Auslegung des neuen § 9 SpielVO
Leitsatz
1. Das Vergünstigungsverbot des neuen § 9 SpielVO ist nicht pauschal und umfassend geregelt worden, sondern vielmehr in differenzierter Weise.
2. Vielmehr hat der Gesetzgeber eine Zielsetzung erkennen lassen, die nicht bereits am Beginn einer Spieltätigkeit jegliche Anreize verbieten will, sondern vor allem darauf Gewicht legt, dass ein Spieler, nachdem er die ersten Geldeinsätze getätigt hat und er sich somit bereits einem geldmäßigen Risiko ausgesetzt hat, in der weiteren Spielfolge nicht durch Spielzeit fördernde Bildung von Zwischengewinnen und Jackpot-Systemen zum weiteren Fortsetzen seiner Spieltätigkeit angereizt wird.
3. Ein "Test-Coupon“ über € 10,-- unterfällt daher nicht dem Vergünstigungsverbot des § 9 SpielVO.
Tenor
(nicht vorhanden)
Sachverhalt
(vgl. Entscheidungsgründe)
Entscheidungsgründe
I.
Die Antragstellerin erhielt vom Antragsgegner mit Bescheid vom 3. November 2003 die Erlaubnis nach § 33 i GewO zum Betrieb zweier Spielhallen in (...), in der Fassung der nachträglich hierzu ergangenen Bescheide vom 12. Dezember 2003 und 22. Oktober 2004 hinsichtlich Abänderungen zur Betriebszeitregelung.
Durch Bescheid vom 13. April 2006 fügte das Landratsamt (...) den vorbenannten Bescheiden folgende Auflage hinzu:
„In den Spielhallen dürfen den Spielern und sonstigen Besuchern der Spielhalle für weitere Spiele hinsichtlich der Höhe der Einsätze keine Vergünstigungen, insbesondere keine unentgeltlichen Spiele, Nachlässe des Einsatzes oder auf den Einsatz oder darüber hinausgehende sonstige finanzielle Vergünstigungen gewährt werden.
Die vor Ort ausgesprochene mündliche Anordnung des Landratsamts (...) vom 13. April 2006 wird mit diesem Bescheid bestätigt.“
Unter Nr. II wurde die sofortige Vollziehung der vorbezeichneten Nr. I dieses Bescheides angeordnet.
Unter Nr. III des Bescheides wurde für den Fall, dass die Antragstellerin der in Nr. I des Bescheides enthaltenen Verpflichtungen nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt, ein Zwangsgeld in Höhe von € 2.000,-- je festgestelltem Verstoß zur Zahlung angedroht.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, in einer Anzeige im (...)er Wochenblatt Nr. 15, 12. Jahrgang, vom Mittwoch, den 12. April 2006, sei ein „Test-Coupon“ über € 10,-- der Spielstation enthalten.
Dabei wurde auf Folgendes hingewiesen:
„Keine Barauszahlung. Nur zur Freimünzung an einem Geldspielgerät in der Spielstation in (...). Pro Person nur ein Coupon. Für alle ab 18 Jahre. Gültig am Donnerstag, 13. April 2006 (16.00 Uhr bis 23.00 Uhr) oder bis auf Widerruf.“
Das Landratsamt (...) wies darauf hin, dass am 1. Januar 2006 die 5. Verordnung zur Änderung der Spielverordnung (SpielVO) vom 23. Dezember 2005 in Kraft getreten sei. Nach § 9 Abs. 1 der geänderten SpielVO dürfe der Aufsteller eines Spielgerätes oder der Veranstalter eines anderen Spiels dem Spieler für weitere Spiele hinsichtlich der Höhe der Einsätze keine Vergünstigungen, insbesondere keine unentgeltlichen Spiele, Nachlässe des Einsatzes oder auf den Einsatz oder darüber hinausgehende sonstige finanzielle Vergünstigungen gewähren.
Der im (...) Wochenblatt enthaltene „Test-Coupon“ stelle eine solche finanzielle Vergünstigung (unentgeltliches Spiel) dar.
Die sofortige Vollziehung des Auflagenbescheides sei im besonderen öffentlichen Interesse angeordnet worden. Mit der Änderung der SpielV0wolle der Gesetzgeber bestimmte Missstände in Spielhallen unterbinden. Es solle gerade verhindert werden, dass der Spielbetrieb durch das Angebot von finanziellen Vergünstigungen gefördert werde. Die SpielV0gewähre bewusst keine Übergangsfrist. Es liege somit im überwiegenden öffentlichen Interesse, die SpielV0 kurzfristig nach Inkrafttreten durchzusetzen, wenn die Betroffenen nicht bereit sind, die Verordnung freiwillig zu beachten. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei im Übrigen auch zur Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten notwendig. Die finanziellen Interessen der Betroffenen müssten demgegenüber zurückstehen.
Am 21. April 2006 legten die Bevollmächtigten der Antragstellerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Ebenfalls am 21. April 2006 wurde beim Verwaltungsgericht München Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt und beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13. April 2006 wiederherzustellen.
Zur Begründung dieses Rechtsschutzbegehrens wurde im Wesentlichen vorgetragen, § 9 Abs. 1 SpielV0 verbiete nicht, Kunden durch Freimünzung unentgeltlich an einem Geldspielgerät das Spielen zu ermöglichen; verboten sei, dem Spieler für weitere Spiele Vergünstigungen zu gewähren. Die Verlängerung des Spielens durch Vergünstigungen solle verhindert werden. Notwendig sei also die Abhängigkeit der gewährten Vergünstigung von einer fortzusetzenden Bespielung des Gerätes („für weitere Spiele“).
Durch weiteren Schriftsatz vom 3. Mai 2006 bekräftigten die Bevollmächtigten der Antragstellerin ihre Rechtsauffassung unter Hinweis auf zwischenzeitlich ergangene obergerichtliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte.
Das Landratsamt (...) beantragte mit Schriftsatz vom 25. April 2006, den Antrag abzulehnen. Auf das Vorbringen der Antragstellerseite wurde erwidert, dass der angeführte § 9 Abs. 1 SpielV0 einer übermäßigen Ausnutzung des Spielbetriebs entgegenwirken solle. Diese Regelung beschränke die Möglichkeiten, neue Spieler zu gewinnen und Spieler an die Spielhalle zu binden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin ist in sachgerechter Auslegung ( § 88 VwGO ) dahingehend zu bestimmen, dass die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 21. April 2006 gegen die Nr. I des Bescheids vom 13. April 2006 wiederhergestellt werde und hinsichtlich der Nr. III dieses Bescheides angeordnet werden soll; damit wird Art. 21 a BayVwZVG Rechnung getragen.
Der insoweit zulässige Antrag ist auch begründet.
Der Antragsgegner hat im Bescheid vom 13. April 2006 den zu Nr. I des Bescheides ausgesprochenen Sofortvollzug mit einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet.
Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wiederherstellen oder anordnen, sofern das Interesse der Antragspartei, von der Vollziehung des belastenden Verwaltungsakts bis zur Klärung seiner Rechtmäßigkeit im Hauptsacheverfahren verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung übersteigt. Das Gericht hat hierbei nach Sach- und Streitstand im Zeitpunkt seiner Entscheidung eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Bei der danach erforderlichen Abwägung der Interessen sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen, soweit diese bei summarischer Prüfung hinreichend beurteilt werden können.
Diese summarische Überprüfung ergibt im vorliegenden Falle, dass der eingelegte Widerspruch nach der derzeitigen rechtlichen Einschätzung durch das erkennende Gericht wohl erfolgreich sein wird.
Denn nach der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einschlägigen Regelung in § 9 Abs. 1 der Spielverordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (Spielverordnung - SpielV), in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Januar 2006 (BGBl. I S. 280), darf der Aufsteller eines Spielgerätes oder der Veranstalter eines anderen Spieles dem Spieler für weitere Spiele hinsichtlich der Höhe der Einsätze keine Vergünstigungen, insbesondere keine unentgeltlichen Spiele, Nachlässe des Einsatzes oder auf den Einsatz oder darüber hinausgehende sonstige finanzielle Vergünstigungen gewähren. Er darf als Warengewinn nur Gegenstände anbieten, deren Entstehungskosten den Wert von € 60,-- nicht überschreiten, und darf gewonnene Gegenstände nicht zurückkaufen.
Das Gericht sieht im Rahmen des hier zu entscheidenden vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nach derzeitigem Erkenntnisstand für die Auslegung von § 9 SpielV0 folgende Überlegungen für maßgeblich an:
Die SpielV0 wurde durch die Verordnung vom 17. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3495) grundlegend novelliert, womit auf die Entwicklung des gewerblichen Spielrechts namentlich im Bereich der Geldspielgeräte reagiert werden sollte. Diese Entwicklung war vor allem auch gekennzeichnet durch die Aufstellung sog. Fun Games, die nominell ohne Geldeinsatz, jedoch tatsächlich über sog. Token und ähnliche Geld ersetzende Medien wie Geldspielgeräte, aber mit abweichenden Spieltakten und Gewinnen sowie Verlusten, insbesondere in Spielhallen sowie den generellen Übergang von mechanisch betriebenen auf elektronisch gesteuerte Geräte gekennzeichnet ist. Dementsprechend ist Ziel der Neuregelung die Verhinderung missbräuchlicher Entwicklungen bei diesen Fun Games gewesen. Hinzu kam das Ziel der Abgrenzung der in Automatensälen der Spielbanken einerseits und gewerblich genutzten Einrichtungen andererseits zulässigen Spielgeräte u.a. durch Reduzierung der Mindestspiellaufzeiten und durch die Einführung von Höchstgewinn- und -verlustgrenzen pro Zeiteinheit statt pro Spiel, womit den Gewerbetreibenden entgegengekommen werden sollte. Zugleich sollten weitere Sicherungsmaßnahmen gegen Spielsucht getroffen werden (Hahn in Friauf, Komm. zur Gewerbeordnung, hier Anhang 1 zu § 33 c bis § 33 i, RdNr. 6).
Das in § 9 Abs. 1 SpielV0 normierte Vergünstigungsverbot ist hingegen nicht pauschal und umfassend geregelt worden, sondern in differenzierter Weise; dem Spieler dürfen nämlich hinsichtlich der Einsätze für weitere Spiele keine Vergünstigungen gewährt werden.
Damit soll verhindert werden, dass die Spielleidenschaft gesteigert wird, in dem niedrigere Einsätze oder Freispiele gewährt werden. Vergünstigungen werden damit aber nicht völlig ausgeschlossen, wie die SpielV0 selbst an anderer Stelle deutlich macht, nämlich in § 6 a Abs. 1 Satz 3 SpielV0; auch sind nicht ausgeschlossen Vergünstigungen in anderer Hinsicht, etwa durch Darreichung von Erfrischungen (so Hahn, a.a.O., RdNr. 4 zu § 9 SpielV).
Diese aus dem Wortlaut von § 9 Abs. 1 und § 6 a Abs. 1 SpielV0 zu entnehmende differenzierende Auslegung hinsichtlich der Gewährung von Vergünstigungen findet ihre Bestätigung in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. November 2005 ( GewArch 2006, 153 , 158), wo ausgeführt wird, § 9 SpielV0 bezweckt, wie sich aus ihrem Wortlaut ergibt, dass der Spieler nicht für Folgespiele Vergünstigungen erhält, um sein Spielinteresse zu fördern. Die Vorschrift soll dadurch einer übermäßigen Ausnützung des Spielbetriebs entgegenwirken.
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsauslegung erscheint dem Gericht die pauschale Argumentation der Antragsgegnerseite im Sinne eines generellen und ausschließlichen Vergünstigungsverbotes nicht gerechtfertigt, zumal wenn diese Einschätzung im Wege des Sofortvollzugs - wie vorliegend - umgesetzt werden soll. Für eine derartige Handhabung gibt das geltende Recht in der derzeitigen Fassung, wie sie die SpielV0 seit Beginn des Jahres aufweist, keine tragfähige Stütze.
Vielmehr hat der Gesetzgeber eine Zielsetzung erkennen lassen, die nicht bereits am Beginn einer Spieltätigkeit jegliche Anreize verbieten will, sondern vor allem darauf Gewicht legt, dass ein Spieler, nachdem er die ersten Geldeinsätze getätigt hat und er sich somit bereits einem geldmäßigen Risiko ausgesetzt hat, in der weiteren Spielfolge nicht durch Spielzeit fördernde Bildung von Zwischengewinnen und Jackpot-Systemen zum weiteren Fortsetzen seiner Spieltätigkeit angereizt wird.
Davon zu unterscheiden ist die Situation eines Eingangscoupons, der quasi einen ersten Einstieg in die neue Spieltätigkeit ermöglicht und dem Spieler nach dessen Verbrauch die Entscheidung aufgibt, ob er nunmehr eigenes Geld einsetzen will oder die Spieltätigkeit beendet.
Es wird im Hauptsacheverfahren näher zu klären sein, in welcher Höhe und in welchem Umfang derartige „Einstiegscoupons“ noch zulässig sind, da sie gegebenenfalls ab einer gewissen Grenze mit Vergünstigungen für weitere Spieltätigkeit vergleichbar sein könnten. Der im vorliegenden Fall einmalig für den 13. April 2006 gewährte Test-Coupon über € 10,-- überschreitet nach Auffassung des Gerichts diesen Umfang aber noch nicht.
Somit steht die angefochtene Auflage zwar formal in ihrem Wortlaut in Übereinstimmung mit § 9 Abs. 1 SpielV0, nicht hingegen in ihrer Umsetzung auf den zu entscheidenden Fall.
Aus den dargelegten Gründen war dem Antrag in der entschiedenen Form stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG.