Leitsatz
1. Eine nationale Regelung, die die Ausübung von Tätigkeiten des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über Sportereignisse, ohne eine von dem betreffenden Mitgliedstaat erteilte Konzession oder polizeiliche Genehmigung verbietet, stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Art. 43 EG und 49 EG dar.
2. Es ist Sache der vorlegenden Gerichte, zu prüfen, ob die nationale Regelung, soweit sie die Anzahl der im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer begrenzt, tatsächlich dem Ziel entspricht, der Ausbeutung von Tätigkeiten in diesem Sektor zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen.
3. Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die Wirtschaftsteilnehmer mit der Rechtsform von Kapitalgesellschaften, deren Anteile auf reglementierten Märkten gehandelt werden, vom Glücksspielsektor ausschließt und darüber hinaus im Sinne eines solchen Ausschlusses fortwirkt.
4. Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen, die für Personen wie die Beschuldigten der Ausgangsverfahren eine strafrechtliche Sanktion wegen Sammelns von Wetten ohne die nach dem nationalen Recht erforderliche Konzession oder polizeiliche Genehmigung vorsieht, dann entgegenstehen, wenn sich diese Personen diese Konzessionen oder Genehmigungen deshalb nicht beschaffen konnten, weil der betreffende Mitgliedstaat es unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt hatte, sie ihnen zu erteilen.
Tenor
In den verbundenen Rechtssachen C 338/04, C 359/04 und C 360/04 betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, (…), erlässt
DER GERICHTSHOF
folgendes Urteil
Sachverhalt
(vgl. Entscheidungsgründe)
Entscheidungsgründe
1. Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 43 EG und 49 EG.
2. Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Strafverfahren gegen die Herren (…) wegen Verstoßes gegen die italienischen Rechtsvorschriften über das Sammeln von Wetten. Diese Strafverfahren stehen in einem ähnlichen rechtlichen und tatsächlichen Rahmen wie die Ausgangssachverhalte der Urteile vom 21. Oktober 1999, Zenatti (C 67/98, Slg. 1999, I 7289), und vom 6. November 2003, Gambelli u. a. (C 243/01, Slg. 2003, I 13031).
Rechtlicher Rahmen
3. Die italienische Regelung sieht im Wesentlichen vor, dass die Teilnahme an der Veranstaltung von Glücksspielen einschließlich des Sammelns von Wetten den Erhalt einer Konzession und einer polizeilichen Genehmigung voraussetzt. Der Verstoß gegen diese Regelung kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden.
Die Konzessionen
4. Die Vergabe von Konzessionen für die Veranstaltung von Wetten auf Sportereignisse wurde bis 2002 vom Comitato Olimpico Nazionale Italiano (Italienisches Nationales Olympisches Komitee, im Folgenden: CONI) und der Unione nazionale per l'incremento delle razze equine (Nationalverband zur Verbesserung der Pferderassen, im Folgenden: UNIRE) verwaltet, die berechtigt waren, Wetten im Zusammenhang mit Sportwettkämpfen zu organisieren, die unter ihrer Kontrolle veranstaltet wurden oder stattfanden. Das ergab sich aus dem Decreto legislativo Nr. 496 vom 14. April 1948 (GURI Nr. 118 vom 14. April 1948), aus Art. 3 Abs. 229 des Gesetzes Nr. 549 vom 28. Dezember 1995 (GURI Nr. 302 vom 29. Dezember 1995, Supplemento ordinario) und aus Art. 3 Abs. 78 des Gesetzes Nr. 662 vom 23. Dezember 1996 (GURI Nr. 303 vom 28. Dezember 1996, Supplemento ordinario).
5. Für die Erteilung von Konzessionen wurden mit dem Dekret Nr. 174 des Ministero dell'Economia e delle Finanze (Ministerium für Wirtschaft und Finanzen) vom 2. Juni 1998 (GURI Nr. 129 vom 5. Juni 1998, im Folgenden: Dekret Nr. 174/98) für das CONI und mit dem Dekret Nr. 169 des Präsidenten der Republik vom 8. April 1998 (GURI Nr. 125 vom 1. Juni 1998) für die UNIRE spezielle Regeln erlassen.
6. Das Dekret Nr. 174/98 sah für die Erteilung von Konzessionen durch das CONI eine Vergabe im Wege einer Ausschreibung vor. Bei der Vergabe sollte das CONI insbesondere auf die Transparenz der Eigentumsstruktur der Konzessionäre sowie auf eine zweckmäßige Verteilung der Sammel und Wettannahmestellen im Inland achten.
7. Art. 2 Abs. 6 des Dekrets Nr. 174/98 sah zur Gewährleistung einer transparenten Eigentumsstruktur vor, dass im Fall von Konzessionären, die Kapitalgesellschaften waren, die stimmberechtigten Anteile auf den Namen von natürlichen Personen, offenen Handelsgesellschaften oder Kommanditgesellschaften ausgestellt sein mussten und nicht durch einfaches Indossament übertragbar sein durften.
8. Für die Erteilung von Konzessionen durch die UNIRE galten entsprechende Vorschriften.
9. Im Jahr 2002 wurden mit einer Reihe legislativer Maßnahmen die Befugnisse des CONI und der UNIRE im Bereich der Wetten auf Sportwettkämpfe auf die Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato (Autonome Verwaltung der Staatsmonopole) übertragen, die dem Ministero dell'Economia e delle Finanze untersteht.
10. Infolge einer dabei durch Art. 22 Abs. 11 des Gesetzes Nr. 289 vom 27. Dezember 2002 (GURI Nr. 305 vom 31. Dezember 2002, Supplemento ordinario, im Folgenden: Finanzgesetz 2003) eingeführten Änderung können seither alle Kapitalgesellschaften ungeachtet ihrer Rechtsform an Ausschreibungen für die Vergabe von Konzessionen teilnehmen.
Polizeiliche Genehmigungen
11. Eine polizeiliche Genehmigung wird ausschließlich Konzessionären oder denjenigen erteilt, die von einem Ministerium oder einer anderen gesetzlich zur Organisation oder Veranstaltung von Wetten befugten Einrichtung eine Konzession oder eine Erlaubnis erhalten haben. Das ergibt sich aus Art. 88 des Regio Decreto Nr. 773, Testo Unico delle Leggi di Pubblica Sicurezza (Königliches Dekret Nr. 773, Testo Unico der Gesetze auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit), vom 18. Juni 1931 (GURI Nr. 146 vom 26. Juni 1931) in der Fassung des Art. 37 Abs. 4 des Gesetzes Nr. 388 vom 23. Dezember 2000 (GURI Nr. 302 vom 29. Dezember 2000, Supplemento ordinario, im Folgenden: Königliches Dekret).
12. Außerdem kann eine polizeiliche Genehmigung gemäß Art. 11 in Verbindung mit Art. 14 des Königlichen Dekrets nicht erteilt werden, wenn der Antragsteller zu bestimmten Strafen oder wegen bestimmter Zuwiderhandlungen, insbesondere gegen den öffentlichen Anstand und die guten Sitten oder gegen die Vorschriften über das Glücksspiel, verurteilt wurde.
13. Gemäß Art. 16 des Königlichen Dekrets hat der Inhaber der Genehmigung nach deren Erteilung den Ordnungsbehörden jederzeit Zutritt zu den Räumlichkeiten zu gewähren, in denen die genehmigte Tätigkeit ausgeübt wird.
Strafrechtliche Sanktionen
14. Art. 4 des Gesetzes Nr. 401 vom 13. Dezember 1989 über Interventionen auf dem Gebiet des heimlichen Spiels und der heimlichen Wetten und zum Schutz des ordnungsgemäßen Ablaufs sportlicher Wettkämpfe (GURI Nr. 294 vom 18. Dezember 1989) in der durch Art. 37 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 388 geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. 401/89) sieht für die widerrechtliche Ausübung von Spieltätigkeiten folgende strafrechtlichen Sanktionen vor:
"(1) Wer widerrechtlich Lotterien, Wetten oder Prognosewettbewerbe organisiert, die gesetzlich dem Staat oder konzessionierten Einrichtungen vorbehalten sind, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren bestraft. Derselben Strafe unterliegt, wer Wetten oder Prognosewettbewerbe über vom [CONI], den unter dessen Kontrolle stehenden Einrichtungen oder der [UNIRE] veranstaltete Sportereignisse organisiert. Wer widerrechtlich öffentliche Wetten über andere Wettkämpfe von Personen oder Tieren und über Geschicklichkeitsspiele organisiert, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu einem Jahr und einer Geldstrafe von mindestens 1 Million ITL bestraft. …
(2) Wer für die Wettbewerbe, Spiele oder Wetten, die nach den in Abs. 1 beschriebenen Modalitäten veranstaltet werden, ohne Mittäter eines dort festgelegten Delikts zu sein, wirbt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten und einer Geldstrafe zwischen 100 000 und 1 Million ITL bestraft.
a. Wer an Wettbewerben, Spielen oder Wetten, die nach den in Abs. 1 beschriebenen Modalitäten veranstaltet werden, teilnimmt, ohne Mittäter eines dort festgelegten Delikts zu sein, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder einer Geldstrafe zwischen 100 000 und 1 Million ITL bestraft.
…
(4bis) Die in diesem Artikel vorgesehenen Sanktionen sind auf denjenigen anwendbar, der in Italien ohne die nach Art. 88 des [Königlichen Dekrets] erforderliche Konzession, Genehmigung oder Lizenz eine Tätigkeit zur Annahme oder zum Sammeln oder jedenfalls zur Erleichterung der Annahme oder, auf welche Art auch immer, des Sammelns, auch über Telefon oder durch Datenübertragung, von Wetten jeder Art betreibt, die durch wen auch immer in Italien oder im Ausland abgeschlossen werden.
…"
Die Rechtsprechung der Corte suprema di cassazione
15. Die Corte suprema di cassazione hatte in ihrem Urteil Nr. 111/04 vom 26. April 2004 (im Folgenden: Urteil Gesualdi) zu prüfen, ob die italienischen Rechtsvorschriften über Glücksspiele mit den Art. 43 EG und 49 EG vereinbar sind. Sie gelangte zu dem Ergebnis, dass die genannten Rechtsvorschriften den Art. 43 EG und 49 EG nicht zuwiderlaufen.
16. Die Corte suprema di cassazione stellte in ihrem Urteil fest, dass der italienische Gesetzgeber seit Jahren mit dem offensichtlichen Ziel, die Staatseinnahmen zu erhöhen, eine expansive Politik in diesem Bereich verfolge und dass die italienischen Rechtsvorschriften weder zum Schutz der Verbraucher noch zur Beschränkung der Spielleidenschaft der Verbraucher oder zur Eindämmung des Angebots von Spielen gerechtfertigt seien. Dagegen verfolgten die italienischen Rechtsvorschriften tatsächlich das Ziel, die Glücksspieltätigkeiten in kontrollierbare Bahnen zu lenken, um ihre Ausbeutung zu kriminellen Zwecken zu verhindern. Deshalb unterwerfe das italienische Recht die Veranstalter von Wetten und Prognosewettbewerben und die Räumlichkeiten, in denen diese Veranstaltungen stattfänden, einer Kontrolle und Überwachung. Nach Ansicht der Corte suprema di cassazione können diese Ziele Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen.
17. Zu den Voraussetzungen, die eine transparente Eigentumsstruktur der Konzessionäre gewährleisten sollten und hierfür von Ausschreibungen für die Konzessionsvergabe solche Gesellschaften ausschlossen, deren einzelne Anteilseigner nicht jederzeit feststellbar waren, stellte die Corte suprema di cassazione im Urteil Gesualdi fest, dass die italienische Regelung ausländische Gesellschaften nicht diskriminiere, und zwar auch nicht mittelbar, da sie den Ausschluss aller ausländischen ebenso wie italienischen Kapitalgesellschaften bewirke, deren Anteilseigner nicht sicher festgestellt werden könnten.
Die Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen
Die Erteilung der Konzessionen
18. Aus den Akten ergibt sich, dass das CONI am 11. Dezember 1998 gemäß den italienischen Rechtsvorschriften eine Ausschreibung für die Erteilung von 1 000 Konzessionen für die Annahme von Wetten über Sportwettkämpfe vornahm. Diese Anzahl von Konzessionen hielt man aufgrund einer konkreten Schätzung für das gesamte Inland für ausreichend. Daneben veranstaltete das Ministero dell'Economia e delle Finanze zusammen mit dem Ministero delle Politiche Agricole e Forestali (Ministerium für Land- und Forstwirtschaftspolitik) eine Ausschreibung über 671 neue Konzessionen für die Annahme von Wetten auf Reitsportveranstaltungen, während 329 bestehende Konzessionen automatisch verlängert wurden.
19. Die Anwendung der zur Zeit der genannten Ausschreibungen geltenden Vorschriften über die Transparenz der Eigentumsstruktur der Konzessionäre führte u. a. zum Ausschluss der Angebote von Bietern, die auf reglementierten Märkten notierte Gesellschaften waren, weil es bei diesen Gesellschaften nicht möglich war, die einzelnen Anteilseigner stets genau zu ermitteln. Im Wege dieser Ausschreibungen wurden im Jahr 1999 Konzessionen mit einer Gültigkeitsdauer von sechs Jahren erteilt, die um weitere sechs Jahre verlängerbar waren.
Die Stanley International Betting Ltd
20. Die Stanley International Betting Ltd (im Folgenden: Stanley) ist eine Gesellschaft englischen Rechts, die zur Gruppe der Stanley Leisure plc gehört, einer Gesellschaft englischen Rechts, deren Anteile an der Börse in London (Vereinigtes Königreich) gehandelt werden. Beide Gesellschaften haben ihren Sitz in Liverpool (Vereinigtes Königreich). Die im Bereich der Glücksspiele tätige Gruppe ist der viertgrößte Buchmacher und größte Betreiber von Spielhallen im Vereinigten Königreich.
21. Stanley ist einer der Unternehmensbereiche der Stanley Leisure plc außerhalb des Vereinigten Königreichs. Sie darf als Inhaberin einer von der Stadt Liverpool ausgestellten Lizenz in diesem Mitgliedstaat als Buchmacher tätig sein. Sie unterliegt Kontrollen durch die britischen Behörden im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit, internen Prüfungen der Ordnungsmäßigkeit ihrer Tätigkeiten, weiteren Kontrollen durch eine private Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sowie schließlich Überprüfungen durch die Finanz- und Zollverwaltung des Vereinigten Königreichs.
22. Da Stanley für mindestens 100 Wettannahmestellen in Italien Konzessionen erwerben wollte, unterrichtete sie sich über die Möglichkeiten einer Teilnahme an den Ausschreibungen, obwohl ihr bekannt war, dass sie die vorgeschriebenen Voraussetzungen hinsichtlich einer transparenten Eigentumsstruktur der Konzessionäre deshalb nicht zu erfüllen vermochte, weil sie zu einer Unternehmensgruppe gehörte, deren Anteile auf reglementierten Märkten gehandelt wurden. Sie nahm daher an keiner Ausschreibung teil und besitzt keine Konzession für die Veranstaltung von Wetten.
Die Datenübertragungszentren
23. Stanley betreibt in Italien mehr als 200 Agenturen, die allgemein als "Datenübertragungszentren" (DÜZ) bezeichnet werden. Letztere bieten ihre Dienste in öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten an, in denen sie den Wettern Datenübertragungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen, mit denen sie auf den Server von Stanley im Vereinigten Königreich zugreifen können. Die Wetter können Stanley so elektronisch Vorschläge für Sportwetten übermitteln, die sie aus Stanleys Veranstaltungs- und Bewertungsprogrammen ausgewählt haben, und die Annahme dieser Vorschläge entgegennehmen, ihre Einsätze zahlen und gegebenenfalls ihre Gewinne vereinnahmen.
24. Die DÜZ werden von unabhängigen Betreibern unterhalten, die vertraglich mit Stanley verbunden sind. Die in den Ausgangsverfahren beschuldigten Herren Placanica, Palazzese und Sorricchio sind alle drei DÜZ-Betreiber, die als Vertragspartner von Stanley tätig sind.
25. Aus den vom Tribunale di Teramo übermittelten Akten geht hervor, dass die Herren Palazzese und Sorricchio vor Aufnahme ihrer Aktivitäten beim Polizeipräsidium von Atri polizeiliche Genehmigungen gemäß Art. 88 des Königlichen Dekrets beantragt hatten. Diese Anträge blieben unbeantwortet.
Das Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale di Larino (C 338/04)
26. Die Staatsanwaltschaft hat gegen Herrn Placanica ein Strafverfahren beim Tribunale di Larino eingeleitet, in dem sie ihn beschuldigt, gegen Art. 4 Abs. 4bis des Gesetzes Nr. 401/89 verstoßen zu haben, indem er als Betreiber eines DÜZ für Rechnung von Stanley das Sammeln von Wetten ohne die erforderliche polizeiliche Genehmigung betrieben habe.
27. Das Tribunale di Larino hegt Zweifel, ob das Ergebnis, zu dem die Corte suprema di cassazione in ihrem Urteil Gesualdi gelangt ist, zutreffend ist und ob Art. 4 Abs. 4bis des Gesetzes Nr. 401/89 tatsächlich mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. Es wirft die Frage auf, ob die von der Corte suprema di cassazione geltend gemachten Ziele der öffentlichen Ordnung die fraglichen Beschränkungen rechtfertigen können.
28. Vor diesem Hintergrund hat das Tribunale di Larino beschlossen, das Verfahren auszusetzen, und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Wie bewertet der Gerichtshof die Vereinbarkeit von Art. 4 Abs. 4bis des Gesetzes Nr. 401/89 mit den in den Art. 43 ff. EG und 49 EG zum Ausdruck gebrachten Grundsätzen in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit und den freien grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr, auch im Licht des Unterschieds in der Auslegung zwischen den Entscheidungen des Gerichtshofs (insbesondere dem Urteil Gambelli u. a.) und der Entscheidung der Corte suprema di cassazione, Vereinigte Kammern (in der Rechtssache Gesualdi)? Insbesondere wird um Klärung gebeten, ob die in der Anklageschrift angeführte Sanktionsregelung, die Herr Placanica rügt, im italienischen Staat anwendbar ist.
Die Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale di Teramo (C 359/04 und C 360/04)
29. Das Polizeipräsidium von Atri, das den Herren Palazzese und Sorricchio vorwirft, eine organisierte Tätigkeit betrieben zu haben, um ohne Konzession oder polizeiliche Genehmigung das Sammeln von Wetten zu fördern, hat, gestützt auf Art. 4 Abs. 4bis des Gesetzes Nr. 401/89, ihre Räumlichkeiten und Geräte beschlagnahmen lassen. Nachdem die Beschlagnahme von der Staatsanwaltschaft bestätigt worden war, erhoben die Herren Palazzese und Sorricchio gegen die Beschlagnahme beim Tribunale di Teramo Klage.
30. Das Tribunale di Teramo ist der Ansicht, dass die Beschränkungen für auf reglementierten Märkten notierte Kapitalgesellschaften, die sie 1999 daran gehindert hätten, an der letzten Ausschreibung für die Erteilung von Konzessionen für die Veranstaltung von Wetten teilzunehmen, mit den gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen unvereinbar seien, weil sie nicht italienische Wirtschaftsteilnehmer diskriminierten. Deshalb hegt das Gericht ebenso wie das Tribunale di Larino Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Urteils Gesualdi.
31. Unter diesen Umständen hat das Tribunale di Teramo beschlossen, das Verfahren auszusetzen, und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Können die Art. 43 Abs. 1 EG und 49 Abs. 1 EG dahin ausgelegt werden, dass die Mitgliedstaaten zeitlich begrenzt (für eine Zeit von sechs bis zwölf Jahren) von den Grundsätzen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs in der Europäischen Union durch eine Regelung, wie sie im Folgenden wiedergegeben ist, abweichen können, ohne die erwähnten Gemeinschaftsprinzipien zu verletzen:
a. Einigen Personen werden Konzessionen für bestimmte Dienstleistungstätigkeiten, die für sechs bis zwölf Jahre gültig sind, auf der Grundlage einer Regelung erteilt, die dazu geführt hat, dass von der Ausschreibung für ihre Erteilung bestimmte Gruppen von (nicht italienischen) Wettbewerbern ausgeschlossen waren;
b. nachdem später zur Kenntnis genommen worden war, dass diese Regelung nicht mit den Grundsätzen der Art. 43 EG und 49 EG vereinbar war, wurde sie dahin geändert, dass künftig die Teilnahme auch den Personen gestattet wurde, die davon ausgeschlossen worden waren;
c. die Konzessionen, die auf der Grundlage der vorherigen Regelung erteilt worden waren, die, wie bereits ausgeführt, für gegen die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs verstoßend befunden wurde, wurden nicht zurückgenommen, und es wurde keine neue Ausschreibung nach der neuen Regelung, die jetzt diese Grundsätze einhält, veranstaltet;
d. stattdessen werden weiterhin Personen strafrechtlich verfolgt, die in Verbindung mit Personen tätig sind, die für diese Tätigkeit im Herkunftsmitgliedstaat zugelassen worden sind, doch von der Ausschreibung gerade wegen der Ausschlussregelungen nach den vorher geltenden Bestimmungen, die später aufgehoben wurden, ausgeschlossen waren?
32. Mit einem ersten Beschluss vom 14. Oktober 2004 hat der Präsident des Gerichtshofs die Rechtssachen C 359/04 und C 360/04 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden. Mit einem zweiten Beschluss vom 27. Januar 2006 hat der Präsident des Gerichtshofs auch die Rechtssache C 338/04 mit den Rechtssachen C 359/04 und C 360/04 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen
33. In der Rechtssache C 338/04 haben alle Regierungen, die schriftliche Erklärungen eingereicht haben, mit Ausnahme der belgischen Regierung die Zulässigkeit der Vorlagefrage bezweifelt. Die italienische und die spanische Regierung halten auch die Zulässigkeit der in den Rechtssachen C 359/04 und C 360/04 vorgelegten Fragen für zweifelhaft. In der Rechtssache C 338/04 machen die portugiesische und die finnische Regierung geltend, dass das Vorlageersuchen des Tribunale di Larino keine ausreichenden Informationen enthalte, um darauf eine Antwort geben zu können, während nach Ansicht der italienischen, der deutschen, der spanischen und der französischen Regierung die darin gestellte Frage die Auslegung nationalen Rechts und nicht des Gemeinschaftsrechts betrifft; der Gerichtshof werde daher mit dieser Frage ersucht, über die Vereinbarkeit innerstaatlicher Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden. Die italienische und die spanische Regierung machen denselben Vorbehalt zur Zulässigkeit der in den Rechtssachen C 359/04 und C 360/04 aufgeworfenen Fragen geltend.
34. Die Informationen, die dem Gerichtshof im Rahmen einer Vorlageentscheidung geliefert werden müssen, dienen nicht nur dazu, dem Gerichtshof zu ermöglichen, sachdienliche Antworten zu geben, sie sollen vielmehr auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen interessierten Beteiligten die Möglichkeit geben, sich gemäß Art. 23 des Statuts des Gerichtshofs zu äußern. Nach ständiger Rechtsprechung ist es dazu zum einen erforderlich, dass das nationale Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, festlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen. Zum anderen muss die Vorlageentscheidung die genauen Gründe angeben, aus denen dem nationalen Gericht die Auslegung des Gemeinschaftsrechts fraglich und die Vorlage von Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof erforderlich erscheint. In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich, dass das nationale Gericht ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Gemeinschaftsbestimmungen, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang gibt, den es zwischen diesen Bestimmungen und den auf den Rechtsstreit anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften herstellt (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteile vom 26. Januar 1993, Telemarsicabruzzo u. a., C 320/90 bis C 322/90, Slg. 1993, I 393, Randnr. 6, vom 6. Dezember 2005, ABNA u. a., C 453/03, C 11/04, C 12/04 und C 194/04, Slg. 2005, I 10423, Randnrn. 45 bis 47, und vom 19. September 2006, Wilson, C 506/04, Slg. 2006, I 0000, Randnrn. 38 und 39).
35. Die Vorlageentscheidung des Tribunale di Larino (C 338/04) genügt diesen Anforderungen. Da nämlich der nationale Rechtsrahmen und das Vorbringen der Parteien im Wesentlichen mit dem Rahmen identisch sind, in den sich das genannte Urteil Gambelli u. a. einfügte, genügte ein Verweis auf dieses Urteil, um es dem Gerichtshof, den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten zu ermöglichen, den Gegenstand des Rechtsstreits im Ausgangsverfahren zu erkennen.
36. Nach der in Art. 234 EG geregelten Verteilung der Zuständigkeiten im Rahmen des Systems der Zusammenarbeit ist die Auslegung der nationalen Vorschriften zwar Sache der nationalen Gerichte und nicht des Gerichtshofs, und es obliegt diesem nicht, sich im Rahmen eines gemäß diesem Artikel eingeleiteten Verfahrens zur Vereinbarkeit von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts mit denen des Gemeinschaftsrechts zu äußern. Der Gerichtshof ist jedoch befugt, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die es diesem ermöglichen, über die Frage der Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden (vgl. insbesondere Urteile vom 30. November 1995, Gebhard, C 55/94, Slg. 1995, I 4165, Randnr. 19, und Wilson, Randnrn. 34 und 35).
37. Insoweit hat der Generalanwalt in Nr. 70 seiner Schlussanträge zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof nach dem Wortlaut der Vorlagefrage des Tribunale di Larino (C 338/04) ersucht wird, sich zur Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht zu äußern. Obwohl der Gerichtshof die Frage, so wie sie formuliert ist, nicht beantworten kann, ist er durch nichts daran gehindert, dem vorlegenden Gericht durch die Gewährung von Hinweisen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts eine sachdienliche Antwort zu geben, durch die das Gericht selbst über die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht entscheiden kann.
38. Die Vorlagefrage des Tribunale di Teramo (C 359/04 und C 360/04) gibt genau an, welche Wirkungen eine Reihe von nationalen gesetzgeberischen Maßnahmen gehabt hätten, und geht dahin, ob diese Wirkungen mit dem EG-Vertrag vereinbar seien. Diese Frage ist also nicht darauf gerichtet, dass der Gerichtshof nationales Recht auslegt oder dessen Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht beurteilt.
39. Deshalb sind die Vorlagefragen zulässig.
Zu den Vorlagefragen
40. Wie sich aus den dem Gerichtshof übermittelten Akten ergibt, muss ein Wirtschaftsteilnehmer, der in Italien im Bereich der Glücksspiele tätig werden will, nationalen Rechtsvorschriften nachkommen, wonach
a. der Besitz einer Konzession vorgeschrieben ist;
b. Konzessionen im Wege einer Ausschreibung erteilt werden, von der bestimmte Arten von Wirtschaftsteilnehmern, insbesondere Gesellschaften, deren einzelne Anteilseigner nicht jederzeit feststellbar sind, ausgeschlossen sind;
c. der Besitz einer polizeilichen Genehmigung vorgeschrieben ist;
d. Verstöße gegen die Regelung strafrechtlich sanktioniert werden.
41. Mit den Vorlagefragen, die zusammen zu prüfen sind, möchten die vorlegenden Gerichte wissen, ob die Art. 43 EG und 49 EG einer nationalen Regelung über Glücksspiele wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, weil sie diese Merkmale aufweist.
42. Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass die in den Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung, die die Ausübung von Tätigkeiten im Glücksspielsektor ohne eine vom Staat erteilte Konzession oder polizeiliche Genehmigung unter Strafandrohung verbietet, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt (Urteil Gambelli u. a., Randnr. 59 und Tenor).
43. Zum einen stellen Beschränkungen, die Vermittlern wie den Beschuldigten der Ausgangsverfahren auferlegt werden, für in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaften wie Stanley, die mittels einer Organisation von Agenturen wie den DÜZ der Beschuldigten in anderen Mitgliedstaaten das Sammeln von Wetten betreiben, Hindernisse für die Niederlassungsfreiheit dar (vgl. Urteil Gambelli, u. a., Randnr. 46).
44. Zum anderen stellt das an Vermittler wie die Beschuldigten der Ausgangsverfahren gerichtete Verbot, die Erbringung von auf Sportereignisse bezogenen Wettdienstleistungen, die von einem Leistungserbringer organisiert werden, der wie Stanley seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem hat, in dem die Vermittler ihre Tätigkeit ausüben, zu erleichtern, eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dieses Leistungserbringers dar, und zwar auch dann, wenn die Vermittler in demselben Mitgliedstaat wie die Empfänger der Dienstleistungen ansässig sind (Urteil Gambelli u. a., Randnr. 58).
45. Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob solche Beschränkungen aufgrund der in den Art. 45 EG und 46 EG ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmeregelungen zulässig oder nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (Urteil Gambelli u. a., Randnr. 60).
46. In diesem Zusammenhang hat die Rechtsprechung eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses anerkannt, nämlich den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. März 1994, Schindler, C 275/92, Slg. 1994, I 1039, Randnrn. 57 bis 60, vom 21. September 1999, Läärä u. a., C 124/97, Slg. 1999, I 6067, Randnrn. 32 und 33, Zenatti, Randnrn. 30 und 31, sowie Gambelli u. a., Randnr. 67).
47. In diesem Kontext können die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, die mit Spielen und Wetten einhergehen, ein ausreichendes Ermessen der staatlichen Stellen rechtfertigen, festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben (Urteil Gambelli u. a., Randnr. 63).
48. Es steht den Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht zwar frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen, jedoch müssen die von ihnen vorgeschriebenen Beschränkungen den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit genügen.
49. Daher ist gesondert für jede mit den nationalen Rechtsvorschriften auferlegte Beschränkung namentlich zu prüfen, ob die Beschränkung geeignet ist, die Verwirklichung des von dem fraglichen Mitgliedstaat geltend gemachten Ziels oder der von ihm geltend gemachten Ziele zu gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels oder dieser Ziele erforderlich ist. Auf jeden Fall dürfen die Beschränkungen nicht diskriminierend angewandt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Gebhard, Randnr. 37, Gambelli u. a., Randnrn. 64 und 65, sowie vom 13. November 2003, Lindman, C 42/02, Slg. 2003, I 13519, Randnr. 25).
Zum Erfordernis einer Konzession
50. Um in Italien auf dem Gebiet der Glücksspiele tätig werden zu können, bedarf ein Wirtschaftsteilnehmer einer Konzession. Die Anzahl dieser Betreiber ist nach dem angewandten Konzessionssystem begrenzt. Im Bereich der Annahme von Wetten ist die Zahl der Konzessionen für die Verwaltung von Wetten über andere Sportwettkämpfe als Reitsportveranstaltungen auf 1 000 begrenzt; die Zahl der Konzessionen für die Annahme von Wetten über Reitsportveranstaltungen unterliegt der gleichen Begrenzung.
51. Es ist zunächst festzustellen, dass die sich aus dieser Begrenzung ergebenden Hemmnisse für die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr nicht bereits dadurch gerechtfertigt werden, dass die genannte Zahl der Konzessionen, wie sich aus den Akten ergibt, aufgrund einer spezifischen Schätzung als für das gesamte Inland "ausreichend" erachtet wurde.
52. Hinsichtlich der Ziele, die diese Hemmnisse rechtfertigen können, ist in diesem Zusammenhang zu unterscheiden zwischen zum einen dem Ziel, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, und - soweit Glücksspiele zugelassen sind - zum anderen dem Ziel, dadurch Straftaten vorzubeugen, dass die auf diesem Gebiet tätigen Wirtschaftsteilnehmer einer Kontrolle unterworfen und Glücksspieltätigkeiten so in Bahnen gelenkt werden, die diesen Kontrollen unterliegen.
53. Zu der erstgenannten Art von Zielen ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass Beschränkungen der Anzahl der Wirtschaftsteilnehmer zwar grundsätzlich gerechtfertigt sein können, jedoch in jedem Fall dem Anliegen gerecht werden müssen, die Gelegenheiten zum Spiel wirklich zu vermindern und die Tätigkeiten in diesem Bereich kohärent und systematisch zu begrenzen (vgl. in diesem Sinne Urteile Zenatti, Randnrn. 35 und 36, und Gambelli u. a., Randnrn. 62 und 67).
54. Im vorliegenden Fall steht es jedoch nach der Rechtsprechung der Corte suprema di cassazione fest, dass der italienische Gesetzgeber im Bereich der Glücksspiele eine expansive Politik mit dem Ziel betreibt, die Staatseinnahmen zu erhöhen, und dass die italienischen Rechtsvorschriften weder mit dem Ziel einer Beschränkung der Spielleidenschaft der Verbraucher noch mit dem einer Eindämmung des Spielangebots gerechtfertigt werden können.
55. Als das wirkliche Ziel der in den Ausgangsverfahren fraglichen italienischen Regelung ist nämlich sowohl von der Corte suprema di cassazione als auch - in ihren schriftlichen Erklärungen vor dem Gerichtshof - von der italienischen Regierung das zu der zweiten Art von Zielsetzungen gehörende Ziel benannt worden, die Glücksspieltätigkeiten in kontrollierbare Bahnen zu lenken, um ihrer Ausbeutung zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen. Eine Politik der kontrollierten Expansion im Bereich der Glücksspiele kann nämlich ohne weiteres mit dem Ziel in Einklang stehen, Spieler, die als solchen verbotenen Tätigkeiten geheimer Spiele oder Wetten nachgehen, dazu zu veranlassen, zu erlaubten und geregelten Tätigkeiten überzugehen. Wie die belgische und die französische Regierung zutreffend darauf ausgeführt haben, ist es zur Erreichung dieses Ziels erforderlich, dass die zugelassenen Betreiber eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zur verbotenen Tätigkeit bereitstellen, was das Angebot einer breiten Palette von Spielen, einen gewissen Werbeumfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken mit sich bringen kann.
56. Die italienische Regierung hat im Übrigen auf verschiedene Umstände tatsächlicher Art verwiesen, so insbesondere auf eine vom Sechsten ständigen Ausschuss (Finanzen und Schatzwesen) des italienischen Senats durchgeführte Untersuchung des Spiel- und Wettwesens. Diese Untersuchung hat ergeben, dass Spiele und Wetten, die als solche verboten und illegal sind, in Italien ein erhebliches Problem darstellen, dem mit einer Ausweitung der erlaubten und geregelten Tätigkeiten abgeholfen werden könnte. Nach der genannten Untersuchung entfällt die Hälfte des gesamten Umsatzes auf dem Gebiet der Glücksspiele in Italien auf diese illegalen Tätigkeiten. Es wurde außerdem für möglich gehalten, durch eine Ausweitung der legalen Spiel und Wetttätigkeiten solchen illegalen Tätigkeiten einen Teil des mit ihnen erzielten Umsatzes wieder zu entziehen, und zwar mindestens in Höhe des derzeit mit legalen Tätigkeiten erzielten Umsatzes.
57. Ein Konzessionssystem kann unter diesen Umständen ein wirksamer Mechanismus sein, um die im Bereich der Glücksspiele tätigen Wirtschaftsteilnehmer mit dem Ziel zu kontrollieren, der Ausbeutung dieser Tätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen. Der Gerichtshof verfügt hingegen nicht über ausreichende tatsächliche Angaben, um die Begrenzung der Gesamtzahl der Konzessionen als solche im Hinblick auf die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Anforderungen zu überprüfen.
58. Es ist Sache der vorlegenden Gerichte, zu prüfen, ob die nationale Regelung, soweit sie die Anzahl der im Bereich der Glücksspiele tätigen Wirtschaftsteilnehmer begrenzt, tatsächlich dem von der italienischen Regierung geltend gemachten Ziel entspricht, der Ausbeutung von Tätigkeiten auf diesem Gebiet zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen. Es obliegt den vorlegenden Gerichten ferner, zu prüfen, ob diese Beschränkungen die Voraussetzungen erfüllen, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Hinblick auf ihre Verhältnismäßigkeit ergeben.
Zu den Ausschreibungen
59. Das Tribunale di Teramo (Rechtssachen C 359/04 und C 360/04) weist ausdrücklich darauf hin, dass Kapitalgesellschaften, deren einzelne Anteilseigner nicht jederzeit feststellbar seien, und somit sämtliche Gesellschaften, deren Anteile auf reglementierten Märkten gehandelt würden, von der Teilnahme an Ausschreibungen über die Vergabe von Konzessionen ausgeschlossen seien. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat vorgetragen, dass diese Beschränkung den Ausschluss der wichtigsten Wirtschaftsteilnehmer der Gemeinschaft im Bereich der Glücksspiele zur Folge habe, die sich in Form von auf reglementierten Märkten notierten Kapitalgesellschaften etabliert hätten.
60. Dazu ist zunächst zu bemerken, dass die Frage der Rechtmäßigkeit der im Rahmen der Ausschreibungen von 1999 vorgesehenen Bedingungen durch die 2002 vorgenommenen gesetzlichen Änderungen, aufgrund deren sich seither jede Kapitalgesellschaft ungeachtet ihrer Rechtsform an Ausschreibungen über die Konzessionsvergabe beteiligen kann, keineswegs gegenstandslos geworden ist. Das Tribunale di Teramo weist nämlich zutreffend darauf hin, dass sich der Ausschluss der auf geregelten Märkten notierten Kapitalgesellschaften und der für ihre Rechnung tätigen Vermittler, wie der Beschuldigten der Ausgangsverfahren, vom Bereich der Glücksspiele bis zum Jahr 2011 auswirken könne, da die 1999 erteilten Konzessionen für sechs Jahre galten und um weitere sechs Jahre verlängert werden können, während neue Ausschreibungen nicht vorgesehen wurden.
61. Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass die in Frage stehende nationale Regelung für Vergabeverfahren, soweit das Fehlen ausländischer Wirtschaftsteilnehmer unter den Konzessionären darauf zurückzuführen ist, dass die italienische Ausschreibungsregelung die Möglichkeit für auf den reglementierten Märkten der anderen Mitgliedstaaten notierte Kapitalgesellschaften, Konzessionen zu erhalten, praktisch ausschließt, auf den ersten Blick selbst dann eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt, wenn der Ausschluss von den Ausschreibungen unterschiedslos für alle auf reglementierten Märkten notierten, in Italien oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Kapitalgesellschaften gilt, die an Konzessionen interessiert sein könnten (Urteil Gambelli u. a., Randnr. 48).
62. Unabhängig von der Frage, ob der Ausschluss der auf reglementierten Märkten notierten Kapitalgesellschaften für Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz in Italien tatsächlich ebenso wie für solche mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat gilt, geht dieser völlige Ausschluss über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels, eine Einbeziehung der im Bereich der Glücksspiele tätigen Wirtschaftsteilnehmer in kriminelle oder betrügerische Tätigkeiten zu unterbinden, erforderlich ist. Es gibt nämlich, wie der Generalanwalt in Nr. 125 seiner Schlussanträge bemerkt, andere Mittel, um die Konten und die Tätigkeiten der Wirtschaftsteilnehmer im Bereich der Glücksspiele zu kontrollieren, ohne im Geringsten die Niederlassungs und die Dienstleistungsfreiheit zu beschränken, so etwa die Einholung von Informationen über ihre Vertreter oder Hauptanteilseigner. Dafür spricht auch, dass es der italienische Gesetzgeber für vertretbar gehalten hat, diesen Ausschlusstatbestand durch das Finanzgesetz 2003 völlig aufzuheben, ohne ihn durch andere restriktive Maßnahmen zu ersetzen.
63. Was die Folgen angeht, die sich aus der Rechtswidrigkeit des Ausschlusses einer bestimmten Anzahl von Wirtschaftsteilnehmern von den Ausschreibungen für die Zuteilung der bestehenden Konzessionen ergeben, so ist es Aufgabe des innerstaatlichen Rechts, Verfahrensvorschriften vorzusehen, die zum einen den Schutz der den Wirtschaftsteilnehmern aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten, wobei diese Vorschriften nicht weniger günstig ausgestaltet sein dürfen als für entsprechende, nur unter das innerstaatliche Recht fallende Sachverhalte (Äquivalenzgrundsatz), und die zum anderen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. Urteile vom 20. September 2001, Courage und Crehan, C 453/99, Slg. 2001, I 6297, Randnr. 29, sowie vom 19. September 2006, i 21 Germany und Arcor, C 392/04 und C 422/04, Slg. 2006, I 0000, Randnr. 57). Sowohl eine Rücknahme und eine Neuverteilung der alten Konzessionen als auch die Ausschreibung einer angemessenen Anzahl neuer Konzessionen könnten in dieser Hinsicht eine angemessene Lösung sein. Es ist jedoch in jedem Fall festzustellen, dass in Ermangelung eines Verfahrens der Konzessionsvergabe, das auch den bei der letzten Ausschreibung rechtswidrig von einem möglichen Konzessionserhalt ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmern offensteht, der Umstand, dass sie keine Konzession besitzen, nicht zum Anlass für die Verhängung einer Sanktion gegen sie genommen werden darf.
64. Die Art. 43 EG und 49 EG sind daher dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die Wirtschaftsteilnehmer mit der Rechtsform von Kapitalgesellschaften, deren Anteile auf reglementierten Märkten gehandelt werden, vom Glücksspielsektor ausschließt und darüber hinaus im Sinne eines solchen Ausschlusses fortwirkt.
Zum Erfordernis einer polizeilichen Genehmigung
65. Die Vorschrift, wonach die im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer und deren Räumlichkeiten einer vorherigen Kontrolle und einer fortwährenden Überwachung unterzogen werden, dient eindeutig dem Ziel, eine Einbeziehung dieser Wirtschaftsteilnehmer in kriminelle oder betrügerische Tätigkeiten zu unterbinden, und erscheint im Hinblick auf dieses Ziel als eine ohne weiteres verhältnismäßige Maßnahme.
66. Aus den Akten ergibt sich jedoch, dass die Beschuldigten bereit waren, polizeiliche Genehmigungen einzuholen und sich einer derartigen Kontrolle und Überwachung zu unterziehen. Da die polizeilichen Genehmigungen aber ausschließlich Konzessionsinhabern erteilt werden, wäre es den Beschuldigten unmöglich gewesen, sich derartige Genehmigungen zu beschaffen. In diesem Zusammenhang ergibt sich auch aus den Akten, dass die Herren Palazzese und Sorricchio vor Aufnahme ihrer Tätigkeiten gemäß Art. 88 des Königlichen Dekrets eine polizeiliche Genehmigung beantragt hatten, ihre Anträge jedoch nicht beschieden wurden.
67. Dem polizeilichen Genehmigungsverfahren hafteten unter diesen Umständen, wie der Generalanwalt in Nr. 123 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die vorstehend dargelegten Mängel an, die die Konzessionsvergabe berühren. Das Fehlen einer polizeilichen Genehmigung kann daher Personen wie den Beschuldigten der Ausgangsverfahren, die sich derartige Genehmigungen nicht hätten beschaffen können, weil deren Erteilung den Besitz einer Konzession voraussetzt, von deren Erhalt sie unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen worden waren, daher auf jeden Fall nicht zum Vorwurf gemacht werden.
Zu den strafrechtlichen Sanktionen
68. Für das Strafrecht sind zwar grundsätzlich die Mitgliedstaaten zuständig, jedoch setzt das Gemeinschaftsrecht dieser Zuständigkeit nach ständiger Rechtsprechung Schranken. Das Strafrecht darf nämlich nicht die durch das Gemeinschaftsrecht garantierten Grundfreiheiten beschränken (vgl. Urteil vom 19. Januar 1999, Calfa, C 348/96, Slg. 1999, I 11, Randnr. 17).
69. Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass ein Mitgliedstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt oder vereitelt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 1983, Rienks, 5/83, Slg. 1983, 4233, Randnrn. 10 und 11).
70. Personen wie die Beschuldigten in ihrer Eigenschaft als Betreiber von DÜZ mit Vertragsbeziehung zu einer Gesellschaft, die Wetten veranstaltet, auf reglementierten Märkten notiert ist und ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, konnten offensichtlich die nach dem italienischen Recht erforderliche Konzession und polizeiliche Genehmigung nicht erhalten, weil die Italienische Republik unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht die Erteilung einer polizeilichen Genehmigung vom Besitz einer Konzession abhängig machte und es zum Zeitpunkt der letzten im Ausgangsverfahren berücksichtigten Ausschreibung ablehnte, auf reglementierten Märkten notierten Gesellschaften eine solche Konzession zu gewähren. Unter diesen Umständen kann die Italienische Republik Personen wie den Beschuldigten keine strafrechtlichen Sanktionen wegen Sammelns von Wetten ohne Konzession oder polizeiliche Genehmigung auferlegen.
71. Deshalb ist festzustellen, dass die Art. 43 EG und 49 EG dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen, die für Personen wie die Beschuldigten der Ausgangsverfahren eine strafrechtliche Sanktion wegen Sammelns von Wetten ohne die nach dem nationalen Recht erforderliche Konzession oder polizeiliche Genehmigung vorsieht, dann entgegenstehen, wenn sich diese Personen diese Konzessionen oder Genehmigungen deshalb nicht beschaffen konnten, weil dieser Mitgliedstaat es unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt hatte, sie ihnen zu erteilen.
72. Nach alledem ist auf die Vorlagefragen folgendermaßen zu antworten:
1. Eine nationale Regelung, die die Ausübung von Tätigkeiten des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über Sportereignisse, ohne eine von dem betreffenden Mitgliedstaat erteilte Konzession oder polizeiliche Genehmigung verbietet, stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Art. 43 EG und 49 EG dar.
2. Es ist Sache der vorlegenden Gerichte, zu prüfen, ob die nationale Regelung, soweit sie die Anzahl der im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer begrenzt, tatsächlich dem Ziel entspricht, der Ausbeutung von Tätigkeiten in diesem Sektor zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen.
3. Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die Wirtschaftsteilnehmer mit der Rechtsform von Kapitalgesellschaften, deren Anteile auf reglementierten Märkten gehandelt werden, vom Glücksspielsektor ausschließt und darüber hinaus im Sinne eines solchen Ausschlusses fortwirkt.
4. Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen, die für Personen wie die Beschuldigten der Ausgangsverfahren eine strafrechtliche Sanktion wegen Sammelns von Wetten ohne die nach dem nationalen Recht erforderliche Konzession oder polizeiliche Genehmigung vorsieht, dann entgegenstehen, wenn sich diese Personen diese Konzessionen oder Genehmigungen deshalb nicht beschaffen konnten, weil der betreffende Mitgliedstaat es unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt hatte, sie ihnen zu erteilen.
Kosten
72. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.