Fun Games und die neue SpielVO

Verwaltungsgericht Neustadt

Beschluss v. 08.03.2006 - Az.: 4 L 180/06.NW

Leitsatz

Durch die nachträgliche technische Veränderung eines (ursprünglich) gemäß § 33 c GewO zulassungspflichtigen Spielgeräts entfällt seine formelle Zulassungspflichtigkeit nicht.

Anmerkung



Bestätigt durch die Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalnz, Beschl. v. 08.05.2006 - Az.: 6 B 10359/06.OVG

 

Tenor

In dem Verwaltungsrechtsstreit (...) hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße (...) beschlossen:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Sachverhalt

(vgl. Entscheidungsgründe)

Entscheidungsgründe

Der Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2006 ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO statthaft und auch ansonsten zulässig. Insbesondere sind die Antragsteller antragsbefugt.

Für die Antragstellerin zu 2) ergibt sich die Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO bereits daraus, dass sie Adressatin eines sie belastenden Verwaltungsakts ist. Der Antragsteller zu 1) ist ebenfalls antragsbefugt. Zwar ist die Ordnungsverfügung nicht an ihn, sondern an die Antragstellerin zu 2) als Aufsteller und Betreiber der streitgegenständlichen Spielgeräte gerichtet. Dies schließt das Anfechtungsrecht des Antragstellers zu 1) jedoch nicht aus. Anfechtungsberechtigt ist auch ein Dritter, wenn er durch den an den Adressaten gerichteten Verwaltungsakt möglicherweise in seinen Rechten verletzt wird. Dies ist hier nicht auszuschließen. Denn der Antragsteller zu 1) erleidet als Betreiber der Gaststätte (...) in Germersheim, in der die Antragstellerin zu 2) die Spielgeräte gegen Zahlung einer Miete aufgestellt hat, infolge der Ordnungsverfügung einen finanziellen Schaden durch die Nichtnutzung der Geräte.

In der Sache ist der Antrag jedoch unbegründet.

Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die Antragsgegnerin hat diese Vorschrift beachtet. Sie hat die sofortige Vollziehung mit dem Schutz der Spieler vor zu hohen, übermäßigen Verlusten durch das Bespielen von Fun Games und der damit verbundenen Gewinnerwartung als besonderes öffentliches Interesse begründet. Ferner hat sie auf die Gefahr für die Allgemeinheit hingewiesen, die durch die Aufstellung nicht Bauart zugelassener Gewinnspielgeräte entstehen. Damit liegt eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte, substantiierte und nicht lediglich formelhafte Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vor.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch in materieller Hinsicht gerechtfertigt.

Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene Überprüfung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen.

Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht (vgl. BVerfG, NVwZ 2005, 1053; OVG Schleswig-Holstein, GewArch 2005, 37; Hess. VGH, NVwZ-RR 2004, 32; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. Mai 2000 - 10 B 10645/00.OVG - ; OVG Thüringen, NVwZ 2002, 231).

Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, sind die sonstigen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen und dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist stattzugeben, wenn das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs nicht überwiegt.

Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung das Interesse der Antragsteller, von der Untersagung des Betriebs der Fun Games Spielgeräte („Magic Games“ von dem Hersteller (...)) in der Gaststätte des Antragstellers zu 1) bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens verschont zu bleiben. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ergibt sich daraus, dass der angefochtene Bescheid offensichtlich rechtmäßig ist und mit der Untersagung nicht bis zur Bestandskraft des Bescheids, dessen Eintritt noch nicht abzusehen ist, abgewartet werden kann.

Verfahrensrechtliche Bedenken gegen die Verfügung vom 25. Januar 2006 bestehen nicht. Insbesondere war die Antragsgegnerin gemäß § 1 Ziffer 1 der Landesverordnung über Zuständigkeiten im Gewerberecht sowie § 1 der Gaststättenverordnung für den Erlass der Verfügung zuständig.

Auch in der Sache selbst ist der angefochtene Bescheid offensichtlich rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Anordnung der Antragsgegnerin an die Antragstellerin zu 2), in der Gaststätte des Antragstellers zu 1) es zu unterlassen, sämtliche Spielgeräte mit Abgabe von Token sowie die Token-Manager samt den Chipkartensystemen, mit denen der Einsatz zurück gewonnen werden kann (sog. Fun Games), zu betreiben und weitere Spielgeräte aufzustellen, ist nach Auffassung der Kammer die über § 31 GastG entsprechend anwendbare Vorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO (vgl. auch Hess. VGH, GewArch 2005, 255 ; Bay. VGH, GewArch 2005, 119; VG Sigmaringen, Urteil vom 21. September 2005 - 1 K 1650/04 -; VG Neustadt, NVwZ 1993, 98; der VGH Baden-Württemberg, GewArch 2003, 248 sieht dagegen § 33 c Abs. 1 Satz 3 GewO i. V. m. der polizeilichen Generalklausel als Rechtsgrundlage an).

Danach kann die Fortsetzung des Betriebes von der zuständigen Behörde verhindert werden, soweit ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis erforderlich ist, ohne diese Erlaubnis betrieben wird. Die Kammer favorisiert die analoge Anwendung des § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO, weil diese Bestimmung die Verhinderung eines genehmigungsbedürftigen, aber nicht genehmigten Handelns ermöglicht. Zwar besitzt die Antragstellerin zu 2) die erforderliche Genehmigung zum Aufstellen von Spielgeräten im Sinne des § 33 c Abs. 1 GewO und damit die für ihr Gewerbe erforderliche Erlaubnis, so dass § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO nicht unmittelbar einschlägig ist. Jedoch erfordert auch die Aufstellung eines einzelnen Spielgeräts mit Gewinnmöglichkeit das Vorliegen einer Erlaubnis der zuständigen Behörde sowie die Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Werden einzelne Spielgeräte aber ohne die erforderliche Erlaubnis betrieben, so entspricht es dem Sinn und Zweck des § 15 Abs. 2 GewO, diese Vorschrift auch auf solche Sachverhalte anzuwenden.

Die Voraussetzungen für die Untersagung des Betriebs der von der Antragstellerin zu 2) in der Gaststätte des Antragstellers zu 1) aufgestellten Gewinnspielgeräte liegen offensichtlich vor. Denn bei diesen Spielgeräten handelt es sich um sog. Fun Games und damit um Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit im Sinne des § 33 c Abs. 1 Satz 1 GewO (s. BVerwG, Beschluss vom 23. November 2005 - 6 C 8.05 - ). Zur Begründung hat das BVerwG in der zitierten Entscheidung u. a. Folgendes ausgeführt:

„Das Oberverwaltungsgericht beschreibt den Begriff der Gewinnmöglichkeit im Sinne des § 33 c Abs. 1 Satz 1 GewO zutreffend dahin, dass das Gerät dem Spieler die Möglichkeit bietet, seine Vermögenslage durch ein erfolgreiches Spiel zu verbessern. Insofern muss berücksichtigt werden, dass jenes Tatbestandsmerkmal der Abgrenzung der in § 33 c GewO geregelten Spielgeräte zu Unterhaltungsspielen ohne Gewinnmöglichkeit dienen soll. Der Begriff des Gewinns in § 33 c GewO hebt in seiner Funktion der Abgrenzung zu Unterhaltungsspielen darauf ab, ob bei einem Spiel, für das bei Aufstellung von Spielgeräten oder der Veranstaltung "anderer Spiele" im stehenden Gewerbe zumindest regelmäßig ein Einsatz entrichtet werden muss, die Aussicht besteht, den Einsatz ganz oder teilweise zurückzuerhalten oder sogar darüber hinaus einen Vermögenszuwachs zu erfahren. Bei reinen Unterhaltungsspielgeräten besteht diese Möglichkeit nicht; mit dem Einsatz wird hier das Spielendürfen bezahlt.

Einen anderen Vorteil erzielt der Spieler, abgesehen von Freispielen, nicht. Bei Gewinnspielgeräten erwirbt der Spieler mit seinem Einsatz außer der Befugnis zu spielen die Chance, sein Vermögen gegenüber dem Zeitpunkt unmittelbar nach Erbringung des Einsatzes zu vermehren, indem entweder der getätigte Einsatz ganz oder teilweise wieder ausgeglichen oder darüber hinaus ein Ertrag erzielt wird.


Gewinn im Sinne des § 33 c bedeutet nicht, dass dem Spieler nach einer wie auch immer zu definierenden Zeitspanne ein Nettogewinn im Sinne eines Überschusses addierter Einzelgewinne über die addierten Einsätze verbleiben muss. Das Geldgewinnspielgerät wird dadurch charakterisiert, dass der Spieler mit seinem Einsatz die Chance erwirbt, einen Gewinn in Geld zu erzielen, aber auch das Risiko, einen gleichartigen Verlust zu erwirtschaften. Ausgangspunkt der Betrachtung muss der Einsatz des das Spiel auslösenden Geldstücks, Token oder Speicherchips sein.

Mit diesem Einsatz erlangt der Spieler - wie dargelegt - sein Spielvergnügen und zugleich die Chance auf einen Gewinn. Erzielt der Spieler einen Punktgewinn, der seinem Einsatz entspricht und bar ausgezahlt werden kann, so hat er - immerhin - den eingesetzten Geldbetrag, der ohne den Punktgewinn verloren gewesen wäre, zurückgewonnen. Auch wenn es in dem Spiel nicht um eine (Netto-) Vermögensmehrung, sondern nur um den Gewinn oder den Verlust des Einsatzes geht, wird - mit der Folge des für Gewinnspiele typischen besonderen Spielanreizes und der daran anknüpfenden Möglichkeit einer gesteigerten, vor Verlusten nicht zurückscheuenden Spielleidenschaft - "um Geld" gespielt, und bereits die Chance auf den (Rück-) Gewinn des Einsatzes rechtfertigt es, das Spielgerät als Gewinnspielgerät anzusehen. Denn jede einzelne Gewinn- oder Verlustentscheidung hat unmittelbar Auswirkung auf die Vermögenslage des Spielers. Gerade dadurch soll der Spieler motiviert werden, nach jeder Spielentscheidung weiter zu spielen, um seine durch den Punktestand sichtbar werdende Vermögenslage zu verbessern. Dabei kann es, wenn - wie im Streitfall - bei einer Folge von Spielen die Gewinnmöglichkeit auf den Gesamteinsatz begrenzt ist, in einem einzelnen Spiel durchaus auch um eine höhere Gewinnchance gehen als nur um den Einsatz für dieses Spiel“.

Unterfallen die in der Gaststätte des Antragstellers zu 1) aufgestellten streitgegenständlichen Spielgeräte aber dem § 33 c Abs. 1 Satz 1 GewO, so ist hierfür gemäß § 33 c Abs. 1 Satz 2 GewO eine Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt erforderlich, die unstreitig nicht vorliegt. Die Aufstellung und der Betrieb dieser Spielgeräte in der in der Verfügung der Antragsgegnerin genannten Gaststätte des Antragstellers zu 1) sind daher illegal.

Soweit die Antragsteller geltend machen, der Hersteller der Fun Games habe inzwischen ein Update für alle Fun Games Spielgeräte zur Verfügung gestellt, so dass die Spielgeräte nach Auffassung des Herstellers nach der zum 1. Januar 2006 geänderten Spielverordnung zulässig seien, ist anzumerken, dass die von der Antragstellerin zu 2) aufgestellten, hier streitbefangenen Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit gleichwohl der Zulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt bedürfen. Diese Zulassung kann nicht dadurch umgangen werden, dass die Geräte so verändert werden, dass sie dann nach Ansicht der Antragsteller nicht mehr zulassungspflichtig sein sollen. Durch die Veränderung zulassungspflichtiger Geräte kann ihre formelle Zulassungspflichtigkeit nicht entfallen. Entscheidend ist, dass die Aufstellung solcher Geräte formell illegal ist.

Die nach § 33 c Abs. 1 Satz 1 GewO zuständigen Behörden sind nicht befugt, materielle Feststellungen zur Legalität eines gemäß § 33 c Abs. 1 Satz 1 GewO ursprünglich erlaubnispflichtigen, in seiner Funktionsfähigkeit veränderten Spielgerätes zu treffen. Die Feststellung, ob ein zulassungspflichtiges Spielgerät nach technischen Veränderungen des Geräts noch der Zulassung bedarf oder zulassungsfrei ist, liegt allein in der Kompetenz der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Der Betrieb eines zulassungspflichtigen Spielgerätes, das vom Aufsteller technisch verändert worden ist, bleibt ohne diese Feststellung der Bundesanstalt formell illegal (s. Hess. VGH, GewArch 2005, 255).

Die Ordnungsverfügung vom 25. Januar 2006 ist auch unter Ermessensgesichtspunkten rechtlich nicht zu beanstanden. Aufgrund des ordnungspolizeilichen Charakters des Gaststättengesetzes und der Gewerbeordnung entspricht es regelmäßig dem gesetzlichen Auftrag der mit der Gewerbeaufsicht betrauten Behörden, wenn diese die (teilweise) Fortführung eines Gewerbebetriebs untersagen, sofern der Gewerbetreibende nicht im Besitz der erforderlichen Erlaubnis ist. Etwas anderes gilt auf Grund des auf das Ermessen der Untersagungsbehörde einwirkenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur dann, wenn im Zeitpunkt, auf den bei der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung abzustellen ist, eindeutig erkennbar ist, dass die formell illegale gewerbliche Betätigung materiell legal ist und außerdem der Mangel der formellen Illegalität mit großer Wahrscheinlichkeit bald geheilt sein wird (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, GewArch 1983, 340; Hes. VGH, NVwZ-RR 1997, 222; VG Gießen, NVwZ-RR 2005, 245). Dies ist hier jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht der Fall.

Das besondere Vollzugsinteresse besteht darin, dass vorliegend der Schutz der Allgemeinheit vor einer Förderung des übermäßigen Spieltriebs höher anzusetzen sei als die Interessen der Antragsteller, aus den formell illegal aufgestellten Gewinnspielgeräten einen finanziellen Nutzen zu ziehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes beruht auf den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 GKG i. V. m. den Ziffern 1.5 und 54.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.