Haustürgeschäft bei durch Gewinnbenachrichtigung beeinflussten Vertrag
Leitsatz
1. Übersendet ein Unternehmer einem Verbraucher einen Gewinngutschein über ein Probetraining in einem Fitness-Studio und schließt dann der Verbraucher im Rahmen
dieses Probetrainings einen Fitness-Vertrag ab, handelt es sich um ein Haustürgeschäft iSd. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB dar.
2. Dem Verbraucher steht in einem solchen Fall also das gesetzliche Widerrufsrecht zu.
Tenor
In dem Rechtsstreit (…) gegen (…)
Die 6. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht …, die Richterin am Landgericht … und die Richterin … für Recht erkannt:
1.) Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19.12.2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Koblenz abgeändert und die Klage abgewiesen.
2.) Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Sachverhalt
Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung von Beiträgen aus dem Vertrag vom 28.09.2004 über die Mitgliedschaft in dem von ihm betriebenen Fitnessstudio in Höhe von 1.011,00 Euro.
Mit am 19.12.2006 verkündetem Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, hat das Amtsgericht der Klage mit der Begründung stattgegeben, der Widerruf des Rechtsgeschäfts durch die Beklagte sei unwirksam, da ihr ein Widerrufsrecht mangels Vorliegens eines Haustürgeschäfts nicht zustehe.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie beantragt unter Aufhebung des Urteils Klageabweisung.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Beiträge aus dem Vertrag über die Mitgliedschaft in seinem Fitnessstudio.
Die Beklagte hat den Vertrag vom 28.09.2004 mit ihrem Schreiben gleichen Datums gegenüber dem Kläger wirksam widerrufen. Ihr steht gemäß §§ 355, 357, 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB ein gesetzliches Widerrufsrecht zu.
Die Beklagte erhielt im September 2004 eine "Gewinnbenachrichtigung" des Klägers nebst Gutschein für ein Probetraining per Post zugesandt, obwohl sie zuvor an keinem Gewinnspiel teilgenommen hatte. Sie vereinbarte daraufhin einen Termin zum Probetraining. Angesichts dieses unstreitigen Sachverhalts steht fest, dass die Beklagte das Fitnessstudio allein zur Inanspruchnahme des Probetrainings aufsuchte. Eine andere Motivation der Beklagten, wie nunmehr vom Kläger behauptet, ist fernliegend.
Der dann bereits am ersten Tag des Probetrainings geschlossene Vertrag über eine Mitgliedschaft mit einer Laufzeit von 24 Monaten stellt ein Haustürgeschäft gemäß § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB dar. Es handelt sich bei der Durchführung eines gewonnenen Probetrainings in einem Fitnessstudio um eine vom Unternehmer durchgeführte Freizeitveranstaltung. Dies gilt auch dann, wenn die Termine zur Inanspruchnahme des Trainings auf Initiative des Kunden mit dem betreffenden Fitnessstudio vereinbart wurden.
Eine Freizeitveranstaltung liegt dann vor, wenn das Freizeit- und das Verkaufsangebot derart miteinander verwoben sind, dass der Kunde in eine freizeitlich unbeschwerte Stimmung versetzt wird und sich dem auf den Vertragsschluss gerichteten Angebot nur schwer entziehen kann, sei es aufgrund der örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten, aufgrund eines Gruppenzwangs oder aufgrund empfundener Dankbarkeit für das Unterhaltungsangebot (BGH NJW 2002, 3100; NJW 2004, 362; Palandt-Grüneberg, BGB, 66. Aufl., § 312 Rn. 16; Jauernig-Stadler, BGB, 12. Aufl., § 312 Rn. 11).
Erfasst werden auch Veranstaltungen, die in den Geschäftsräumen des Unternehmers stattfinden (BGH NJW-RR 91, 1524). Das Freizeiterlebnis muss aber auf Grund der Ankündigung der Veranstaltung im Vordergrund stehen (OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 1269; Münchener Kommentar- Masuch, BGB, 5. Aufl., § 312 Rn. 45).
Zur näheren Bestimmung des legal nicht definierten Begriffs der Freizeitveranstaltung ist auch ein Rückgriff auf den Sinn und Zweck der Vorschrift im Rahmen der Zielsetzung des Gesetzes im Ganzen angebracht. Die Vorschrift über Haustürgeschäfte dient dem Schutz des Verbrauchers vor der Gefahr, in bestimmten typischen Situationen bei der Anbahnung und dem Abschluss von Verträgen unter Beeinträchtigung der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit überrumpelt oder sonst auf unzulässige Weise zu unüberlegten Geschäftsabschlüssen gedrängt zu werden (BGH NJW 1990, 3265; OLG Karlsruhe NJW-RR 1997, 433; KG Berlin NJW-RR 1994, 951).
Dem Verbraucher soll die Möglichkeit gegeben werden, Vor- und Nachteile eines Geschäfts nochmals in Ruhe zu überdenken, weil insbesondere Preis- und Qualitätsvergleiche bei Veranstaltungen der vom Gesetz ins Auge gefassten Art, bei denen der eigentliche Geschäftszweck hinter der freizeitlichen Stimmung zurücktritt, praktisch nicht möglich sind (OLG Karlsruhe aaO; KG Berlin aaO). Entscheidend ist dabei auch, ob der Teilnahmeentschluss des Kunden von der Vorstellung einer Freizeitveranstaltung geprägt ist oder ob er von vornherein den Hauptzweck der Veranstaltung in einer Verkaufstätigkeit sieht (KG Berlin aaO).
In diesem Sinne sind insbesondere auch sogenannte "Gewinnabholungsveranstaltungen", bei denen dem ahnungslosen Kunden vorgespiegelt wird, es gehe lediglich unverbindlich um die Abholung eines Gewinns, grundsätzlich als Freizeitveranstaltungen einzustufen (OLG Karlsruhe aaO). Auch hier wird die Vertragsabschlussbereitschaft des Verbrauchers durch eine gelockerte Atmosphäre gefördert. Der Verbraucher wird so unter psychologischem Druck dazu bewogen, Leistungen zu erwerben, die er eigentlich nicht erwerben wollte (Staudinger-Thüsing, BGB, Neubearbeitung 2005, § 312 Rn. 96).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sieht die Kammer die Umstände, unter denen die Beklagte den Vertrag über die Mitgliedschaft unterzeichnete, als Freizeitveranstaltung an. Die Beklagte vereinbarte aufgrund der ihr zugesandten Gewinnbenachrichtigung nebst Gutschein für ein kostenloses Probetraining entsprechend der Aufforderung im Schreiben einen ersten Trainingstermin. Das Training in einem Fitnessstudio findet üblicherweise im Rahmen der Freizeit der Kunden statt. Die Tatsache, dass in einem Fitnessclub auch krankengymnastische Kurse angeboten werden, welche gegebenenfalls durch die Krankenkasse gefördert werden, ändert hieran nichts.
Es ist daher nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die Beklagte das Studio in ihrer Freizeit betrat und sich daher bereits in einer freizeitlichen Stimmung befand. Auch musste sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit "Verkaufstätigkeiten" des Klägers rechnen. In Anbetracht des Gewinns über ein siebentägiges Probetraining durfte sie davon ausgehen, sich in dieser Zeit zunächst ein Bild über das Studio, die dort herrschende Atmosphäre und die Trainingsbedingungen machen zu können.
Insbesondere war der Beklagten zuzugestehen, bei dieser Gelegenheit zu testen, ob sie aufgrund ihrer körperlichen Konstitution überhaupt in der Lage war, das Training an den Geräten zu bewältigen und ob ihr diese Art der sportlichen Betätigung überhaupt Spaß bereitet. Stattdessen fand bereits am Tag des Ersttrainings eine Beratung der Beklagten über die Mitgliedschaft statt, welche sie veranlasste, noch im Studio den entsprechenden Vertrag zu unterschreiben. Aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem ersten Probetraining und dem Vertragsabschluss schon zu diesem Zeitpunkt ergibt sich, dass der Kläger die Beklagte, die zunächst die Möglichkeiten des Fitnessstudios ausprobieren wollte, mit dem schriftlichen Vertrag überraschend konfrontierte.
Er hat sie durch die Gewinnmitteilung in sein Studio gelockt und ihr die Unverbindlichkeit des Besuchs vermittelt. Tatsächlich ging es dem Kläger darum, die ahnungslose Beklagte, die ihren Gewinn abholen wollte, entsprechend der verschleierten Zielrichtung seines Vorgehens zum Abschluss des Vertrages zu überreden. Bei der Gewinnabholungsveranstaltung mit siebentägigem Probetraining handelt es sich daher nach der Zielrichtung um ein Haustürgeschäft im Sinne von § 312 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
Unerheblich ist dabei, dass die Beklagte den Vertrag freiwillig unterzeichnete, denn Haustürgeschäfte zeichnen sich typischerweise dadurch aus, dass der Kunde gerade nicht zum Vertragsschluss gezwungen wird. Dennoch wird durch die gesamte Situation ein gewisser Druck aufgebaut, der letztlich ein genaues Reflektieren über die Folgen eines Vertragsschlusses für den Kunden unmöglich macht (Staudinger-Thüsing, Rn. 95). Gerade bei - wie hier - eingehender Beratung wird der Kunde geschickt dazu veranlasst, letztlich auch aus Dankbarkeit oder um den Verkäufer nicht zu enttäuschen, einen Vertrag zu unterzeichnen.
Im vorliegenden Fall wird der Druck, sich durch Vertragsunterzeichnung gewissermaßen erkenntlich zu zeigen, durch das gewonnene Probetraining beziehungsweise das großzügige Angebot, die Geräte sieben Tage kostenlos in Anspruch nehmen zu dürfen, noch zusätzlich erhöht. Dass die Beklagte den Vertrag letztlich unterschrieb, ohne zuvor in Ruhe die Vor- und Nachteile einer derartigen Mitgliedschaft abzuwägen, macht auch der noch am selben Tag erfolgte Widerruf deutlich.
Auch die erforderliche Kausalität zwischen der Freizeitveranstaltung und der Abgabe der Willenserklärung ist gegeben. Die Kausalität der Veranstaltungsteilnahme für die Erklärungsabgabe ist nämlich dann zu bejahen, wenn die durch die Freizeitveranstaltung geschaffene besondere Stimmung bei Vertragsschluss noch bestanden oder fortgewirkt hat (OLG Saarbrücken NJW 1995, 141; Bamberger/Roth-Ann, BGB, Stand 01.02.2007, § 312 Rn. 19). Hierfür spricht zugunsten der Beklagten aufgrund des engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs bereits der Anscheinsbeweis.
Die weiteren Voraussetzungen des § 312 Abs. 2 BGB liegen vor.
Der Widerruf der Beklagten erfolgte form- und fristgerecht. Die Rückgewähr von Leistungen beziehungsweise die Herausgabe gezogener Nutzungen nach §§ 357, 346 BGB ist nicht erforderlich. Der Kläger hat keine Leistungen erhalten, die Beklagte hat keine Gebrauchsvorteile erlangt.
Nach alldem war der Berufung vollumfänglich stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.011,00 Euro festgesetzt.