Bescheinigung von Gewerbeanzeigen bei Sportwetten

Verwaltungsgericht Muenchen

Urteil v. 25.04.2006 - Az.: M 16 K 05.5341

Leitsatz

Eine Behörde ist auch bei der Anmeldung eines Gewerbes für die Vermittlung von Sportwetten an ausländische Anbieter nach § 15 GewO verpflichtet, innerhalb von 3 Tagen die Bescheinigung der Gewerbeanzeige vorzunehmen.

Tenor

Im Namen des Volkes (...) erläßt das Bayerische Verwaltungsgericht (...) folgendes

Urteil:

I. Die Beklagte wird verurteilt, die Gewerbeanzeige der Klagepartei wie beantragt zu bescheinigen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klagepartei vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.IV. Die Berufung wird zugelassen.

 

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, eine Gewerbeanzeige für Sportwetten annehmen und bestätigen zu müssen.

Die Beklagte hatte dem Kläger am 23. August 2005 mitgeteilt, dass die von ihm für eine beabsichtigte Filiale der Wettannahme (...) eingereichte Gewerbeanmeldung nicht angenommen werde, da für verbotene Tätigkeiten eine Gewerbeanmeldung nicht erfolgen könne.

Durch Schriftsatz vom 19. Oktober 2005 erhob der Bevollmächtigte der Klagepartei Leistungsklage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, die Gewerbeanzeige des Klägers zur Tätigkeit der Vermittlung von Sportwetten entgegenzunehmen und zu bestätigen.Zur Begründung wurde im wesentlichen darauf verwiesen, dass der Gewerbeanmeldung lediglich eine Bescheinigungs- und steuerliche wie sozialversicherungsrechtliche Nachweisfunktion zukäme. Die Frage, ob das Gewerbe erlaubt sei, bleibe hiervon unberührt.

Ein generelles Verbot von Sportwetten bestehe nicht, § 15 Abs. 2 GewO sei nicht einschlägig.

Sportwetten seien nicht generell verboten, wie §§ 33 d Abs. 1 Satz 1 und 33 h Nr. 3 GewO zeigten.

Man verweise auf bislang ergangene positive Entscheidungen verschiedener Verwaltungsgerichte.

Die Rechtslage habe sich auch nicht durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (Az. 1 BvR 1064/01) geändert.

In dieser Entscheidung habe das Bundesverfassungsgericht selbst ausgeführt (S. 42 ff. UA), dass die Vermittlung von Sportwetten nicht generell verboten sei, im Gegenteil sei die aktuelle Verfassungswidrigkeit des staatlichen Sportwettmonopols in seiner jetzigen Ausgestaltung festgestellt worden. Das Gericht habe gleichzeitig auch zum Ausdruck gebracht, dass dieses Monopol vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH (Gambelli) auch gemeinschaftsrechtswidrig sei. Auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bleibe die grenzüberschreitende Vermittlung von Sportwetten an einen im EU-Ausland ansässigen Wettanbieter rechtmäßig und zulässig. Zur Entscheidung über die Vereinbarkeit nationaler Normen mit den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts habe sich das Gericht ausdrücklich für unzuständig erklärt.

In der Bundesrepublik Deutschland ansässige Wettbüros als auch im EU-Ausland ansässige Sportwettanbieter könnten sich vorliegend auf die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit berufen. Bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung scheide eine Strafbarkeit nach § 284 StGB aus, da an ein innerhalb der EU konzessioniertes Unternehmen vermittelt werde. Eine Genehmigung nach § 284 StGB liege demnach vor.

Auf gerichtliche Anfrage teilte der Klägervertreter am 24. April 2008 mit, der Kläger beabsichtige, Sportwetten an die Firma (...) in Gibraltar/Großbritannien und an die (...) in österreich zu vermitteln.

Bereits durch Schriftsatz vom 17. November 2005 nahm der Beklagtenbevollmächtigte zur Klage Stellung, beantragte Klageabweisung und verwies im wesentlichen auf §§ 284, 27 StGB sowie die auch durch die Rechtsprechung des EuGH bestätigte nationale Einschränkbarkeit der Art. 43 und 49 EGV.

Der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach, wonach die vom Gesetzgeber vorgegebene kurze 3-Tages-Frist für die Erteilung der Bescheinigung der Gewerbeanzeige nach § 15 Abs. 1 GewO dazu führe, dass eine Verweigerung der Empfangsbescheinigung nur auf die Fälle beschränkt werden dürfe, in denen ohne eingehende und langwierige Prüfung ohne weiteres erkennbar sei, dass das angezeigte Gewerbe nicht zulässig sei, könne nicht gefolgt werden.

So gäbe es keinen allgemein anerkannten oder auch nur gebräuchlichen Rechtssatz, der bei kurzen Entscheidungsfristen stets von materiell-rechtlichen Prüfungen entbinde.

Am 25. April 2006 hat die mündliche Verhandlung stattgefunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die allgemeine Leistungsklage ist zulässig und begründet. Die Beklagte war daher zu verurteilen, die Gewerbeanzeige der Klagepartei anzunehmen und zu bestätigen.

Unabhängig der Frage, ob die Klagepartei das Gewerbe der Sportwettenvermittlung überhaupt legal ausüben dürfte, fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage - entgegen der Auffassung der Beklagtenpartei - bereits deshalb nicht, weil die Klagepartei an einer Bestätigung der Gewerbeanzeige ein berechtigtes Interesse hat, um sich nicht im Sinne von § 146 GewO ordnungswidrig zu verhalten, falls eine Behörde - wie anscheinend zum Teil in anderen Bundesländern - die Sportwettenvermittlung als Gewerbe und damit anzeigepflichtig sehen würde, und die Gewerbeanzeigenbestätigung für steuerliche Aspekte etc. von berechtigtem Interesse ist.

Gemäß § 14 Abs. 1 GewO muss der Beginn des Betriebs eines stehenden Gewerbes der für den betreffenden Ort zuständigen Behörde angezeigt werden.

Nach § 15 Abs. 1 GewO bescheinigt die Behörde innerhalb dreier Tage den Empfang der Anzeige. Die Gewerbeanzeige dient ausweislich § 14 Abs. 1 Satz 3 GewO dem Zweck, der zuständigen Behörde die Überwachung der Gewerbeausübung zu ermöglichen.

Gewerbe ist jede nicht sozial unwertige (generell nicht verbotene = erlaubte), auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbstständige Tätigkeit, ausgenommen Urproduktion, freie Berufe und bloße Verwaltung eigenen Vermögens (Landmann/Rohmer, GewO, RdNr, 13 zu § 14 mw.N). Bei § 14 GewO handelt es sich um eine sog. wertneutrale Ordnungsvorschrift (Landmann/Rohnw, a.a.O., RdNr. 10 zu § 14). Im Rahmen des Anzeigeverfahrens findet demnach keine Prüfung der Frage statt, ob der Gewerbetreibende überhaupt zur Ausübung des angezeigten Gewerbes berechtigt ist, namentlich wird durch die Bescheinigung nicht etwa eine erforderliche Erlaubnis etc. ersetzt (Landmann/Rohmer, a.a.O" RdNr. 2 zu § 15), was auch aus der extrem kurzen Zelt der drei Tage für die Erteilung der Bescheinigung deutlich wird.

Dies erklärt die Beschränkung der Weigerungsgründe der Annahme einer Gewerbeanzeige auf Fallkonstellationen, in denen ohne weiteres erkennbar ist, dass die angezeigte Tätigkeit generell verboten Ist (so VG Stuttgart, Az. 4 K 3330/05 vom 1.12.2005).

Das erkennende Gericht schließt sich ausdrücklich der Rechtsprechung verschiedener Verwaltungsgerichte (etwa VG Stuttgart, a.a.O., VG Ansbach vom 13.10.2005, Az. AN 4 K 05.02532, VG Freiburg vom 22.3.2006, Az. 2 K B1/06) an.

Danach treffe es zwar zu, dass § 284 StGB unerlaubtes Glücksspiel unter Strafe stellt und Sportwetten grundsätzlich unter den Begriff des Glücksspiels fallen (vgl. Nachweise in der Entscheidung des VG Stuttgart, a.a.O.: BayVGH vom 29.9.2004, Az. 24 BV 03.3162), soweit die Entscheidung über Gewinn und Verlust nicht etwa von den körperlichen oder geistigen Fähigkeiten der Spieler, deren Kenntnissen, ihrer Übung und Aufmerksamkeit abhängt, sondern vielmehr der Erfolg allein oder überwiegend vom Zufall bestimmt wird.

Aus dem Wortlaut der Strafnorm werde jedoch bereits ersichtlich, dass damit nicht jegliches Glücksspiel eine strafbare Handlung und damit eine verbotene Tätigkeit darstelle, sondern nur, soweit es ohne die erforderliche Erlaubnis ausgeübt werde. Aus der durch das Gesetz vorgegebenen kurzen Frist für die Anzeigebestätigung von drei Tagen müsse darauf geschlossen werden, dass die Beklagte häufig gar nicht in der Lage sein kann, eine Prüfung einer etwa vorgelegten Erlaubnis eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union vorzunehmen oder aber zu prüfen, ob im konkreten Fall der beabsichtigten Sportwette tatsächlich ein unerlaubtes Glücksspiel vorliegt. Diese Fragen würden regelmäßig erst In einer zweiten Phase durch die sachlich zuständige Behörde zu klären sein, um dann ggf die entsprechenden erforderlichen Maßnahmen, die bis zur Verhinderung der Fortsetzung des Betriebs gemäß § 16 Abs. 2 GewO oder bis zur Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO reichen können, zu ergreifen (so im wesentlichen VG Ansbach, a.a.O.).

Auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (Az. 1 BvR 1054/01) hat vorstehende Ausführungen nicht in Frage gestellt bzw. - was vorliegend streitentscheidend ist - die beabsichtigte Tätigkeit der Klagepartei pauschal und bindend (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) für generell verboten erklärt, so dass die Beklagte zulässigerweise die Gewerbeanzeige zurückgewiesen hätte.

Das Bundesverfassungsgericht hat in Feststellung mit der Übereinstimmung der Vorgaben der sog. Gambelli-Entscheidung des EuGH (vom 6.11.2003, NJW 2004, 139) im Gegenteil gerade das Bayerische Staatslotteriegesetz vom 29. April 1999 (GVBI 226) für mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt und (S. 42 UA) ausgeführt, dass eine Begrenzung des Schutzbereiches von Art. 12 GG allenfalls hinsichtlich solcher Tätigkeiten in Betracht komme, die schon Ihrem Wesen nach als verboten anzusehen sind, weil sie aufgrund ihrer Sozial- und Gemeinschaftsschädlichkeit schlechthin nicht am Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit teilhaben können.

Dies sei bei der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten durch private Wettunternehmen und der Vermittlung von Wetten, die nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet werden, nicht der Fall, auch wenn zur Begründung der ausschließlichen Zulassung eines staatlich verantworteten Wettangebots angeführt wurde, dass die Ausnutzung der natürlichen Spiel- und Wettleidenschaft der Bevölkerung zu privaten und gewerblichen Gewinnzwecken sozial unerwünscht sei. Die Rechtsordnung kenne das Angebot von Sportwetten als erlaubte Betätigung, das Anbieten von Sportwetten als wirtschaftliche Tätigkeit etwa im Sinne des Gemeinschaftsrechts sei anerkannt.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die beabsichtigte Tätigkeit der Klagepartei jedenfalls nicht als generell verboten angesehen werden kann, ganz unabhängig davon, dass sich die Klagepartei durch die getätigte Gewerbeanzeige der Gefahr aussetzt, in dem oben beschriebenen zweiten Schritt einer alsbaldigen Gewerbeuntersagung entgegenzusehen (BVerfG, a.a.O., S. 73 UA; die dort getroffene Aussage, die gewerbliche Veranstaltung von Wetten dürfe "weiterhin als verboten angesehen" werden, dürfte vor dem Hintergrund der oben geschilderten Darlegungen des Gerichts schwerlich dahingehend (miss)verstanden werden, als seien derlei Tätigkeiten schon begrifflich kein "Gewerbe" im Sinne von § 14 GewO, für die eine Gewerbeanmeldung zulässigerweise zurückgewiesen werden könnte).

Da die Klagepartei vorgetragen hat, Sportwetten an Veranstalter mit Sitz und Erlaubnis in bzw. von anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vermitteln zu wollen, wird nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, es sei (S. 41 UA) zur Prüfung der Vereinbarkeit des Sportwettenmonopols mit Gemeinschaftsrecht nicht berufen, erst noch beklagtenseitig zu prüfen sein, ob diese beabsichtigte Tätigkeit tatsächlich in den Bereich der nunmehr übergangsweise untersagten Tätigkeiten fällt.

Die übergangsweise Hinnahme eines Art. 12 Abs. 1 GG und damit auch wohl das Gemeinschaftsrecht - das Bundesverfassungsgericht (a.a.O., S. 68 UA) anerkennt die Entsprechung des Gemeinschaftsrechts mit dem Grundgesetz insofern explizit - verletzenden staatlichen Wettmonopols ist dem Gemeinschaftsrecht nämlich gerade fremd und dürfte schwerlich mit der möglichst effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts vereinbar sein.

Ein maßgeblicher verfassungsgemäßer Rechtszustand wird nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erst dann gegeben sein, wenn der hierzu berufene Gesetzgeber von seiner Gesetzgebungskompetenz (erneut) Gebrauch macht und daneben auch die Beschränkung der Art, 43 und 49 EG aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses im Sinne der Rz 65 der Entscheidung des EuGH (a.a.O.) ermöglicht oder zumindest faktisch eine verfassungskonforme, einen Eingriff in die Berufsfreiheit/Dienstleistungs-/Niederlassungsfreiheit rechtfertigende Situation geschaffen wurde.

Das Gericht vermag daher eine derartige Bewertung ohne nähere Prüfung gerade nicht vorzunehmen. Es sieht es daher auch als nahezu ausgeschlossen an, dass die Beklagtenseite dies innerhalb der 3-Tages-Frist des § 15 Abs. 1 GewO veranlassen und durchführen kann. Die Beklagte hat dies im Übrigen auch nicht vorgetragen und hat sich auch gerade nicht veranlasst gesehen, vom Amts wegen zu ermitteln, welche Art der Spielvermittlung die Klagepartei beabsichtigt aufzunehmen. Sie ist offenbar pauschal von gänzlich untersagten Tätigkeiten ausgegangen, obwohl - wie ausgeführt - bei der Spielvermittlung an Anbieter im europäischen Ausland eine von Spielevermittlung im Inland zu differenzierende Betrachtungsweise erforderlich sein kann, ebenso soweit zumindest teilweise auch Vermittlungen etwa von Oddset-Wetten an den staatlichen Lotto-Toto-Block beabsichtigt waren, die von vornherein auf keine rechtlichen Bedenken stoßen.

Gleiches gilt für Pferdewetten.

Einen etwaigen Rechtsverlust hat die Beklagtenseite auch nicht zu befürchten, als - wie ausgeführt - der Gewerbeanmeldung keinerlei legalisierende Wirkung zukommt (vgl. BVerwG vom 8.7.1971, E 38, 160, 161), und ihr - was im Verantwortungsbereich der Klagepartei liegt - nach einer beschriebenen eingehenden Prüfung ggf. ordnungsrechtliches Einschreiten unbenommen bleibt.

Der Klage war daher wie beantragt unter der Kostenfolge des § 164 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 124 a Abs. 1 Satz 1 1. Alternative VwGO zuzulassen. Die vorliegend inmittenstehende Frage, inwieweit Gewerbeanmeldungen für die Vermittlung von Sportwetten entgegenzunehmen sind, hat grundsätzliche Bedeutung.