BGH: Unerlaubtes Glücksspiel auch dann strafbar, wenn Genehmigung zu Unrecht abgelehnt wurde

Für ein strafbares Veranstalten eines unerlaubten Glücksspiels ist es unerheblich, ob die durchgeführte Veranstaltung an und für sich genehmigungsfähig ist. Nicht relevant ist auch, ob eine behördliche Untersagung den Täter in seinem Recht auf Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 GG verletzt. Maßgeblich ist vielmehr, ob objektiv eine staatliche Genehmigung für das Veranstalten eines Glücksspiels vorliegt (BGH, Urt. v. 27.02.2020 - Az.: 3 StR 327/19).

Im vorliegenden Fall betrieb der Täter in der Vergangenheit legal Spielhallen. 

Durch die Änderungen des Glücksspielstaatsvertrages im Jahr 2011 und das niedersächsische Glücksspielgesetz im Jahr 2017 wurde eine zusätzliche Voraussetzung benötigt. Der Beschuldigte stellte einen entsprechenden Antrag bei der Behörde, den diese ablehnte, weil der Mindestabstand von 100 m zwischen zwei Spielhallen nicht gegeben war.

Der Beschuldigte betrieb sein Geschäft gleichwohl weiter.

Die Vorinstanz sprach den Täter frei, weil die fehlende Erlaubnis zum Weiterbetrieb auf einem Rechtszustand beruht habe, der verfassungswidrig sei und den Unternehmer in seinen Rechten verletze.

Der BGH hat nun diesen Freispruch aufgehoben und ausgeführt, dass auch in diesen Fällen eine Strafbarkeit zu bejahen sei.

"Nach § 284 Abs. 1 StGB macht sich unter anderem strafbar, wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder die Einrichtungen hierfür bereithält. 

Diesen Tatbestand erfüllte der Angeklagte, indem er im Tatzeitraum für die Einziehungsbeteiligte handelnd eine Spielhalle betrieb, in der an Geldspielautomaten gespielt werden konnte, ohne dass hierfür eine behördliche Erlaubnis vorlag. 

Dem steht nicht entgegen, dass die Ablehnung der Genehmigung noch nicht bestandskräftig war, da die Einziehungsbeteiligte dagegen gerichtlich vorging. Die Strafbarkeit nach dieser Vorschrift entfällt auch dann nicht, wenn man der in anderer Sache vertretenen Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (Beschluss vom 4. September 2017 - 11 ME 330/17, NVwZ 2017, 1552 ff.) folgt, wonach die Versagung der Erlaubnis möglicherweise deshalb materiellrechtlich fehlerhaft war, weil sie das Grundrecht des Angeklagten aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzte. 

Nicht entscheidend ist daneben, dass der Einziehungsbeteiligten später eine vorläufige Genehmigung erteilt wurde."

Ausdrücklich stellen die Richter fest, dass ein strafbares Handeln auch dann gegeben sei, wenn die Versagung der Erlaubnis durch die Behörde rechtswidrig gewesen sei:

"Das Handeln des Angeklagten ist nicht deshalb straflos, weil die Versagung der Erlaubnis möglicherweise rechtswidrig war. 

Sein Verhalten erfüllt selbst dann die Voraussetzungen des § 284 Abs. 1 StGB, wenn man mit dem Oberlandesgericht Celle (Beschluss vom 16. Januar 2019 - 2 Ws 485/18, StraFo 2019, 169, 172) einen Anspruch des Angeklagten auf Erteilung einer jedenfalls vorläufigen Genehmigung annimmt, weil er im Tatzeitraum ohne Erlaubnis handelte. Auch dass ihm zwischenzeitlich die erforderliche Erlaubnis - vorläufig - erteilt wurde und er sich möglicherweise im Verwaltungsrechtsweg die Erteilung einer endgültigen Erlaubnis erstreiten wird, lässt die Strafbarkeit nicht (nachträglich) entfallen.

§ 284 Abs. 1 StGB ist verwaltungsakzessorisch ausgestaltet, indem die Tatbestandserfüllung an das Fehlen einer behördlichen Erlaubnis knüpft. Dabei handelt es sich um eine auf einen konkreten Verwaltungsakt, nicht um eine auf das Verwaltungsrecht als solches bezogene Akzessorietät. Dies bedeutet, dass das negative Tatbestandsmerkmal der fehlenden Erlaubnis in § 284 Abs. 1 StGB nur entfällt, wenn die Genehmigung mit einem formal wirksamen Verwaltungsakt erteilt wurde. 

Nur auf diese formale Wirksamkeit, nicht auf die materielle Richtigkeit dieses tatbestandsausschließenden Verwaltungsaktes kommt es an. (...)

Das Fehlen einer behördlichen Erlaubnis erfüllt den Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB ungeachtet einer möglichen materiellrechtlichen Genehmigungsfähigkeit. Das Vorliegen eines Sachverhalts, bei dem die Erlaubnis erteilt werden könnte oder gar müsste, begründet keinen Tatbestandsausschluss, da sonst Sinn und Zweck des Erlaubnisvorbehalts leerliefen."

Auch ein späteres Erstreiten einer Erlaubnis vor Gericht führe nicht zum Ausschluss der Strafbarkeit:

"Zudem kann eine nachträgliche Erteilung der Genehmigung ebenso wie ein Obsiegen im gerichtlichen Verfahren mit einer Reihe weiterer Umstände zusammenhängen, die möglicherweise zum Zeitpunkt der Genehmigungsversagung noch nicht vorlagen oder anders zu bewerten waren (...). Gegen einen Strafaufhebungsgrund spricht zudem, dass mit dem Strafverfahren auf eine abschließende Entscheidung im Verwaltungsrechtsweg zugewartet werden müsste, was die Funktion abstrakter Gefährdungsdelikte unterlaufen kann."

Nach Meinung der Richter gelte dies selbst dann, wenn ihm die Grundrechte des Täters, hier die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG, rechtswidrig eingegriffen werde. Eine BGH-Rechtsprechung sei auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar:

"Selbst wenn dem folgend die Versagung der Erlaubnis auf einem den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nicht genügenden Auswahlverfahren beruhen sollte, berührt dies die Strafbarkeit des Angeklagten nicht. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 16. August 2007 - 4 StR 62/07, NJW 2007, 3078 ff.) ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht des Täters auf freie Berufsausübung die Nichtanwendbarkeit des § 284 StGB begründen. 

Doch ist diese Rechtsprechung, die trotz Tatbestandserfüllung in solchen Fällen eine Strafbarkeit verneint, nicht auf den vorliegenden Fall zu übertragen."

Denn in dem älteren Urteil sei es um die Frage gegangen, ob die rechtliche Ausgestaltung des Glücksspielrechts grundsätzlich verfassungswidrig sei. Hiervon unterscheide sich der vorliegende Fall. Denn es  er betreffe die grundlegende Gesetzeslage, sondern drehe sich vielmehr "nur" um die Konstellation, ob eine behördliche Maßnahme rechtswidrig sei oder nicht.