Hausverlosung in Deutschland: Mit beiden Beinen im Gefängnis?

Es ist nicht zu übersehen. Deutschland hat im Bereich des Glücksspiels einen neuen Boom: die Hausverlosung. Es bleibt abzuwarten, ob die aktuelle Begeisterung ähnlich lange anhalten wird wie die Poker-Hysterie.
Hinweis: Es gibt inzwischen auch ein SWR-Radio-Interview mit RA Dr. Bahr zu den rechtlichen Rahmenbedingungen bei Hausverlosungen.


Update 27.04.2011:
Der BGH hat die strafrechtliche Verurteilung des "winyourhome.de"-Betreibers rechtskräftig bestätigt.

Update 30.03.2010:
Der Betreiber von "winyourhome.de" wurde wegen illegalem Glücksspiel und wegen Betruges in knapp 19.000 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren auf Bewährung verurteilt. Weitere Infos hier.

Update 06.03.2010:
Der Betreiber von "winyourhome.de" ist wegen illegalem Glücksspiel und wegen Betruges in knapp 19.000 Fällen angeklagt. Weitere Infos hier.

Update 25.02.2010:
Zu diesem Themenkomplex gibt es jetzt auch unseren zweiteiligen Podcast "Hausverlosungen in Deutschland: Rechtlich möglich?": Teil 1 und Teil 2.

Update 12.02.2009:
Inzwischen liegt die 1. gerichtliche Entscheidung (VG München, Beschl. v. 09.02.2009 - Az.: M 22 S 09.300) in Deutschland zu Hausverlosungen vor. Kläger war winyourhome.de, der vor Gericht scheiterte. Es bleibt aber dabei, trotz der aktuellen negativen Entscheidung aus München: Hausverlosungen sind in Deutschland bei der richtigen inhaltlichen Ausgestaltung rechtlich möglich!




Angefangen hat die gesamte Entwicklung vor wenigen Monaten in England und Österreich. Dort veräußerten Privatpersonen ihre Immobilien im Rahmen von selbst durchgeführten Lotterien an Dritte. Gerade in Zeiten einer globalen Wirtschaftskrise, die insbesondere die Immobilienbranche trifft, findet diese neue Form des Verkaufs reges Interesse in der Öffentlichkeit.

Zu berücksichtigen ist dabei jedoch die sehr restriktive Gesetzeslage in Deutschland.

Denn Glücksspiele ohne staatliche Genehmigung sind in Deutschland strafbar. Eine staatliche Genehmigung erhalten private Personen oder Unternehmen grundsätzlich nicht. Wer gleichwohl ein Glücksspiel veranstaltet, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht.

Die Gretchenfrage ist nun: Sind Hausverlosungen Glücksspiele? Oder sind sie keine?


Die gute Nachricht vorweg: Hausverlosungen sind in Deutschland möglich!

Die gute Nachricht vorweg: Auch in Deutschland ist es grundsätzlich möglich, Hausverlosungen durchzuführen. Dabei sind jedoch die Rahmenbedingungen im konkreten Einzelfall entscheidend.

So sind die derzeit in Deutschland durchgeführten Hausverlosungen, allen voran "Winyourhome.de", auf die eine oder andere Weise rechtswidrig oder sogar strafbar.

Um es aber noch einmal zu betonen: Bei richtiger Ausgestaltung sind Hausverlosungen rechtlich möglich. Es kommt eben nur maßgeblich auf die Ausgestaltung im Einzelfall an.


Der uralte Trick: Mach aus einem Glücksspiel ein Gewinnspiel!

Im Bereich des Glücksspiels ist es ein uralter, aber vollkommen legaler Trick, den schon viele Veranstalter verwendet haben: Nämlich die Ausgestaltung eines Spiels so zu ändern, dass aus einem an und für sich illegalen Glücksspiel ein rechtmäßiges Gewinnspiel wird.

Denn Gewinnspiele darf in Deutschland jeder durchführen, ohne dass der Veranstalter besonderen gesetzlichen Regelungen unterliegt.

Die Juristen bestimmen anhand von zwei Kriterien, ob ein Spiel ein Glücksspiel oder ein Gewinnspiel ist. Da ist zum einen das Merkmal „erheblicher Einsatz“, zum anderen die „Zufallsbezogenheit“. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Ist bereits eine der beiden Voraussetzungen zu verneinen, handelt es sich um kein strafbares Glücksspiel, sondern um rechtmäßiges Gewinnspiel.

Da bei den Hausverlosungen die Einsätze in aller Regel im zwei- oder dreistelligen Euro-Bereich liegen, ist das Merkmal „erheblicher Einsatz“ hier stets zu bejahen. Somit kommt der Voraussetzung der „Zufallsbezogenheit“ entscheidende Bedeutung zu.

Nach der Rechtsprechung liegt Zufall vor, wenn das Spielergebnis „vom Wirken unberechenbarer, dem Einfluss der Beteiligten entzogener Ursachen abhängt“. Oder anders formuliert: Kein Zufall liegt vor, wenn der Ausgang des Spiels vom Wissen oder der Geschicklichkeit des Spielers abhängt.

D.h. die Veranstaltung einer Lotterie mit einem Einsatz von 100,- EUR pro Mitspieler ist problemlos möglich, wenn der Ausgang des Spiels rein von Wissensfragen à la „Wer wird Millionär?“ bestimmt wird.

Durch eine entsprechende Umgestaltung kann so aus einem ursprünglich verbotenen Glücksspiel plötzlich ein erlaubtes Gewinnspiel werden.


Die aktuelle Situation

Es ist jedoch außerordentliche Vorsicht geboten bei einer solchen Umgestaltung. Denn nur, wenn die Angelegenheit wirklich hieb- und stichfest ist, ist mit keinem Besuch der Staatsanwaltschaft zu rechnen.

Eben diese juristische Sorgfalt ist bei den derzeitigen Hausverlosungen in Deutschland nicht erkennbar.

"Winyourhome.de" z.B. steht mit 1,5 Beinen in der Strafbarkeit. Dort werden zwar auch Wissensfragen gestellt. Die Wissensabfrage ist jedoch nur der 1. Schritt. In einem zeitlich späteren 2. Schritt werden die 100 Gewinner aus den Teilnehmern, die die Fragen richtig beantwortet haben, gelost. Also klassischer Zufall.

"Winyourhome.de" bedient sich somit also eines sogenannten gemischten Spiels, in dessen Ablauf sowohl Wissenselemente (Fragen) als auch Zufallselemente (Verlosung) vorkommen. Bei solchen gemischten Spielen ist anhand von objektiven Kriterien zu bestimmen, wo genau der Schwerpunkt liegt: Eher im Bereich der Fragen? Oder doch eher im Zufall?

Es liegt auf der Hand, dass eine solche Einschätzung stets sehr subjektiv geprägt ist und stark von der Person des Beurteilenden abhängt. Und in diesem Fall ist der Beurteilende zunächst die Staatsanwaltschaft und später das Gericht.

Dies bedeutet nun: Die Ausgestaltung von Hausverlosungen à la "Winyourhome.de" hängt am juristischen seidenen Faden. Ist das Gericht der Ansicht, dass der Schwerpunkt bei der späteren Losziehung liegt, dann liegt eine Straftat vor. Ist es dagegen der Meinung, dass beide Elemente zumindest gleichwertig sind oder der Wissensbereich überwiegt, handelt es sich um ein erlaubtes Gewinnspiel.

Eine Prognose, wie ein Staatsanwalt und später ein Gericht das Spiel beurteilen werden, ist kaum seriös abzugeben. Dafür ist diese Spielform noch viel zu neu und in der Rechtsprechung bislang nicht Gegenstand von Entscheidungen gewesen. Auch Stellungnahmen von örtlichen Verwaltungsbehörden wie dem zuständigen Ordnungsamt helfen in der Praxis nicht wirklich weiter, da diese nicht die rechtliche Befugnis haben, über die Strafbarkeit bzw. Nichtstrafbarkeit einer Hausverlosung zu entscheiden.


Rechtsfolgen auch für Mitspieler

Handelt es sich bei einer Hausverlosung um ein verbotenes Glücksspiel, hat dies nicht nur Folgen für den Veranstalter; sondern zugleich auch für alle Mitspieler.

Denn auch der Mitspieler, der an einem verbotenen Glücksspiel lediglich teilnimmt, macht sich strafbar (§ 285 StGB). Die Tat ist mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 6 Monaten bedroht.

Auch zivilrechtlich hat das Vorliegen eines Glücksspiels ganz praktische Folgen: Da das Spiel gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist der gesamte Spielvertrag unwirksam. Mit der Konsequenz, dass Veranstalter und Mitspieler jeweils keine Rechte mehr gegeneinander haben. Der Veranstalter ist nicht verpflichtet, die versprochene Immobilie zu übergeben, der Mitspieler ist nicht verpflichtet, seinen Spielbeitrag zu entrichten. Bereits bezahlte Spielbeiträge kann der Spieler auch nicht mehr zurückfordern.


Weitere rechtliche Probleme

Nur am Rande soll erwähnt werden, dass auch bei der Ausgestaltung einer Hausverlosung als Gewinnspiel der Veranstalter sich natürlich an gewisse Spielregeln halten muss. Diese Regeln sind aber weitaus liberaler als die glücksspielrechtlichen Bestimmungen.

So müssen z.B. im Rahmen eines Gewinnspiels die Teilnahmebedingungen hinreichend klar und deutlich sein (sog. Transparenzgebot). Im Beispiel "Winyourhome.de" ist dies eben gerade nicht der Fall. Denn in den Teilnahmebedingungen findet sich kein Wort darüber, dass die Verlosung nur dann durchgeführt wird, wenn am Stichtag auch tatsächlich alle Lose verkauft wurden. Andernfalls wird der Zeitraum verlängert. Einen entsprechenden Hinweis sucht der Mitspieler hier vergeblich.

Aber nicht nur wettbewerbsrechtlich ist "Winyourhome.de" bedenklich. Auch unter gewerberechtlichen Aspekten bedarf es einer näheren Betrachtung. Denn wer ein Geschicklichkeitsspiel gewerbsmäßig anbietet, bedarf grundsätzlich einer gewerberechtlichen Erlaubnis. Eine solche wird bei einer Ausgestaltung wie "Winyourhome.de" jedoch i.d.R. versagt werden, da bereits - wie oben erläutert - durch leichte Veränderung der Spielbedingungen aus dem Gewinnspiel wieder ein Glücksspiel gemacht werden kann. In solchen Fällen, in denen die nicht unerhebliche Gefahr einer Manipulation besteht, bestimmt das Gesetz ausdrücklich, dass keine ordnungsrechtliche Erlaubnis erteilt werden kann (§§ 33 d Abs. 2, 33 e Abs. 1 S. 2 GewO).


Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich also festhalten:

1. Hausverlosungen sind nach deutschem Recht möglich. Es bedarf nur der richtigen Ausgestaltung.
2. Die derzeit durchgeführten Hausverlosungen sind auf die eine oder andere Weise rechtswidrig, wenn nicht sogar strafbar.
3. Eine strafbare Hausverlosung hat nicht nur Konsequenzen für den Veranstalter, sondern auch reale Auswirkungen auf den Mitspieler. Angefangen beim Totalverlust seines Einsatzes bis hin zur eigenen Strafbarkeit.