Fun Games, Jackpot-Verbot und die neue SpielVO

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen

Beschluss v. 09.01.2007 - Az.: 7 L 1631/06

Leitsatz

1. Unterhaltungsspielgeräte, bei denen der Spieler mittels Spielpunkten Berechtigung zum Weiterspielen erlangen kann, verstoßen gegen § 6a SpielVO.

2. Das Vergünstigungsverbot des § 9 Abs.2 SpielVO ist umfassend zu verstehen. Es erfasst jede Art von Jackpots, auch ungekoppelte.

Tenor

1. Der Antrag wird auf Kosten der Antragstellerin abgelehnt.

2. Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

 

Sachverhalt

(vgl. Entscheidungsgründe)

Entscheidungsgründe

Der sinngemäß gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 31. Oktober 2006 wiederherzustellen bzw. hinsichtlich der Zwangsgeldandrohungen anzuordnen,dürfte mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig geworden sein, nachdem die Antragstellerin den hier betroffenen Betrieb geschlossen hat, weil - wie sie mit Schriftsatz vom 8.1.2007 ausführt - der Betrieb nach Umrüstung bzw. Aufstellung neuer Automaten nicht mehr wirtschaftlich zu führen war.

Unabhängig davon ist der Antrag auch unbegründet. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Ordnungsverfügung des Antragsgegners, mit der der Antragstellerin die Aufstellung und der Betrieb näher bezeichneter Unterhaltungsspielgeräte (sog. Fun Games) untersagt worden ist, überwiegt gegenüber dem privaten Interesse an einem Vollziehungsaufschub, weil die Ordnungsverfügung bei summarischer Prüfung sehr wahrscheinlich rechtmäßig ist.

Zur Begründung verweist die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in der angegriffenen Verfügung (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO), denen sie folgt.

Mit Rücksicht auf das Vorbringen in der Antragsschrift und in der Antragserwiderung wird Folgendes ergänzt: Die Kammer geht bei summarischer Prüfung davon aus, dass die Ordnungsverfügung hinreichend bestimmt ist. Anhand der beispielhaft aufgeführten Geräte, die der Antragsgegner bei der Besichtigung im Betrieb der Antragstellerin vorgefunden hat und der abstrakten Beschreibung der Funktionsweise der sog. Fun Games in Ziff 1 der Verfügung sowie insbesondere auch aus der Begründung der Verfügung wird nach Auffassung der Kammer für die Empfängerin hinreichend deutlich, was ihr aufgegeben wird.

Der Kammer ist aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt, dass die Beschränkung einer Verfügung auf namentlich bezeichnete Geräte Betreiber häufig dazu veranlasst, diese durch funktionsgleiche auszutauschen. Die Behörde wäre dann gehalten, eine neue Verfügung zu erlassen.

Die in der Verfügung genannten fünf Spielgeräte verstoßen gegen § 6 a Satz 1 lit. a SpielVO , weil sie zum einen als Gewinn Berechtigungen zum Weiterspielen, zum anderen auch Chancenerhöhungen anbieten. Beides ist nach dem ausdrücklichen Verordnungstext unzulässig.

Der Gewinn von Spielpunkten ist als unzulässige Berechtigung zum Weiterspielen i.S.v. § 6 a S. 1 lit. a SpielVO anzusehen. Denn das Verbot beschränkt sich nicht auf die Möglichkeit, die Punkte zu späterem Weiterspiel an diesem oder anderen Geräten auf Speichern zu hinterlegen oder zur Auszahlung von Geld zu verwenden.


Vgl. auch VG Aachen, Beschluss vom 20. Juli 2006 - 3 L 295/06 -; LG Osnabrück, Urteil vom 10. März 2006 - 15 O 180/06 -; LG Oldenburg, Urteil vom 5. Juli 2006 - 12 O 1148/06 -.

Letzteres ist im Wesentlichen durch § 6 a S. 1 lit. b SpielVO geregelt, während lit. a gerade weiter geht und nach dem eindeutigen Wortlaut - vorbehaltlich § 6 a S. 3 SpielVO - jegliche Berechtigung zum Weiterspielen ausschließt. Diese Würdigung entspricht auch Sinn und Zweck der Vorschrift, denn die Gelegenheit unbegrenzt weiter spielen zu können sowie die Chance, das Punktekonto durch Betätigen der Risikotaste zu erhöhen (und wiederum zusätzlich weiterspielen zu können), sind geeignet, den Spieltrieb eines Spielers für überlange Zeit zu wecken. Der Verordnungsgeber hat auch die Gefahr gesehen, dass Fun-Game-Spielsequenzen sehr lange ausgedehnt werden und der Spieler „Rückholchancen" nicht als Einsatzrückgewähr sondern als Gewinn empfindet, vgl. Bundesratsdrucksache 655/05 vom 30. August 2005, S. 18.

Dementsprechend sieht auch die Verwaltungsvorschrift zum Vollzug der §§ 33 c , 33 d , 33 i und 60 a Abs. 2 und 3 der Gewerbeordnung sowie der SpielVO (SpielVOVwV) unter Nr. 6 vor, dass der Betrieb solcher Geräte, die aufgrund spielinterner Aufaddierung von Punkten die Möglichkeit weiterer Spiele eröffnen, verboten ist. Die SpielVOVwV konstatiert, dass typisch für Fun-Game-Geräte die Möglichkeit ist, durch einen vorgegebenen Gewinnplan Punkte (oder anders bezeichnete Anrechte) zu gewinnen, um mit diesen das entgeltliche Spiel zu verlängern.

Schließlich kann der Antragsteller sich nicht darauf berufen, dass die von ihm betriebenen Fun Games dem Unterhaltungsspielgerät Flipper gleichgestellt sein müssten. Der Flipper als reines Unterhaltungsspielgerät, welches in erheblichem Maße durch Geschicklichkeit gesteuert werden kann, ermöglicht von vornherein keine übermäßige Ausnutzung des Spieltriebs, BVerwG, Urteil vom 23. November 2005 - 6 C 8/05 -.

Etwas anderes gilt für die Fun Games als elektronisch gesteuerte Spielgeräte mit kurzer Spieldauer ohne nennenswerte Steuerungsmöglichkeit. Letztlich sind sie sogar gefährlicher als herkömmliche Geldspielgeräte, da sie ohne die Beschränkungen von § 13 SpielVO betrieben werden können und erheblich höhere Verluste ermöglichen.

In Anwendung dieser Grundsätze sind die bezeichneten Spielgeräte nicht mit § 6 a S. 1 lit. a SpielVO vereinbar und fallen auch nicht die Ausnahmeregelung des § 6 a S. 3 SpielVO.

Denn die Geräte sind darauf angelegt, dass der Spieler für seinen Geldeinsatz ein Punktekonto erhält und dieses durch wiederholte Spiele aufstocken oder aufzehren kann.

Zudem verfügen - dies hat die Besichtigung des Antragsgegners am 18. Oktober 2006 eindeutig ergeben - drei der vier Geräte über sog. Risikotasten. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund des Ergebnisses der beiden Ortsbesichtigungen durch den Antragsgegner fest. Die dabei getroffenen Feststellungen sind durch den Vortrag der Antragstellerin nicht ernsthaft infragegestellt.

Unterlagen über eine Software, die Weiterspielberechtigungen i.S.d. SpielVO ausschließen sollen, sind nicht geeignet, die Übereinstimmung der Automaten mit der geltenden SpielVO zu belegen. Derartige Software ist einerseits jederzeit austauschbar; zum anderen ist die Beschreibung der Software durch die Herstellerfirma nicht eindeutig, weil die verwendete Terminologie nicht mit der SpielVO übereinstimmen muss (das gilt namentlich bezüglich des Begriffs der sog. Weiterspielberechtigungen, s. Beschreibung der Fa. M. Entertainment, Bl. 63 GA).

Zu der Programmversion „No Limit 2006 plus" des Gerätes Merkur Trendy ist anzumerken, dass sich einerseits aus der von der Herstellerfirma H(...) herausgegebenen Softwarebeschreibung hinreichend deutlich ergibt, dass weiterhin verbotene „Kreditfunktionen" (Speicherfunktionen) vorhanden sind und insbesondere auch über die Verbindung zum „Trendy World Server" eine Anmeldung an zahlreiche andere Geräte unter Speicherung erworbener Punkte möglich ist. Zum anderen ist eine solche Software jederzeit austauschbar.

Die Kammer geht insgesamt davon aus, dass Spielgeräte, die den Anforderungen von § 6a SpielVO genügen, sich wirtschaftlich kaum betreiben lassen.

Das in Nr. 2 ausgesprochene Verbot von Jackpotsystemen ergibt sich aus § 9 Abs. 2 SpielVO. Nach dieser Vorschrift gilt das Verbot allgemein; insbesondere spielt es keine Rolle, ob die Jackpotsysteme mit Spielgeräten vernetzt sind oder nicht; auch entkoppelte Jackpotsysteme sind nach § 9 Abs. 2 SpielVO nicht erlaubt.

Vgl. VG Lüneburg, Beschluss vom 18. Juli 2006 - 5 B 21/06 -; VG Osnabrück, Beschluss vom 25. April 2006 - 1 B/2106 -, GewArch 2006, 389; VG Würzburg, Beschluss vom 7. März 2006 - W 5 S 06.162 -.

Mit der Einfügung des § 9 Abs. 2 SpielVO wollte der Verordnungsgeber nämlich erklärtermaßen sämtliche Zahlungen und Vergünstigungen verbieten, die neben der Ausgabe von Gewinnen über zugelassene Spielgeräte oder andere Spiele gewährt werden.

Vgl. Bundesratsdrucksachen 655/1/05, Seite 5 und 655/2/05, Seite 3.

Auch die Zwangsgeldandrohungen sind nicht zu beanstanden. Angesichts des wirtschaftlichen Interesses der Betreiber hält die Kammer ein angedrohtes Zwangsgeld von 5.000,00 Euro für jedes Spielgerät im Falle eines Verstoßes gegen die Ordnungsverfügung nicht für unverhältnismäßig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO . Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes . Dabei setzt die Kammer für jedes der beanstandeten Spielgeräte im Hauptverfahren einen Betrag von 5.000,00 Euro an, weil anzunehmen ist, dass sich die Aufstellung dieser Geräte bei einem geringeren Jahresgewinn kaum lohnt; hinzu kommt für die Jackpotsysteme ein weiterer Hauptsachenwert von insgesamt 5.000,00 Euro, der ebenfalls im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu halbieren ist.