das Spiel beendet.

Die von der Spielhallenbranche durchgeführten und zusätzlichen Gewinnspiele sollen aber gerade darin münden, dass in der Spielhalle "weiter" gespielt wird. Es scheint durchaus sachgerecht, zum Schutz des Spielers und zur Verhinderung der Gefahr gesteigerter Spielanreize das Spiel als Werbemittel für die Durchführung weiterer, dann kostenpflichtiger Spiele zu untersagen.

Ein grundrechtsrelevanter, nicht gerechtfertigter Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit ist nicht zu erkennen. § 9 Abs. 2 SpielV findet in der vom Antragsgegner vorgenommenen Auslegung auch eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage in § 33f GewO.

Da der Verstoß gegen das Verbot des § 9 Abs. 2 SpielV den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 19 Abs. 1 Nr. 8a SpielV verwirklicht, konnte das Landratsamt Miltenberg zur Verhütung und Unterbindung dieser Ordnungswidrigkeit gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG den Betrieb der betroffenen Jackpot-Anlagen untersagen. Auch die den Antragstellern auferlegte Entfernung der Anlagen aus den Spielhallen ist durch Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG gedeckt.

Nach alledem war der Antrag insgesamt abzuweisen.

3.

Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwert: § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

In Ermangelung näherer Anhaltspunkte zum wirtschaftlichen Interesse der Antragsteller am Weiterbetrieb der untersagten Jackpot-Anlagen geht die erkennende Kammer für das Hauptsacheverfahren von einem Streitwert von 10.000,00 EUR aus (doppelter Regelstreitwert, weil die Antragsteller nach Aktenlage zwei Jackpot-Anlagen in zwei Spielhallen betreiben, der Betrieb beider Anlagen wurde vorliegend untersagt).

Für das vorliegende Sofortverfahren war der Streitwert des Hauptsacheverfahrens zu halbieren.