Bei unklarer Rechtslage keine Strafbarkeit eines Vermittlers von Sportwetten

Amtsgericht Rottenburg

Urteil v. 30.09.2008 - Az.: 3 Cs 19 Js 8133/08

Leitsatz

1. Bis zum 31.12.2007 war eine Vermittlung von Sportwetten ohne Erlaubnis nicht strafbar, da die zugrunde liegenden Vorschriften des Staatslotteriegesetzes gegen Verfassungs- und Europarecht verstießen.

2. Hinsichtlich der neuen Regelungen, die mit dem Glücksspielstaatsvertrag zum 1.1.2008 in Kraft getreten sind, besteht rechtliche Unklarheit über deren Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Europarecht. Eine eindeutige Rechtsprechung ist nicht erkennbar. Diese rechtliche Unsicherheit darf nicht zu Lasten der Normadressaten gehen, so dass eine Strafbarkeit der Vermittlung privater Sportwetten auch auf die neuen Regelungen nicht gestützt werden kann. Jedenfalls kann beim Vermittler von Sportwetten ein unvermeidbarer Verbotsirrtum angenommen werden.

Sachverhalt

Die Angeklagte betrieb seit Oktober 2006 ein Internet-Büro, in dem sie u.a. Sportwetten eines Unternehmens aus Malta vermittelte. Im Dezember 2007 untersagte ihr die Ordnungsbehörde die Vermittlung und Bewerbung von Sportwetten. Dennoch führte die Angeklagte ihren Betrieb bis Anfang Februar 2008 weiter, u.a. weil ihr Verteidiger ihr dazu riet, der gute Chancen sah, gegen die Untersagung vorzugehen.

Im Juni 2008 erging gegen die Angeklagte ein Strafbefehl wegen der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels (§ 284 StGB). Gegen den Strafbefehl hat die Angeklagte Einspruch eingelegt.

Entscheidungsgründe

Der Strafrichter sprach die Angeklagte frei. Eine Strafbarkeit nach § 284 StGB sei nicht gegeben.

Die Regelungen in dem bis zum 31.12.2007 geltenden Staatslotteriegesetz seien vom Bundesverfassungsgericht im Sportwetten-Urteil für verfassungswidrig erklärt worden, weil sie in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht primär der konsequenten Bekämpfung der Wettspielsucht gedient hätten. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht für eine Übergangszeit Untersagungen für zulässig erachtet. Jedoch könne eine Strafbarkeit nach § 284 StGB auf verfassungswidrige Normen nicht gestützt werden.

Ob die Neuregelungen des Glücksspielstaatsvertrages, die seit dem 1.1.2008 gelten, mit Verfassungs- und Europarecht vereinbar seien, sei unter den Gerichten vehement umstritten. Insbesondere sei fraglich, ob die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Konkretisierung von Art und Zuschnitt von Sportwetten sowie hinsichtlich deren Bewerbung umgesetzt worden seien. Die Rechtslage könne keinesfalls als eindeutig beurteilt werden, selbst eine Tendenz sei nicht erkennbar. Damit könne auch auf diese Regelungen keine Strafbarkeit gestützt werden. Die rechtliche Unklarheit könne nicht zu Lasten der Normadressaten gehen.

Jedenfalls sei aber ein unvermeidbarer Verbotsirrtum für die Angeklagte nicht auszuschließen. Sie habe weder dem Rat ihres Verteidigers noch der Praxis der Gerichte eine eindeutige Angabe dazu entnehmen können, ob ihre Tätigkeit strafbar sei oder nicht.