Durchschnittliches Sprachverständnis für Gewinnzusage massgeblich

Oberlandesgericht Koeln

Urteil v. 10.11.2011 - Az.: 7 U 72/11

Leitsatz

Durchschnittliches Sprachverständnis für Gewinnzusage massgeblich

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 31.3.2011 - 9 O 411/10 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

I.

Der Kläger begehrt die Zahlung von 17.300,00 € nebst Zinsen durch die Beklagte auf Grundlage einer angeblichen Gewinnzusage der Beklagten.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihr Vorbringen aufrechterhält, ein durchschnittlicher Empfänger habe ihr Schreiben nicht dahin verstehen dürfen, dass er bereits einen Gewinn erzielt habe. Der Beklagte habe das Schreiben lediglich als Hinweis auf die Teilnahme an einem Gewinnspiel auffassen dürfen.

Die Beklagte beantragt daher unter Abänderung des angefochtenen Urteils Klageabweisung.

Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung unter Verteidigung des landgerichtlichen Urteils.

II.

Die in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat der Klage zu Recht und mit überzeugender Begründung entsprochen.

Der Zahlungsanspruch des Klägers folgt aus § 661a BGB. Für eine Gewinnzusage oder vergleichbare Mitteilung iSd § 661a BGB genügt es, ist aber auch erforderlich, dass aus objektivierter Empfängersicht der Eindruck eines Preisgewinns erweckt wird. Die Zusendung muss - nach Inhalt und Gestaltung - abstrakt geeignet sein, bei einem durchschnittlichen Verbraucher in der Lage des Empfängers den Eindruck zu erwecken, er werde einen - bereits gewonnenen - Preis erhalten (BGH, Urt. v. 19.2.2001 - III ZR 226/03 -).

Davon ist bei der streitgegenständlichen Zusendung auch aus Sicht des Senats ohne Weiteres auszugehen. Die Einwände der Beklagten vermögen die Bewertung des Landgerichts nicht zu entkräften. Der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer ist nun einmal kein Sprachwissenschaftler, wie es die Argumentation der Beklagten allerdings teilweise voraussetzt.

Im Einzelnen seien nochmals folgende Passagen aufgeführt:

Fett umrandet und auch im Übrigen in Fettdruck und Übergröße heißt es bereits: "Dem Gewinner, Herr W., werden 17.300,00 Euro per Scheck ausbezahlt!"

Bei präziser sprachwissenschaftlicher Betrachtung könnte man zwar erfassen, dass es einen Gewinn für den Kläger (noch) nicht gibt, sondern ihm lediglich mitgeteilt wird, dass der Gewinner 17.300 € erhalten wird, weil ansonsten der Einschub "Herr W." grammatikalisch korrekt im Dativ stehen müsste. Allerdings setzt dies eine differenzierte Beherrschung von Grammatik und Semantik voraus, die erfahrungsgemäß dem durchschnittlichen Mitbürger nicht zu Eigen ist.   

Einen offiziellen Charakter erhält die Mitteilung sodann durch das sog. Ziehungs-Protokoll, wonach (nur) der Kläger als nominierter Gewinner hinsichtlich des Preises 17.300 € gezogen worden ist. Im anschließenden Anschreiben heißt es dann konsequenterweise: "Das Ziehungsprotokoll … liefern den Beweis und lassen keinen Zweifel mehr offen, dass die Ziehung der nominierten Gewinner und die Zuteilung der Gewinne rechtmäßig stattgefunden haben." Auch wenn der Begriff der Nominierung in anderem Zusammenhang lediglich eine Aufstellung von Bewerbern/Kandidaten/Anwärtern für bestimmt Ämter, Preise o.ä ausdrückt, ist er im vorliegenden Kontext dahin zu verstehen, dass damit bereits eine (endgültige) Benennung (Herkunft des Begriffs: nominare = benennen) verbunden ist, zumal dies in Zusammenhang mit der - bereits stattgefundenen  - Zuteilung der Gewinne gebracht wird und auch nicht etwa weitere Anwärter/Kandidaten  auf diesen Preis genannt werden. Im Übrigen dürfte die Verbindung von Gewinner mit Nominierung im Sinne einer Kandidatur kaum dem allgemeinen Sprachverständnis entsprechen.

Bestätigt wird dies alles durch die vorangegangene Aussage "…es ist tatsächlich geschafft, Herr W.!" sowie den folgenden - wiederum besonders abgesetzten und fettgedruckten - Passus "Herzlichen Glückwunsch! Sie, Herr V. W., haben 17.300,00 € gewonnen!" Auch wenn der letztgenannte Glückwunsch auf die Formulierung folgt, "Wenn die gewinnende Ziehungs-Nummer AA-000.000 (siehe Ziehungs-Marke) ist, lautet unsere offizielle Mitteilung an Sie: …" erkennt der Durchschnittsempfänger dies nicht als Konditionalsatz in dem Sinne, dass die Gewinn-Nummer noch gezogen werden muss. In Verbindung mit dem Ziehungsprotokoll, wonach der Kläger als nominierter Gewinner mit der Ziehungs-Nummer AA-000.000 bereits gezogen worden ist, entsteht vielmehr der - so ja auch gewollte - Eindruck, dass die Bedingung, dass das gewinnende Los die persönliche Ziehungsnummer des Klägers  enthalten muss, bereits erfüllt ist, der Gewinn also bereits eingetreten ist.

Dieser Eindruck wird weiter verstärkt durch die dem Schreiben beigefügte "Interne Aktennotiz" und den "Buchhaltungs-Beleg". In der "Internen Aktennotiz" heißt es im Betreff: "Vergabe des Gewinn-Schecks." In der Gesamtschau mit den vorgenannten Mitteilungen kann dies auch nur bedeuten, dass es nunmehr um die abschließende Zuleitung des Gewinn-Schecks geht. Im Buchhaltungs-Beleg heißt es nochmals, dass als 2. Preis ("folgender Gewinn unter Aufsicht eines neutralen Jurors") 17.300,00 Euro zugeteilt wurden und hierfür auch folgende persönliche Ziehungs-Nummer nominiert wurde, wobei dann die Nummer des Klägers umrandet folgt. Schon der Begriff "Buchhaltungs-Beleg" suggeriert, dass es hier um tatsächliche Zahlungsvorgänge geht (und nicht um bloße Chancen), die deshalb buchhalterisch erfasst werden müssen. Bestärkt wird alles nochmals durch die Bestätigung der ermittelten persönlichen Ziehungs-Nummern und Gewinner durch den Juror und die Bestätigung der Gewinnvergabe durch die Direktion. Auch danach gibt es also schon Gewinner, wobei dies in der Gesamtschau hinsichtlich der 17.300 € nur der Kläger sein kann.

Dass der Preis bereits gewonnen ist, wird schließlich auch durch das gewählte Tempus suggeriert -  alle einschlägigen Aussagen bewegen sich in der Zeitform des Präsens, des Perfekts und des Imperfekts.

Die in erster Instanz vorgebrachten europarechtlichen Bedenken werden mit der Berufung nur pauschal aufgegriffen. Mit der zutreffenden Argumentation des Landgerichts  setzt sich die Berufung nicht auseinander.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 I, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 17.300,00 €.

Die Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht zuzulassen.