Kein Schadensersatz für bwin für rechtswidriges Verbot der Trikot-Werbung

Landgericht Bremen

Urteil v. 27.12.2007 - Az.: 1 O 2375/06

Leitsatz

1. bwin steht kein Schadensersatz für das (rechtswidrige) Verbot der Trikot-Werbung (Werder Bremen) zu, denn es fehlt am erforderlichen Verschulden der zuständigen Ordnungsbehörde.

2. Die zuständige Ordnungsbehörde, die das Verbot erlassen hat, hat ihr Ermessen nicht offenkundig oder erheblich überschritten, da sie den Vorgaben der höchsten Gerichte ihres Landes gefolgt ist und sich in dem vom EuGH eröffneten Rahmen gehalten hat.

Tenor

In Sachen (…) gegen (…) hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2007 durch die Richter (…) für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Sachverhalt

Die Klägerin verlangt Schadensersatz und Feststellung von Zukunftsschäden wegen behaupteter Amtspflichtverletzung durch die Untersagungsverfügung der Beklagten gegenüber dem in der Fußballbundesliga spielenden (…) (im Folgenden: (…)) und der (…) (im Folgenden: (…)) für die Klägerin zu werben.

Die Klägerin ist ein einzelkaufmännisches Unternehmen (früher (…)) des Herrn (…) mit Sitz in Sachsen. An der Klägerin ist die (…) mit Sitz in Österreich mit 50 % als atypisch stille Gesellschafterin beteiligt. Die Firma (…) mit Sitz in Gibraltar ist eine 100 %ige Tochter der (…) in Österreich. Die Klägerin veranstaltet die auf der Internetseite www.(...) angebotenen Sportwetten nicht selbst, sondern vermittelt die Spieler aus Deutschland an die (…), die mit dieser Verträge über Sportwetten schließen. Hierfür erhält die Klägerin eine Provision.

Im März 2006 schloss die Klägerin mit dem (…) einen Sponsorvertrag für die Saison 2006/2007 bis 2008/2009, beginnend am 01.07.2006. Gemäß § 4 des Vertrages muss die Klägerin an den (…) pro Vertragsjahr 4.925.000 € netto in vier gleichen Raten zahlen sowie eine Erfolgsprämie. Als Gegenleistung erhält die Klägerin das exklusive Recht auf Verwendung der Bezeichnung "Offizieller Hauptsponsor des (…)" sowie umfangreiche Sponsorenrechte, insbesondere das Recht der Trikotswerbung.

In § 8 des Vertrages haben die Klägerin und der (…) geregelt, dass in dem Fall, dass der (…) aufgrund behördlicher und/oder gerichtlicher Maßnahmen die geschuldeten Werbemaßnahmen zur Gänze oder teilweise nicht durchführen kann, der (…) - wie geschehen - die geschuldeten Leistungen suspendieren darf, die Zahlungspflicht der Klägerin jedoch bestehen bleibt.

Die Klägerin hat in diesem Fall das Recht, den Vertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen, wenn dem (…) (und/oder (…)) die vertraglich geschuldeten Werbemaßnahmen gerichtlich oder behördlich rechtskräftig untersagt werden. Die Zahlungspflicht bleibt jedoch auch in diesem Fall noch 16 Monate bestehen, wenn nicht vorher ein neuer Hauptsponsor zu den gleichen Konditionen gefunden wird.

Mit der (…) hat die Klägerin zwei Werbeverträge geschlossen beginnend am 01.07.2006 für zunächst drei Jahre. Als Gegenleistung für die Werbemaßnahmen zahlt die Klägerin jährlich insgesamt 1.150.000 € netto.

Ferner haben sich der (…) und demgegenüber der Klägerin verpflichtet, gegen die behördlichen Maßnahmen jedes zulässige Rechtsmittel einzulegen. Die Kosten dieser Rechtsverfolgung hat die Klägerin zu tragen.

Mit Verfügung vom 07.07.2006 untersagte das Stadtamt (…) dem (…) und der (…) in der Stadtgemeinde (…) für Sportwetten oder andere öffentliche Glücksspiele zu werben (z.B. in Form von Trikot- oder Bandenwerbung oder auf ihrer Homepage im Internet), die ohne Genehmigung der in der Freien Hansestadt (…) zuständigen Behörden im Land (…) veranstaltet oder vermittelt werden. Dies gelte insbesondere für Werbung für Sportwetten des Unternehmens (…).

Für jeden Fallder Zuwiderhandlung wurde ein Zwangsgeld von 50.000 €, ersatzweise Haft, angedroht. Ferner wurde die sofortige Vollziehung der Maßnahme angeordnet. Gestützt wurden die Verfügungen auf § 12. Abs. 1 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland (LottStV), hilfsweise auf § 10 Abs. 1 BremPolG i.V. m. § 284 StGB.

Zur Begründung wird ausgeführt, (…) verfüge über keine in der Freien Hansestadt (…) gültige Erlaubnis zur Veranstaltung oder Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen. Das staatliche Glücksspielmonopol verstoße weder gegen Europarecht noch gegen deutsches Verfassungsrecht.

Die Einhaltung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 28.03.2006 werde vom Senator für Inneres und Sport überwacht; so seien beispielsweise auch gegenüber der (…) Beschränkungen verfügt worden. (…) könnte sich nicht auf eine im Jahr 1990 in der ehemaligen DDR erteilte Genehmigung berufen. Sofern diese überhaupt noch wirksam sei, könne sie keine Wirkung entfalten. Die Genehmigung habe sich im Übrigen nur auf die "Eröffnung eines Wettbüros für Sportwetten in (…)" erstreckt. Die erforderliche Genehmigung des Ministers des Innern der DDR fehle.

Die Untersagung der Werbung für (…) sei notwendig, geeignet und erforderlich, um rechtswidriges Handeln zu unterbinden und die damit einhergehenden Gefahren zu verhindern. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei geboten, da besondere und konkrete Gefahren für das Allgemeinwohl, wie Spielsucht und Vermögensverlust, drohten, die es umgehend abzuwehren gelte.

Gegen diese Verfügung legten der (…) und (…) Widerspruch ein. Ferner beantragten sie beim Verwaltungsgericht (…), die aufschiebende Wirkung der Widersprüche wiederherzustellen. Mit Beschlüssen vom 24.07.2006 stellte das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche wieder her. Gegen diese Beschlüsse legte das Stadtamt Beschwerde ein. Gemäß Beschluss vom 03.08.2006 lud das Oberverwaltungsgericht (…) die Klägerin zum Verfahren bei. Mit Beschluss vom 07.09.2006 hob das Oberverwaltungsgericht (…) die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts (…) auf.

Gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgericht (…) legten der (…) und die Klägerin Verfassungsbeschwerde ein, über die noch nicht entschieden ist. Auch das Hauptsacheverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Am 20.10.2006 kündigte die Klägerin die Verträge mit dem (…) und der (…). Zum 01.07.2007 hat der (…) der (…) einen neuen Hauptsponsor gefunden. Zur Beilegung des Streits mit dem (…) und der (…) hat die Klägerin einen Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 31.12.2006 mit der (…) geschlossen gegen Zahlung einer Abfindungssumme i.H.v. 357.716,50 €, die zusätzlich als Schaden geltend gemacht wird, und steht mit dem (…) der die Kündigung als vertragsgerecht akzeptiert hat, in Verhandlungen über eine Abfindungssumme.

Die Klägerin ist der Ansicht, das deutsche Glücksspielmonopol widerspreche dem EG-Recht. Es sei insbesondere mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit aus Art. 43 und 45 EG nicht vereinbar. Die staatlichen Glücksspielmonopole würden den Ländern als unentbehrliche und lukrative Einnahmequelle dienen.

Die Behörden der Beklagten hätten es unterlassen, aus den Feststeilungen des Bundesverfassungsgerichts, des EuGH, der Verwaltungsgerichte, Amts- und Landgerichte, des Bundeskartellamtes und der europäischen Kommissionen die gebotenen Konsequenzen zu ziehen, nämlich die EG-widrigen monopolistischen Bestimmungen unangewendet zu lassen.

Die Behörden der Beklagten hätten ferner nicht beachtet, dass die Klägerin als Vermittler von Sportwetten keine zusätzliche Erlaubnis benötige, da sie die Wetten an einen konzessionierten EU-Veranstalter vermittele. Die Vermittlung von Glücksspielen falle nicht unter § 284 StGB, so dass die Verbots Verfügung bereits insoweit fehlerhaft sei. Im Übrigen setze § 284 StGB keine deutsche Erlaubnis voraus.

Die Vorschrift scheide im Übrigen als Rechtsgrundlage aus, da sie nicht ausreichend bestimmt sei. Auch § 12 Abs. 1 Lotteriestaatsvertrag könne nicht als Rechtsgrundlage dienen, da ein Vertrag nicht die Dienstleistungsfreiheit oder Art. 12 GG beschränken könne. Schließlich scheide § 10 BremPolG aus, da bereits keine strafbare Handlung vorliege.

Durch die Verbotsverfügung habe die Beklagte sich gegenüber der Klägerin schadensersatzpflichtig gemacht. Ihr Schaden bestehe zum einen darin, dass sie nach wie vor verpflichtet sei, an den (…) und (…) Zahlungen zu leisten, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten. Die Gegenleistung sei weit höher zu bewerten als der zu zahlende Betrag.

Ferner habe sie unnütze Kosten für Merchandising- und Marketingartikel aufgewandt. Schließlich könne sie auch die bisher aufgewandten Prozesskosten als Schaden verlangen. Da in Zukunft noch weitere Schäden, insbesondere durch die weitere Zahlungsverpflichtung und weitere Prozesskosten entstünden, sei auch der Feststellungsantrag begründet.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.908.039,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 2.987.820,71 € seit dem 31.01.2007 und auf weitere 2.920.218,50 € seit dem 05,12.2007 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr durch die gegen den (…) und gegen die (…) sowie gegen die (…) gerichteten für sofort vollziehbar erklärten Untersagungsverfügungen vom 07. Juli 2006 entstehen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Klägerin sei nicht aktiv legitimiert, da sie gegenüber ihr keinen Verwaltungsakt erlassen habe und sie daher als Vermittler der Wetten keinen Schaden durch das Verbot erleide, sondern allenfalls die Firma (…), die die Sportwetten veranstalte. Da die Beklagte die Verbotsverfügungen weder gegenüber dem (…) noch gegenüber (…) vollstreckt habe, sei sie nicht passiv legitimiert.

Im Übrigen lägen die Voraussetzungen eines europarechtlichen Staatshaftungsanspruchs nicht vor, da es an einer hinreichend qualifizierten Verletzung des Gemeinschaftsrechts fehle. Das deutsche Sportwettenmonopol sei mit dem Europarecht vereinbar. Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der EuGH (vom 06.03.2007 "Placanica") billige den Mitgliedsstaaten die freie Regulierung des Sportwettenrechts zu und halte das Sportwettenmonopol in Deutschland für gerechtfertigt.

Das Bundesverwaltungsgericht habe festgestellt, dass die sog. DDR-Genehmigung im Bundesland (…) keine Gültigkeit besitze. Dies werde sowohl in der zivilrechtlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung als auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechend beurteilt. Das Stadtamt habe dieser Rechtsprechung vertrauen und die Verfügung auch auf § 284 StGB stützen dürfen.

Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass die Firma (…) berechtigt sei, legal Sportwetten in ganz Europa, unter Einschluss des Territoriums von Gibraltar, zu veranstalten und zu bewerben. Einen kausalen Schaden habe die Klägerin nicht schlüssig vorgetragen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz zu.

1.

Für einen Amtshaftungsanspruch fehlt es bereits am Verschulden der Beklagten; deshalb kann dahinstehen, ob angesichts des noch schwebenden Hauptsacheverfahrens schon jetzt eine Schadensersatzklage möglich ist.

Nach dem objektivierten Sorgfaltsmaßstab, der im Rahmen des § 839 BGB gilt, kommt es für die Beurteilung des Verschuldens auf die für die Führung des übernommenen Amtes im Durchschnitt notwendigen Rechts- und Verwaltungskenntnisse und Fähigkeiten an. Bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung hat der Amtsträger die Gesetzes- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und danach aufgrund vernünftiger Überlegungen sich eine Rechtsmeinung zu bilden.

Unrichtige Auslegung ist daher vorwerfbar, wenn sie gegen den klaren Wortlaut einer Vorschrift oder gegen eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung verstößt. Nicht jeder objektive Rechtsirrtum begründet einen Schuldvorwurf. Kann die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene und auf vernünftige Überlegungen gestützte Beurteilung des Beamten als rechtlich vertretbar angesehen werden und hält dieser an ihr bis zur Klärung der Rechtslage fest, so fällt ihm kein Verschulden zur Last, auch wenn seine Auffassung später von den Gerichten nicht geteilt wird (st. Rspr. vgl. BGH NVwZ 98, 1329 ff, Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., 2007, § 839 RN 52, 53 m.w.N.).

a. Vorliegend hat das Stadtamt der Beklagten sich zur Begründung der Untersagungsverfügung ausdrücklich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 (1 BvR 1054/01) bezogen, die im Grundsatz jedenfalls für einen Übergangszeitraum das staatliche Sportwettenmonopol toleriert.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt, es sei mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar, dass nach dem Gesetz über die vom Freistaat Bayern veranstalteten Lotterien und Wetten (Staatslotteriegesetz) vom 29.04.1999 in Bayern Sportwetten nur vom Freistaat Bayern veranstaltet und nur derartige Wetten gewerblich vermittelt werden dürfen, ohne das Monopol konsequent am Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren auszurichten. Es hat dem Gesetzgeber daher aufgegeben, bis zum 31.12.2007 eine Neuregelung unter Beachtung der Vorgaben der Entscheidung herbeizuführen.

Entscheidend hat das Bundesverfassungsgericht aber bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit darauf abgestellt, dass das staatliche Wettmonopol dann gerechtfertigt und damit verfassungsgemäß sei, wenn der Freistaat Bayern durch materiellrechtliche Regelungen und strukturelle Sicherungen das Erreichen der mit seinem Monopol verfolgten Ziele gewährleiste (BVerfG NJW 2006, 1261 ff, 1264).

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben, dass Hauptzweck für die Errichtung eines staatlichen Wettmonopols und die dadurch beabsichtigte Begrenzung und Ordnung des Wettwesens die Bekämpfung der Spielund Wettsucht sei. Dabei handele es sich um ein besonders wichtiges Gemeinwohlziel (BVerfG NJW 06, 1261 ff, 1263).

Das Bundesverfassungsgericht hat weiter ausgeführt, nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung stehe fest, dass Glücksspiele und Wetten zu krankhaftem Suchtverhalten führen können. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe die pathologische Spielsucht in die internationale Klassifikation psychischer Störungen (1CD-10) aufgenommen. Ohne dass abschließend zu klären sei, inwieweit angesichts dieses Befundes nach Art. 2 Abs. 2 S.1 GG eine Pflicht des Staates zum Schutz der Gesundheit der Bürger bestehe, sei die Vermeidung und Abwehr von Suchtgefahren jedenfalls ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel, da Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre Familien und für die Gemeinschaft führen könne.

Das Bundesverfassungsgericht hat darüber hinaus weitere legitime Ziele für die gesetzliche Errichtung eines staatlichen Wettmonopols anerkannt. Der Gesetzgeber habe auch davon ausgehen dürfen, dass ein staatliches Wettmonopol ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Erreichung dieser legitimen Ziele darstelle (BVerfG a.a.O. S. 1264).

Das in Bayern errichtete staatliche Wettmonopol stelle jedoch in seiner gegenwärtigen gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Den an entsprechender beruflicher Tätigkeit interessierten Bürgern sei der - strafbewehrte - Ausschluss gewerblicher Wettangebote durch private Wettunternehmen nur dann zumutbar, wenn das bestehende Wettmonopol auch in seiner konkreten Ausgestaltung der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischem Spielverhalten diene.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht zwar die Unvereinbarkeit des in Bayern bestehenden staatlichen Wettmonopols mit Art. 12 Abs. 1 GG festgestellt, aber zugleich dem Gesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt, den Verfassungsverstoß zu beseitigen und hierfür eine Frist bis zu 31.12.2007 gesetzt. Während der Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung bleibe die bisherige Rechtslage mit der Maßgabe anwendbar, dass der Freistaat Bayern unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung seines Monopols andererseits herzustellen habe.

Das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten, die nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet werden, dürfe weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden (BVerfG a.a.O. S. 1267).

Die Beklagte durfte davon ausgehen, dass das Bundesverfassungsgericht das (…) Wettmonopol nicht anders bewerten würde und daher auch ordnungsrechtliche Verfügungen - jedenfalls für einen Übergangszeitraum - weiterhin zulässt. Die Geltungserstreckung auch für andere Bundesländer hat das OVG Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2006 (ZfWG 2006, 318) ausdrücklich bestätigt.

b. Da die (…) keine (…) Erlaubnis hatte, konnte die Klägerin sich nicht auf eine möglicherweise in Gibraltar bestehende Erlaubnis stützen. Auch dies steht im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. hierzu OLG Bremen Az. 2 U 39/04 Urteil vom 11.11.2004 S. 14 ff), die die Beklagte zugrunde legen durfte. Hinsichtlich der Ungültigkeit der DDR-Erlaubnis hat sich das Stadtamt wiederum ausdrücklich auf höchstrichterliche Rechtsprechung - auch des Bundesverwaltungsgerichts (NVwZ 06, 1175 ff) - bezogen.

Die diese Entscheidung aufhebende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.11.2007 (Az. 1 BvR 2218/06) konnte dem zum einen nicht entgegenstehen, da sie erst nach der Verfügung des Stadtamtes erging. Zum anderen betraf der dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zugrunde liegende Fall auch eine Verbotsverfügung, die vor der Entscheidung des BVerfG vom 28.06.2006 ergangen war. Die Entscheidung des Stadtamtes war somit jedenfalls vertretbar.

c. Eine Amtspflichtverletzung ergibt sich auch nicht daraus, dass das Stadtamt die sofortige Vollziehung der nach wie vor nicht bestandskräftigen Untersagungsverfügung angeordnet hat. Zwar hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 27.04.2005 (NVwZ 05, 1303) ausgeführt, dass das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts in der Regel gegeben sei, wenn durch den Verwaltungsakt strafbares Verhalten unterbunden werden soll.

Dies setze jedoch voraus, dass die Strafbarkeit des in Rede stehenden Verhaltens im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Ist die Anwendbarkeit der Strafnorm zum Beispiel aus europarechtlichen Gründen zweifelhaft (hier: die gemeinschaftsrechtliche Vereinbarkeit des § 284 Abs. 1 StGB), bedürfe es wegen der grundrechtsgewährleistenden Funktion effektiven Rechtsschutzes der Benennung von über die Strafbarkeit hinausgehender konkreter Gefahren für das Aligemeinwohl.

Im dort zu entscheidenden Fall hatte das Landratsamt das vorrangige öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung mit der Verhinderung der weiteren Begehung von Straftaten bis zum Abschluss eines möglicherweise mehrjährigen Widerspruchs- und eventuellen Klageverfahrens begründet. VG und VGH hatten diese Ansicht gestützt. Das Bundesverfassungsgericht hat der Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen stattgegeben, da diese Begründung nicht ausreiche. Hier liegt der Fall anders.

Das Stadtamt hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht lediglich auf die Strafbarkeit gemäß § 284 StGB gestützt. Es hat vielmehr im Einzelnen ausgeführt, welche speziellen Gefahren für die Allgemeinheit drohen. Zum einen hat es auf die Gefahr der Spielsucht und des Vermögensverlustes hingewiesen, insbesondere weil der Sport eine hohe Jugendaffinität aufweise, so dass die Werbung für entsprechende Wetten auch unter dem Aspekt des Jugendschutzes besondere Gefahren mit sich bringe.

In diesem Zusammenhang hat das Stadtamt sich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.06.2006 berufen, das diese Gefahren ebenfalls hervorhebt. Ferner hat das Stadtamt sich auf eine Entscheidung des OVG NRW vom 28.06.2006 (4 B 961/06) gestützt, das in einem vergleichbaren Verfahren ausgeführt hat, dass die Interessenabwägung ergebe, dass das Suspensivinteresse des Antragsteilers hinter die öffentlichen Interessen zurücktreten müsse. Bei der Beurteilung des Verschuldens, muss vor diesem Hintergrund davon ausgegangen werden, dass das Stadtamt sich die obergerichtliche Rechtssprechung zu Eigen machen durfte.

2.

Auch ein europarechtlicher Staatshaftungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte ist nicht gegeben.

Voraussetzung hierfür ist, dass ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vorliegt. Hier fehlt es bereits an einem hinreichend qualifizierten Verstoß. Von einem solchen Verstoß kann nur die Rede sein, wenn der Mitgliedsstaat bzw. dessen handelndes Organ die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat (EuGH-Urteil vom 05.03.1996 "Brasserie du Pecheur", NJW 96, 1267 ff, 1270). Da es vorliegend weder um legislatives noch um judikatives Unrecht geht, kommt es insoweit allein auf das Ermessen der Beklagten (also des Stadtamtes) an.

Im Rahmen des europäischen Staatshaftungsanspruchs ist für die Frage, ob ein offensichtlicher Verstoß vorliegt, auf folgende Gesichtspunkten abzustellen, die das zuständige Gericht gegebenenfalls zu berücksichtigen hat: das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschriften, der Umfang des Ermessensspielraums, den die verletzte Vorschrift den nationalen oder Gemeinschaftsbehörden belässt, die Frage, ob der Verstoß vorsätzlich oder nicht vorsätzlich begangen oder der Schaden vorsätzlich oder nicht vorsätzlich zugefügt wurde, die Entschuldbarkeit oder Unentschuldbarkeit eines etwaigen Rechtsirrtums und der Umstand, dass die Verhaltensweisen eines Gemeinschaftsorgans möglicherweise dazu beigetragen haben, dass nationale Maßnahmen oder Praktiken in gemeinschaftsrechtswidriger Weise unterlassen, eingeführt oder aufrechterhalten wurden (EuGH-Urteil vom 05.03.1996 "Brasserie du Pecheur", NJW 96, 1267 ff, 1270).

Jedenfalls ist ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht offenkundig qualifiziert, wenn er trotz des Erlasses eines Urteils, in dem der zur Last gelegte Verstoß festgestellt wird, oder eines Urteils im Vorabentscheidungsverfahren oder aber einer gefestigten einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofes, aus denen sich die Pflichtwidrigkeit des fraglichen Verhaltens ergibt, fortbestanden hat (EuGH a.a.O.). Unter Zugrundelegung dieser Gesichtspunkt ergibt sich kein offensichtlicher Verstoß.

Nicht nur das höchste nationale Gericht, das Bundesverfassungsgericht, sondern auch der europäische Gerichtshof hat den Mitgliedsstaaten einen Handlungsspielraum hinsichtlich der Regulierung von Wetten eingeräumt bis hin zur Rechtmäßigkeit von Wettmonopolen. In der Entscheidung in der Rechtssache C-243/01 ("Gambelli") vom 06.11.2003 (NJW 04, 139 ff) hat der EuGH zwar zunächst ausgeführt, dass eine nationale Regelung, die - strafbewehrte - Verbote der Entfaltung der Tätigkeit des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere Sportwetten, enthalte, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Art. 43 und 49 EG darstelle, wenn der betreffende Mitgliedsstaat keine Konzession oder Genehmigung erteile.

Er hat jedoch auch ausgesprochen, dass die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, die mit Spielen und Wetten einhergehen, es rechtfertigen können, dass die staatlichen Stellen über ein ausreichendes Ermessen verfügen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben (EuGH a.a.O. Nr. 63).

Ob die Beklagte hier überhaupt einen Ermessensspielraum hatte, keine Untersagungsverfügung zu erlassen ist bereits fraglich. Jedenfalls hat sie ihr Ermessen nicht offenkundig oder erheblich überschritten, da sie den Vorgaben der höchsten Gerichte ihres Landes gefolgt ist und sich in dem vom EuGH eröffneten Rahmen gehalten hat.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.