Keine Strafbarkeit bei Sportwetten-Vermittlung mit ausländischer Lizenz

Amtsgericht Solingen

Beschluss v. 07.11.2005 - Az.: 20 Ds 60 Js 124/05 -158/05

Leitsatz

1. § 284 StGB ist mit dem Europäischem Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren und ist damit keine wirksame Grundlage für eine Strafbarkeit.

2. Es ist fraglich, ob es sich bei Sportwetten angesichts des erheblichen Wissens-Elements überhaupt um Glücksspiel handelt.

3. Da die Zulässigkeit von Sportwetten bis heute rechtlich umstritten ist, liegt ein unvermeidbarer Verbotsirrtum vor.

 

Tenor

BESCHLUSS


In der Strafsache (...)

wegen unerlaubter Veranstaltung eines Glückspiels

wird das Hauptverfahren nicht eröffnet (§ 204 StPO).

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Angeschuldigten trägt die Staatskasse.

Sachverhalt

(vgl. Entscheidungsgründe)

Entscheidungsgründe

Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wuppertal vom 07.03.2005 wird der Angeschuldigten vorgeworfen, in S(...) am 22.04.2004 und in nicht rechtsverjährter Zeit davor Beihilfe zum Veranstalten eines Glückspiels ohne behördliche Erlaubnis geleistet zu haben.

Die Angeschuldigte ist Konzessionsinhaberin einer Gaststätte in (...) S (...). Im Rahmen einer allgemeinen Kontrolle durch die Ordnungsbehörde wurde am 22.04.2004 festgestellt, dass die Angeschuldigte in den Räumen ihrer Gaststätte einen sogenannten Tippomaten online aufgestellt hatte, über welchen im Rahmen einer dauerhaft bestehenden Internetverbindung Sportwetten an die österreichische C(...) GmbH weitergeleitet werden können.

Mit der Begründung weder die Angeschuldigte noch die Firma C(...) verfügten über eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten nach § 1 des Sportwettengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen, die Firma C(...) besitze lediglich die entsprechenden Konzessionen der österreichischen Behörden zum Veranstalten von Sportwetten, wirft die Staatsanwaltschaft der Angeschuldigten insoweit die Beihilfe zu § 284 l StGB vor.

Die Eröffnung des Hauptverfahrens war aus rechtlichen Gründen abzulehnen.

Zum einen bestehen schon erhebliche Zweifel, ob die von C(...) angebotenen Sportwetten überhaupt unter dem Begriff des Glücksspiels fallen gemäß § 284 StGB. Es erscheint insoweit fraglich, ob hier der Zufall wie bei einer Wette erforderlich im Fordergrund steht oder ob das Ergebnis nicht wesentlich von Fähigkeiten, Kenntnissen und Informationsstand der jeweiligen Mitspieler abhängt (vgl. LG Bochum, NStZ-RR 2002, Seite 170).

Es kann vorliegend keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass die Angeschuldigte nicht Veranstalterin eines Glücksspiels ist. Veranstalterin ist, wer verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung eines Glücksspiels schafft, insbesondere etwa den Spielplan entwirft, die Quoten festlegt und Vertragspartner des Spielers ist. Die Angeschuldigte hat lediglich in der von ihr betriebenen Lokalität einen Tippomaten aufgestellt, der eine dauerhafte Online-Verbindung zum Veranstalter C(...) in Österreich gewährleistet.

Im übrigen handelt es sich bei dem von der Angeschuldigten in ihrem Lokal aufgestellten Einrichtung um einen völlig herkömmlichen Internetanschluß. Durch das zur Verfügungstellen der dauerhaften Online-Verbindung kann die Angeschuldigte allenfalls als Vermittlerin tätig geworden sein.

Eine Gleichsetzung dieser vermittelnden Tätigkeit mit dem Veranstalten eines Glücksspiels im Sinne von § 284 l StGB verstieße gegen das Analogieverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG.



Die Angeschuldigte kann sich als Vermittlerin der Sportwetten von C(...) auch nicht wegen Beihilfe zum unerlaubten Glücksspiel dieser Firma gemäß §§ 284, 27 StGB strafbar gemacht haben. Denn § 27 StGB setzt akzessorisch eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat voraus, die aber solange nicht vorliegt, wie das veranstaltende Unternehmen, hier die Firma C(...) aus Österreich, dafür eine gültige Erlaubnis des Heimatlandes zu diesem Sportwettenbetrieb inne hat.

Im Hinblick auf die einschlägige Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs, beispielsweise in der Sache Gabelli (Entscheidung vom 06.11.2003 C 243/01) erscheint es bereits außerordentlich problematisch, ob nicht ein Verbot der C(...)-Wette in Nordrhein-Westfalen eine ungerechtfertigte Beschränkung der im Europäischen Gemeinschaftsrecht garantierten Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit darstellt.

Jedenfalls aber hätte die Angeschuldigte zur Überzeugung des Gerichts im Rahmen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums nach § 17 Satz 1 StGB gehandelt. Die äußerst problematische rechtliche Frage der Vereinbarkeit von § 284 StGB mit Europäischem Gemeinschaftsrecht war zuletzt auch Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.04.2005. In dieser Entscheidung führt das Bundesverfassungsgericht unter anderem aus, dass gegenwärtig die Anwendbarkeit der Strafordnung aus europarechtlichen Gründen zweifelhaft sei. Auf das von der Verteidigung zur Akte gereichte Urteil Bl. 198 ff. der Akten wird an dieser Stelle ausdrücklich Bezug genommen. Insoweit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Angeschuldigte, die sich bereits im Rahmen des Beschlagnahmeverfahrens an einen Rechtsanwalt gewandt hat, ihrer Erkundigungspflicht nach § 17 StGB nachgekommen ist.

Da der Verteidiger, der bis zum heutigen Tage die Auffassung vertritt, in der Aufstellung des Automaten durch die Angeschuldigte liege kein Verstoß gegen § 284 StGB und dies der Angeschuldigten auch umgehend mitteilte, ferner diese Frage rechtlich äußerst problematisch ist - insoweit wird auf obige Ausführungen Bezug genommen - steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Angeschuldigten unzweifelhaft bei Begehung der Tat die Einsicht Unrecht zu tun gefehlt hat und sie dies auch nicht hätte vermeiden können.

Nach alledem war das Hauptverfahren aus rechtlichen Gründen nicht zu eröffnen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 l StPO.

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zulässig. Die sofortige Beschwerde ist innerhalb einer Woche seit der Zustellung des Beschlusses schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Solingen einzulegen.