Berliner Glücksspielgesetz nicht auf Lotto-Vermittler anwendbar

Verwaltungsgericht Berlin

Urteil v. 22.09.2008 - Az.: 35 A 15.08

Leitsatz

Einschränkende Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag sowie dem entsprechenden Landesgesetz Berlins, die u.a. einen Erlaubnisvorbehalt für die gewerbliche Spielvermittlung von Glücksspielen, ein Verbot der Internet-Vermittlung und Internet-Werbung sowie eine Einschränkung auf das Bundesland Berlin hinsichtlich Spielern und Vermittlern vorsehen, sind auf Vermittler von Lotterien mit nicht mehr als zwei Gewinnentscheiden pro Woche und Klassenlotterien nicht anwendbar.

Sachverhalt

Ein Hamburger Spielvermittler bot seit 1999 die Vermittlung der Teilnahme an staatlich organisierten bzw. konzessionierten Glücksspielen an. Dabei war er ausschließlich über das Internet tätig.

Nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages, der vorsieht, dass gewerbliche Vermittler einer Erlaubnis bedürfen, erhielt er jeweils eine entsprechende Erlaubnis in Hessen und Hamburg. Eine beantragte Erlaubnis für Berlin wurde ihm mit Verweis auf den Glücksspielstaatsvertrag sowie das Gesetz zum Glücksspielstaatsvertrag für Berlin verwehrt.

Mit seiner Klage macht der Spielvermittler geltend, die genannten Regelungen schränkten seine Berufsfreiheit in unzumutbarer Weise ein und seien daher auf ihn nicht anwendbar.

Entscheidungsgründe

Das Gericht stimmte dem Spielvermittler zu, allerdings nur für den Bereich der Lotterien.

Die angegriffenen Regelungen stellten aus Sicht des Gerichts einen Eingriff in die Berufsfreiheit des Spielvermittlers dar, der nicht durch wichtige Belange des Allgemeinwohls, insbesondere dem Ziel der Suchtprävention, zu rechtfertigen sei.

Die Regelung, dass gewerbliche Spielvermittler einer staatlichen Erlaubnis bedürfen, die im Ermessen der Behörde stehe, sei in Bezug auf Lotterien mit nur zwei Gewinnentscheiden pro Woche unverhältnismäßig. Sie sei so ausgestaltet, dass die Erteilung der Erlaubnis nicht der Regelfall sei, so dass man eher von einem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt sprechen müsse. Die Spielvermittler hätten keinen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis bei Erfüllung objektiver Kriterien. Damit habe es letztlich die Behörde in der Hand, wem eine Erlaubnis erteilt werden solle. Die Nichtgewährung einer Erlaubnis für den klagenden Spielvermittler verbiete dem Spielvermittler die Ausübung seiner gesamten Tätigkeit. Dies sei - jedenfalls im Hinblick auf Lotterien mit nicht mehr als zwei Gewinnentscheiden pro Woche und Klassenlotterien - nicht mit dem Ziel der Suchtprävention zu rechtfertigen. Gegenüber Automatenspielen und ähnlichen Spielen mit rascher Spielabfolge weise eine Lotterie mit zwei Ziehungen pro Woche nicht die gleiche hohe Ereignisfrequenz auf. Auch sei der Zeitraum zwischen Spiel und Gewinnbenachrichtigung viel länger. Das Suchtpotential der Lotterien sei daher als gering einzustufen, so dass ein Erlaubnisvorbehalt für diese nicht angeordnet werden dürfe.

Des Weiteren sei das uneingeschränkte Verbot der Vermittlung der Teilnahme an ebendiesen Lotterien über das Internet mit der Berufsfreiheit nicht zu vereinbaren. Die Möglichkeit der anonymen und mehrfachen Teilnahme sei nicht nur über das Internet, sondern auch durch die hohe Anzahl der Annahmestellen zu realisieren. Im Übrigen habe der klagende Spielvermittler dargelegt, dass er durch eine Schufa-Abfrage und ein Post-Ident-Verfahren die Belange des Jugendschutzes sicherstelle. Aus diesen Gründen ergebe sich aus der Bereitstellung seines Angebots im Internet kein erhöhtes Gefährdungspotential.

Die Beschränkung der Zulassung der gewerblichen Spielvermittlung auf Spieler mit Aufenthalt in Berlin sowie auf Spiele, die vom Land Berlin zugelassen sind, begegne ebenfalls Bedenken. Im Hinblick auf die bundesweit organisierte Lotterie "6 aus 49" erscheine eine solche regionale Eingrenzung bereits widersprüchlich. Im Übrigen sei durch den Regionalisierungsstaatsvertrag sichergestellt, dass die Einsätze von Spielern eines Bundeslandes letztlich wieder dem betreffenden Bundesland zufließen.

Die Einschränkungen zur Werbung für Glücksspiele, insbesondere das Verbot der Werbung im Internet sowie das Verbot der gezielten Aufforderung oder Ermunterung zur Teilnahme an Glücksspielen, seien für Lotterien nicht mit der Verfassung vereinbar. Dabei stellte das Gericht zuvorderst darauf ab, dass der Staat selber für seine Lotterien im Internet werbe und dabei in gewisser Weise positiv zur Teilnahme ermuntere. Insbesondere die häufig anzutreffenden Hinweise auf die Gemeinnützigkeit der staatlichen Lotterien stellten einen Anreiz zur Teilnahme dar.

Die Regelungen, dass gewerbliche Glücksspielvermittler anders als die Annahmestellen keine Provisionen erhalten dürfen sowie vor Abschluss des Spielvertrages eine Auskunft beim übergreifenden Sperrsystem einzuholen haben, sei im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot ebenfalls nicht mit dem Argument der Suchtprävention zu rechtfertigen, da ein hohes Suchtpotential bei den Lotterien nicht bestehe.